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| 1rAesthetik

bei dem Herrn Professor Schleiermacher in Berlin 1825.

Einleitung

Man sollte zuerst eine Definition von einem Gegenstande geben und doch kann diese wiederum nur das Letzte seyn. Hier ist eine besondere Schwierigkeit, die nur gelöst werden kann, indem man in das Geschichtliche eingeht. Den Namen Aesthetik findet man zuerst in der wolfisch-baumgartenschen Schule. Der Name Aesthetik und die Erklärung: Theorie der Kunst passen nicht zusammen. Wie sind beide zusammengekommen? – Man hat unter dem Namen Aesthetik etwas behandelt als Gegenstück der Logik. αἴσθησις ist der subjective Ausdruck des Gemeinschaftlichen von ἡδονή und λύπη. Die subjektive Seite derselben ist Empfindung , die objective Wahrnehmung ; durch letztere entstehen Vorstellungen. Dann sagte man: Die Logik hat es nur zu thun mit den allgemeinen Begriffen, ihrer Verbindung und Trennung; aber die Erscheinung entsteht uns durch die Sinne. Wie die allgemeinen Begriffe der Wahrnehmung unter einander abgehandelt werden, so gehört also die Aesthetik auch zur Logik als Gegenstück. Aesthetik hat es zu thun mit durch sinnliche Wirkungen hervorgerufenen Begriffen, Urtheilen, Schlüssen. Bald sagte man: weil ein einhelliges Urtheil gefällt werden soll mit der Wahrnehmung durch das Prädicat statt eines allgemeinen Begriffs, so gehört dasselbe schon in die Logik; doch kam man nun darauf, das Gebiet der sinnlichen Wirkungen zu unterscheiden. Es lag in der Sprache vorhanden und in derselben ein eigenthümlicher Unterschied von sinnlichen Vorstellungen, Wörtern und intellektuellem Gehalt. Man fand nun dieses in der Beredsamkeit und Dichtkunst und sah | 1v beide als den eigentlichen Sitz dieser uneigentlichen, sinnlich-bildlichen Ausdrücke an. Es wurde also die Aesthetik die richtige Anwendung der Bilder, Theorie der schönen Rede. Nun nennt man die Theorie der Wahrnehmung die allgemeine Aesthetik , und diejenige, die sich auf die schöne Rede bezieht, die specielle – aus der letzteren ist nun unsre geworden, die wieder in die Logik gekommen.

Wie rechtfertigt es sich, daß man diese Regeln mit diesem Namen bezeichnet? Man sagt: was durch die Wirkung der Redekunst und Dichtkunst hervorgebracht wird, muß auch mit Empfindung hervorgebracht werden. So kommt es darauf an, die Theorie dieser Empfindungen vorzutragen. So kam man auf das allgemeine Gebiet. Jene eigentlich genannte Aesthetik hat es zu thun mit der sinnlichen Empfindung; diese Aesthetik hat es zu thun mit der Theorie derjenigen Empfindungen, welche wir das Schöne nennen und welchen wir eine höhere Neigung(?) anweisen, als den sinnlichen, weil ihr Ursprung kein sinnlicher ist, sondern aus einer Composition von Vorstellungen, welche wesentlich intellectuellen Gehaltes sind. Man fand nun die Theorie der Beredsamkeit des Aristoteles und schon bei Aristoteles war es eine alte Bestrebung, schon vor Platon. Für die Dichtkunst fand man auch schon die Poetik bei Aristoteles. Die Gegenstände mußten geschieden werden. Bei den Alten war die Beredsamkeit etwas Politisches. Es kam auf einen Entschluss an; das Schöne der Rede – das Musikalische und Metrische – war nur Mittel. Es kommt oft mehr auf den Schein als auf die Wahrheit an. Daher kommen wir darauf zurück, was in der Rede die Wirkung hervorbringt, die wir schön nennen. Das Ganze theilt sich in die Poesie und Prosa und daraus entstand die Theorie der Wohlredenheit und Dichtkunst. Hier sind wir auf dem Wege zu dem, was wir jetzt Aesthetik nennen. Aber die Dichtkunst und Beredsamkeit erschöpfen nicht was wir Kunst nennen. Wir müssen also noch einen andren Anknüpfungspunkt haben. Summiren wir Malerei und Plastik: bildende Künste. | 2r Es ist ein ganz andres Gebiet und doch sprechen wir von Schönheit. Auf welcher Thätigkeit des Künstlers beruht es, daß seine Wirkung die Wirkung des Schönen hervorbringt? So war man auf dem Wege der Theorie der bildenden Kunst. Kommt es aber in den bildenden Künsten auch auf das Schöne an, so muß es auch eine gemeinschaftliche Theorie desselben geben, und da nun alle Künste auf die Wirkung des Schönen zurückkommen, so muß es auch eine allgemeine der Künste geben. Der Name Aesthetik war Empfindung; wir beziehen ihn aber auf die Empfindung des Schönen und es sind daher Aesthetik die Principien in der Theorie aller Kunst, so fern sie sich auf die Wirkung des Schönen beziehen. Dieses ist die Rechtfertigung des Namens.

Sollen allgemeine Principien in allen Künsten gebildet werden, so gehen wir hier aus von der Wirkung der Empfindung des Schönen. Es kommt darauf an dieses Gebiet in allem, was Empfindung zu nennen ist, zu trennen und auf der andren Seite wird diese wieder(?) hervorgebracht durch das Kunstwerk und es fragt sich, was dies für ein Kunstwerk sei? Es wird sich zeigen, daß wir hier eine Sonderung zu machen haben. – Da diese Disciplin noch neu ist, so müssen wir beobachten, wie das, was eben Wissenschaft werden will, aus dem gemeinen Leben heraus entsteht. – Finden wir unsre Wissenschaft in einem Complex von Wissenschaften, so könnten wir ganz anders zu Werke gehen, wir bräuchten nur ihre Principien aus jenen zu entlehnen. Da aber die Aesthetik erst im Werden ist, so ist auch ihr wissenschaftlicher Ort im Werden. – Es kommt hier darauf an, das Schöne zu entwickeln und in der Kunst zu sondern. Dieses wäre also unser erstes Geschäft. Aber auf diesem Wege würde man schwerlich zu einer wissenschaftlichen Bestimmtheit gelangen, und so ist es ein vergeblicher Versuch gewesen, die Sache von dieser Seite anzugreifen. Gesetzt man hätte schon gefunden, was schöne Kunst im engern Sinn sei, ja schon daß dieses wesentlich ein Ganzes mit sich bilde, und daß es dieses nothwendig geben müsse, und hätte die Frage so gestellt, worauf beruht es, daß durch die Wirkung aller dieser Künste die Wirkung des Schönen hervorgebracht wird, und gesetzt wir wüssten, wodurch die Wirkung eigenthümlich sei: so müssten wir immer sagen, die | 2v Künste sind menschliche Thätigkeiten, das Kunstwerk geht aus einer Reihe dieser Thätigkeiten hervor und wird angeschaut, es bringt den Eindruck des Wohlgefallens hervor und wir nennen es alsdann vollkommen und schön. Hier ist also zweierlei: in dem Einen wird der Eindruck hervorgebracht, der andre bringt den Gegenstand hervor, der den Eindruck bereitet. Wir unterscheiden leidende und thätige Zustände. Absolut ist keiner von beiden, keinen Zustand giebt es, der so leidend wäre, daß er nicht im geringsten thätig seyn sollte. Aber diese Thätigkeit sehen wir an, als etwas, das nur hervorgebracht wird dadurch, daß auf uns eingewirkt wird. Wenn ich ein Kunstwerk anschaue, so übe ich eine Thätigkeit aus, aber der Zustand ist leidend dabei. Das Letzte nur ist das Urtheil, also die größte Thätigkeit, aber entstehend durch die Wirkung des Gegenstandes, durch die Thätigkeit des andern. Wie nun das Geschmacksurtheil nur der thätigste Punct im leidenden Zustand ist, aber die Thätigkeit dessen, der das Kunstwerk hervorbrachte, das Primitive ist, d.h. der Künstler wird der leitende, der Beschauende der folgende ist, jener bestimmt, dieser bestimmt wird: so sollte etwa doch letzterer nach seinem Geschmacksurtheil die Principien angeben, worauf jener sich zu richten hat? Das wäre verkehrt. Man betrachte nur: Geschmack ist die Art, wie einer etwas schön findet, was der andre vielleicht nicht schön findet; das wiederholt sich und wir schreiben dem einen einen andren Geschmack als dem andren zu. Aber das sollte doch nicht siegen, sie sollten denselben Geschmack haben. Gesetzt sie hätten denselben, soll der Künstler seine Regeln von diesem Geschmacksurtheil hernehmen? D.h. soll der Producirende sich die Regel geben lassen von einem, der nur den Ansatz zur Production macht und folglich der Unvermögende ist? Ansatz zur Production ist so zu verstehen, es ist keine Aufnahme eines Kunstwerks in sich denkbar ohne ein gewisses Nachbild des innern Sinnes: es ist nothwendig, daß, wenn man ein Urtheil über relative Vollkommenheit | 3r fällt, man in Bezug auf das vorhandne Unvollkommne etwas Besseres im Sinne hat; aber man kann es nicht produciren, nur die Anfänge zum Produciren sind da. Es ist also unrichtig, daß aus der Art zu urtheilen die Theorie zu der Kunst gegeben werden soll. Dazu kommt noch: wenn wir sagen das Urtheil über das Verhältniß eines Kunstwerks zum Schönen, d.h. das Geschmacksurtheil fällt ein jeder nach seiner Art und Weise, und es einen guten und schlechten, einen gebildeten und ungebildeten Geschmack giebt, so fragt sich, wie entstehen diese Unterschiede und in welchem Verhältniß steht das Kunstwerk selbst mit denselben? Einmal es ist ein bestimmter Geschmack vorhanden, darauf arbeitet der Künstler; der andre umgekehrt, die Kunstproduction bildet den Geschmack. Welches ist die Natur und das Wahre? Arbeitet der Künstler nach teilweise Vorhandenem, so können wir es nicht als etwas Ursprüngliches ansehen, wie wir sollten; denn der Schauende ist doch, ehe das Werk ist, völlig Null. Der natürliche Verlauf ist, daß das Product das Ursprüngliche ist. Wenn das ist, so entsteht die Frage, worauf beruht das Geschmacksurtheil und was ist das richtige in der Kunstproduction. Es wird ganz falsch seyn, wenn wir vorzüglich(?) darauf sehen, wie das Wohlgefallen entsteht. Vielmehr ist zu berücksichtigen, wie entsteht das Kunstwerk, so daß es seinem Begriff entspricht? Denken wir uns das Umgekehrte: es besteht zu einer gewissen Zeit ein gewisser Geschmack, der Künstler arbeitet darauf. Wir müssen fragen, was sind die Kundigen? Offenbar der Künstler und dieser muß als solcher Regeln geben. Aber es ist teilweise Anderes, das Vermögen das Product in sich zu tragen und die Regeln aufzustellen. Würden die Künstler nach der Regel gefragt, warum sie dies so und so gemacht, so wissen sie wol die nächsten Gründe anzugeben, aber je weiter man in die Erfinder hineinfragt, desto weniger können sie Bescheid geben. | 3v Also das Vermögen der Rechenschaft darüber ist entweder im Publicum oder nirgends. Das ganze Publicum kann es nicht seyn, aber es leiten einige die ganze Masse; und was sind diese? Doch die, welche einer wissenschaftlichen Betrachtung fähig sind? Wie aber soll dies angestellt werden? Derjenige der fähig ist die Regel auszusprechen nimmt es von der Production, nicht vom Geschmacksurtheil.

Die Production haben wir gesagt ist das Erste. Daraus folgt, daß auf dieselbe Weise, wie das Verhältniß zwischen der Kunst und dem Beschauer entsteht, so auch fortbesteht d.h. die Künstler müssen immerfort auf das Geschmacksurtheil einwirken, aber nur auf eine solche Weise, daß die Beschauer sich das Element der wissenschaftlichen Betrachtung bilden und diese werden freilich wieder unmerklich auf die Production zurückwirken. Es ist gewiß, daß die Production das Urtheil weckt, aber auch, daß das Urtheil nicht so abhängig ist, daß es immer völlig beifällig seyn muß. Es kann ebenso gut mißfällig seyn. Einmal da das ganze Kunstgebiet und jedes einzelne Kunstwerk eine geschichtliche Erscheinung ist, also wachsend, so können wir uns das erste Kunstwerk nur unvollkommen denken. Da dies nun der Fall ist, so geht hervor, daß das Verhältniß zwischen Künstler und Kenner nicht ein in sich abgeschlossenes ist, daß man bei diesem Punct allein stehen bleiben könnte. Der Urtheilende muß ebenfalls in sich eine Regel tragen, unabhängig vom Künstler. Woher kommt ihm aber diese in der Freiheit von der Production? Sehen wir auf die Production als etwas geschichtlich Gegebenes: so kann das niemals genügen. Auf das Urtheilsvermögen allein zu sehen geht noch weniger. Haben wir die Ausgleichung zwischen beiden, dann ist auch gefunden welches das Maaß ist für das Verhältniß der Production zu ihrer Vollkommenheit. | 4r Diese Gleichung können wir jetzt noch nicht aufstellen. Wenn aber die Beantwortung der Frage geschehe, so müssen wir hinzufügen, worauf beruhen die Fortschritte der Production selbst? Wir würden also nur vor(?) der Einigung sicher seyn. Unser Interesse ist dieses, sowol die Regel des Urtheils als die bewußtlose Phase(?) des Künstlers als dieselbe zu zeigen. Stellen wir eine geschichtliche Betrachtung an, wie es mit unserer Disciplin in Hinsicht ihres Zieles steht, so scheint es, daß sie noch ihr wissenschaftliches Fundament sucht. Die Theorien verschiedener Völker und Zeiten sind nicht dieselben, selbst bei uns finden wir seit der Zeit, wo eigentlich das Bestreben nach Wissenschaftlichkeit anfing, alle Differenzen wieder, die sich auf anderen wissenschaftlichen Gebieten auch finden. Wir werden uns also beschränken müssen, wenn wir es nur dahin bringen, ein bestimmtes Bewußtseyn darüber zu entwickeln, in wiefern die Differenzen in den ersten Principien begründet sind. Dann werden wir schon etwas Bedeutendes geleistet haben. – In Beziehung auf jede einzelne Art der Production und des Urtheils müssen wir, was das Speculative, was das Empirische ist kennen, und aufeinander beziehen. Jetzt fahren wir fort mit obigem Punct. Ist das Geschmacksurtheil in seiner Ursprünglichkeit frei von dem Product – worin hat es dann seinen Grund und seine Regel? Aus dem Wunsche dies mit dem Fortschreiten des Producirens als dasselbe zu finden, ward auf die Frage, worauf sieht der Beschauende geantwortet auf die Natur. Der Künstler ahmt die Natur nach, die Beurtheilung nimmt sie als Maß. Dann hätten wir freilich eine Antwort, die für beides genügte. Auch eine anderweitige geschichtliche Betrachtung spricht dafür. Die Kunstproduction ist öfters beinahe Null. Wo besonders? Da, wo die Natur so wenig Productivität hat, zu kahl und unschön ist. Unter den Menschen fanden wir Regionen, wo sie barock und abentheuerlich sind. Wo? – wo es die Natur auch ist. Was wäre aber damit geholfen. Welch ein weiter unbestimmter Begriff ist die Natur? | 4v Denn ich muß fragen, was ist in der Natur, dann was zu beiden das Princip wäre. – Ist die Nachahmung der Natur in der ganzen Kunst anwendbar? Was ist eigentlich Natur? – Diese Fragen bei Seite gestellt, scheint es dem Bedürfniß nicht mehr angemessen, da man die Natur schaut, sie nachzuahmen. Fangen wir lieber beim Einzelnen an, weil es noch zu schwierig ist, die Aufgabe von oben herab zu lösen. Auch das Einzelne ist zwar noch nicht ganz in unserem Gebiete; aber über Einzelnes wissen wir schon, daß man es allgemein in unser Gebiet rechnet; so die Malerei, Sculptur, Dichtkunst, Musik. Schwieriger schon ist es mit der Baukunst; aber jeder wird doch glauben, daß es Kunstwerke gäbe, wo sich der Begriff des Schönen anwenden läßt. Wo kann(?) eigentlich die Nachahmung der Natur seyn? Welches ist die Natur? Ein jeder wird zugeben, die Kunst hat es zu thun mit natürlicher Fähigkeit des menschlichen Lebens und mit gar nichts anderem; wie die Musik, Gesang, die Redekünste. Sie hat es zu thun mit körperlicher Masse – aber in Beziehung auf die menschliche Natur, wie die Skulptur. Dasselbe ist bei der Malerei der Fall, natürlich in dem Fall, wenn diese und jene eben wirkliche Menschen nachahmt. So in der Architectur läßt sich eine mittelbare Beziehung auf das menschliche Leben anwenden. Wo ist in der Redekunst die Natur; wo die Nachahmung? Eine bestimmte Grenze wird niemand ziehen können; es geht unmittelbar ineinander über, nämlich wenn wir mit einander im gewöhnlichen Leben sprechen, so nennen wir es nicht Kunst, sondern Natur. Wir machen einen Unterschied zwischen schön und schlecht sprechen. Ersteres nähert sich dem, was wir Nachahmung der Natur nennen. Je mehr ausgebildet, desto mehr Kunst; und das wäre Nachahmung der Natur? Vergleichen wir ein paar Menschen, so werden wir den schlecht Sprechenden | 5r eine größre Bewußtlosigkeit, den andren ein größres Bewußtseyn zuschreiben. Bewußtlosigkeit verhält sich daher zum Bewußtseyn wie die unvollkommene Natur zur vollkommenen. Also wäre im gewöhnlichen Leben nur Annäherung der Kunst und nichts andres als die größre Vollkommenheit der Natur selbst. Stellen wir also dies auf, so werden wir sagen müssen, daß nirgends ein Abschnitt, eine Grenze, sondern vielmehr ein Fortschreiten Statt findet. Sagen wir nun, daß jenes Schöne im gewöhnlichen Leben die Nachahmung der Natur sei? Nein. Also können wir sie nicht in das zweifache(?) Verhältniß zur Kunst und Natur als Exponent setzen. Nachahmung der Natur ist also nicht das Richtige. Ein Beispiel sei das Drama. Das Drama ist gewöhnlich auf die wirkliche Darstellung bestimmt, die als redend eingeführten Personen werden zugleich in den körperlichen Bewegungen dargestellt, die Geschriebenen werden verwirklicht. Nähme man dies erst als Vollkommenheit in dieser Kunst, so daß die dramatische Poesie, so lange sie nur geschrieben ist, nicht vollkommene Kunst wäre, so könnte man sagen, die Nachahmung der Natur vollende hier. Nehmen wir hier nun Bewegung und Product der Stimme zusammen: so fragt sich, ist es wahr, daß der Vorstellende z.B. den Agamemnon nachahmt? Wir lassen unerwähnt, daß er ihn nie gesehen hat. Es wird vorausgesetzt immer Bewegung des Gemüths. Diese innren Bewegungen stehen mit den Ereignissen des Lebens zusammen; so entstehen Affecte im weiteren Sinn (παθήmατα). Der darstellende Künstler hat also den Agamemnon nicht gesehen; er hat aber andere in ähnlichen Verhältnissen gesehen, ahmt er diese nach? Soll die gesammte Darstellung nichts andres ausdrücken, als was im gewöhnlichen Leben der Mensch in ähnlichen Verhältnissen thut oder nicht? Die Nachahmung setzt ein Vorbild voraus. | 5v

Verhält sich nun der im Leben vorkommende Ausdruck der Gemüthsbewegung zu dem, was der darstellende Künstler thut, wie ein Vorbild? Man muß wol vielmehr zum Künstler sagen: Beobachte allerdings die Menschen, wie sie sich darstellen, aber hüte dich es ebenso zu machen, wie sie, sondern lege dein inneres Maß an und richte dich ganz nach diesem. Macht nun die Nachahmung den Künstler? Um desto weniger, je mehr Talent der Darstellung ihm zu Gebote steht. Kann er in sich die Gemüthsbewegung verwirklichen, so wird er in sich ein um so sichereres Maß haben. Sehen wir einen wirklich in Leidenschaft begriffenen Mann das Maß überschreiten, so sagen wir: wie faßt(?) du dich? Wir müssen also nicht ein Vorbild auf die künstlerische Darstellung setzen, sondern der Künstler hat das Vorbild für jene. – Nun können wir auch diese Bewegungen wieder losreißen von der Rede, und so sind sie Gegenstand einer besonderen Kunst: der Mimik. Betrachten wir diese für sich, wie sollen wir wol Natur und Kunst unterscheiden? Wenn Kinder in Freude herumspringen, so ist das ursprüngliche Natur. Vergleichen wir die Kinder, so wird sich bei einigen mehr Anmuth zeigen, als bei anderen. Also ist die Kunst nicht Nachahmung der Natur, sondern das Bessere in der Natur ist Annäherung zu dem, was die Mimik hervorbringt, so daß die Kunst nicht Nachahmung, sondern Vervollkommnung der Natur ist. – Nun sahen wir die Sache von einer anderen Seite an. Wir werfen jetzt die Mimik weg und bleiben blos bei dem dramatischen Dichter stehen. Nun wollen wir sagen, dies wäre eine Nachahmung der Natur. Betrachten wir einmal einen andren Dichter der uns Naturscenen darstellt entweder der bewegten oder der ruhigen Natur. Ist dies nun auch Nachahmung, so ist es doch etwas himmelweit Verschiednes von jener Nachahmung und wir werden ganz irr | 6r in dem Begriff der Dichtkunst. Denn sehe ich die Kunst aus jenem Begriff der Nachahmung an, so müßte ich diese beschreibende Dichtkunst zur Malerei rechnen. Der Natur schildernde Dichter und der Landschaftsmaler fielen in Eine Klasse. Kunst aber oder die Künste so unter sich zerreißen wollen. – Wie erreicht der beschreibende Dichter seinen Zweck? – indem er die Leser zu Malern macht. Denn er stellt ihnen ein zu Beschreibendes als Bild sinnlich dar. Je vollkommener diese innere Nachbildung ist, desto mehr hat er seinen Zweck erreicht. Also wäre er doch mittelbar ein Maler, indem er andere zu Malern macht. Man könnte nun sagen, daß der Historienmaler ein Dichter sei; denn er malt dramatische Momente. Er giebt dem Beschauenden Anstoß, innerlich ein dramatischer Dichter zu werden. Dieses Zerreißen in den Künsten scheint gegen jenen Begriff zu sprechen. – Wie ist es aber mit der Musik? wo ist hier Nachahmung der Natur? Es wird keiner sagen, daß diese Kunst Nachahmung des ursprünglichen Trillerns sei, sondern sie ist Vervollkommnung der Natur. Aber wo hätte die Instrumentalmusik in der Natur ihr Vorbild? Die Natur tönt gar nicht als in den Thieren. – und wir müssen sagen daß der Naturgesang des Menschen zu dem Gesange der Vögel sich nicht verhalte, wie die Nachahmung zum Vorbilde; denn der natürliche Gesang der Menschen ist eben so ähnlich, als der der Vögel. Aber wo ist die Instrumentalmusik hergekommen? Die unmittelbarste Nachahmung der Natur ist die Aeolsharfe, ist aber unglaublicher Weise erst spät erfunden und die geringste Kunst. Was für ein Vorbild hätte dann die Kunst, die dann(?) auch die Instrumente hervorbringt? – Es fände sich nichts anderes, als der Gesang. Aber es wäre das Willkührlichste zu sagen, jeder Ton eines Instruments hätte sein Vorbild in der Stimme eines Thiers. Die ungeheure Mannigfaltigkeit in der Instrumentalmusik ist vielmehr eine eigne Ahndung des Menschen | 6v in der unendlichen Welt der Töne. Nehmen wir die singenden Vögel aus, so finden wir nur Schall in der Natur, nicht Ton. Der Ton ist in der menschlichen Natur am vollkommensten gegeben. Es verschwindet also, wenn wir ins Einzelne gehen der Begriff der Nachahmung der Natur. Dieses werden wir auch sagen müssen in den Gebilden der Architectur. Es knüpft sich dieses an nichts Äußerliches in der Natur an, es ist eine bloße Gestaltung dessen, was der menschlichen Seele vorschwebte. Wenn wir nun diesen Gedanken der Kunst als Nachahmung der Natur aufgeben, müssen wir dann auch schon aufgeben, ein allgemeines Princip zu finden für das Schöne des Künstlers oder des Beschauers? Dies wäre zu viel. Liegt das Princip vielleicht in einem anderen außerhalb des Menschen, nur nicht gerade in der Nachahmung? Es ist doch gewiß, daß wir das Schöne in der Natur finden und zwar auf eine sehr ursprüngliche Weise, so daß wir sagen können, es wird früher in der Natur gefunden, als es die Kunst hervorgebracht hat. Vielmehr tritt da der Kunsttrieb am meisten hervor, wo die Natur am größten ist. Die Sache stellt sich so: Im Gebiete der Natur sind wir alle auffaßend, im Gebiete der Kunst einige auffaßend, andere hervorbringend. Ist dies ein anderes Auffassen, wodurch wir das Schöne in der Natur und das Schöne in der Kunst auffassen? Es ist dasselbe. Aber doch kann wol jemand Sinn haben für das Schöne in der Kunst, nicht aber für das in der Natur, so wie jemand einen Sinn haben kann für das Schöne in der Malerei und nicht für das Schöne in der Skulptur. Stellen wir das Schöne in der Natur der Kunst gegenüber, so müssen wir die Anlagen vergleichen. Wir können nun nicht sagen, es habe jemand Sinn für das Schöne in der Bildhauerei, aber nicht für die natürliche menschliche Gestalt, nicht, es habe jemand Sinn für das Schöne in der Dichtkunst und nicht für das Schöne im Gebrauch der Rede. Es stellt sich also anders, wenn wir die Anlage vergleichen. Ist es nun nicht dasselbe, | 7r wodurch der Künstler auffassend wird in Beziehung auf die Natur, hervorbringend in Beziehung auf die Kunst? Man kann nun sagen, daß beides ein und dasselbe sei – denn das Auffassen in der Natur ist auch zu einer Production verbunden. Ist nun das Schöne in der Natur und Kunst ein und derselbe Begriff, so sagen wir: wir müssen nicht auf die Auffassung sehen, sondern auf die Production – weil diese das größere ist. In Beziehung auf die Natur sind wir nur auffassend, in Beziehung auf die Kunst auch producirend und so scheint es, daß wir unsere Untersuchung an die Kunst anknüpfen können. Aber wir irren uns, wenn wir die ganze Naturproduction an das Schöne heften(?) wollten und fragen: worauf beruht sie? wie macht es die Natur da, wo uns das Schöne gegeben ist und da wo wir es vermissen? Wir würden uns in das Gebiet der Naturgeschichte verlieren und die eigentliche Production ist uns doch noch das größte Geheimniß und wir können nicht sagen, wie viel zum Schönen schon in der inneren Anlage des Wesens und wie viel in den äußerlich wirkenden Umständen, also im Zufälligen liegt. Könnten wir die Sache von dieser Seite angreifen, so wäre die Lösung gegeben, aber daß wir hier immer schwanken müssen, sehen wir voraus, wenn wir die Schönheit der Natur auch in der Gestaltung finden.

Wir werden unsre Aufgabe also daran knüpfen müssen: daß wir auf das Kunstvermögen in dem Menschen sehen. Wir können hier betrachten, wie die Idee der Production hier vorgebildet liegt, dann können wir uns die Production von Anfang an vor Augen stellen. Allerdings müssen wir uns das Ziel setzen, daß diese Betrachtung zu der anderen hinüberführt oder sie mit einschließt, denn es müssen sich die gemeinschaftlichen Begriffe für die Production des Schönen in | 7v der Natur ergeben. Auf diese Art kommen wir vorläufig ganz ab von dem, was uns den ältesten Namen dieser Disciplin verschafft hat. Aesthetik ist uns also nur Name für das Resultat der Betrachtungsweise, und wir haben uns Rechenschaft zu geben, in wiefern wir der Disciplin einen andren Namen: Theorie der Künste, substituiren. Aber was ist denn eigentlich unsre Aufgabe? und wie weit sind wir dazu gerüstet, unsre Aufgabe zu beginnen. Wir stehn immer noch in der Verwandtschaft der zwei Begriffe der Kunst und des Schönen. Beide haben wir gewonnen aus der Gebrauchsweise des gemeinen Lebens. Ist diese ein Fundament, worauf wir eine wissenschaftliche Betrachtungsweise gründen können? Auf der andren Seite haben wir noch ein Drittes hinzugenommen; denn wir haben gebracht den Namen: Theorie der Kunst. – Was ist aber nun Theorie? Also haben wir noch eine Menge von Praeliminarien zu untersuchen, ehe wir die Auflösung beginnen können – welche schon dadurch klar wird, daß jede wissenschaftliche Untersuchung sich durch Klarheit und Ordnung auszeichnen muß und wir jetzt noch keine Methode haben, nach welcher wir zu Werke gehen wollen. Jetzt können wir nichts thun, als daß wir uns erst die Begriffe, mit denen wir schon verkehrt haben, wissenschaftlich herrichten. Da diese aber drei sind, so fragt es sich wieder, haben wir irgend eine Nothwendigkeit uns erst mit einem bestimmten dieser drei zu beschäftigen und ist dieser Fortgang willkührlich? – Eine Nothwendigkeit haben wir schon, indem wir bestimmt haben, daß wir die Lösung mehr auf die Production der Kunst gründen wollen, als auf die Auffassung. Also haben wir den Begriff der Kunst zum dominirenden über das Schöne gemacht. Nun haben wir noch zu unterscheiden unter Kunst und Theorie. Wir können schon im Voraus ahnden, daß eine | 8r Theorie sich auch auf andere Dinge beziehen könne, als auf Kunst. Dies muß eine Wissenschaft dieser Gegenstände zeigen, das, was aber in dem Begriff liegt, muß dasselbe zeigen. Es scheint also, daß wir uns jetzt den Begriff der Theorie zuzurichten haben und dann den der Kunst.

Was ist also eigentlich Theorie ? θεωρία ist eigentlich Beschauung, aber von der Etymologie müssen wir hier abstrahiren. Was wir θεωρία nennen, nannten die Alten τέχνη , Anweisung zur Kunst. Wir setzen entgegen θεωρία und πρᾶξις. Dies haben die Alten auch gethan, aber für die ethischen Gebiete, βίος πρακτικός, θεωρητικός. Praxis ist Production, Theorie Betrachtung der Production, aber wobei zugleich die Absicht, die Production zu ändern. Man hat auch bei den Alten noch τριβή, ἐμπειρία, die Ausübung ohne Bewußtsein, ohne Betrachtung – was wir das Mechanische nennen. – Man hat aber auf der anderen Seite bei uns oft gesagt: man solle in die Praxis die Theorie nicht einmischen, so liegt hier ein verschiedener Sinn zu Grunde, in welchem hier das Wort Theorie gesetzt wird. Bleibt das reine Element, die Praxis, und das andere Element ist herausgenommen, die Anschauung der Praxis, so daß wir die Praxis von außen herleiten wollen: so entsteht diese Furcht. Unser Gegenstand ist aber eine Praxis in Ausübung. Unabhängig von dem Gebiet der Praxis kommt Theorie noch auf einem anderen Gebiet vor: theoretische Astronomie, betrachtende Astronomie. Es werden Thätigkeiten, Bewegungen betrachtet, aber es kann kein Grund dahergenommen sie zu leiten. Ist ein bedeutender Unterschied, da die Ansicht zu Grunde liegt, die Production zu leiten? – Wir stellen uns auf den Standpunkt des bürgerlichen Lebens zurück. Diejenigen welche sagen, Theorie und Praxis wären verschiedene Dinge, diese fußen darauf, daß diejenigen welche ausüben und diejenigen welche betrachten, nicht dieselben Menschen sind. Wenn nun der eine | 8v der Betrachtende ist, der andere der Ausübende, ist es dann nicht möglich, daß die Betrachtung des einen die Ausübung des anderen leite? Es ist dies in Betrachtung auf verschiedene Puncte sehr verschieden. Ist die Sache erst in den ersten Anfängen der Ausübung, so kann die Kunde des Betrachtenden die Ausübung gar nicht leiten, wol aber nachher. In der musikalischen Composition kann der erste Anfang kein anderer seyn, als daß uns innerlich in gewissen Folgen eine Harmonie vorschwebt. Kann nun wol die vollständige musikalische Theorie uns leiten in Erfindung der musikalischen Composition in eine andere? Offenbar nicht. Aber wenn die Theorie gegeben ist und es soll variirt werden, so wird allerdings der Theoretiker dazu kommen können und unter gewissen Bedingungen mag die Theorie die Praxis leiten können. Also die Verbindung zwischen Theorie und Praxis ist nicht überall dieselbe, sondern verschieden, je mehr die Mannigfaltigkeit, desto mehr kann die Theorie die Praxis unterstützen. Je mehr aber nach dem Ursprünglichen der Erfindung hin, desto mehr steht die Praxis auf sich angewiesen. Giebt es eine Betrachtung der ersten Anfänge? – Sie verschlingt(?) sich in dem Hervorbringenden. Die Betrachtung der Genesis der Production in eine gewisse Richtung ist nun das, was wir Theorie nennen. Ist die Theorie in diesem Umfang ein Gegenstand, welcher vollständig mitgetheilt werden kann? In aller Kunstübung ist auch ein mechanisches Element, so in den redenden Künsten, in der Musik, in den bildenden Künsten. Noch weiter erweiset(?) sich jede Kunst in mannigfaltigen Gattungen, so daß sie erst durch die Gesammtheit dieser einzelnen ein Ganzes werden. Ebenso finden wir zu verschiedenen Zeiten verschiedene Maximen in jeder Gattung. Auch diese Differenz muß richtig aufgefaßt werden, entweder entstehen Vor- oder Rückschritte, oder Modificationen. | 9r Noch mehr: wir wissen noch gar nicht, wieviel Kunst wir finden werden, aber eine große Mannigfaltigkeit liegt zu Tage, so daß die Abgrenzung gegeneinander schwierig erscheinen muß, und doch liegt uns die Aufgabe ob, das ganze Gebiet als ein Ganzes zu umfassen, die einzelnen Künste auf die mannigfaltigen Gattungen von derselben Thätigkeit des Lebens zurückzuführen. Gelänge dies, so erscheint das Ganze durch alle gebildeten Völker hindurchgehend als eine große Masse von Thätigkeiten. Wir können diese Thätigkeiten auch ethisch auffaßen und müssen uns dann darüber verständigen, was denn dieses Bestreben in Verhältniß zu allen menschlichen Bestrebungen sei – und wenn wir alle menschlichen Bestrebungen als ein Ganzes ansehen: welchen Theil diese Kunstübungen einnehmen? Man möchte nun aber sagen, so groß und schwierig dies auch sei, so sei dies doch nicht das Höchste, sondern die Kunstbestrebung bringt auch Resultate hervor, die Kunstwerke. Sie treten in die Reihe der Dinge ein, sie helfen erst die Erde vollenden, und treten in die Reihe der Naturgegenstände, so daß der menschliche Geist der agens dabei war. Aber die körperlichen stehen auf der körperlichen, die geistigen auf der geistigen Seite. Hier eröffnet sich uns ein neuer Gesichtspunkt, und ein höherer, der kosmische. Wenn wir uns unseren Weltkörper denken mit allen übrigen menschlichen Bestrebungen, ohne Kunstbestrebung, so können wir nicht leugnen, daß der ganze Körper der Welt in seiner Bildung etwas ganz anderes ausdrücken würde und daß es mit zur Schätzung seiner Dignität gehört, diese miteinzurechnen. Bleiben wir hier stehen: so müssen wir sagen, dies gehört zur höchsten menschlichen Speculation. Es ist eine Region, wo der Gegenstand sich uns gleichsam hinstellt, um verglichen zu werden mit dem, was uns nicht gegeben ist, was wir nur ahnen können, aber doch so, daß sich uns eine eigene | 9v Dignität der Existenz durch die ganze Betrachtung entwickelt. Bringen wir diesen Endpunkt und den, womit wir angefangen haben zusammen, so ist dieser gleichsam der höchste Gipfel der Theorie und jener ist die niedrigste Region, die des Sinnlichen. Können wir nun diese zusammen bringen und auffassen? – das muß allerdings schwierig scheinen in der Ausführung. Es kann jemand großen Sinn haben für die Speculation, um das Unendliche im Endlichen deutlich zu machen – aber gar keinen Sinn für die verschiedenen Regeln der Künste und andere können wieder sehr großen Sinn haben für das kleinste künstlerische Product, so daß sie an dem Geringsten die verschiedenen Muster und Schulen erkennen können – und gar keine Speculation. Alles dies kann uns aber bestimmen, die Werke zu theilen – denn jedes menschliche Werk ist nicht das Werk eines Einzelnen – sondern sobald es in die Reihe kommt, entsteht auch hier Theilung der Arbeiten. Es mag also jeder für seinen Theil wählen. Die Kritik der gegebenen Kunstwerke mag einer, die ethische Combination ein anderer übernehmen. – Aber es ist hier eine andere Betrachtung, welche uns veranlassen könnte, uns hier bestimmte Grenzen abzustecken. Es wurde gesagt, daß wir es hier nur mit der Totalität der Kunstproduction zu thun haben, so daß wir jede Bestrebung nur insoweit der Betrachtung unterwerfen als teilweise Gemeinsames darin ist. Aber die Seite der Kunstfertigkeit ist nicht in allen Künsten dieselbe – weil nicht in derselben Masse gearbeitet und nur der Begriff der Vollkommenheit was für unsere Untersuchung taugen wird. Wir haben also eine Grenze. Je mehr wir uns dem anderen Endpuncte nähern, desto mehr sind wir in dem Gebiete der Speculation; je mehr diesem, um so mehr in dem Gebiet der Empirie. Aber was liegt zwischen beidem? Wir wollen noch einmal zurückkehren in die mittlere Region des so bezeichneten Gangs. –

Wenn wir nun die einzelnen Künste mit ihren verschiedenen Gattungen betrachten, woher nehmen wir diese Vorstellungen und Begriffe? Wir scheinen es auf zweierlei Art zu können. Entweder ginge man aus von | 10r dem Zusammenstellen des Gegebenen und dann verführen wir historisch, oder wir versuchen aus dem Begriff einer Kunst die verschiedenen Verzweigungen worin sie sich theilen muß, zu construiren. Das wäre die speculative Art. Offenbar liegt die bloße Betrachtung des Gegebenen an und für sich mehr auf der Seite der Empirie; jenes genannte Historische ist aber das, was zwischen beidem in der Mitte liegt. Denn etwas Gegebenes wird uns nur durch die Geschichte. Hier kann wiederum eine große Mannigfaltigkeit der Behandlung Statt finden zwischen dem Historischen, welches sich dem Empirischen nähert und einer speculativen Behandlung, welche mehr von den Ideen(?) durchdrungen ist. Diese Verschiedenheit wird auch auf die Theorie selbst übergehen. Wenn wir nun eine Grenze nach unten gemacht und gesagt haben, was wir von dem empirischen Theil dem Gebrauch der einzelnen Kunst überlassen müssen, und auf der anderen Seite uns wieder eine Grenze gezogen haben, die in der Vorstellung selbst lag, daß wir überhaupt für jene höchste Betrachtung nur Andeutungen geben können, so werden wir uns wol überzeugen, daß unser ganzes Geschäft vorzüglich in der mittleren Region versirt, die verschiedenen Künste und Gattungen in den Künsten in ihrer natürlichen Verbindung darzustellen und dann das eigentlich Speculative und Historische so viel als möglich ins Eine zu verbinden(?). Was aber den verschiedenen Charakter betrifft, den auf diesem Gebiet die Theorie haben kann, so ergiebt sich von selbst, daß eine solche Behandlungsweise nicht ψιλῶ λόγο geschehen kann; dazu gehört die unmittelbare Anschauung selbst – wie wir uns allerdings mehr an die Behandlungsweise halten müssen, die nach der speculativen Seite zu liegt.

Aber nun fehlt uns wieder, was freilich in seiner Vollkommenheit erst das Resultat der ganzen Betrachtung seyn kann, aber was doch wieder in seinen ersten unvollkommnen Grundrissen zu Grunde liegen muß, daß wir wissen, woraus dasjenige sei, womit wir es zu thun haben. – Der gewöhnliche Gebrauch des Wortes Kunst geht weiter als unser Begriff der Theorie. | 10v Es kommt nur darauf an, eine Begrenzung zu finden. – Was nennen wir Kunst? Allemal denken wir eine menschliche Hervorbringung. Denn wenn wir der Natur Kunst beilegen, so geschieht es nur auf eine bildliche Weise. Alles das ist aber Kunst, was nach bestimmten Regeln behandelt wird. Wo das nicht Statt findet, da ist Kunstlosigkeit. Das Rechnen z.B. ist unbezweifelt eine Kunst; wenn man im Rechnen räth, so ist dies keine Kunst. Die meisten vorhandenen Künste sind zuerst auf das Gerathewohl angefangen, bis sie auf eine bestimmte Regel als der bestimmten Behandlungsweise führten. Wie sollen wir die Grenzen ziehen? Man unterscheidet mechanische und schöne Künste. Aber wenn wir selbst das nehmen, was unbestritten schöne Kunst ist, ist es ganz frei von Mechanik? Selbst bei den redenden Künsten müssen die Töne angenehm überraschen(?), muß das Kunstwerk schön gesprochen werden oder wenigstens von jemand, dessen Organ gesund ist, um Wirkung hervorzubringen und das gehört dem Mechanischen an. So werden wir das Mechanische überall auch in den schönen Künsten nothwendig finden. Und ist nicht ebenso in allen mechanischen Künsten auch etwas von der schönen Kunst? Selbst das Geräthe muß in seinem Verhältniß Schönheit und Gleichmaß von der schönen Kunst borgen, um zu gefallen. So sehen wir auch in den mechanischen Künsten gleichsam das letzte Ende der schönen Kunst. Wir können nun sagen, was unter den Begriff des Schönen fällt, aber doch nicht selbständig für sich schön ist, gehört zur schönen Kunst, aber es ist doch ein äußerliches Kunstgebiet, ein Zufälliges, was aber aus demselben Bestreben hervorgeht und nach denselben Regeln beurtheilt werden muß. Schlechter Geschmack in der eigentlichen Kunst ist auch schlechter Geschmack auf diesem Gebiete. Dies ist aber nur die Grenze auf der einen Seite hin; es giebt noch eine ganz andere bezogen(?) [...] | 11r und höherem Bestreben.

Wenn wir einen Begriff von Kunst aufstellen, so sehen wir den Begriff von Wissenschaft als Correlat an, stellen aber doch beides einander entgegen. Daß es eine Wissenschaft über die Kunst giebt, wie die unsrige vermittelt den Gegensatz noch nicht. Die Kunst ist Productivität des Menschen, die Wissenschaft ist es in gewissem Sinn auch. Denn die Wissenschaft kann nur feststehen und in einen anderen Zustand übergehen durch die darstellende Production. Ist nun diese wissenschaftliche Production von der Production der Kunst unterschieden? Die wissenschaftliche Production ist freilich wieder nach den verschiedenen Disciplinen zu unterscheiden, worunter gewisse verwandter mit der Kunst sind z.B. Geschichtsschreibung. Geschichte ist doch Wissenschaft. Aber wenn nun die Geschichtskenntnisse gegeben werden, so kann dies auf eine sehr unvollkommne Art geschehen, aber auch so, daß man sagen muß, es sei ein wahres Kunstwerk, es ist eine Nachbildung des Lebens. Ist dies etwa das einzige wissenschaftliche Gebiet, das mit der Kunst verwandt wäre? Selbst in einem mathematischen Werk, wo alles nach einem bestimmten Zweck eingerichtet ist, wird die Richtigkeit der Verhältnisse in einzelnen Theilen für jeden ein Kunstwerk seyn, der die Wissenschaft versteht. Ebenso in den philosophischen Compositionen. Nicht auf der Schönheit der Sprache, sondern auf die innere Construction kommt es an. Werden wir sagen können, daß das alles ist? Gesetzt wir sehen eine unter gewissen Verhältnissen bestehende Staatsverwaltung in gutem Gange, so kann dies ebenso gut ein wissenschaftliches Kunstwerk seyn, wie andere. Die Kunst also greift in die Gesetzgebung des Lebens selbst hinein. Das ist freilich die äußerste Seite des Lebens für die Kunst. Sehen wir festliche Spiele, wie die olympischen, in festlichem bunten Wechsel: so sagen wir eine solche Einrichtung habe sich als Kunstwerk | 11v bewährt. Wo also die Grenzen? So weit gekommen gelüstet es uns noch weiter zu gehen. Bisher sind wir bei der menschlichen Production stehen geblieben. Aber wir sind auf solche Puncte gekommen, wo die Absicht auf die Idee der Kunst keine Rücksicht nahm: Würden wir nun wol sagen können, es sei Unrecht zu sagen: die ganze Welt erscheine uns als das höchste Kunstwerk , die eigentliche Production wieder als die höchste? Das wäre die göttliche Kunst. Erkennen wir die Welt noch nicht als ein solches Kunstwerk, so liegt es in der Befangenheit unserer Betrachtung, in der Unfähigkeit hineinzuschauen. Vergleichen wir die göttliche Kunst mit der menschlichen, so werden wir sagen müssen, beides liegt in einer Linie. In dem menschlichen Kunstwerk liegt zu Grunde, daß der menschliche Geist der gestaltende ist. Der göttliche Geist, kann man sagen, ist in der Schöpfung der Welt Künstler – und der menschliche Geist in der Kunstbildung Schöpfer. Aber das Schöpferische in dem Menschlichen kommt erst recht ans Licht, wenn es die Form der Kunst angenommen hat. [...]

1. Teil. Allgemeiner spekulativer

| 13r Es ist nöthig zu dieser Aufgabe den Complex der menschlichen Thätigkeiten zu haben oder möglichst vollständig zu bilden. Diese Aufgabe umfaßt aber mehr und gehört einer höhern Wissenschaft an. Was ist das für eine Wissenschaft, auf die wir uns zu berufen hätten? Es ist schwierig. Es liegt in dem Stadium der Wissenschaft noch keine allgemein anerkannte Organisation der Wissenschaft. Sehen wir auf das, was als das Hergebrachte angesehen wird, so giebt es zweierlei solcher Disciplinen, die eine die so genannte Psychologie (die der Kenntniß der menschlichen Natur in ihren verschiedenen Verrichtungen; insofern diese mehr geistig sind, Psychologie, insofern diese Trennung als untergeordnet betrachtet wird, Anthropologie. Hier ist bei allen etwas verschieden.), die andere die so genannte Ethik – die es mit dem Rechten im menschlichen Thun zu thun hat. Diese kann nur bestimmt werden als ein Zusammenhang eben mit dem ganzen Complex der menschlichen Thätigkeiten. Es ist nicht gewöhnlich in der Ethik, sich auf die Psychologie zu berufen und doch wäre es das Natürliche. Warum geschieht es nicht? Die Psychologie ist bisher gewöhnlich auf falsche Weise behandelt, daß wir die einzelnen Thätigkeiten des Menschen mehr als Aggregat aufgestellt finden und dies kann der Ethiker nicht gebrauchen; er muß sie sich erst zu seinem Zweck bearbeiten. In den einzelnen Aufzählungen des Einzelnen kann kein Maß liegen und keine Bestimmung des Rechten für jede Thätigkeit. Dazu ist die Ableitung aus der Einheit, aus dem Urquell organisch nöthig. – An welche Wissenschaft halten wir uns? – Die Psychologie ist auf verschiedene Weise behandelt, aber auch die Ethik. Die Sittenlehre sucht den Complexus der menschlichen Thätigkeiten, um ihnen ihr Maß zu geben, die Psychologie betrachtet sie mehr auf eine natürliche Weise, was im menschlichen Leben vorkommt. Auf diese Art ist es für uns natürlicher, uns an die Ethik zu halten. Wir müssen ja eben für die Thätigkeit des Aesthetischen | 13v ein Maß, ein Princip der Beurtheilung haben – wir müssen finden, was in der productiven Thätigkeit das Richtige ist. Unsere Untersuchung ist also mehr ethisch, als psychologisch. Es ward oben beispielsweise gesagt, daß die Betrachtung der menschlichen Handlungen in der bürgerlichen Welt dieselbe wäre und eine verwandte wie in der Kunstwelt. Fassen wir die Verwandtschaft auf, so ist beides eine ethische Betrachtung und erscheint als besondere Verzweigung aus derselben höhern Disciplin. – Wenn es nun auch besser wäre, den Complexus der Thätigkeiten aus einer ethischen Darstellung, als aus einer psychologischen zu nehmen, so stoßen wir wieder auf verschiedene Gestalten und Formen. Das Meiste in der Art, daß sie die ganze Aufgabe nicht recht gefaßt zu haben scheint. Die höhre Wissenschaft zu der wir kommen ist in einem noch wenig festen Zustand, als daß wir uns nun schlechthin berufen könnten. Was haben wir nun zu thun? – Unsere angewandte Wissenschaft ist noch im Werden, kann noch nicht als eine fertige überliefert werden. Die höhre Wissenschaft, aus der wir den Grund nehmen sollen, ist in einem ähnlichen Zustand. – Betrachten wir die Aufgabe im Ganzen, so werden wir sagen, es muß erst die Ethik fertig gemacht werden, ehe die Aesthetik kann vollendet werden. Wir können aber jenes nicht erst thun, noch dies auf sich beruhen lassen, bis man mit dem Ersten fertig ist. Man hat zu allen Zeiten und muß zu allen Zeiten von allen Puncten der wissenschaftlichen Betrachtung zugleich anfangen. Eines fördert das andere. Je mehr der eine Punct klarer wird, desto mehr wird es der andere. Man hat immer die Unwahrheit(?) der Disciplinen erkannt; aber doch immer an den höheren und niederen Puncten zugleich gearbeitet. Es bleibt für uns zweierlei übrig. Entweder wir greifen aufs Gerathewohl, nach einer gewissen Ahndung | 14r nach einer bestimmten Gestaltung der Ethik als nach der rechten und knüpfen unsere Aesthetik an. Das Andre wäre, daß, wie wir es in der Geschichte der Wissenschaften finden, so es auch hier thäten, und versuchsweise an beiden Puncten zugleich arbeiteten, uns also einen Complexus zu bilden suchen auf(?) diesen, wenn der Versuch richtig wäre, wir die Gründung ethischer Betrachtung zugleich legten. Doch müßte dies lediglich so geschehen, daß wir gleich unsere bestimmte Aufgabe für unsere Wissenschaft anzuknüpfen suchen. – Wir haben uns für die zweite Weise zu entscheiden, da wir auf diese Art etwas für die wissenschaftliche Förderung thun und zu der ersten Art eine feste Überzeugung gehört, die man mittheilen könnte, wenigstens vorläufig wie nach einer bestimmten Schule. Wie haben wir die beiden Aufgaben zu stellen? So daß wir zugleich die höhere ethische und unsere besondere Aufgabe im Auge haben. – Zuerst gehen wir noch von unserer besonderen Aufgabe aus. – Wir finden verschiedene Productionen unter den Völkern, die wir allgemein Kunstwerk nennen und sie von dem scheiden, was wir zum Nutzen des Lebens wol Kunst nennen. – Wir fragen, was hat diesen Productionen wol zu Grunde gelegen, welches Wollen, was haben sie erreicht? In der letzten Frage fragen wir nach der Regel und dem Maß des Richtigen in den Kunstthätigkeiten. – Diese Productionen sind nun nur ein kleiner Theil an der allgemeinen Productivität der Menschen. Eine große Menge von Menschen ignoriren sie gänzlich, das halten wir für einen Mangel. Alle die sich diese Aufgabe der Production stellen, legen Werth auf sie. Wir finden eine Unterscheidung zwischen denjenigen, die eine Empfänglichkeit haben für die Werke und sie genießen, sie sich aneignen und zwischen denjenigen, die sie hervorbringen. Unter den letzten ist bei einigen die Hervorbringung etwas Zufälliges in ihrem Leben, bei Anderen der Zweck, den sie sich | 14v im Leben stellen. In dem Wechselverhältniß zwischen den Erzeugenden und Genießenden wird es etwas Richtiges und Unrichtiges geben. – Wenn sich das Verhältniß nicht so lebendig gestaltet, daß das Interesse wächst, so ist es eine Unvollkommenheit. Wird es lebendiger, so ist es das Richtige. – Ein Zweites ist dies, die Kunstthätigkeit ist eine Thätigkeit des menschlichen Lebens, muß also auch unter dem Maß des ganzen Lebens stehen. Welches ist nun das Verhältniß, in dem die Kunstthätigkeit zu der Vollendung des ganzen Lebens beiträgt? Jenes ist die Thätigkeit, die aus dem einzelnen Interesse nach gewollt wird, dieses nach dem allgemeinen menschlichen, sittlichen Interesse. Können beide dem Inhalt nach verschieden seyn, wenn sie es auch der Genesis nach sind? Es würde ein Widerspruch entstehen. Man müßte wieder(?) nach dem allgemeinen menschlichen Interesse entscheiden und stünde hier die Kunstthätigkeit entgegen, so wäre sie eine Krankheit und als solche nicht fortzupflanzen. Oder der Schein, daß sie eine solche Krankheit sei, ist aus der unrichtigen Behandlung der Sache entstanden. Wenn wir von der einzelnen Kunstthätigkeit ausgehen, so können wir nichts für die allgemeine Menschheit festsetzen. Gehen wir von der allgemeinen Menschheit aus, so können wir nichts für die Kunstthätigkeit festsetzen, als die Übereinstimmung.

Woher bekommen wir nun den Anknüpfungspunct für die Materialien unserer Aufgabe, den Complexus zu finden für unseren Zweck? – Wir hätten den Weg zu gehen, auf dem wir zu unserer besonderen Aufgabe gekommen sind. Wir können nicht von unserer Aufgabe so abgehen, als wollten wir vom ersten Anfang an die Sittenlehre construiren. Das würde abführen, etwas anderes ergeben. – Wenn wir nun fragen, wie die Kunstthätigkeit mit der Ethik zusammen hängt, so müssen wir antworten, sie ist als ein Theil der gesammten Thätigkeiten, der auch gegeben ist, gegeben. | 15r In dieser Hinsicht ist der Complexus zu organisiren. Ein Schein von Willkühr ist hier bei der Anordnung nicht zu vermeiden. Löst er sich auf? Schwindet er mehr und mehr im Fortgang, desto besser für die richtige Lösung.

Wir sagen also, die Kunstthätigkeit ist eine Thätigkeit der gesammten menschlichen Thätigkeit. Wir haben uns hier zu erinnern, daß es in allen menschlichen Werken eine Art Vollkommenheit geben kann, weswegen auch diese unter den allgemeinen Begriff des Kunstwerks zu setzen sei. Unser nächster Schritt wäre, einen Complexus der menschlichen Werke ihrer ganzen Verschiedenheit nach zu suchen. Dabei müssen wir aber fragen, ist die menschliche Thätigkeit bloß Production oder etwas Anderes? In einem gewissen Sinn wird sich finden, daß alle menschliche Thätigkeit eine Werkthätigkeit ist, in einem anderen Sinn nicht. Haben wir diesen Gegensatz, so kann er gleich benutzt werden, hier den Weg einzuschlagen, ob dieser Gegensatz zu einer Organisation des Complexus führen kann. Dies ist der einzige Weg, den unsere Aufgabe durch sich selbst ergibt. Wenn wir die Verschiedenheit der Kunst betrachten, so scheint aber(?) auch das Hervorbringen ein sehr verschiedenes, auch dem Grade nach. Was die Plastik bildet, bleibt Jahrhunderte hindurch; was die Musik schafft, ist in dem Augenblick vorbei, wo es fertig ist. Es läßt sich wol reproduciren, aber immer nur auf dieselbe Weise. Ebenso ist es mit dem, was die Alten im weiten Sinn Gymnastik nannten. Diese Verschiedenheit hat man häufig zu Classificirungen gebraucht, in solche Kunstwerke, deren Theile gleichzeitig mit einander, und in solche, deren Theile nach einander sind. Sehen wir auf das Kunstwerk, so erscheinen die Unterschiede des Producirens größer, als wenn wir auf die Kunstthätigkeit sehen. Im letzten Fall geht beides aus von der Kunstthätigkeit, die in der Zeit nach einander ist. Und kann das Musikalische und Gymnastische reproducirt werden, so giebt es doch auch hier auf gewisse Weise ein Festhalten. In Hinsicht der Kunstthätigkeit | 15v schwebt dem Künstler nach und nach das Ganze vor Augen. Weil der Künstler es mit dem Gegebenen zu thun hat, so entsteht die Differenz; aber die Thätigkeit ist eine auf einander folgende.

Wir müssen uns freilich in dem Begriff des Hervorbringens beschränken. Nicht blos in dem, wer bringt hervor, als auch woraus bringt er hervor. Die Hervorbringung ist nicht eine rein primitive aus Nichts. Wollten wir dies als das eine Extrem ansehen, so wäre das andre Extrem eine Wiederholung eines schon Hervorgebrachten. – Diese Wiederholung haben wir als Nachbildung in jeder Kunst. Die Natur kann nach der Form nachgebildet werden. Das Mechanische nun schreiben wir hier dem Wiederholenden zu. Wenn einer gedichtet hat und es auf solche Weise in Zeichen gefaßt, daß es wieder kann hervorgebracht werden, oder es gleich so hervorgebracht, daß er es allein gar nicht in die Wirklichkeit rufen(?) kann, wie im Concert, wie sehen wir hier die Kunstthätigkeit an? Dem Musiker, der ein Concert aufführt, schreiben wir eine höhere Thätigkeit zu, als dem Gießer, der eine Statue abgießt – obwol genau genommen auch hier nur die Behandlung der musikalischen Organe ist. Der Componist bleibt aber immer im höhern Sinn Künstler.

Wollten wir die Kunst unter der Form darstellen, daß sie Nachahmung der Natur sei, so fiele sie auf die zweite untergeordnete Stufe hinaus. Die Portraitstatue wäre das höchste – nicht die idealisirte. Wenn der Maler durchzeichnet oder der Plastiker über dem Gegenstand abformt, so erscheint uns das untergeordnet. Wir wollen mehr Thätigkeit. So stehen wir gleichsam in der Mitte zwischen dem Hervorbringen aus Nichts und der bloßen Wiederholung, die schon die rückwärtsschreitende Kunst ist. Das Hervorbringen setzt doch immer ein Gegebenes voraus, und dieser Satz ist blos Negation beider Extreme, ein unbestimmtes Schweben zwischen Beiden. Das Kunstwerk ist auf eine ursprüngliche Thätigkeit zurückzuführen. Hervorbringen aus Nichts ist uns überall nicht gegeben. Dagegen finden wir | 16r auf der anderen Seite das bloße Wiederholen und dies fällt aus dem Gebiet der Kunst heraus. – Wir müssen einen Unterschied suchen zwischen dem Allgemeinen und unserer besonderen Kunst. Wenn menschliche Hervorbringung allgemein etwas voraussetzt, so kann dies etwa im Menschen und außer dem Menschen seyn, was nicht hervorbringend ist und vorausgeht, oder beides zugleich. – Sehen wir auf das Kunstwerk, so sehen wir, wie etwas außer dem Menschen vorausgesetzt wird, an dem der Mensch hervorbringend ist. – In der anderen Hinsicht kann man in einer Hinsicht sagen, es sei alles hervorbringend im Menschen, in einer anderen nicht.

Wir stellen uns bei dieser Untersuchung auf den ursprünglichen Punct. Es sind uns gegeben die Kunstwerke. Wir suchen in ihrer Entstehung eine Erkenntniß. Das Kunstwerk ist eine Hervorbringung. Ist die Erkenntniß auch eine? Hier werden wir gleich in einem gewissen Sinn zweifelhaft. Das Erkennen an und für sich ist eine im Menschen und es unterscheidet sich von dem Hervorbringen des Kunstwerkes. Sehen wir es an, wie es geworden ist, so fragen wir, kann ein Erkennen zu Stande kommen, ohne daß der Mensch thätig ist? Wir müssen es verneinen, selbst wenn das Erkennen nur ein mitgetheiltes ist. Das Mittel der Mittheilung ist die Sprache. Wenn der Mensch blos hört, obgleich auch hier schon Thätigkeit ist, so bekommt er dadurch blos äußerliche Elemente des Erkennens. Das Wahre ist doch die richtige Combination derselben und da ist eine Thätigkeit. Ebenso beim Erkennen durch die Anschauung. Ist diese Thätigkeit ein Hervorbringen? In dem Sinn wie das Hervorbringen des Kunstwerks wol nicht. Wenn aber auch bei dem Hervorbringen des Kunstwerks das Innerliche, nicht das Äußerliche die Hauptsache ist, so stellt es sich mit dem Erkennen mehr auf eine Stufe. – Was ist in Beziehung auf die Sprache das Vollkommenere, das blos innerliche Sprechen oder das Heraussprechen? Doch das Letzte. Beides ist aber nicht zu trennen. Da auch hier ein Herausgehen ist des Menschen aus sich, so ist auch hier ein Hervorbringen. Als Gegensatz der Thätigkeit haben wir nun das Leiden und dies wäre der Gegensatz des Hervorbringens. Richten wir hierauf unsere Aufmerksamkeit, so finden wir Leiden genug im menschlichen Gebiet. Die Kunst aber wäre das Thätige. Die Auffassung durch den Sinneseindruck ist bedingt durch einen leidenden Zustand. | 16v Ein wirklicher Lebensmoment kommt aber nicht ohne Thätigkeit zu Stande. In einem gewissen Sinn ist also alles Thätigkeit, und diese Thätigkeit Hervorbringung, aber neben die Thätigkeit ist das Leidende gesetzt. Die Kunst stände also auf der Seite des thätigen Hervorbringens. Ist hier denn gar nichts Leidendes? – Kann ich ein Kunstwerk bestellen? und wenn ich es kann, kann ich dem Künstler einen Termin setzen, wie dem Mechaniker? Es ist nicht die Zeit, sondern sein Aufgelegtseyn. Soll ein Künstler in jeder Zeit seine Hervorbringungen in seiner Gewalt haben ? Von dem mechanischen Künstler können wir es verlangen. Aber bei unserem Künstler ist es nicht Sache der Willkühr. Je mehr der Künstler sich hier frei selbst beherrscht, desto größer ist die Vollkommenheit. Aber in dem, was relativ und primitive Hervorbringung ist, sind nicht alle Lebensmomente gleich. Die Thätigkeit schreiben wir ihr immer zu. Also liegt es hier in einem leidlichen Zustand, der vorausgehen muss. Der Anfangspunct ist ein Punct, der nicht wiederum Productivität ist. Aus dem Mangel an Productionsvermögen schlossen wir auf einen Grund, der in Betrachtung gezogen werden sollte. Es ließe sich gegen das Gesagte, da es etwas Allgemeines war mancherlei aussetzen. Um so mehr, könnte man sagen, als das Mechanische die Oberhand habe, findet diese Freiheit Statt. Diese lag aber mehr zur Seite. In dieser selbst könnte man eine Instanz gegen das Gesagte machen aus dem Improvisiren. Denn wenn einer sich aneignet(?), einen Gegenstand im Augenblick künstlerisch zu behandeln, so erscheint dies als ein Maximum von Freiheit. Von jeher ist zugegeben – auch in Jahrtausenden(?) – ob man spreche oder lese sei ein Unterschied. Dies führt darauf, daß es eine untergeordnete Gattung ist, die nicht die Probe hält. Nun kann man sich es wohl denken, daß einer die einzelnen Momente in sich trägt und den Gegenstand approximirt. Dazu gehört jedes Mal eine große Geistesthätigkeit und Kraft. Dann werden wir sagen müssen, noch(?) haben wir doch die eigentliche Production nicht in dem Moment zu suchen und es ist(?) also ein geschicktes Zusammenordnen des früher Gedachten. So giebt das Improvisiren keine Instanz. – Was wird(?) hieraus folgen? | 17r Je vollkommner ein Kunstwerk ist, desto weniger wird zur Production jeder Zustand gleich seyn, und es wird eine Ungleichheit in den Lebensmomenten seyn. Was liegt nun darin, daß die Production ein Leidendes voraussetzt? Er kann sich nicht willkührlich in diese Stimmung setzen, denn sonst wäre es wieder Thätigkeit. Was ist das Verhältniß zwischen Production und Affection? Ist die Affection der Grund oder die notwendige Bedingung? Darüber läßt sich noch nichts sagen.

Wir haben dies aufgestellt, ohne uns an eine besondere Kunst zu wenden. Aber nachdem wir die mechanische Thätigkeit mehr gesondert haben, so haben wir zugleich gesagt, je mehr diese Sonderung Statt findet, desto größer sei die Differenz zwischen der Willkührlichkeit und Nicht-Willkührlichkeit. Diese Differenz ist um so größer, je entwickelter die Kunst ist, je größere Kunstwerke schon da sind. Wir fragen im Allgemeinen, ob sich finden ließe, daß ein unmittelbarer Zusammenhang bestehe, zwischen dem Zu-Muthe-Seyn und der Production. Gehen wir auf die Anfänge zurück, so gebährdet sich ein Mensch auch auf eine gewisse Weise, wenn ihm auf gewisse Weise zu Muthe ist, und er giebt gewisse Töne von sich. Hier liegen die Anfänge des Gesanges und der Mimik. Hier liegt der Anfang und die Vollendung. Hier erscheint etwas Analoges von der Kunst, aber etwas noch ganz Abhängiges von dem Zu-Muthe-seyn. Wie dies gegeben ist, so ist dann auch doch der Natur eine Richtung auf die Aeußerung gegeben. Es ist dies nur die Analogie mit der Kunst. Das innere Zu-Muthe-seyn ist etwas Leidenschaftliches. Den Gebährdungen des Zorns fehlt die Schönheit, weil ihnen das Maß fehlt. Denken wir uns das Zu-Muthe-seyn als kleine(?) Erregung, ein bloßes Geneigt-seyn: so ist mehr Maß darin. Aber materiell sind die Elemente dieselben, die wir in der Kunst finden. – Wir haben die Ausführung hierbei | 17v nur auf das ursprüngliche Moment zu beziehen. Können wir nun sagen, daß das Verhältniß in der eigentlichen Kunst zwischen der leidenden Anregung(?) und der Production dasselbe ist? Es wäre zu viel. Denn gehen wir auf das Natürliche zurück, so ist es etwas Zufälliges, ob das Maß in ihm liegt oder nicht. Wenn der mimische Künstler den Zorn darstellt, so wird eine gewisse Grenze gehalten. So nicht im Natürlichen. So wie wir etwas als Kunstwerk betrachten, so fordern wir das Maß als etwas Nothwendiges. Jene kunstähnliche Aeußerung als etwas Natürliches unterscheidet sich wesentlich von der Kunst dadurch, daß zu dem Letzteren etwas hinzukommt, wodurch das Maß gegeben wird. Dies tritt dazwischen, während Ersteres der reine Wiederschein des Erregtseyns ist. In so fern wir nun einen Gegensatz aufgestellt haben, und die eine mehr als Productivität, die andere mehr als leidend gefaßt haben, so werden wir sagen, der Künstler als Mensch ist selbstthätig, aber das Selbstthätige beruht auf einem leidlichen Zustand. Das Natürliche ist der unmittelbare Uebergang(?) der Erregung in die Aeußerung. Damit aber die Kunst wird, muß ein anderes Moment hineintreten. Wie wollen wir diesen bezeichnen?(?) Wir haben angefangen von der Unwillkührlichkeit. Wir bleiben dabei. Ist einem Menschen wohl zu Muthe, so singt er sich eins oder tanzt sich eins. Fragen wir danach, was hast du für Töne oder Bewegungen gegeben, so wird er es kaum sagen können. Wir werden es aber so(?) gut selbst wissen. Es ist also eine gewisse Bewußtlosigkeit damit verbunden. Wenn wir aber den Künstler fragen und die Art auch nur flüchtig war, so wird er die Rechenschaft zu geben wissen. Das hängt wesentlich zusammen mit dem Zwischen-tretenden, dem Princip des Maßes. Dieses bringt in die Production ein gewisses Bewußtseyn und macht die Natur wol(?) zu einer besonderen. Wenn das Natürliche auf(?) die Identität zwischen Erregung | 18r und Aeußerung geht, so ist bei der Kunstthätigkeit eine Darstellung nach außen mit Besinnung. So fern nun die unmittelbare Erregung in Productivität übergeht, so hat sie doch einen anderen Charakter, als wenn sie in Passivität erlischt. Wir werden also sagen müssen, so fern die Erregung zur Productivität treibt, so ist die Begeisterung da, der Zustand, in dem der Impuls zur Production mitgesetzt ist. Der Künstler wird durch die Erregung begeistert, der andere nicht. Die Kunst selbst geht erst hervor aus dem Zusammenseyn von Begeisterung und Besinnung und was wir voraussetzen, ist nicht in der Bewußtlosigkeit. – Es könnte hier eine Einwendung gemacht werden. Wenn wir von einzelnen Personen sagen, daß alle ihre Bewegungen anmuthig sind, so meinen wir es liege in ihrer Natur ohne Kunstthätigkeit, es sei in ihren Erregungen zugleich das Maß gesetzt ohne Bewußtseyn. – Es ist dies einer der angenehmsten Eindrücke, ein solch sicheres Maß zu finden. Aber weil hier noch keine Besinnung ist, schließen wir es von der Kunst aus. In der Kunst muß das Maß aus der Besinnung hervorgegangen seyn. In der natürlichen Grazie ist das Maß ohne die Besinnung.

Wir haben die Kunst an einen Ort gestellt in Beziehung auf einen allgemeinen Gegensatz und zwar so, daß die Glieder dieses Gegensatzes schon auf bestimmte Weise gebunden sind. Wir haben in diesem Gebiete wieder geschieden, das Natürliche – die Analogie – und das Künstlerische. So sind wir zu dem dritten Element gekommen. – Wir suchen noch einen anderen Gegensatz auf, in Beziehung auf welchen wir der Kunst einen besonderen Ort anzuweisen haben. Wir sahen die Thatsache daß die Kunst eine verschiedene ist bei verschiedenen Völkern. Stellen wir diese Verschiedenheiten zusammen, z.B. die chinesische und die hellenische Kunst, und wir bringen beide einander so nahe, daß wir die chinesische vor die hellenische und die hellenische vor die chinesische hinstellen, so wird die Wirkung, die das hellenische Kunstwerk auf die Chinesen macht, verglichen | 18v mit der Wirkung auf die Hellenen gleich Null seyn. Es ist also in der einen Hinsicht die Kunst etwas rein Menschliches, in anderer etwas Beschränktes. Wenn wir den allgemeinen Begriff Mensch aufstellen so liegt schon darin, daß in dieser Hinsicht alle Menschen gleich sind, oder es ward die Subsumtion unter den Begriff nicht richtig, wie man darüber gestritten hat, in wie fern und mit welchen Grenzen Monster zu subsumiren sind. Im Allgemeinen aber liegt in dem Begriff Mensch diese Forderung der Allgemeinheit. Es müßte also in jedem etwas ein und dasselbe seyn. Gingen wir so fort, so kämen wir dazu, daß alle Menschen dem Innern nach ein und dieselben wären und daß die Differenzen nur im zufälligen Aeußeren lägen. Aber das werden wir nicht sagen. Es ist mit dieser Forderung zugleich die Forderung nothwendig, daß jeder Mensch auch ein anderer sei und innerlich wie andere. – Hieraus würde folgen, daß, was dies Andersseyn rein constituirt, für die Anderen auch gar nicht da ist. Wenn wir den einzelnen Menschen betrachten, so ist er in sich ein Abgeschloßenes. Stellen wir ihm einen anderen gegenüber, so wird das Erste die allgemeine Subsumtion unter den Begriff Mensch seyn. So weit die Identität geht, werden sie sich verstehen. Käme nun aber etwas, was sich rein auf die Differenz bezöge, so würden sie sich nicht einander vernehmen, und für einander nicht seyn. Es ist also wieder ein Gegensatz. Aber sobald wir auf das Gegebene sehen, so wird sich finden, daß sich die beiden Glieder des Gegensatzes wieder in jedem finden, aber untergeordnet und verschieden. – Der Gegensatz zwischen demjenigen, wodurch alle Menschen einander gleich und demjenigen, wodurch für einander verschieden, ist zu bestimmen. Wir finden diese absolute Differenz nicht. Achten wir auf die verschiedenen Sprachen | 19r so sind sie keineswegs ein zufälliges Product, am wenigsten die ursprünglichen. Außerdem sehen wir die körperliche Constitution in den äußeren Massen sehr verschieden und diese Differenz ist nicht blos äußerlich, da sie selbst in verschiedenen Klimaten dieselbe bleibt. Wir werden ein Maximum von Unterschieden festsetzen können, wenn wir z.B. auf die Sprachen sehen, zwischen solchen, die sich absolut verständlich sind, und solchen, die nun gar nicht einander, wie die Combination der Sprachen verstehen können. Worin alle gleich sind, ist die Vernunft. Die Sache dieser ist das Denken und das Denken ist nicht zu trennen von Sprache. Wir haben die Voraussetzung, daß es eine absolute Mittheilbarkeit der Gedanken giebt. Wir stehen hier auf dem Felde der Identität und doch eben in der Sprache finden wir auch, daß es schwer wird, sich in die Gedanken anderer hineinzufinden. Wie fassen wir den Gegensatz auf, so daß es verschiedene Thätigkeiten sind, wodurch sich alle gleich und geschieden sind? – Absolut können wir es nicht auffassen, wir finden immer beides verbunden, aber freilich in verschiedenem Maß. – Wo liegt in dieser Beziehung nun die Kunst, die eben ein eigenthümliches Moment hier haben soll? Ein Freudiger bringt gewisse Töne hervor, ein anderer andere. Sehen wir auf das Natürliche ohne Besinnung, auf die Unwillkührlichkeit ohne Gewöhnung (wie bei der Trauer in der Sitte Gewöhnung ist, nicht ursprüngliche Aeußerung des Zu-Muthe-seyns) – so wird es im Allgemeinen wol nicht leicht möglich seyn, den Ausdruck der verschiedenen Erregung zu verwechseln, da der Ausdruck im allgemeinsten Zusammenhang des Geistigen und Leiblichen gegründet ist. Aber dies ist so wie das schlechthin Ursprüngliche, auch das schlechthin Momentane. Diese Behauptung gilt also nur der Natur, nicht dem Momentanen. Kommen wir auf die Zusammengehörigkeit, so werden wir gleich die Elemente finden, wodurch die Menschen geschieden sind. Sind eine Reihe von Tönen mit Absicht componirt oder construirt, so wird sich gleich die Ungewißheit der Bedeutung einfinden. Eben so bei einer Reihe zusammengesetzter Bewegungen, wenn nicht etwa die Rede – das am meisten Ausgleichende – dazwischen tritt. Worin beruht der Unterschied? Wir haben das Beispiel nicht von allen Künsten, nur von denen, wohin die natürliche Analogie reicht. | 19v Wir können den Grund nur in dem finden, was zwischentritt zwischen die Erregung und die Aeußerung. Wir fanden daß der Begriff hier im Maße liege. Maß – was ist dieses? – Wo gemessen wird, liegt eine Vergleichung zu Grunde. Es muß also ein Mehreres da seyn. Denken wir einen einzelnen Ton, wird dieser ein Maß in sich haben? Wir unterscheiden den gesungenen von dem sonst hervorgebrachten Ton. In dem gesungenen Ton liegt in der Schwingung das Tones eine Bestimmtheit, die in dem nicht-gesungenen Ton nicht liegt. Die Geberde, die nicht blos Resultat der Gewöhnung ist, hat ein Maß. Als etwas Zeitliches hat sie eine Reihe von Momenten in der Bewegung, einen Anfang, Mitte und Ende. Vermöge dieser hat jeder und alle unter sich eine Bestimmtheit. Stellen wir die Untersuchung dieses Begriffs bei den einzelnen Elementen an, so entsteht nur ein Schein von Klarheit bei aller Entfernung. Der Bewegung entspricht etwas Räumliches, da die Linie ein sich bewegender Punct ist. Wir können sagen, wenn wir in der Bewegung, in der Entstehung des Räumlichen eine Bestimmtheit wahrnehmen, so sei Maß da – wie in der Linie, die nun dadurch(?) zunimmt und abnimmt. Dies führt auf die Linie der Schönheit und darauf in dem Geometrischen des Schönen und Unschönen zu suchen. Es steht dies aber ganz für sich. Betrachten wir nun die einfache Bewegung, den einfachen Ton, so werden wir den Unterschied nicht leugnen, aber ihn nur als den ersten Anfang setzen. Wenn Ton und Geberde unter die Warte der Besinnung gestellt wird, so wird das Regellose und Verworrene verschwinden und in die Einzelheit kommt Bestimmtheit. Aber wird es auf die Aufeinanderfolge Einfluß haben? Gehen wir auf das Innerliche zurück und fragen, wenn dem einen freudig zu Muthe ist, dem anderen trübsinnig, ob nicht jeder von beiden eine verschiedene Art des Überganges, des Abstoßens und Aufnehmens verschiedener Momente haben wird, so werden wir ein Princip der Verknüpfung im Menschen selbst finden. Das führt uns weiter. In der An-einander-reihung des Einzelnen, da wird uns erst das Aeußere eine Aeußerung des Innern. Wenn schon(?) der natürliche Ausdruck eine An-einander-reihung ist – wird nun in dem dazwischen Tretenden dasselbe nothwendige Moment | 20r liegen. Beim natürlichen Ausdruck haben wir eine Reihe von Tönen und Bewegungen: tritt nun die Besinnung dazu, wird nothwendig die An-einander-reihung eine andere seyn müssen? – Es gilt der Uebergang, wo in der einen Richtung gemessene Bestimmtheit, in der anderen unbestimmte Verworrenheit liegt. In der Dauer der Töne, in der Reihenfolge liegt etwas Verschiedenes. Ist die Reihenfolge dieselbe und man kann die Länge und Kürze nicht messen, so daß sie sich überrumpeln, so wird dies das positiv-Kunstlose seyn, ohne daß materiell etwas anderes da ist. Tritt einmal die Besinnung dazwischen, so erweitert sich die Aufgabe. Was für einem Princip folgt der Mensch, wenn er unwillkührlich seine Erregung ausdrückt? Davon wissen wir keine Rechenschaft zu geben. Aber eben deswegen ist es uns, wie wol verständlich seiner Bedeutung nach, doch unverständlich seiner Entstehung nach. Besinnt sich jemand, so wird er die Totalität der Töne und Bewegungen überschauen. Das Gebiet der Rede ist ein verwandtes. Ist die Rede etwas Unmittelbares wie Ton und Geberde? Wir werden es verneinen, denn die Rede steht in Zusammenhang mit dem Denken und dieses ist eine andere Function. Aber die Rede hat eine gewisse begleitende Kraft für Ton und Geberde. Wenn der natürliche Ausdruck unbestimmt bleibt, so erhebt sich das Bedürfniß, durch die Rede die Unbestimmtheit zu heben. Wie thut nun z.B ein zorniger Mensch seinen Zorn kund? Hier noch wie Bewußtlosigkeit und die Rede tritt in Tadel und Schimpfen als erklärende Begleiterin der Erregung auf. Tritt die Besinnung hinzu, so wird über das ganze Verhältniß gedacht und gleichsam die ganze Sprache muß dem, der sich äußern will, gegenwärtig werden, um aus dem Schatz herauszufinden das, wodurch er am meisten seinen Zustand deutlich machen kann. Hier zeigt sich eine ungeheure Menge von Hilfsmitteln. Der Reichthum wird sich in um so größerer Fülle darbieten, je größer die Erregung ist. Was ist nun das was unmittelbar gegeben wird, wenn die Besinnung dazwischen tritt? Es kann selbst in der Invective Kunst liegen, nicht des Tons und der Geberde wegen, nicht weil in dem einzelnen Ausdruck vereint(?) wird, was verworren und unbestimmt ist, sondern weil hier ein Ganzes innerlich vorgebildet ist, was äußerlich dargestellt ist und weil | 20v dieses aus einem größren Ganzen zusammengestellt ist. Dann liegt darin eine Tendenz zur Mittheilung, so bald ein andrer Mensch gegenüber gestellt ist. Diese Tendenz liegt in der Natur des Innern selbst. Wir können uns hier also nur eine Erweiterung der Hilfsmittel für die Darstellung denken. Will sich ein zum Zorn Erregter seinen Zustand darstellen, so kann er alles zusammenfassen, was seinen Zustand darstellen kann. Er ist sich also dessen vorher bewußt, was er von seinem innern Zustand sagen will. Dieses ist das Urbild . Der Zustand der Besinnung kann fortdauern und was vorgebildet ist, kann während der Ausbildung noch weiter ausgebildet werden durch die begleitende Besinnung. Hier haben wir die Wurzel der Kunst. Es ist das im Innern gesetzte Urbild, doch allemal durch eine äußre Erregung. Jede dieser urbildlich werdenden Besinnungen ist eine Richtung zum Hinausgehen über das blos Natürliche, aber doch von ihm ausgehend. Hier finden wir nun auf der einen Seite das Wiedergebenwollen, in aller Klarheit das Innere äußerlich, aber auf der anderen Seite eine gewisse Verknüpfung – die mehr willkührlich ist und eine gewisse relative Unverständlichkeit setzt. Dies ergiebt sich aus dem Gegensatz der Identität und Differenz der Subjecte [...] . | 21r

Die Möglichkeit(?) der Kunst fiele also auf die Seite dessen, worin jeder ein anderer ist. Wir gingen von dem Tanz und der Musik aus. Gilt dies auch von den anderen Künsten? Wir haben das Gebiet der Kunst noch nicht streng beschrieben. Wir haben hier anerkannt das Mimische und das Musikalische, insofern es Product der menschlichen Stimme ist. Das Letzte können wir leicht erweitern, da die musikalischen Werkzeuge ein Product sind, die sich aus diesen Anlagen ergeben, indem die Ahndung weiter geht, als die menschliche Kunst. Es ist derselbe Act zwischen der Erregung und der Besinnung , ob man nun die menschliche Stimme allein oder mit ihren musikalischen Werkzeugen oder musikalische Werkzeuge ohne sie in Wirksamkeit setzt. Im Allgemeinsten anerkannt sind die redende und bildende Kunst. In Hinsicht der redenden Künste haben wir gesehen, wie das ganze Gebiet der Sprache dem Urbilde folgt, so daß das Künstlerische hineinkommt. Wir sind aber dann von einer leidenschaftlichen Aeußerung ausgegangen, die wir nicht als allgemein voraussetzen können. Stellen wir die Poesie voran, so ist es auch hier so? So wird jeder sagen, auch hier gehe ein Moment der Conception voraus und die innere Gestaltung ruhe auf der persönlichen Eigenthümlichkeit. Um hier etwas Allgemeines zu anticipiren, so hat je mehr sich die Conception blos als Nachbildung zeigt, das Kunstwerk um so weniger künstlerischen Werth und wir beurtheilen es in gewisser Hinsicht eben nach der eigenthümlichen Conception. Insofern wir in jedem Lebensmoment die Gleichheit in urbildicher Hervorbringung leugneten, wird es mit dem Nachbild mehr gleich sein, weil es weniger auf innerer Affection beruht. – Wie mag es mit der bildenden Kunst seyn? Hier pflegt man alles noch mehr auf die Natur zurückzuführen. Eine Zusammensetzung unbekannter Gestalten wäre unverständlich. Man meint doch hier, der Künstler sei | 21v durch das was er gesehen afficiert und gäbe dieses rein Objective wieder. Wie verhält es sich aber in Wahrheit mit der Affection? Am meisten auf die Natur geht das Portrait zurück. Es läßt sich mechanisch und geometrisch durchzeichnen mit dem Mikrometer. Aber ein solches werden die Kunstkundigen auf die niedrige Stufe setzen. Der wahre Künstler wird weniger gleich bereit seyn, zu jedem Augenblick zu zeichnen. Er muß den Moment abwarten daß der Mensch, der gezeichnet werden soll, ihm einleuchtet, er sich mit ihm gleichsam manifestire. Und ihm ist nur das Urbildliche, das Porträt in einem solchen Moment zu faßen wo es sprechend(?) hervortrete. So werden von verschiedenen Künstlern verschiedene Portraits desselben Gegenstandes verschieden, und das eine wird dem anderen mehr zusagen. Es liegt in der verschiedenen Auffassung, die nicht rein von dem Gegenstand ausgeht, sondern von der eigenthümlichen Art und Weise. Und oft zeigt sich in dieser zwischen dem Künstler und dem, der es sieht eine große Differenz. Hier finden wir nun in der gesammten absoluten Freiheit das Abhängige von der Stimmung und auf der anderen Seite das Gepräge der Eigenthümlichkeit. Das verbindet sich uns in Einem, wenn derjenige der darstellen will, von dem Darzustellenden auf höhere Weise afficirt ist. Es ist hier also wieder dasselbe subjective Moment. – Will jemand dasselbe an der Architectur nachgewiesen haben, so ist es keine Ausnahme, aber jetzt wäre die Entwicklung eine Anticipation, die besondere Vergleichungen erfordert. – Es kann hier also um so mehr ausgelassen werden, da die Kunst als Kunst noch streitig ist. Sehen wir auf die redende Kunst und nehmen hier zuerst eine Beschreibung, die blos einen Eindruck wie im Spiegel einem der nicht gesehen hat wiedergeben will, so ist es um so besser, je weniger der Erzählung von dem Ihrigen(?) hinzu tritt. Aber niemals ist in dieser objectiven Darstellung | 22r das subjective Combiniren und Auffassen ausgeschlossen. Wo dieses subjective Moment als ein Minimum eintritt, hat sie mit der Kunst nichts mehr zu thun, dann wird sie nichts als ein reines Wiedergeben des objectiven Bewußtseyns. Dieses beruht auf demjenigen, wodurch alle Menschen dieselbigen sind. Was hier das Minimum ist, ist in dem analogsten Gebiet, so bald sie Kunst ist, das Maximum. Es dichtet einer eine Erzählung, und es wollte jemand in ihr nur etwas Objectives eine gewisse Zeit oder Sitte eines Volkes darstellen, so wird doch gleich eine Abweichung bei demselben Stoff, bei derselben Tendenz bei Verschiedenheit der verschiedenen Eigenthümlichkeit entstehen. Aus dieser Eigenthümlichkeit wird auch eine eigenthümliche Verknüpfung der Momente nothwendig entstehen – und eben diese eigenthümliche Verknüpfung im Erzählen macht die Kritik nothwendig. Je mehr sich eine eigenthümliche Auffassung zeigt, um so mehr sich diese in der Verknüpfung darstellt, desto mehr ist das Entstandene ein Kunstwerk. In Hinsicht der Erregtheit und des Urbildlichen fällt die Kunst in diesem Gegensatz auf die Seite dessen, wodurch jeder ein anderer ist, des Eigenthümlichen. In Hinsicht der Ausführung wo das besinnende Moment zwischen eintritt, so kann die Ausführung ohne Beziehung auf andere vorgenommen werden. Und die Kunst entsteht vielleicht ohne sie. Wenn aber das Heraustreten eine große Reihe von Thätigkeiten erfordert, so wird sich der Impuls nur halten können, wenn der Künstler für jemanden darstellt. Will er das, so will er sich offenbaren, verständlich werden, und in dieser Hinsicht gehört die Kunst dem anderen Glied des Gegensatzes an. Die beiden ersten Momente liegen überwiegend auf der Seite des Eigenthümlichen, das dritte Moment überwiegend auf der Seite des Identischen. Ueberwiegend: denn gäbe es gar keine Mittel zu dem Vergleich der Auffassung und Verknüpfung eines anderen, so würden | 22v wir immer nur ein Aggregat haben, das in Rücksicht seiner objectiven Elemente zu zergliedern(?) wäre, aber in Rücksicht der subjectiven Dignität nicht könnte gefaßt werden. Es ist hier eine unendliche Approximation. Ebenso liegt überwiegend das Moment der Ausführung auf der Seite des Identischen. Bei der redenden Kunst ist das Element der Sprache für alle dasselbe, bei der bildenden Kunst sind es die Linien und Flächen pp. Aber die Elemente der Sprache sind nur für diejenigen dieselben, die diese Sprache reden und es ist also nur eine erweiterte Eigenthümlichkeit und die verschiedenen Sprachen verhalten sich ursprünglich zu einander irrational, indem die einzelnen Einheiten in den Sprachen keineswegs dieselbigen sind: Ebenso ist bei den Tönen und Farben die Identität begrenzt. Warum z.B. trauern die einen schwarz, die anderen violett? Es ist dies nicht etwas blos Willkührliches. – Auch hier ist es das verschiedene Ergebniß desselben Eindrucks, der verborgen mit der Organisation zusammenhängt. Aber indem der Dichter zu seinem Volk spricht, der Musiker nur für das Zeitalter komponiert, in welchem die Kunstwelt desselben ist, so liegt das Ueberwiegende des Moments auf der Eigenthümlichkeit. Diese Entwicklung war nothwendig, um das Gebiet der Kunst zu begrenzen und von dem Anliegenden scheiden zu können – wir gehen dabei von etwas aus, das sich aus den drei verschiedenen Momenten die wir aufgestellt haben von selbst ergiebt.

Wenn wir vorläufig annehmen, daß diese drei Momente in aller Kunst sich finden (Erregung, Urbildung, Ausführung), was geschieht nun wenn sich ein Moment verschiebt und Null wird? Die Frage scheint willkührlich. Aber sie ist es nicht. Es ist kein Uebergang zu der Kunst zu denken ohne eines dieser Momente. Wir denken uns das Moment der Erregung und innere | 23r Bildung, aber die Ausführung stehe nicht in gleichem Verhältniß. Was giebt es für einen Unterschied ? – Es ergiebt den Unterschied des Ausgeführten und Entworfenen oder Skizzenhaften. In der letzten ist mehr blos das Urbild angedeutet. Will ein solches Werk für sich heraustreten, so bildet es eine untergeordnete Gattung. Denken wir uns die Kunst aber als werdend in dem Künstler, so ist es ein nothwendiges Moment, um das zu befestigen, was concipirt ist. Kann der Erregte voraussehen, daß er die Ausführung nicht wird vollenden können aus dieser oder jener Ursache, so wird er sich mit der Skizze begnügen. So giebt es in dieser Art Weisen in jeder Gattung – nur nicht in allen Gattungen ist es gleichmäßig möglich. Ist es Mangel an Talent der Ausführung, so ist es eine niedrige Stufe. – Hier ist das überwiegende Hervortreten der Verbindung zwischen Erregung und Urbildung. – Gesetzt es fehlt aber das Moment der Erregung, so werden wir verlegen und es stelt das Bisherige auf eine schwierige Probe. Wir würden sagen es könne kein Kunstwerk seyn, ohne diese – da die zwischentretende Besinnung auch ohne die Erregung nicht möglich wäre. Aber dennoch giebt es solche Kunstwerke. Nehmen wir Kunstwerke aus der heiligen Malerei, so müßte die Erregung der fromme Sinn gewesen seyn. Aber viele Künstler haben hier vieles erzeugt und die Urbilder nähern sich auch(?) unter einander. Es müßte hier die fromme Erregung denselben Grad erreicht haben. Wir finden immer nur den allgemeinen Typus und fragen wir weiter nach, ob wir bei diesen Männern einen solchen Reichthum und fromme Erregung annehmen dürfen, die einen so kräftigen Impuls gegeben, so zeigt sich das Gegentheil. Offenbar hat aber dieses ganze Gebiet eine vor | 23vherrschende Beziehung auf die frommen Erregungen und der fromme Geist(?) soll gleichsam das Allgegenwärtige in dem Werk seyn. Aber es scheint als sei die Erregung hier nur das Letzte, nämlich um blos die Erregung in anderen hervorzubringen. Ist dem so, so kann unmöglich vorausgesetzt werden, als solle der Künstler mit seinem Werk erst alles hervorrufen. Es ist Vergegenwärtigung und die Künstthätigkeit bezieht sich auf die Erregung, die schon zum Theil in den anderen vorausgesetzt wird. Die Erregung ist ursprünglich in dem gemeinsamen Leben und der Künstler braucht nur den Spiegel dieser gemeinsamen Erregung zu seyn, mehr sympathetisch erregt, als ursprünglich. Aber diese sympathetische Erregung muß da seyn. Gehen wir auf die Geschichte des Christenthums zurück und sehen diese Kunst nur in einer bestimmten Zeit herrschend(?), so daß manches typisch ward, so würde es noch begreiflicher. Dieses Ergebniß giebt ein Schema für die übrigen Kunstthätigkeiten. Es folgt keineswegs, daß der Künstler von der Erregung unabhängig ist. Ist sie nicht ursprünglich beim Künstler, so ist sie in irgend einer Region des gemeinsamen Lebens zu suchen. Wie ist es hier nun aber mit der Besinnung? Der Künstler will in einem Moment doch seine Darstellung in der ursprünglichen Erregung(?) hervorrufen. Es hängt die Erregung des Künstlers nun zusammen mit dem Interesse derer, denen er darstellen will. Desto weniger Originalität ist das Resultat, und mehr die Richtung, sich auf einer gemeinschaftlichen Entwicklung zu halten. – Aehnlich liegen die Verhältnisse bei der tragischen Dichtkunst der Alten. Das Moment knüpft sich an die Anfänge des gemeinsamen Lebens, es ist die allgemeine politische Erregung des Gemeingefühls in Beziehung auf die Geschichte | 24r nicht aber eine specifische in dem Künstler. – Gesetzt die Erregung sei da, das Interesse an der Ausführung und das Vermögen an der Ausführung und es scheint sich der Null zu nähern das Moment der Conception. Wir würden hier sagen müssen, es könne so kein Kunstwerk, nur eine Naturäußerung sich ergeben. Wird aber ein Werk von größerem Umfang postulirt, so kann es nicht blos Naturäußerung seyn. Wir unterscheiden zweierlei, das was sich mehr auf die Naturerregung bezieht, das Maß gebunden und bei dem Reichthum der Darstellungsmittel eine Auswahl aus diesem Reichthum und dies ist des Künstlers Conception. Es wäre das Kopiren, wo blos ein Verhältniß zwischen dem Talent und dem Gegebenen ohne etwas Inneres: – Der erregte Künstler kann entweder etwas Neues schaffen oder das Vorhandene zusammen setzen, doch so, daß dies Ausführung seiner Individualität ist. Eine häufige Erscheinung. Wir finden alle diese Situationen, die sich aus dem Verhältniß dieser Momente ergeben haben und es ist dies eine große Bestätigung für die drei Momente, in denen wir das Wesen der Kunst finden. – Sehen wir auf die Ausführung, so gehört zu ihr eine organische Fertigkeit; dem Musiker ist Fertigkeit des Gehörs und auf einem musikalischen Instrument (vor allem der Stimme) nöthig. Diese Fertigkeit ist überall eine organische. Die Fertigkeit des Dichters, auch eine musikalische, ist ebenso Fertigkeit des Gehöres in Harmonie und Rhetorik, dann des Gedächtniß. Diese organische Fertigkeit hängt offenbar gar nicht von der inneren Erregung ab und wir können uns Menschen denken von der höchsten inneren Erregung ohne organische Fertigkeiten und können die Urbildung setzen(?) ohne die Fertigkeit der Darstellung. So kann es auch Menschen geben mit blos(?) organischer Fertigkeit. In ihnen muss sie fehlen, da das Bewegende | 24v fehlt. – Der erste, der erregt ist ohne organische Fertigkeit, wird sich mit Skizzen für sich begnügen, seine Conception festzuhalten. Der zweite wird Diener werden eines Erregten und Concipiren. Fehlte der Erregung aber die Conception, so würde die Erregung ein bloßes Verlangen seyn, aber dieses Verlangen stillt sich an den Erzeugnissen anderer. Sie sind es aber die in Vergleich mit den gegebenen Kunstwerken das Geschmacksurtheil finden. – Sollten wir ein Talent der Ausführung ohne Erregung und Conception finden, so treibt das Talent immer und ein solches Talent wird nachbildend. Ihm verdanken wir die Vervielfältigung der Bildung auf dem Grund einer und derselben Conception: Es ist eine niedere Stufe in Hinsicht der Kunst, aber nothwendiges Moment des Ganzen. In vielen Künsten hat sich es gelöst(?), das Kunstwerk blos mechanisch zu verbreiten. Gehen wir auf die alte Dichtkunst zurück, so waren die Rhapsoden die Nachbildner derselben Production ohne eigne. Nun scheint es, daß wir diese nicht brauchen, da wir ein mechanisches Mittel haben der Vervielfältigung, aber der Leser ist immer noch ein Bildner(?) von solchen Rhapsodien – da ein Gedicht gehört werden soll. In der Conception ist die Selbstthätigkeit, bei der Ausführung ist die Fertigkeit. Beide wollen geübt seyn und zur Vollendung ist hier nur stete Uebung nöthig. Aber die ganze Kunstthätigkeit wäre nur für abgeschlossene Kunstwerke Eins(?), wenn die Erregung nicht wieder weiter ginge als Production und Ausführung. Dies ist der große Punkt der Wechselwirkung zwischen dem Erzeugenden und dem Genießenden.(?) | 25r

Wir begreiffen doch diese drei Momente als Minimum und Maximum und was dazwischen liegt. Aus dieser Betrachtung geht zuerst das rein Menschliche hervor. Es bestätigt sich hier, daß die Theorie der Kunst ein Abgeleitetes aus dem Ethischen seyn muß, indem die menschliche Thätigkeit in ihrer Vollkommenheit in einer bestimmten Aeußerung betrachtet werden soll.

Wir sehen nun die Kunst im Leben an und suchen ein Princip der Kunst, um uns auch rein objectiv zu überzeugen, daß wir alle Kunstthätigkeit betrachten und abgrenzen. Wir müssen ausgehen von der Identität jener drei Momente. Ist eins erloschen, so ist es eine Unvollkommenheit. Können wir die Kunst erklären durch ein reines Durcheinanderseyn dieser drei Momente? Wir können es annehmen; aber das Unterscheiden der Kunstthätigkeit wird dadurch noch nicht klar und noch weniger ist dadurch ein Princip der objectiven Eintheilung gegeben. Auf welchem Punct unserer Aufgabe stehen wir nun? Wir sind ausgegangen nur(?) von dem einzigen Puncte. Daß wir hier bei allem verschiedenen Material dasselbe, und bei aller Selbständigkeit dasselbe für alle gleich setzen als Kunst , haben wir aus dem gemeinsamen Leben genommen, aber es ist noch nicht gerechtfertigt. Gehen wir nun zu den drei Momenten zurück, und fragen nach dem, was unmittelbar uns vor Augen liegt, ausgehend von der Ausführung, so ist uns durch diese nur gegeben wodurch die Künste unmittelbar verschieden sind. Der eine führt aus durch Töne, der andere durch Bewegungen, der dritte durch Worte. Wir müßten hier nur sicher seyn, daß wir hier alle aufzählten und dann auf das allen Gemeine sehen. Damit werden wir schwerlich zum Studium kommen. Sehen wir aber auf das Urbildliche, von wem hat dieses mehr: von dem wodurch sich die Künste unterscheiden oder wodurch sie eins sind. Das Urbildliche ist nicht ganz unabhängig von dem Material der Ausführung. Denken wir uns ein Gedicht, so werden wir die Möglichkeit | 25v zugestehen, daß wir einzelne Momente übertragen können in andere Künste. Nun könnten wir fragen, ob sich nicht das Gedicht durch eine Reihe Bilder ganz darstellen ließe. Im Drama ist es schwer, da es auf die Handlung(?) ankommt; aber es ist doch möglich durch eine große Reihe von Bildern. Wir werden aber sagen müssen, Ein Werk der Dichtkunst läßt sich nur übertragen durch eine Reihe aus der bildenden Kunst. Können wir uns wol denken, daß aus dem Künstler Ein und dasselbe Urbild wird(?) und die Entscheidung, ob er es in dieser oder jener Kunst ausführen wolle, ein besonderer Act sei. Wir werden es schwerlich bejahen. Das Urbild hat schon eine bestimmte Richtung nach einer bestimmten Gattung der Kunst und es kann darin keine Gleichgültigkeit liegen. Das(?) Gedicht und die Reihe von Bildern kann nicht denselben Proceß des Urbildens haben. – Ein Gedicht ist ausgeführt im Gedanken – in Wörtern und Sätzen – das Gemälde ist Linie und Farbe, also kann wol das Urbild dasselbe seyn? Dann müßte es etwas seyn, was weder Gedanke noch Bild sei, sondern woraus beides hervorgehen. Aber wir werden uns hier schwer etwas solches denken können. Im Proceß der Urbildung muß es mitgegeben seyn. Also auch dieses zweite Moment ist immer auch schon bestimmt durch das dritte. Hätte jemand auch alle Künste in seiner Gewalt, so läge doch jedem Kunstwerk verschiedener Gattung ein anderes Moment des Typs zu Grunde(?). Dagegen sehen wir auf den ersten Anfangspunct der Erregung, so findet da nicht mehr dasselbige statt. Hier können wir uns denken, mehr Menschen auf ein und dieselbe Weise erregt und alle künstlerisch zur Productivität getrieben, werden zu einer bestimmten verschiedenen Kunst getrieben; und die innere Erregung hat gleich zu einer bestimmten Kunst die Richtung. Aber wir müssen uns in der Erregung den Impuls | 26r zur künstlerischen Urbildung mitdenken. Wir müssen jeden Punct in Zusammenhang mit seinem nächsten betrachten. Das eine ist das Identische, das Andere das Differente. Sehen wir nun auf das Identische, so ist es in der in Productivität übergehenden Erregung, das Differente liegt in der Abhängigkeit des Urbildungsprocesses von dem bestimmten Material, sie ist in dem Urbildungsproceß auf ein bestimmtes Material bezogen.

Wollen wir etwas Festes und Lebendiges haben, so fragen wir im Identischen 1. was ist in Beziehung auf die Erregung dasjenige, wodurch es in der Erregung die in Production übergeht dasselbe ist. Wir müssen es genetisch erkennen um es lebendig zu begreifen. 2. Worin beruht das, daß der künstlerische Urbildungsproceß die verschiedenen Richtungen nimmt und daß es nur diese und wie viel bestimmte Formen giebt. Wir könnten uns hier leicht im Zirkel glauben. Wir haben gesagt, in der Erregung liege das Identische, in der Urbildung das Differente. Sehen wir aber auf das Entstehen, so muß doch die Urbildung wieder praedeterminirt seyn in der Erregung. Wir müßen die äußersten Puncte wieder aneinanderschließen und soll eine bestimmte Gattung hervorgehen so muß schon der Erregung wieder durch die Ausführung eine bestimmte Gattung bestimmt seyn. Das ist ein Cirkel. Denken wir uns einen Maler in der ganzen Stetigkeit seines Processes. Was er darstellt, stellt er dar durch den Gegensatz zu einer allgemeinen intellectuellen Bildung. Wollen wir uns seinen Urbildungsproceß denken, so müssen in ihm auch Bilder seyn, gleichsam Schattenbilder, die heraustretend vollkommen werden. Die Urbildung ist hier ein Product des Bildens im engeren Sinn. Die Erregung hat nun auch schon gleich die Richtung auf diese Production gehabt. Sollte nun nicht die Erregung auch gleich schon durch das Gesicht bestimmt seyn? – Der Blinde könnte eben so wenig die Bilder produciren, als | 26v er von der Farbe reden kann. Die Umrisse erreicht er vielleicht durch Substitution des Gefühls, aber Farbe und Licht unmöglich. Wir bleiben nicht bei der gänzlichen Negation. Es hat jemand ein schlechtes Gesicht, und kann die Eindrücke nicht bestimmen und fest halten. Kann in ihm die Erregung zum Malen, der Impuls zur Urbildung des Gemäldes entstehen? Kurzsichtige haben nach allgemeiner Erfahrung ein schlechteres Gedächtniß für die Gestalten des Gefühls und die Berufung zum Malen muss in ihnen fehlen. Zwar giebt es wol Maler welche schielen. Es ist eine Unvollkommenheit. Es muss eine andere Production bei ihm vorgehen, aber der innere Proceß des Sehens ist dabei derselbe, wenn auch der äußere Proceß als etwas Schwierigeres und weniger Natürliches aussieht. Die Urbildung bleibt also immer abhängig von der Lebendigkeit des Sinnes. – Tragen wir dies aber auf einen anderen Gegenstand über, so könnte sich eine Instanz ergeben. Einer unserer größten Komponisten ist taub. Er ward es später und componirt fort. Ist nun auch die Genialität bei seinen späteren Erzeugnissen dieselbe, so wollen Kenner doch finden, daß in den Intervallen und im Großen(?) nicht mehr solche Gefälligkeit für das Gehör liegt. Es ist also mehr noch eine Bestätigung. Was bleibt uns also übrig? Wir müssen unseren Cirkel recht fest faßen. Es muß etwas Anderes seyn, sagten wir, wodurch die Künste ein und dieselben sind, und etwas Anderes, wodurch sie verschiedene Formen sind. Wir haben diese beiden unbekannten Größen durch unsere drei Momente bestimmt. Wir legten die Identität in den Zusammenhang des ersten und zweiten Moments, die Differenz in den Zusammenhang des zweiten und dritten Moments. Nun aber finden wir, daß das erste schon durch das dritte bedingt ist. Wir könnten nun entgegnen, der Künstler arbeitet nicht immer auf einen Sinn – wie in den redenden Künsten. Wir haben | 27r freilich schon gesagt, daß die Sprache ihre musikalische Bedeutung habe, aber es ist nicht die wahre(?). Nimmt man also das Wort Sinn in der engen Bedeutung der fünf Sinne, so ist es falsch. Hat aber jeder gleich viel Sinn für die Poesie und für welche arbeitet der Dichter? Aus der Beantwortung dieser Fragen kommen wir auf eine Aehnlichkeit, ein receptives Vermögen und die Erregung, insofern sie spontan in Urbildung ausgeht, muß doch wieder von diesem receptiven Sinn ausgehen. In einem jeden entwickelt sich der Sinn für die Kunst eher(?) und nur in derselben Stärke wird sich auch die Erregung zur Productivität finden. – Wir finden also einen Cirkel. Aber es beweist nichts gegen unser Verfahren, noch unsere Sätze. Es liegt vielmehr darin, noch zu schließen(?), daß, so vielerlei Arten es giebt, als die Erregung durch einen verschiedenen Sinn bedingt ist, so vielerlei Arten von Künsten kann es auch nur geben und der Cirkel löste so unsere ganze Aufgabe.

Was ist denn das Gemeinschaftliche aller in künstlerische Production übergehenden Erregung? Wir haben ein Datum von dem wir anfangen können. Wir begannen mit der Naturäußerung und fanden die Umprägung durch die zwischentretende Besinnung. Wir gingen aber dabei aus nur von dem, was der Musik und Mimik analog ist. Wir fanden, daß die Erregung da immer durch eine Affection bedingt sei, durch etwas Leidentliches, was sich von dem Leidenschaftlichen nicht ganz abgerungen(?). Die Besinnung aber als etwas Selbstthätiges hebe die Leidenschaft aus . – Hier ergäbe sich die Behauptung, daß das Künstlerische etwas sei, das die Leidenschaft mäßige. Es ist diese Ansicht schon von Aristoteles aufgestellt, aber mehr allgemein. Die Dramatik ist Darstellung der menschlichen Leidenschaft, aber in der Mäßigung, da bei der einzelnen Person die Besinnung dazwischen | 27v tritt; und es bewegt die Schauenden zur gleichen Mäßigung. In der bildenden Kunst ließe sich diese Ansicht schwer durchführen. Wir können an diesem Punct also wol anknüpfen, aber ihn nicht unmittelbar übertragen. Es ist die Erregung gegeben und ein Uebergehen in eine gewisse Erzeugung. Genau genommen ist jeder Lebenspunct(?) so zusammengesetzt. Die Selbstthätigkeit im Menschen ist vorherrschend; dieser sind unendliche Aufgaben gestellt, aber sie kann nicht nach allen Richtungen wirksam seyn. Sie bedarf also einer Bestimmung, damit aus den unendlichen Möglichkeiten eine bestimmte Richtung und Thätigkeit hervorgehe. Vergegenwärtigen wir uns nun die verschiedenen Arten der Kunst, so werden uns verschiedene Vergleichungen gegeben. In den redenden Künsten ist das Resultat eine Gedankenerzeugung. Wir haben in der Musik und Mimik ein solches, dessen Resultat eine Erzeugung von Bewegungen ist. In der bildenden Kunst, dessen Resultat eine Erzeugung von Bildungen ist. Es giebt aber auch eine Erzeugung von Gedanken, welche wir nicht unter die Kunst rechnen. Wenn wir nun hier fragen, was ist hier(?) das Erregende, so führt uns das vielleicht zu dem Unterschied. Wir fangen von Gedanken an. Hier können wir zweierlei unterscheiden, eine Gedankenerzeugung, die auf das Wissen ausgeht und eine Gedankenerzeugung, die auf das ganze thätige wirksame Leben ausgeht. Zu letzterer gehören alle praktischen Geschäfte, wo Gedankenerregung und Mittheilung Durchgangspuncte sind. Bleiben wir bei dem Ersten stehen, wie verhält sich Gedankenerzeugung, die auf das Wissen und wie die die auf die Kunst ausgeht? Die Tonerzeugung in der Musik und die Geberdenerzeugung in der Mimik sind ausgegangen von Bewegungen. Hier stellen sich der Kunst gegenüber die Bewegungen zu einem bestimmten Zweck. Können wir die Kunst ebenso ansehen? | 28r Es liegt dabei kein bestimmter Zweck zu Grunde, kein bestimmtes Ausgerichtetwerden, sonst haben wir das Geschäft, nicht die Kunst. In der Identität erschien uns sie hier nur als etwas Negatives. Die Bewegung geht nicht auf einen Zweck, die Gedankenerzeugung nicht auf ein Wissen. Jede Negation ist aber immer eine Unterscheidung, der etwas Positives zu Grunde liegen muß. Wie steht es um diejenigen Thätigkeiten, welche auf das Wissen ausgehen? Es giebt für den menschlichen Geist einen Complexus von Wissenschaften und jeder, der auf ein Wissen ausgeht, strebt darauf dieses System des Wissens zu realisiren, das sonst nur Aufgabe ist. In der Gedankenerzeugung und Mittheilung wirkt das System des Wissens für alle, die Theil nehmen. Alle Gedankenerzeugung zum Wissen ist Theil dieses Bestrebens, mittelbar oder unmittelbar. Wie verhält sich dazu die Gedankenerzeugung in der Kunst? Sie ruht auf demjenigen, was auf der einen Seite in dieses Bestreben, auf der anderen Seite in der praktischen Gedankenerzeugung schon hervorgebracht ist. Ihre Hervorbringung ist immer nur Combination. Alles Gedankenerzeugen zum Wissen ist aber auch nur Combination. Wie unterscheidet sich diese von jener? Wir werden gleich darin übereinstimmen. Wenn wir uns denken eine todte Idee in absoluter Vollendung, so haben wir die gesammte Wissenschaft. In ihr ist jedes durch einander in der größten Nothwendigkeit gebunden und die Wissenschaft ist in jedem, in so fern er sie in dieser nothwendigen Gebundenheit hat. Wollen wir eine streng formale, so müssen wir sagen, wenn dies einmal gegeben wäre in der absoluten Vollständigkeit, so wäre nichts mehr daran zu ändern. Wenn wir uns denken eine reine Entwicklung mathematischer Sätze auseinander, so kann als aus dem Ganzen nicht mehr daran gerührt werden. Werden einzelne Sätze in Beziehung gebracht auf ein bestimmtes Problem, wie der Einschnitt in Kuben(?), so geht dieses bestimmte Verhältniß schon über auf die Seite der Kunst | 28v und es wäre gegründet mehr in einer freien und willkührlichen Combination. Worauf kommen wir hier nun? Es ist ein Unterschied zwischen einer objectiven und freien Combination? Je mehr die erste hervortritt, desto mehr Wissenschaftlich; je mehr das zweite, desto mehr Analogie mit der Kunst. Wie wird die Gedankenerzeugung in der Geschäftssphäre ausgerichtet? Je größer das Geschäft, desto wichtiger das Verfahren, desto mehr Nothwendigkeit. Auf dem Kunstgebiet werden wir nicht diese Bedingtheit durch das Andere finden. In der Naturwissenschaft muß alles aus der Idee der Natur verstanden werden, und alles ist durch das Ganze, und jedes Einzelne durch das Andere bedingt. Betrachten wir die Totalität poetischer Kunstwerke, so ist die eine Aufgabe, aber nie ganz zu lösen, zu verstehen, wie das einzelne Kunstwerk zur Idee der Kunst stehe. In der Naturwissenschaft ist nur so viel Wissenschaft da als das nothwendig erkannte Verhältniß zur Idee. Nicht so bei der Kunst. Hier erscheint jedes Kunstwerk als ein einzelnes freies für sich. Wir haben den Unterschied in dieser nothwendigen und freien Verknüpfung. – Aber materialiter angesehen werden wir sagen, daß alle Kunstgedanken auch einen Ort, wenn auch untergeordnet im Gebiet des Wissens finden. Die Differenz wäre also in der Form derselben. Es können in der Kunst ja ohne alle Ausnahme auch die höchsten Gedanken vorkommen. Die Gedanken materialiter dieselben sind auf jenem Gebiet im Verhältniß der Nothwendigkeit, auf diesem im Verhältniß der Freiheit gesetzt – Vernunft und Phantasie. – Sehen wir auf die Bewegungserzeugung, so stellen wir gegenüber die Bewegung zu einem bestimmten Zweck, und mechanische Wirkung. Es giebt kein Organ | 29r das nicht Antheil haben könnte an einem mechanischen Zweck und einer freien Combination. Auch hier scheidet sich aber so die Kunst ab. Wie verhält sich diese zwiefache Bestimmtheit des Menschen? Der Mensch bedarf einer Bestimmung von außen; denn für einen rein innerlichen Anfang in Beziehung auf seine Selbstthätigkeit muß er sich ja indifferent verhalten. Wie verhält sich der Mensch nun zu einer gebundenen und freien Gedanken und Bewegungserzeugung? Denken wir uns einen Gedanken und Bewegungsproceß, so werden wir immer ein freies Spiel begleitend finden, selbst in der Meditation oder in dem Folgen der Gedanken anderer. Die freie Gedankenerzeugung liegt hier im Hintergrund. – Dies führt uns zur Bildererzeugung. Bild und Gedanke sind genau verwandt und wir können zur Gedankenerzeugung nicht gelangen als durch Vermittlung der Bilder. Wir haben also eine Bildererzeugung, die auch auf das Wissen ausgeht. Aber wir werden immer finden, wie es eine freie unwillkührliche Gedankenerzeugung gleichzeitig mit der gebundenen, so giebt es auch eine unfreie Bildererzeugung, so wol wenn wir in einer Bildererzeugung als einer Gedankenerzeugung begriffen sind. Es kann keine Kunst geben ohne diese beiden. Was innerlich bleibt, wird keine Kunst. Die Möglichkeit der Kunst ist aber in dem freien Schalten mit den Bildern und Gedanken gegeben. Diese ist die Phantasie. Diese Bilder und Gedanken müssen in diesem freien Schalten so frei und kräftig eingeleitet werden, daß sie äußerlich hervortreten und das ist die Basis der Kunst, die freie Combination, die so dominirend wird, daß eine Reihe der Thätigkeit von ihr ausgeht. Diese ist in allen Gattungen dieselbe. Wir sind jetzt ausgegangen von der Selbstthätigkeit, die aber entgegengesetzt ist dem Erkennen und Handeln. Wie hängt nun der Anfang, der in dem | 29v Leidentlichen liegt, und der Anfang in dieser Selbstthätigkeit zu einander? Wenn Musik und Mimik oft mehr Aeußerung der Natur waren, so müßte man glauben hier wäre mehr Leidentliches, bei den anderen Künsten mehr Selbstthätigkeit. Aber heben wir die Musik heraus, so ist sie eben so selbstthätig. Wenn mit jedem Gedankenproceß(?) ein unwillkührlicher Proceß von freien Tönen und Bildern parallel läuft, so singt und bildet es auch in jedem. Nehmen wir das Mimische genau, so ist auch in diesem etwas, das bestimmt wird durch den Ernst und Geschäftiges im Leben, aber es ist doch ein freies Spiel und die freie Production ist immer auch eine gehaltene Erzeugung von Bewußtseyn und objectivem Handeln. Wenn wir nun sagen, das Leidentliche würde in Kunstthätigkeit nicht so heraustreten können, wenn nicht dies freie Spiel und diese Selbstthätigkeit hinzu träte und umgekehrt diese Selbstthätigkeit könnte nicht hervortreten ohne die Affection [...] Das freie Spiel ist in anderen anderes und eben dies setzt es in Verwandtschaft mit den verschiedenen Gebieten der Kunst, sowol im Kunstsinn als in der Kunsterzeugung. Was ist denn nun eigentlich, was in dem künstlerisch erzeugenden gleichsam schwangergehenden Moment liegt? Das ist die nächste Frage. Doch gegen das Vorige noch ein Einwand. Ueber die Phantasie giebt es verschiedene Urtheile in Hinsicht der ethischen Dignität und der Beziehung zur Kunst. Es giebt eine Vernunft und Phantasie gleichstellende Ansicht. Beides sei eins und dasselbe. Der Bildungsproceß gehöre auch der Vernunft an und die Verfolgung des Bewußtseyns bis in die Sinnesorgane führe zurück auf das Differente von Thieren. Aber Vernunft in negativem Sinn ist ein durch einen Willensakt geborener(?) Zustand im Erkennen oder Verstand(?). Phantasie ist dasselbe im freien Zustand. – Das ist die eine. | 30r Nach der anderen Ansicht verhält sich Phantasie und Vernunft wie Gutes und Böses, wie Leeres und Unbedeutendes zu einem Werthvollen an sich. Es sey Leere, insofern das Spiel zwecklos sei, das Böse insofern es sich gegen die Vernunft eindrängt und in sich keinen Zusammenhang hat. Wäre dies, so wäre die Kunst in das Verderbliche hineingezogen, von der einen Seite angesehen Null, von der anderen Minus. Beide Ansichten haben etwas für sich. Wie sind sie zu vermitteln? Wir haben zuerst betrachtet die freie innere Function, wie sie die Lebensthätigkeit durchkreuzt und begleitet. Gehen wir einen Schritt weiter, so ruht im Schlaf die Willkührlichkeit der Gedanken und Bilderzeugung. Wir finden da alle jene Elemente beisammen, ohne diese durch Freiheit geordnet zu haben. Es ist also in dieser Hinsicht(?) das durchkreuzende freie Bilderspiel die träumerische Seite und zum Theil vielleicht leer, zum Theil gar verführerisch. Wir treten auf die andere Seite. Im Erkennen sei ein bedeutender Proceß vollzogen und es spiegelt sich eine reine Art der Vernunft ab. Es sei der Act vollendet, aber es entsteht der Trieb zur Mittheilung. Wird sie mitgetheilt werden, wie sie innerlich entstanden ist? Ist ein didactischer Zweck da, so ist diese Art etwas Lehrreiches, mitzutheilen, wie die Resultate entstanden sind. Aber es wird auch eine rein objective Art der Mittheilung geben. Diese wird am meisten durch den Gegenstand gebunden seyn. Wird es aber nicht auch ein Drittes geben? Was wir ein wissenschaftliches Kunstwerk nennen, wird in der Mitte liegen, etwas von beiden an sich tragen, aber keines von beiden ganz seyn. Da ist die Mittheilung nicht blos abhängig von dem Objectiven, nicht blos von der Entstehung des Gedankens in der Zeit. Sie ist von beiden abhängig. Wodurch unterscheiden sie sich? Es wird die originellste Mittheilung seyn | 30v worin sich am meisten die Eigenthümlichkeit wird offenbaren können. Das in der Mitte Liegende, das wissenschaftliche Kunstwerk, ist eine freie Production die das Object und Subject in einander verschmilzt, jeder wird es anders thun; und in einer solchen Darstellung ist zugleich die größte Virtuosität. Etwas Gebundenes wird freilich reproducirt aber auf der höchsten Stufe. – Gehen wir auf die eigentliche Handlung so müssen wir uns den gewöhnlichen Proceß als etwas Gebundenes vorstellen. Je materieller, um so mechanischer. Aber auch hier strebt sich die Eigenthümlichkeit zu manifestiren, wenn sie auch vom Stoff unterdrückt wird. Dazu kommt, daß jemand seine Maxime, seine subjective Weise aussprechen kann. Wird es nicht ein Drittes geben zwischen diesem Objectiven und Subjectiven? Sobald ein Drittes hervortritt, ist eine Befreiung von den Gesetzen des gebundenen Lebens da und es kann nur eine freie Production abspiegeln. Wir haben hier die höchste Thätigkeit in einer Weise, wo sie sich von allen äußerlichen Bestimmungen und Beschränkungen am meisten frei gemacht hat. – Was haben wir hier für eine Reihe vom Traum durch die Unwillkühr bis zu dem was sich gleichsam über die höchste Vernunfthätigkeit stellt. Die Kunst steht nun hier in ihrer Genesis oft in Analogie mit dem Traum und Unwillkührlichkeit. Es soll uns nicht hindern. Denn auch das Größte auf der anderen Seite spricht sich aus. Aber es soll eine Scheidung gemacht werden. Diese liegt uns zunächst ob. Wenn wirklich eine bestimmte Differenz seyn soll, aber es soll sich dadurch die ganze Kunst abscheiden, so wird sich wiederum fragen, wodurch nun aber das Leidentliche das Bestimmende wird für die ursprüngliche Selbstthätigkeit. Es wird dies am klarsten werden, wenn wir die beiden Processe so nahe rücken als möglich. Es giebt eine Kunstproduction wie z.B. die Arabeske, die dem Traum am nächsten steht. Es haben | 31r darin die abentheuerlichsten Gestalten Statt. Es kann aber Phantasie, wie im Traum, eingeflochten seyn, selbst symbolische Dignität, wie wir auch im Traum oft dieselbe finden. Wodurch entsteht dieses? Die Entstehung können wir an das Unwillkührlichste anknüpfen. Es sind lauter Elemente aus dem freien Spiel der Bildererzeugung, die sich zusammen finden. Wie ist es entstanden? Wenn nicht die gesetzmäßige Thätigkeit soweit zurückgetreten wäre, so würde die andere nicht so weit hervortreten. Das innere Spiel will immer heraustreten. Es muß aber erst frei gelassen werden. Der Traum ist nun auch aber dasjenige, was übrig bleibt, wenn die geregelten Geistesthätigkeiten ruhen. Was ist nun der Unterschied zwischen der Art, wie das eine Moment und der Art, wie das andere Moment entsteht. Finden wir hier nur Identität, so wäre die Kunst etwas Träumerisches. Aber wir werden sagen müssen, eine Arabeske oder ein poetisches Spiel, so abweichend von der Wirklichkeit es scheint und so ungeheuer oft, so wenig von der Philisterei des gewöhnlichen Lebens angestrandet(?), so ist doch eine Senkung des Gesetzmäßigen und Bestimmten in das freie Spiel hinein gerade in diesem Moment. Man kann gewiß auch die Differenz in dieser Gattung finden, wie zwischen der raphaelischen und dürerschen Arabeske. Dies könnte nicht seyn, wenn es blos Spiel wäre. Es ist das Moment der Besinnung zur Urbildung werdend, das hier regelt und ordnet. So werden wir uns überzeugen, daß sich diese Momente des Kunstwerks vom Traumähnlichen unterscheiden, und diese Momente sind aber diejenigen, die die Besinnung und Urbildung charakterisiren. – Wir betrachten die Urbildung aus dem Gedanken und Bilderproceß(?). Schon früher fanden wir von den drei Puncten ausgehend den einen Diameter des Kunstgebiets vom Mechanischen zum Kunstgebiet. Hier zeigt sich | 31v von diesem Punct aus das Bild von einer anderen Seite. Was die Arabesken auf dem Gebiet des Zeichnens sind, das ist der Einfall im Epigramm ausgesprochen. Wir können von diesem hinaufsteigen. Im Traum kann viel Poesie seyn, er kann selbst einen dramatischen Charakter haben. Ist er auch regellos, so können wir ihm das Bedeutsame der Idee doch nicht absprechen. Dasselbe wird auf gleiche Weise in allen Künsten Statt finden. Das aller höchste Menschliche, das wir im dramatischen Kampf(?) finden, denselben Typus finden wir auch im Traum. So ist mit dem Typus dieser Verwandtschaft alles, was dazwischen liegt, als verwandt gegeben. Unter diesem Typus ist dann der ganze Umfang des Kunstgebietes geschlossen. Wir finden durch diese schon die Principien zu den bedeutendsten Unterschieden, in Beziehung des Unbedeutsamen und Großen, dann in Beziehung des Materiellen und Intellectuellen. 2.(?) Wir haben gesagt, wir könnnten uns das Werden eines Kunstwerks aus dem inneren Spiel nicht denken, ohne die beiden anderen Reihen zugleich zu denken als zurücktretend, nämlich die Reihe des objectiven Erkenntnißes und der objectiven Thätigkeit, damit das Spiel frei vorherrscht. Sehen wir auf das Moment wodurch das freie Spiel zurücktritt, so sind diese in Beziehung auf Erkenntniß und Thätigkeit Geschäft und Ernst. Sehen wir auf das Hervortreten des Freien und das Zurücktreten des Gebundenen, so ist es das Spiel, unter dem man lange die ganze Kunst subsumirt hat – mit Sonderung freilich des ganzen Regellosen. Sehen wir auf die Totalität des Lebens und das Verhältniß beider Zustände, so finden wir nicht beide Momente zu allen Zeiten, in allen Menschen gleich. Aber der meiste Raum des Lebens wird im Ganzen in Beschlag genommen durch Ernst und Geschäft und das Spiel nimmt im Ganzen nur den Zwischenraum ein. Vergleichen wir hier das moderne und antike Leben, so scheint freilich ein Unterschied | 32r zu seyn. Ein großer Theil unserer Geschäfte würde zu den βαναυσον gerechnet werden und das Geschäft und der Ernst scheint doch bei den Alten in engen Grenzen eingeschlossen zu seyn und dem Spiel ein freier Raum gegeben zu seyn. Aber das Verhältniß kehrt sich dadurch nicht um. Es ist nur ein Schein, den die Art des Betreibens bei den Alten hervorbringt. Der Fabrikant wird schroff unterschieden vom freien Arbeiter. Diese waren Skaven. Bei uns ist das Verhältniß nicht so gespannt, wenn auch dem Wesen nach nicht so verschieden. Auch griffen im Beyspiel(?) der öffentliche Ernst und Muße in einander. Sehen wir auf das ganze Leben des Volks, so können wir Ernst und Geschäft als Eine, uns ertheilte Aufgabe betrachten. Die Arbeit des Einzelnen fügt mit der Arbeit der Anderen zusammen, ein festes und geschloßenes Ganzes. Wie wir wenn wir die Zeit messen die Nächte gleich abrechnen, so erscheint auch nur der Zusammenhang mit der gesammten Thätigkeit als das Capital des Lebens, das Andere nur als Accessorium. Die Momente, wo nun aber jenes Freie hervortritt, erfüllend, nicht bloß durchbrechend, als Lebensgehalt, trat nur als die Pause in das geschäftige Leben hinein. – Betrachten wir dies genauer, so eröffnet sich ein Neues. Wir finden hier in einen relativen Gegensatz zwischen der Thätigkeit des Einzelnen für sich und der organischen Thätigkeiten der gesammten Masse. Dasselbe muss im freien Spiel seyn. Auch hier unterscheiden wir, was sich gemeinsam für alle gestaltet und was zusammengehörend für einen Einzelnen da ist. Der Begriff der Pause zwischen dem Zusammenhängenden ... Weisen des thätigen Lebens sind uns nur als thätig gegeben. Er gehört zu dem regelmäßigen Pulsschlag des Lebens, daß es nachläßt und als Reaction das Spiel hervorruft. Aber diese Pausen sind für das Leben der | 32v Einzelnen im stillen Kreise. Gehen wir weiter, finden wir auch größere Pausen im gesammten Leben. Nehmen wir den Sonntag, so ist er eine solche und neben dem Religiösen, die Hauptsache, hat er gleich wieder den zusammentretenden Charakter der Geselligkeit und des Austausches. Bilden wir dies noch weiter aus, so kommen wir zu der Vorstellung einer großen allgemeinen festlichen Zeit, wo das Geschäft ruht und das ganze öffentliche Leben sich verwandelt in eine Zeit des freien Spiels, wie in den olympischen Spielen bei den Alten. – Es liegen auch in diesem Gebiet große Differenzen, sich an ein Früheres anknüpfend. Wir gingen aus von einem Afficirtseyn, und für die Identität der Empfindung giebt es nie eine Garantie. So constituirn einzelne Menschen eine verschiedene Verwandtschaft der Farben. Noch mehr ist es wahr bei dem Subjectiven. Das Gedankenerkennen eines jeden ist für einen anderen ein Studium und nur durch Annäherung kommt man zur Gewißheit, was eigentlich sein Princip gewesen. Die Künstlichkeit(?) wird das Innere in solcher Geselligkeit und hat eine Richtung auf die Mittheilung; aber die Verständlichkeit bleibt etwas Ungewisseres. In den kleinen Kreisen, wo das freie Spiel hervortritt, ist eine Begünstigung für das gegenseitige Verstehen gegeben. Fassen wir das Größere auf, so ist uns darin das Maximum des Verständlichen gegeben. Wie weit können wir dieses erstrecken? Wol nicht über die Grenzen eines und desselben Volks. Ein jeder Fremde erscheint als Gast. So stehen wir immer noch als Fremde vor dem großen Gastmal der hellenischen Kunst. Wir fingen an mit einem absoluten Nicht-Verstehen und es hat ein vielseitiges Betrachten dazu gehört, um ein allgemeines Verständigen hervorzubringen und das Verständniß ist doch noch nicht vollendet weder im Objectiven noch im subjectiven sympathetischen Gefühl. So haben wir wieder | 33r Minimum und Maximum für die Verständlichkeit, die Grenze des Volks und der enge Kreis. Die ursprüngliche originelle Production, unterstützt durch Virtuosität in der Ausführung, mögen wir combiniren mit dem jetzt Gefundenen, um ein Lebendiges(?) zu gewinnen. Sehen wir auf das Urtheil eines Publicums in Kunstwerken, so ist das Volk ein geschlossenes Publicum für freie Kunst. Nur das Volk hat den Nationalcharakter, der durch die Production und Genießenden hindurchgeht. Ließen wir von den drei Momenten eins oder zwei fallen, so finden wir, daß die Auffassung einseitig seyn müsse, blieben wir bei dem Einzelnen. Nun ist nicht das Ganze blos das Complement des Einzelnen, sondern das Ganze hat Ein künstlerisches Volksleben . Zu ihm gehört auch das, was aus den kleinen Kreisen hervortritt.

Nach diesen allgemeinen Zusätzen müssen wir unserer Aufgabe näher treten. Wir fanden daß das Princip der Verwandtschaft zwischen Traum und Kunst dasselbe seyn müsse, was die Erregung befruchtet zur künstlerischen Urbildung. Eben der Zustand der Träumerei und des unwillkührlichen Spiels als Zurücktreten der gesetzmäßigen Thätigkeit und der Kunstproduction als dasselbe in so fern es in den beiden Reihen der gesetzmäßigen Thätigkeit hineintritt unterscheiden sich sichtbar. Soll die Aufgabe gelöst werden, so müssen wir sagen, das Moment des Uebergangs von der Erregung zu dem Anfang der Urbildung muß derjenige seyn, wodurch das unwillkührliche freie Spiel von der Gesetzmäßigkeit erfaßt wird. Denken wir uns dies lebendig, so haben wir annäherungsweise die Kunstthätigkeit verstanden und den Grund gelegt zum genetischen Verständniß der Kunst in allen ihren Theilen.

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Wir haben früher gesehen, daß die Affection schon müsse bestimmt seyn, durch eine gegebene Weise des Subjects zu irgend einer Weise der Aeußerung. In wiefern ist denn nun in dem freien Spiel, das wir ursprünglich ansahen durch Verwandtschaft schon gesetzt und auf der anderen Seite wie ist die momentane Affection der Grund des freien Spiels? – 1. Das freie Spiel ist nicht in jedem dasselbe. Aber in dem einen ist eine überwiegende Richtung auf die Form dieses Spiels, in dem anderen die Bildererzeugung, in dem dritten die Gedankenerzeugung pp. Wenn etwas Specifisches in den Einzelnen hier gesetzt ist, so ist die Affection schon bestimmt. Wie es im Auffassen ist für das objective Erkennen und die objective Thätigkeit, so ist es auch ein Auffassen für das freie Spiel. Bei dem einen wird es daher mehr auf den Intellect, bei dem anderen mehr auf das Praktische gehen pp. 2. Was das betrifft, was in dem freien Spiel die Affection bedingt und hervorbringt, so müssen wir es an das Vorige anknüpfen, da es bedingt ist durch Zurücktreten der objectiven Thätigkeit. In einer Reihe Momente wird nichts(?) liegen, was die Production eines Kunstwerks hervorbringt, als die Affection alles andere zurückdrängt. Aber das Moment der Urbildung ist ein Klarwerden und kann ohne das Zurücktreten nicht Statt finden. Ebenso im Kunstwerk auf dem praktischen Gebiet. Denken wir uns nun das Zurücktreten, so ist es nur etwas Negatives. Enthält der Proceß auch etwas Positives? In dem Hervortreten des freien Spiels liegt keine nähere Bestimmung, da ein Zurücktreten des einen ohne das Hervortreten des Anderen nicht gedacht werden kann, ohne dem daß das geistige Leben überhaupt ermüdet ist. Je mehr uns | 34r die ganze Reihe des Gebundenen Anstrengung ist, so daß Ermüdung folgt, um so weniger ist an künstlerische Production zu denken. So überwiegt beim großen Haufen eine solche angespannte Richtung auf das Objective, so daß nur Anstrengung und Schlaf wechseln. Unter diesen Umständen kann keine künstlerische Production hervorgehen. – Denken wir uns auf eine höhere Stufe der objectiven Thätigkeit das Erkennen ebenfalls in dieser Continuität, so werden wir es natürlich finden, daß dann es oft nicht einmal zum Kunstsinn gedeiht. Doch die Kunstrichtung, weil sie nur scheint bestehen zu können mit dem Nachlassen der angestrengten Thätigkeit, die dem Gelehrten oft allzu(?) werthvoll scheint. Also nur mit einer gewissen Mäßigung im Zeitmaß und der inneren Intension ist die künstlerische Production möglich. Ist auch diese Bedingung gegeben, so muß doch noch etwas Positives hinzukommen. Um es zu finden haben wir zwei entgegengesetzte Puncte. Einmal haben wir gesagt, daß die wirkliche Darstellung immer schon eine Richtung auf die Mittheilung habe. Also werden wir sagen, es kann nur ein Kunstwerk entstehen, wenn in der Meinung des Producirenden solche da sind, die es verstehen können und nicht blos im Allgemeinen. Es muß eine Uebereinstimmung seyn zwischen der allgemeinen Richtung derer, die produciren und derer, für die producirt wird. – Dann haben wir gesagt, daß die Production von einem Zurücktreten und Affection abhängig ist. Wie versteht sich diese Affection zur Mittheilung? Das Kunstwerk ist ein Gegenstand, der ausgeführt durch den Sinn dem Bewußtseyn gegeben wird. Durch den Sinn wird die Einzelheit in Zeit und Raum nur aufgefaßt, aber diese bloße Auffassung entspringt dem Zweck des Künstlers nicht. | 34v Da eigentlich das Kunstwerk nichts zum ersten Zweck hat, so muß Zweck hier im weiteren Sinn genommen werden. Bei der Entstehung nämlich, beim Herausdrängen der inneren Conception ist kein Zweck denkbar. – Aber wenn das Kunstwerk äußerlich wird, dem Künstler selbst, so will er, daß es aufgefaßt wird. Dieser Zweck ist also nur ein untergeordneter und verschieden und die Kunst ist in gewisser Beziehung zwecklos. – Das Aufgenommenwerden des Einzelnen ist nicht Zweck des Künstlers, sondern die Urbildung und alle Momente von der Conception zur Darstellung sollen aufgenommen werden. Fragen wir uns, soll die Affection auch übertragen werden, so werden wir sehen, daß sie etwas Unübertragbares ist, nur mittelbar mittheilbar, entweder durch die Reflexion oder durch die Kunstthätigkeit, wenn man sieht, was sie für ein Verknüpfungsprincip geworden sei. Also werden wir sagen müssen, der allererste Ursprung kann nur individuell mitgetheilt werden, und der Künstler kann nie gewiß werden, ob er sich mitgetheilt hat. Wenn der Redner in seinen Zuhörern einen Entschluß hervorbringen will, so liegt seine ganze Thätigkeit auf der objectiven Seite, da er etwas will und die Willensbestimmung, nicht die Affection ist der eigentliche Anfangspunct. Ob diese Willensbestimmung sich mitgetheilt hat, manifestirt sich im anderen. So bald eine Rede diesen Grund(?) hat, ist sie kein Kunstwerk selbst, die Kunst ist nur daran. Der Künstler habe sein Kunstwerk vollendet. Er kann sich dann durch die Aeußerung der Anderen wol überzeugen ob blos das Einzelne oder ob auch die Urbildung aufgenommen ist. Aber man wird immer sagen müssen, ob der andere nun auch wisse, wie mir zu Muthe gewesen, das bleibt mir immer dunkel. Diesen ganzen inneren Proceß klar nachzubilden, wird nur wenigen | 35r gelingen, die in einer persönlichen Verwandtschaft mit dem Dichter stehen. Aber schon in der Auffassung der Urbildung wird er erkennen, daß eine gewisse Identität in ihm und den Verstehenden ist. Es führt darauf zurück, daß die Verständlichkeit in einem gewissen Kreis eingeschlossen ist. Der Künstler wird sagen, daß bei seinem Volk eine Wahrscheinlichkeit sey(?), daß das was aus demselbigen Charakter im Großen und aus derselben Affection hervorgegegangen ist, auch wird verstanden werden. – Diese Affection tritt aber nur in der Pause hervor und nur in dieser tritt das Kunstwerk ein. Während der objectiven Reihe muß das Kunstwerk also geworden seyn, damit Productivität und Receptivität nachher zusammen treten. – Das momentane Afficirtwerden ist mehr oder weniger leidentlich bis zum Leidenschaftlichen, ein πάθημα . Je mehr es dieses ist, desto weniger tritt zwischen Affection und Aeußerung das Moment der Besinnung. Durch das Pathematische der Affection ist sie nicht der Uebergang in das Kunstwerk. Wie wir sie aus diesem gleichsam herausreißen(?) müssen. Was entsteht aus der Reihe der Momente? Es ist die Stimmung. Unter ihr verstehen wir eine gewisse Leichtigkeit, auf eine gewisse Weise afficirt zu werden vor anderen. Denken wir uns diese als ein constantes Verhältniß der Verschiedenheit von anderen, so rechnen wir es zum Temperament, zur Constitution des Menschen. Was einem einzelnen Menschen in einer Reihe ganz für sich allein begegnet ist, wird auch eine besondere Stimmung in ihm hervorbringen und die Objectivität wird sich in ihm abspiegeln. Ist diese Stimmung rein persönlich, so muß sie unverständlich seyn. Kann der andere sich aber durch seine Erfahrung hineindenken, so wird sie verständlich. Nun aber kann sie nicht rein verständlich seyn, | 35v sondern hervorgegangen seyn aus der gemeinsamen Verknüpfung der realen und idealen Reihe. Das Resultat des gemeinsamen Lebens wird also immer mehr oder weniger eine gemeinsame Stimmung seyn. Wenn also die künstlerlische Affection nicht rein pathematisch seyn kann, so ist sie es doch, in sofern sie Stimmung ist; und sie kann als Stimmung übergehen in die Äußerlichkeit. Hier haben wir also schon ein continuum gewonnen. Aber haben wir nur auch schon die Beziehung, durch welche die Urbildung eine verschiedene wird? Wenn durch die objective Reihe in dem Zwischentretenden eine gewisse Stimmung hervorgebracht ist, so ist das nicht blos Begrenzung der Kunst, wie oben, sondern wir haben sogar eine nähere Bestimmung. Aber wodurch das Kunstwerk gerade ein bestimmtes wird, das haben wir nicht. Läßt sich dieses in einer bestimmten Formel fassen, so wäre das Geheimnißvolle der Persönlichkeit vernichtet und in der Formel läge der Schlüssel zur Individualität. Habe ich für jeden Proceß eine Formel, so habe ich sie auch auf für diese. Es ist also in unseren Bestimmungen eine unbekannte Größe. Was noch fehlt, die Urbildung vollkommen zu bestimmen, ist das Resultat und allein die Reihe(?) der freien Selbstthätigkeit, gegründet in dem freien Spiel der Stimmung. Zwischen der Stimmung und dem Kunstwerk muß eine Analogie seyn. Aber im Wollen und Heraustreten liegt aber der Keim des bestimmten Kunstwerks, das das Gepräge der Persönlichkeit trägt. Vergleichen wir die [...] | 36r

Es fragt sich, ob wir etwas noch näher darin bestimmen können. Wir betrachten dazu das Verhältniß der Momente. Was ist denn die freie Production im Gegensatz gegen eine Reihe des Erkennens und der geschäftigen Thätigkeit. Das Erkennen geht darauf aus das Seyn oder den Complexus der Welt, wie sie gegeben ist, aufzufaßen, entweder im Einzelnen mehr (empirisch), oder mehr seinen inneren Gründen nach (speculativ). Das gegebene Seyn ist auf gleiche Weise gegeben, und giebt es auf der speculativen Seite auch viele Differenzen, so steht hier noch das Problem fest, sie auszugleichen. Wenn wir auch wissen, daß das Denken an die Sprache gebunden ist, und daß die Sprachen nicht ineinander aufgehen, so machen wir doch den Anspruch, daß auf gewisse Weise die Sprachen ausgeglichen werden – und die Pasigraphie ist zu diesem Ziel ein Versuch. Was ist die Reihe der objectiven Thätigkeit? Sie will nicht bei dem Gegebenen stehen bleiben, sie will eine Welt hervorbringen und ihrem Zweck gemäß die Welt ordnen. So greift der Mensch gestaltend in die Welt ein. Indem aber alles auf eine gemeinsame Vereinigung der Kraft geht, so ist diese Welt eigentlich eine gemeinsame. Ist sie dann auch beschränkt und durch die Grenzen des Volks oft eingeschlossen, so ist es doch die Richtung des Verkehrs und Welthandels, die Producte unter den Völkern auszutauschen. Dazu muß jedes Volk aus sich heraustreten und dieser gemeinsame Austausch, dieses Zusammenwirken aller Völker ist das Ziel jener Welt. – Wie verhält sich nun die freie Production ? Ist jene die gemeinschaftliche Welt, so ist diese die eigenthümliche. So haben schon die Alten die gemeinsame Wahrheit des Lebens von dem individuellen Schein des Lebens unterschieden. Jenes sei das Vernünftige, | 36v dieses, wenn auch nicht vernunftlos, da auch speculative Tiefe in dieser freien Production seyn kann, sondern Phantasie, die nicht gegeben ist, nicht jedem gegeben; sie wird in jedem und auf unwillkührliche ursprüngliche Weise. Wenn dieses freie Spiel zum Kunstwerk wird, so tritt ein Moment des Willens in diese Unwillkühr hinein und darin liegt eine Berücksichtigung des Heraustretens der Welt in die äußere Erscheinung und das können wir untergeordnet auch Zweck nennen. Aber ist es nicht der Zweck, in gemeinsamer Welt ein neues Glied hereinzubringen, zwischen der einzelnen und gemeinsamen Welt liegend soll ein Moment heraustreten um da zu seyn für diejenigen, die dieses Moment verstehen können. Es ist die Darstellung der eigenthümlichen Welt in einzelnen Momenten. Können wir nun vielleicht etwas Näheres finden, was das Bestimmende seyn kann in diesen Momenten? Der einzelne kann nur dann herausbilden, wenn er nicht genug daran hat, daß die innerliche Welt in ihm innerlich bleibe, und wenn das Moment in seinem freien(?) Leben an und für sich eine Rücksicht auf andere und Richtung auf andere nimmt. Das Erste ist innerlich, das Zweite mehr äußerlich. Aber der Moment ist Eins. Wir haben hier wieder die Endpuncte zu fassen von diesen beiden, um zu haben, was dazwischen liegt. Wir denken nun(?) die Verwandlung in Kunstthätigkeit sei die Rücksicht auf andere. Es kann das nur unter der Form geschehen, wenn die Receptivität der anderen ihm stets(?) hervortritt und diese Willensregung das Innere Heraustreten hervorruft. Dieses ist aber nur ein allgemeines künstlerisches Wollen; das Individuelle an dem Kunstwerk ist durch dieses nocht nicht bestimmt. Wäre auch die Region und subjectiv(?) der Gegenstand gegeben, so ist noch eine unendliche Mannigfaltigkeit möglich. Das Innere, das wir hier als das Minimum setzen, muß doch etwas | 37r dem Künstler geben, durch das er die Praedetermination zu dem bestimmten Kunstwerk findet. Dieses muß zur Aeußerung hinzukommen. Gesetzt aber umgekehrt, es ist keine Anforderung von außen da, aber das innere Moment(?) ist so rege, daß sich bald Momente zeigen, die die Production zum Kunstwerk in sich finden, wird in diesem Fall gleich die Production eintreten? Der Künstler wird sich diese Momente vielmehr nur fixiren, um sie für künftige Fälle zu haben. Mag der Künstler nun sein musikalisches Thema niederschreiben und seine Bildung skizziren, so ist das doch nur für sich. So wie nur dann das Aeußere sich ergiebt, je stärker der Drang nach der äußeren Darstellung ist, um so weniger wird er das treibende Moment von innen bedürfen. Beides aber muß zusammentreffen, bis der Moment der Production beginnt. Wodurch entsteht denn die äußere Anforderung? Weder das wissenschaftliche Leben, noch das praktische Leben enthalten sie; sie liegt nur in dem Zurücktreten von beiden und in dem Bestreben, in diesem Zurücktreten die eigenthümliche Welt, in sofern in ihr ein Gemeinsames ist, hervorzuheben in demselbigen Zustand, in dem der Künstler auch ist, aber in sofern er ein Gemeinsames ist, in der Masse als Receptivität erscheint. Das Verlangen, sich im Eigenthümlichen bewußt zu werden, ist das Verlangen nach künstlerischer Darstellung. Denken wir uns ein künstlerisches Volk, so würde jeder mit dem anderen wetteifern, aber jeder würde auch genießen wollen. Es wäre hier die größte Wechselwirkung zugleich mit der größten Spannung des Gegensatzes zwischen der Production und Genießenden in der Kunstwelt. – Worin liegt nun das Moment, in dem die Praedetermination liegt? Wir haben gesehen daß es das Zusammenfaßen des Einzelnen zum Ganzen ist. Das Verworrene ist das Kunstlose. Wie | 37v geht aber dieses in das andere über? Da ein Mannigfaltiges da ist, so ist die Zusammenfaßung der Act, der in der Kunst-Production nicht ist. Die künstlerische Production ist eine gesteigerte. Indem wir sehen, wie sie mit der Stimmung zusammen hängt, so kann der Grund nur in der Steigerung liegen, die sich in der Stimmung selbst findet, eine gesteigerte Stimmung. Das Zweite ist das, worin das Bedürfniß zum Heraustreten liegt. Dieses beides hebt das Kunstmoment aus der Unwillkührlichkeit heraus. Einer solchen gesteigerten Stimmung muß jeder fähig sein, wenn er ein Künstler werden soll. Die Steigerung aber herauszutreten ist wiederum ein Interesse an dem Äußerlichen und dieses muß wieder in jedem seyn. Durch diese gewinnt das Kunstwerk mannigfaltig zu der äußeren objectiven Reihe. Es kommt auch hier auf das Bedürfniß an – für ein freieres Manifestiren der freien Combination in der objectiven Reihe und für ein Hervortreten. Ohne ein gemeinsames Leben und ohne die lebendige Wechselwirkung der Einzelnen auf das Ganze und umgekehrt ist die Kunst also nicht möglich. Es würde das Bewußtseyn fassen, daß in der Eigenthümlichkeit noch ein Gemeinsames sei. – Wie finden wir denn nun noch in Beziehung auf diese Elemente die verschiedenen Zweige zusammen, wodurch das große Ganze wiederum als Differenz hervortritt? – Als wir auf das Verhältniß der Erfindung und Ausführung sahen, zeigten sich uns zwei ähnliche Extreme, die auch von der Kunst im Ganzen gelten. Wir wollen die Differenzen als relative Gegensätze faßen, um daraus eine Klassifikation später zu gewinnen.

Aus dem Letzten ergiebt sich ein relativer Gegensatz, der für alle Kunst geltend seyn muß, aber weniger fließend ist. Wir haben gesehen den Grund | 38r in der Stimmung und in der Rücksicht auf die Auffaßung anderer. Es muß also eine Relation seyn zwischen der Conception und Capacität. Diese fällt in den Zwischenraum des thätigen gebundenen Lebens. Wie können wir uns die Verschiedenheit der Stimmung in ihren Differenzen anschaulich machen? Es wird Kunstwerke geben können, die sich nur auf einen kleinen Kreis beziehen, deren Verständlichkeit beschränkt ist, dann solche, die einen größeren Umfang für eine größere Kunstwelt haben. Die ersten werden mehr Individuelles an sich tragen, in der Affection und in den Elementen. So finden wir, daß sich in gewissen Gesellschaftskreisen eine bestimmte Sprache bildet von Laune und Witz. Ein Fremder findet sich nicht gleich hinein. Es ist der Typus einer Gemeinsamkeit, die abgeschlossen und zugleich individuell ist. Je mehr der Kreis eines Kunstwerks umschränkt ist, desto größer sind die Verschiedenheiten. Was für einen größeren Umfang bestimmt ist und auf einer gemeinsamen Stimmung ruht, finden wir da nicht einen Grund zur Abtheilung? Das große Publicum läßt sich denken auf der einen Seite in einer solchen Stimmung, die mehr dem ähnlich ist, was in kleinen Kreisen ist oder in einer Stimmung identisch für das Ganze und auf die größten Lebensverhältnisse sich bezieht. Wir sehen hier einen Gegensatz durchgeführt durch die ganze Kunst, der Gegensatz zwischen der ernsten Kunst und der leichten. Nehmen wir das Extrem und setzen an der Stelle des Ernstes das Religiöse, an die Stelle des Leichten das Komische. Es ist keineswegs nothwendig daß was in dem ernsten Stil nothwendig religiös sei und daß alles Leichte komisch sei, obgleich der Uebergang in das Komische immer von dieser Seite aus ist. Diese Differenz können wir durch alle verschiedenen Künste verfolgen. Nehmen wir z.B. in der Musik den Kirchenstil und den Kammer- oder Opernstil, in der Malerei die heilige und | 38v Cabinetsstücke; in der Dichtkunst der Epopoe und Tragoedie überwiegend das Religiöse, in der Idylle und dem Drama ist der Gegensatz. In der komischen Epopoe pp. ist der Gegensatz noch schärfer, weil die Nachahmung der Form ihn um so schärfer hervorhebt. Das Leichte und Komische nun ist immer aus einer bestimmten Klasse hergenommen. Das Interesse kann nur bedeutend seyn für einen größeren Kreis, wo durch größeren Verkehr ein größerer Kreis berührt wird. Im Politischen und Religiösen ist es die völlig als gleichartig gedachte Klasse, auf die die Kunst geht. – Die frühere Differenz wird uns mehr zu einzelnen Unterabtheilungen führen. In der religiösen und komischen, ernsten und leichten (geselligen) Differenz ist die durch alle Künste durchgehende Abtheilung. – Wir sehen jetzt die Aufgabe am nächsten, überzugehen zur Verständigung über die verschiedenen Zweige. Wir können hier nur ausgehen von der erregten in Aeußerung übergehenden wollenden Stimmung. Die Urbildung steht in Verwandtschaft mit dem niederen der Ausführung. Die Erregung ist gleich und es liegt also in der Urbildung. Wie kann der Process der Urbildung ein äußerlicher werden? Wir haben gesagt, das Kunstlose ist das Aeußerliche wie(?) die innere Affection durch den Ton und durch die Bewegung. Diese beiden Aeußerungsweisen schließen sich am meisten an das Natürliche an. Tritt das Afficirende verschieden(?) heran, so wird die Stimmung, hervorgerufen durch die Affection, wieder die Affection modificiren, sie verschieden verknüpfend. Es tritt die intellektuelle Verknüpfung dazwischen. Wir haben es hier nicht mehr mit dem ursprünglichen Gefühl, sondern mit dem Gedanken zu thun. Das giebt uns Aeußerungsweisen, die mehr identisch sind. Jene idealen Momente sind Bild und Vorstellung – Bilderzeugung und Gedankenerzeugung. Diese sind offenbar in genauer Verwandtschaft. Denn die Vorstellung oder der Gedanke muß sich dem Bildlichen nähern, wenn es in dem Gebiet der Kunst bleiben soll. Hier werden wir die Haupteintheilung | 39r so gefaßt haben, daß wir Mimik und Musik zusammenstellen als sich am meisten an die Naturäußerung anschließend, bildende und redende Künste als mehr hindurchgegangen seyend durch das geistige Gebiet des Gedankens aber in der ursprünglichen Stimmung. – Erscheint der Unterschied uns mehr fließend, so müssen wir einen relativen Gegensatz gleich auffaßen um ihn schärfer zu machen. Erscheint etwas gleich als relativer Gegensatz, so müssen die Uebergänge gesucht werden. In der Aeußerung des Gefühls in der Geberde haben wir die organische Bewegung, durch welche das Kunstwerk vollbracht wird. Die Zeichnung ist aber auch Resultat einer organischen Bewegung, nur daß die Spur der Bewegung fixirt wird. Es giebt hier einen Unterschied noch zu fassen. Was ist die Musik sonst auch anderes, als Reihe von Bewegungen. Wie die bildende Kunst die Hand zum Organ hat, so die Musik die Stimme. Von den redenden Künsten wird dasselbe gelten. Geben wir auf einen entgegengesetzten Punct Achtung. Wir finden einen bestimmten Stoff, an welchem das Kunstwerk ist. Der Bildhauer bildet sein Urbild in den Stoff, in das Starre hinein, der Maler in die Fläche hinein. Den Uebergang oder den Mittelpunct des Uebergangs bildet das Relief. Hat der Musiker aber nicht auch etwas, wo hinein er sein Kunstwerk hineinbildet. Wie der Stein sich zur Handbewegung in der Plastik verhält, so die Luft zur Stimme. Man sagt aber, wenn man des Musikers Kunstwerk als Hineinbildung betrachtet, so ist der eine Theil schon verschwunden, wenn der andere erscheint, aber der Maler und Bildhauer bildet ein Gleichzeitiges und Bleibendes. Aber auch dieses kommt auf allmähliche Uebergänge zurück. Die Musik bildet nicht ganz successiv. Der vereinigte(?) Ton ist der Accord, in dem ein zugleich Seyn ist, nicht der einzelne Ton. Das Aufschreiben ist freilich nur ein fremdes Mittel zur Reproduction. Aber wodurch entsteht das reine Verstehen | 39v des musikalischen Kunstwerks? Wenn ich in jedem Moment der Ausführung nur den einzelnen Accord habe, so entsteht kein Verständniß. Ich muß die bloße Succession aufheben und es muß mir ein Gegenwärtiges und Simultanes werden, da ich das Verhältniß der Accorde auffasen muß. Das musikalische Thema ist eigentlich nichts als eine Reihe von Akkorden, aus denen der Geübte ein Gleichzeitiges macht, und das eigentliche Verstehen leitet(?) von dieser inneren Verwandtschaft des Verschwindenen und Folgenden ein Gleichzeitiges ab. – Auf der anderen Seite fragen wir, ob das Werk der bildenden Kunst dadurch existirt, daß es in einer bestimmten Weise da ist. Es existirt nur für den Auffassenden. Ist aber das Auffaßen nicht ein successiver Act des Auges und muß das Gleichzeitige nicht ein Successives werden und das Successive dadurch ein Gleichzeitiges. Darin liegt aber die Lust der Anschauung. Die Differenz ist also wol nicht ganz richtig. Sehen wir aber auf die Differenz die vorhin angegeben ward, so hält sie mehr vor. Das Hineinbilden des Musikers in die Luft und des Plastikers in den Stein ist nicht dasselbe. In der Luft als Stoff betrachtet bleibt vom Schall nichts übrig, sie ist rein das Vermittelnde von Stimme und Ohr. Wenn wir Mimik und Plastik und wieder Plastik und Malerei vergleichen, so finden wir Uebergänge, die den Unterschied schwer machen. Das Lebendige in einem Moment fixirt nähert sich dem Plastischen. Es ist der Rückgang(?) des Mythus des daedalus. Es liegt in den so genannten beweglichen Bildern. Das Bild und Gruppen, drapirt und durch Raum begrenzt, sind doch nur festgehaltene Bewegungen. Denkt man sich das Bild nachgebildet einem Bild, so ist es überwiegend ein Gemälde. Denkt man einen Moment aus einer gesammten pantomimen Bewegung festgehalten | 40r so wird es überwiegend mimisch. – Die Eintheilung hing auf der einen Seite an der Frage, wie viel Arten giebt es, äußerlich darzustellen und dann auch wieder innerlich zu concipiren. Warum betrachteten wir Mimik und Musik näher verwandt? – Die bildende und redende Kunst kann auch nur äußerlich werden durch Bewegung und Ton und sie sind in dieser Hinsicht der Mimik und Musik verwandt. – Was liegt unseren vorläufigen Betrachtungen zu Grunde, daß wir Mimik und Musik zusammenhalten? – Weil die eine Art mehr Künste sind durch das äußerlich Werden des Inneren, die andere mehr durch das innerliche Fixiren der Bilder. – Es wird kein Mittel geben daß einer eine Reihe von Bewegungen in sich faßt, ohne daß sie in ihm zum Bild werden. Sie sind nun mal(?) ein Hervorbringen. – Das Bild aber kann schon im Inneren eine bestimmte Realität haben, ohne das Hervorbringen. Je stärker in dem einen die Fähigkeit ist, desto mehr liegt ein Maler in ihm praedeterminirt. Die Realität der Musik hebt ebenso auch eigentlich erst an, wenn sie äußerlich wird. Nicht so bei den anderen. – Der Mimiker und Musiker wollen viel bestimmter und unmittelbarer hervortreten, die anderen können mehr sich hemmen und das bewußte Kunstwerk bleibt doch. Was ist nun aber mit jenem, daß Mimik und Musik unmittelbar herauszutreten drängen gesagt? Es liegt darin die unmittelbare Beziehung auf die Affecte. Die bildenden und redenden Künste verhalten sich in dieser Hinsicht negativ. Weil sie einen gewissen Grad der Realität selbst der Ausführung haben können, ohne herauszutreten. –

Wenn wir gesagt haben, wie das Moment der Besinnung eintritt, so tritt das Berücksichtigen auf das ein, für welche er darstellt, | 40v so liegt doch darin, daß in den Anderen durch das Kunstwerk etwas geschehen soll. Gehen wir auf die drei Momente zurück, so verhält sich die Ausführung im Verhältniß auf sie als Mittel, in Beziehung auf das thätige Hervorbringen der Letzteren. Es soll in dem Anderen entweder die Urbildung oder die Affection hervorgerufen werden. Der Unterschied zwischen beiden ist aber nur ein Relatives. Mit der Urbildung wird relativ auch die Stimmung mitgesetzt. Ueberträgt sich anderen die Affection, so wird sich auch die Urbildung auf gewisse Weise übertragen. Wie verhalten sich die Künste gegen diese Frage? Die Affection an und für sich betrachtet ist, wie wir sahen, rein persönlich und nur annäherungsweise übertragbar, dadurch daß die Person mit einer(?) Gemeinschaft dem Leidentlichen zusammenhängt. Wie ist es nun wenn wir die Urbildung für sich belassen? Hier ist eine Besinnung zwischen eingetreten; die Urbildung in der bildenden und redenden Kunst haftet an der Sprache und dem objectiven Organ, dem Gesicht. Hier ist also eine breite Basis auf dem Gebiet der Identität des objectiven Bewußtseyns. Dagegen betrachten wir die musikalische oder mimische Urbildung, so haftet sie mehr an dem Subjectiven und Persönlichen. Wenn wir diese einzelnen Merkmale zusammenfaßen, was wird das natürliche Resultat seyn? Musik und Mimik haften mehr an der unmittelbaren Affection, bildende und redende Kunst mehr an der durch die Stimmung modificirte innere Production. Musik und Mimik haben mehr die Tendenz die unmittelbare Production zu übertragen – weil diese isolirt ein Minimum ist. Aber diese Uebertragung an sich schwierig ist nur durch Approximation zu erreichen. Indem sie nun an der Stimmung hängen, und diese übertragen wollen, stehen sie auf einer geringeren Stufe der Verständlichkeit. Bildende Künste und redende wollen die Urbildung übertragen. Indem diese in die Sprach und Bildererzeugung versirt, so versirt sie auf einer höheren Stufe der Verständlichkeit. | 41r Durch die Mimik und Musik wird eine Stimmung gegeben, durch die bildenden und redenden Künste ein Complexus von Gegenständen. Es verhält sich umgekehrt und den ersten ist die Stimmung das Ziel, die Urbildung das Untergeordnete, bei den zweiten ist die Stimmung das Natürliche, die Urbildung das Ziel. Aus diesem Grund gehört das eine Paar zusammen und das andere Paar wiederum zusammen. – Wenn wir uns denken wollten ein Volk, in dem nur Mimik und Musik wären ohne bildende Kunst und redende, in dem wäre eine Einseitigkeit, so daß die Idee gar nicht hervorträte – eigentlich noch keine Kunst. Umgekehrt wäre nur bildende und redende Kunst da, so wären diese doch auf gewisse Weise todt. Indem nun das Ganze uns nicht sowol als ein Kreis erscheint, der um einen Mittelpunct construirt ist, sondern vielmehr als Ellipse, die zwei Brennpuncte hat (dominirend die Stimmung, dominirend die Urbildung), so läßt sich die eine ohne die andere nicht denken. Sind die einen die verständlichen, die anderen die weniger verständlichen, die einen die unmittelbar bewegenden, die anderen die weniger bewegenden: so müssen sie sich in ihrem Naheverhältniß(?) nacheinander sehnen, die weniger verständlichen müssen sich sehnen nach den verständlichen, um durch sie heller zu werden, die objectiven nach den bewegenden, um durch sie den Eindruck(?) zu vollenden. – Es folgt daß in der Idee der Kunst das Zusammenseyn liegt, keine ohne die andere. – Wie verhält sich Bewegung und Stimme zu einander? So wie das menschliche Leben unvollkommen entwickelt ist ohne die Stimme und ebenso die Stimme ohne die Bewegung, so ist auch hier nur das Zugleichseyn das Vollendete, beide sind wesentlich in einander. – Wie ist es auf der anderen Seite mit der Gedanken und Bildererzeugung? Gedanke ohne Bild ist Formel und liegt nur auf der Seite des Erkennens, nicht im Kunstgebiet. Das Bild, das nicht nach den Gedanken hinstrebt und kein Symbol des Gedankens ist, ist etwas Gehaltloses, ohne Deutung. | 41v Darin liegt eine Annäherung an die Arabeske. – Das Bild ist also nothwendig ein Streben nach dem Gedanken und die beiden Glieder gehören ebenso wesentlich zusammen, als die beiden Zweige überhaupt. – Die eine Klasse war mehr durch sich selbst verständlich, die andere mehr durch sich selbst erregend. Wir finden, daß ein Ineinanderseyn aller Künste das Höchste und Größte wäre. Wenn wir die Differenz hinzunehmen, den religiösen und den leichten Stil, so werden wir, wenn wir in einem Volk auf die Zeiten sehen wo die gebundenen Thätigkeiten mehr zurücktreten, ein solches Bestreben nach der Vereinigung aller Künste finden; so in dem religiösen Fest auf der einen Seite, und in dem Volksfeste auf der anderen, nur, daß dieses eine Vereinigung eines ernsten und leichten Stils geben kann. In unseren religiösen Festen finden wir Poesie und Beredsamkeit, die bildende Kunst, freilich nur untergeordnet in der Ausschmückung des Gebäudes, die Musik in Verbindung mit der Poesie, die Mimik – bei uns untergeordnet als begleitend die Rede, in der katholischen Kirche, wo mehr Persönliches hinzutritt, in Processionen pp. Bei den Volksfesten sehen wir mehr die Tendenz zur mechanischen Kunst, aber eben so eine Richtung zur Vereinigung aller Künste, wie in den hellenischen Spielen, bald in sich verbunden, bald momentan heraustretend und hinweisend. – Es drängt sich hier die Bemerkung auf, daß das volle Verständniß und der volle Genuß nur erst im Ineinanderseyn der Künste, in Bezogenheit der einen auf die anderen Statt haben kann. – Außerdem haben wir geschlossen daß es noch specielle Kunstverbindungen gebe, die an sich schon eine gewisse Constanz haben. Auf der einen Seite manifestiren sich Künste, die mehr von der unmittelbaren Erregung ausgehen, mehr in der Begleitung anderer, wenn sie ihren Ton festhalten. Die Mimik hat ihr größtes Feld in der dramatischen Dichtkunst und sucht ihre Verständlichkeit, daß sie diese begleitet, was verständlicher an sich ist. Die Dichtkunst sucht in ihr größere | 42r Belebung. Die Gedankenreihe habe ich im Lesen auf dieselbe Weise und dazu noch die Abwechslung und den Ausdruck der menschlichen Stimme. Was kann nun noch im Vorstellen hinzukommen? die lebendige Annäherung zur Wirklichkeit. Wenn wir die Mimik betrachten in Verbindung mit der bloßen Rede, so nähert sie sich hier ganz dem Ursprung, daß sie natürlicher Ausdruck der Stimmung ist und die Bewegtheit des Redens spricht aus ihr und aus der Bewegung des Stimmorgans, das eng zu ihr gehört. – In der Pantomime ist die Mimik aus dieser Verbindung getrennt. Ist sie da noch dieselbe? Sie hat den Charakter sich dem Natürlichen zu nähern. In der Bewegung des Innern sich der Rede ganz enthaltend erscheint das pantomimische Kunstwerk als Räthsel. Giebt es einen Cyclus der Vorstellung, wie die Mythologie bei den Alten, so läßt sich es leicht rathen. Das Pantomimische ist eine Reihe Gemälde geworden, eine Reihe dramatischer Scenen, denen die Rede fehlt. Sie ist ein Continuum geworden. – Es ist die Pantomime gleichsam ein Ueberschreiten des Ausdrucks der natürlichen Stimmung im Streben nach Isolirung. Erscheint dies von der einen Seite als unnatürlich, so ist es ein natürliches Streben nach Vollendung in sich ohne Trübung durch etwas fremdes, das sich im Isoliren ausspricht. Bei den Alten erklärt sich es natürlich. Die körperliche Ruhe(?) war keine Sache der Freien, Gebildeten. Die Sklaven, die sie darstellten, hatten schon die Praesumtion für sich, das Natürliche, das ihnen zu Grunde liegen sollte, nicht leisten zu können. – Die Musik finden wir in Verbindung mit der Stimme und wieder mit der mimischen Darstellung. Der Tanz ist fast ohne Musik unmöglich, wenn er nicht Pantomime werden will und desto weniger Abstraktion in einem Volk ist, desto mehr die Tendenz zu jeder Musik sich mimisch zu bewegen. Wenn wir Ursache haben eine gewisse Uebereinstimmung zwischen [...] vorauszusetzen, so wird es nur allgemeine Merkmale unbestimmter Regionen haben. An sich verständlich in der Musik will | 42v freilich das seyn, was man die Malerei nennt. Aber diese ist wieder ein Herausgehen über die eigentliche Grenze. Die Musik soll viel unmittelbarer wirken, als dadurch daß(?) sie Bild wird. Es entsteht aber dieser Unterschied eben durch die Isolirung. – Wir denken uns die Musik mit der Rede. – Da finden wir die Prosa untergeordnet der Musik in ihrer Verbindung, dann ein bloße Begleitung der Musik. Wir können in der Intonation(?) der Stimme und ihren Modulationen bei jedem künstlerischen Vortrag das musikalische Minimum finden. Dazwischen liegt alles und die Anziehung geht von beiden Seiten aus. Die redende Kunst steht unvollständig da, wenn einer mit der Stimme das musikalische Minimum nimmt, durch das Sehnen nach Rhythmus pp. Selbst die epische Poesie ist ursprünglich nur indem die Musik begleitet und nur das Ueberhandnehmen der Schrift hat sie reducirt. Ohne das musikalische Minimum will die Poesie nicht seyn. – Denken wir uns die Komödie und Tragödie, wie sie bei den Alten war, so ist die Musik in ihr vollständig, das Minimum und Maximum nebeneinander, in Dialog und Chor, dann der anapaestische Uebergang in Dialog und Chor und in diesem Ineinander Uebergehen spricht sich die absolute Vollendung mit aus. – Betrachten wir auf der anderen Seite die bildende Kunst, so erscheint diese auf gewisse Weise völlig isolirt. Dazu werden wir zugleich die Entgegengesetzte finden. Wohin gehören die Statuen eigentlich hin? Doch nur auf öffentliche Plätze oder öffentliche Plätze ... und [...] , doch nur solche die auf das Leben des Ortes sich beziehen. Der redende Fremde wäre ungehörig. Fänden wir an einem öffentlichen Ort eine religiöse Kunst aus fremden Sphären, so wäre es barock(?) für die Stadt(?) und nur für den zu verstehen, der sich geschichtlich in die Sphäre hineingelebt hat. Ebenso wenn wir Personen aus einer fremden Geschichte darstellen. Es wäre das Letzte fast unmöglich, außer wenn nur fremde Künstler vorhanden sind, die das Ihrige aufpropfen wollten. – Betrachtet man dies genau, so erwartet eigentlich jede Statue(?) | 43r daß etwas um sie herum vorgehe; und das Kunstwerk ist in gewissem Grad so lange todt bis es durch ein solches Moment des Zusammentretens mit den anderen Künsten als lebendig erscheint. In den anderen Zeiten ist die Statue nur für den reflectirenden Kunstgenuß. – Was ist denn der höchste Gegenstand der Malerei, der eine größere religiöse(?) Composition zuläßt, als die Skulptur? Es ist die historische Malerei; und diese hat ihre natürliche und volksthümliche Beziehung: Hierin liegt wieder das Zusammentreten mit dem ganzen Leben und die anderen Künste. So wie wir uns von dem gemeinsamen öffentlichen Leben mit der Malerei entfernen, so wird sie untergeordneter. Die Landschaft hat nur Platz für einen engeren Kreis. Wo die historische Kunst ist, tritt sie in eine weniger(?) individuelle Beziehung mit den übrigen. Derselbe Gegenstand soll durch Rede und Gesang dargestellt werden. Die Malerei muß etwas haben, woran das Gemälde haftet und tritt auf diese Art in Verbindung mit der Architectur, – aber doch nur untergeordnet. [...]

| 43v Wenn der Dichter sich in seiner Composition so auf das Beschreiben eines einzelnen Moments, wie er im Gemälde hervortritt, einlassen wollte, so wäre es seiner dichterischen Composition zum Schaden. – Was ist das Resultat? Es ist einerlei ob der Maler den Stoff nimmt aus dem gesammten Cyclus oder aus dem einzelnen poetischen Kunstwerk. Im letzten Fall aber spürt der Maler mehr Empfindung und das Gemälde wird verständlich. Aber die malerische Erfindung ist doch eine andere, diese hängt mit der Specifiation der Kunst zusammen. Die Erfindung des Stoffs gebührt eigentlich dem Maler nicht. Seine Erfindung soll sich nur auf die Eigenthümlichkeit seiner Kunst beziehen. Gehen wir auf das Entgegengesetzte, so wird das immer nur ein untergeordneter und bedingter Werth. Wenn der Maler dem Dichter hätte Stoff geben wollen, so wäre er skizzirender Poet geworden, und aus seinem Gebiet getreten. Der Dichter mußte sich doch von dem einzelnen pitoresken Moment losreißen, und zwar so, daß die Momente in seinem Product vorkommen, doch eigenthümlich(?) ohne das Bild dabei zu haben, würde man sich es nicht erklären können. Der Dichter würde durch die Abhängigkeit verlieren. Etwas anderes ist es, wenn wir die Poesie in Verbindung mit den Werken der bildenden Kunst finden, wobei sie untergeordnet ist, so z.B. das Epigramm unter die Statue, ein Vers für die Allegorie eines Gemäldes. Hier ist die Poesie in absoluter Abhängigkeit und sie kann nichts hervorbringen als was auf ihrem eignem Gebiete als schlechthin klein(?) erscheint. – Fassen wir dieses zusammen, so ergiebt sich eine Classification in Verhältnissen zu einander. Die einen sind diejenigen, denen es natürlich ist als begleitende der anderen zu erscheinen, weil ihnen sonst das Substrat zum sicheren Eindruck fehlt und wenn sie sich isoliren, so verlieren sie gewisses Maß, ihre Natur. Oder sie geben etwas von ihrer eignen Tendenz auf und halten sich an etwas anderes (wie in großen musikalischen Compositionen, wo bloß Instrumente sind – und Symphonien. Hier liegt die Kunst mehr auf Seiten der Ausführung, es ist die Darstellung der Tonwelt selbst, | 44r der erste Eindruck aber verwirrt sich). Andre dagegen erscheinen selbständig. Dazu gehören die bildenden sowol als die redenden Künste. Aber es wird da wieder ein Unterschied seyn, indem die bildenden Künste an Verständlichkeit gewinnen, in Bezug auf die redenden, insofern sie ihre Urbildung hernehmen müssen aus einen Gebiete, was nicht in ausschließender Verwandtschaft mit ihrer Natur steht. Die Gestalten die der Maler und Bildhauer hervorbringt, müssen sich auf etwas beziehen, und die Verständlichkeit werden sie nur erhalten, indem zum Bild der Gedanke hinzutritt. Dieser muß aus einer gemeinschaftlichen Welt seyn, so daß die Beziehung nicht zu erkennen ist. Bis jetzt ist es uns hier gleichgültig, ob der Gegenstand aus einer gemeinsamen Wirklichkeit des Lebens, oder aus einer gemeinsamen Idealität genommen ist – aber nur bis jetzt. – Die redenden Künste sind die urbildlichen, vollkommen selbständig, die in einigen an Intensität des Eindrucks gewinnen können durch die begleitenden Künste. Wie ist die Mittheilbarkeit und die Verständlichkeit eingeschlossen in die Nationalität? – je vollkommener, wenn es zu einem Volk gediehen ist, müssen wir eigentlich die Totalität aller Anlagen voraussetzen. Aber dürfen wir sie auf gleiche Weise voraussetzen? Aus dem Betrachteten wird sich ergeben, daß die verschiedenen Künste sich eigenthümlich entwickeln werden, wie sie nur auf den verschiedenen Differenzen unter den Völkern beruhen. – Wir finden fast in jeder Kunstwelt jedes Volks ein Drama. Hat es aber für alle gleichen Werth? Wir verneinen es. Insofern die Dichtkunst hier duch die lebendige Darstellung seine höchste Stufe erreicht, so wird das Drama unter den Völkern, wo der mimische Sinn lebendiger ist, eine größere Bedeutung haben. Das hängt ab von dem innersten Volksleben. Vergleichen wir uns mit den Italienern, so ist bei den Italienern die Mimik in größerem Umfang vorhanden und eben deswegen hat das Drama dort eine größere Nationalität. Einem italienischen Dichter könnte es schwerlich je gleichgültig seyn, ob sein Drama aufgeführt | 44v wird oder nicht. So aber wol bei uns. Es werden sich die Künste eigenthümlich gestalten, je nachdem es ein mehr öffentliches Leben giebt oder nicht. Die Malerei hat bei uns einen größeren Umfang und ein größeres Interesse als bei den Alten. Aber hätten wir bei uns nicht das gemeinsame Leben der Religion, so würde sie auf einer unteren Stufe stehen bleiben müssen aus Mangel an einem öffentlichen Leben. Denn wenn der Maler aus einem gemeinsamen Leben seinen Stoff nehmen muss, so haben wir weder einen so gemeinsamen poetischen Cyclus noch sind wir so in unsere Geschichte eingelebt. Nimmt jemand aus der Geschichte seinen Stoff so werden die meisten das Gemälde als Räthsel betrachten und die erste nöthige Erklärung schadet der Popularität. – Ebenso mit der Poesie besonders die dramatische. Die dramatische Poesie hatte einen besonderen Kreis, zusammengefaßt in Mythologie und Geschichtlichem, die keinem fremd war. Bei uns geht es oft rückwärts. Wir sind besonders der romantischen Poesie viel Verbindlichkeit schuldig, weil sie die Leute etwa zur Geschichte führt. Aber die Poesie ist hier an sich erst unpopulär, bis sie sich einheimisch und herrschend(?) gemacht. – Eine jede Kunstwelt eines jeden Volks ist also ein wahres, redendes(?) Individuum, nur aus sich selbst verständlich. Wie steht es nun mit unserer ganzen Aufgabe? In der Theorie der einzelnen Künste haben wir an Grund und Boden gewonnen – namentlich, insofern sie ins Volk eingedrungen(?) auf ihnen beruht. Aber das Gemeinsame fehlt uns noch ganz.

Alles hat uns darauf geführt, daß auf dem eigenthümlichen Kunstgebiet auch die eigenthümliche Beziehung auf die besondere Kunst ist. Wo bleibt der gemeinsame Begriff? wo das gemeinsame Maß? Ist die Kunst ein realer Begriff, so muß er auch zum Vorschein kommen und es muß sich ergeben, wie aus seiner Allgemeinheit das Maß entsprechend ist. Wir kommen hier auf unseren ersten Punct zurück. Glaubten wir ein gemeinschaftliches Maß zu haben? Jeder wird antworten, das Schöne. | 45r Dies ist dasjenige, mit dem wir ohne Unterschied den Gegenstand der Kunst betrachten. Ist an diesem Begriff etwas Wahres, so müssen wir bei ihm von den einzelnen besonderen Künsten abstrahiren können. Aber wollten wir den Versuch hier machen und fragen, was ist denn wol das, was wir ohne Unterschied das Schöne nennen, so müßte uns das doch zur vollkommenen Wahrheit geworden seyn, das es im Leben für die Kunst gilt. Es gilt freilich für sie, aber nicht ausschließlich. Wir brauchen ihn auch in der Natur. In der Kunst wird freilich das Gute und Schöne zusammen fallen, nicht so in der Natur, wo eines von beiden vorwalten kann. So würden wir auf zwei verschiedene Gebrauchsweisen kommen und wir kämen nicht zum Ziel, wenn wir nicht beides in einander auflösen. – Aber wir sind wol nicht berechtigt, diesen Weg zu gehen, da es ursprünglich unwissenschaftlich ist und zu verwickelten Vergleichungen führt. Wir müssen zu unseren gewissen Momenten zurückkehren und sehen ob in ihnen nicht das Gemeinsame liegt, was die Vollkommenheit in jeder Kunstgehalt bestimmt, ehe man in das Gebiet der einzelnen Künste geht. – Je mehr ein Kunstwerk eigenthümlich dasteht und sich nicht verwischt, desto mehr steht das Kunstwerk als Kunstwerk da. Wir haben gesehen, wie das freie Spiel die Reihe der gebundenen Thätigkeit begleitet und durchschneidet und so die Kunstthätigkeit erzeugt. Was gehört nun zu der Production? Auf der einen Seite eine größere Erregung; das ist aber nur der Impuls, nicht die Beschaffenheit der Kunstthätigkeit selbst. Was bestimmt nun die Kunstthätigkeit in sich? Wir müssen uns hier etwas Bestimmtes denken. Sehen wir auf das Ganze: so ist das Begleitende und Durchscheinende des Spiels ein ununterbrochen Fortgehendes; wenn es auch verschwindend scheint bei der größten Intension der entgegengesetzten Thätigkeit, so ist doch ein Minimum da. Es ist kein Gesondertes, sondern sich in sich Verlierendes. | 45v Wir haben also im Ganzen das durch sich selbst nicht Gesonderte. Betrachten wir auf der anderen Seite dieselbe Thätigkeit, wie sie das Kunstwerk bildet, so finden wir auch eine Reihe, wenn wir auf die Urbildung sehen, aber eine bestimmt gesonderte, ausgeschieden. Wir denken einen Künstler in der Production begriffen, aber ohne einen Gegensatz zu machen zwischen Production und Ausführung. Je mehr die Urbildung schon abgeschlossen ist, desto mehr gleicht die Ausführung der gebundenen Thätigkeit. Indem der Dichter sein Kunstwerk bearbeitet, gehen ihm doch Gedankenbilder durch die Seele, aufgeregt durch die Ausführung des Urbildlichen, aber nicht eingreifend. Wir sehen hier also einen bestimmten Unterschied zwischen derselben Thätigkeit, die einmal hineingeht, einmal nicht hineingeht. Der Grund liegt in dem an sich abgeschlossenen Ganzen. Vergleichen wir die Künstler in der Praxis, denken wir uns z.B. ein historisches Bild, so können wir in ihm rein zufällige Momente als Beiwerk finden. Woher kommt es, daß bald solches Beiwerk beigebracht wird, bald nicht? Es liegt eine verschiedene Vorgestaltung von der Geschlossenheit der Composition zu Grunde. Es ist eine größere Strenge in der Composition, die das Beiwerk ausschließt. Aber wenn wir eine Schillersche und eine Schakespearesche Composition vergleichen, so finden wir in dieser größere Laxität. Werden dem dramatischen Dichter die Personen recht lebendig, so denkt er sie sich eben in dieser freien Production, er denkt sie in der Reihe, wo sie noch freie Gedanken neben der gebundenen Handlung erzeugen. Ein anderer Künstler(?) schließt dies aus. Das sind die verschiedenen Maximen. Dem Wesen nach wollen beide dasselbe – ein in sich geschlossenes Ganzes. Aber in dem anderen gestaltet es sich anders zur lebendigen Maxime. – Fällt die Geschlossenheit aber ganz weg, und geht alles bunt durch einander, so fangen wir an, der Composition den Namen des Kunstwerks abzusprechen. – Es kann eine gegebene Reihe in | 46r sich nicht abgeschlossen seyn entweder aus einem gewissen Mangel oder aus einem gewissen Ueberfluß. Bricht es vor dem Schluß ab, aus dem die gegenseitige Beziehung hervorgehen soll, so wissen wir nicht, ob ein Kunstwerk hat daseyn sollen. So vergleichen wir durchaus einen Schluß in einem abgeschlossenen musikalischen Moment, in einem Dreiklang. Bricht es mit einem Mal ab, etwa mit einer Dissonanz, so wissen wir nicht, ob es ein Kunstwerk hat werden sollen, oder nur ein Einfall ist. Das ist die Ungeschlossenheit die aus dem Mangel entsteht. – Ebenso in der Poesie. – Wenn nun das, was ein Schluß scheint, da ist und die Production doch ununterbrochen fortläuft, so erwarten wir den Schluß, der da war, sei nur der untergeordnete eines Theils. Bricht es nun aber in der Fortsetzung plötzlich ab, so ist es ein Ungeschlossenes durch Ueberfluß. – Ist es aber das einzige, daß das Kunstwerk sich von der ununterbrochenen Reihe des Spiels unterscheidet nur durch den Schluß, der absondert? Es ist hier wie in der Musik. – Mathematisch betrachtet unterscheiden wir die Töne durch die Anzahl der Schwingungen in einem Moment. Aber wir unterscheiden die Tiefe oder Höhe des Tones auch vorher, ehe ein solches Zeitmoment sich vollendet hat. – Ein Traum und was ihm analog ist kann auch zu einem Schluß kommen; aber für den Traum ist es etwas Zufälliges, es endet vor dem Schluß und geht über ihn heraus. – Ebenso unterscheiden sich die Elemente, die Elemente einer abgeschlossenen Reihe und die Elemente einer ununterbrochenen sind. Einzelne Gedanken können Theil eines systematischen Gedachten seyn oder nur fragmentarisch hervorgebracht. In der ununterbrochenen unbewußten Reihe kann kein Forschreiten nach einem constanten Gesetz seyn. Sobald aber das Moment der Besinnung eintritt, bekommt die Reihe ihr Experiment in sich und der Künstler hält sich nun von jeder äußeren fremden Einwirkung ebenso fern, wie wenn er in einer gebundenen Reihe einer wissenschaftlichen oder praktischen Thätigkeit begriffen wäre. Was läßt sich entgegensetzen? In allen Kunstwerken finden wir in dieser Beziehung eine große Verschiedenheit? Die Phantasie in der Musik, die Mährchen der | 46v Erzählung, die Stillleben in der Malerei sind doch Kunstwerke, die einer freien gesetzmäßigen Reihe analog sind. Es hebt das das Gesagte nicht auf, aber wir sind hier in einem relativen Gegensatz. Die genannten Kunstwerke können an sich meisterhaft seyn, aber mehr in der Ausführung, weniger in der Production. Wir haben hier zwei Kunstwerke, die wir finden, indem wir vom Ganzen ausgegangen und nach innen uns den Theilen zu bewegten von dem abgeschlossenen Kunstwerk. So wie wir aber in diesem abgeschlossenen Kunstwerk Theile vergleichen, so finden wir sogleich ein Verhältniß des freien Spiels. Wie das Kunstwerk in die Reihe eintritt und sich gleichsam krystallisirt das können wir freilich auch nicht begreifen; aber das ist ein einzelner Moment. Wie das Kunstwerk unter sich eine Reihe bildet, läßt sich begreifen. Es ist zweierlei: die Abgeschlossenheit des Ganzen und der organische Zusammenhang der Theile unter sich. – In dem inneren freien Spiel ist nicht Ein Theil in einem nothwendigen Zusammenhang, es ist ein Aggregat, von außen fortwährend bestimmt, ein Chaotisches im Zusammenhang. Wenn ich nun ein Einzelnes für alle diese Gebiete an sich aufstellen kann, werde ich erkennen können, ob es ein Kunstwerk betrifft oder nicht. Das Vorhandenseyn der beiden Differenzen läßt schon(?) erwarten daß die elementare Differenz auch müßte aufzufinden seyn [...] .

| 47r Betrachten wir die Malerei und fragen nach dem Einzelnen so bekommen wir eine complicirtere Antwort. Da haben wir Zeichnung, dann Licht und Schatten, endlich die Differenz in der Lichtbrechung (Farbe). Die Zeichnung ist die Basis, die übrigen kommen als höhre Stufen hinzu. Bei der Färbung werden wir sagen müssen, daß sie ein continuum ist, das über eine bestimmte Fläche geht. Nehmen wir es räumlich, so könnte man vielmehr sagen, sie sey nicht räumlich, man hätte sich erst ein Farbenclavier zu bilden (die Reihe der Farbtöne, fragen wir nun, giebt es irgend einen Farbton, der in einem Kunstwerk nicht vorkommen dürfte?) – Wie ist es mit dem Hell und Dunkel? Wollen wir hier nach dem Einzelnen fragen, so müssen wir alle verschiedenen Beleuchtungsgrade uns denken, aber hier ist eine unendliche Reihe. Kann hier nicht etwas ausgeschlossen werden, als Minimum und Maximum, so kann in dem was dazwischen liegt keine Bestimmung gewonnen werden, da alles in einander übergeht. – Gehen wir zu dem Ursprung, der Zeichnung, was ist da das Einzelne? Die Linie. Was ist aber an der zu unterscheiden? Länge und Kürze kann keinen Unterschied geben, ausgenommen daß es wirklich etwas zu Großes und etwas zu Kleines geben könnte. Könnten wir hier ein Uebermaß nachweisen, so würden wir dann wol dadurch ein Kunstwerk näher bestimmten können. Stärke und Breite giebt es an der Linie nicht. Fragen wir nach etwas Anderem, so kommen wir an der Linie auf die mathematische Eigenthümlichkeit. Kann die Linie zu gerade oder zu krumm seyn? Können wir darüber etwas ausmachen, so haben wir eine Antwort auf unsere Frage. Gehen wir von der Malerei zur Skulptur über, was können wir da unterscheiden? Einmal die Linie, dann den Charakter der Oberfläche, der zur Linie hinzukommt und Helldunkel und Färbung vertritt. Was ist an der Oberfläche als solcher zu unterscheiden? Sie bietet eigentlich nur etwas das dem Tastsinn | 47v ein Glattes und Stumpfes, ein Ebenes und Unebenes, wenn beides nicht auf dasselbe zuletzt herauskommt. Zwischen den Extremen haben wir nichts als Uebergang. Wenn wir hier nicht ein Extrem ausschließen können, so gewinnen wir nichts. Wie ist es in den redenden Künsten? Wir nehmen die Poesie für alle. Die Production beruht auf Gedankenbildung, diese läßt sich nicht trennen von der Sprache. Was ist hier das Einzelne? Das Wort. Aber können wir dies als etwas Einzelnes auch betrachten? Thun wir es und fragen(?) ob nur einzelne Wörter ausschließlich in die Poesie gehören, und andere ausschließlich nicht, so sind wir auf einem Gebiet, das schwerlich über den Streit erhoben werden könne. Im Drama streift ein Gebiet an das andere und man kann schwerlich ein Wort finden, das nicht in einem möglichen Moment des Dramas möglich wird. Es läßt sich auch schwerlich hier eine Regel finden. Läßt sie sich finden, so läßt sich unsere Frage beurtheilen, wenn nicht, so müssen wir uns um die Theile unter sich uns halten, und das Einzelne hat gleiches Recht in der Kunst vorzukommen. Wir können hier unterscheiden wie bei der Malerei. Die Poesie ist nicht für die Augen, sondern für das Ohr. Da haben wir nun im Wort noch etwas anderes, als die bloße Logik, den Ton und Klang. Hier zerfällt das Wort noch in kleinere Einheiten, in Silben und Vocale. Giebt es nun Silben, die nicht in die Poesie eingegliedert werden können? Hier finden relative Gegensätze Statt. Aber isoliren wir die Silbe, so ist schwerlich schlechthin zu sagen, daß sie nicht in der Poesie vorkommen dürfen. Es scheint auch hier mehr alles auf das Verhältniß der einen zu den anderen zu beruhen. Auch haben wir die Länge und Kürze. Ist hier nun etwas, das ausgeschlossen werden muß? – Schwerlich. Von allen Seiten also gerathen wir im Elementarischen in Zweifel. Es muß aber doch etwas Bestimmtes ausgesprochen werden, entweder daß etwas zu entscheiden sei und was oder nichts. Bei dem blos skeptischen Resultat dürfen wir nicht stehen bleiben. Wir müssen sehen ob wir der Sache nicht von der anderen Seite aus näher kommen. Wenn wir zusammenstellen | 48r was wir hier in dem Gebiete der wesentlichen Kunst wieder gefunden haben, so ist das Resultat hervorgegangen, daß alles ein Zusammengesetztes sei und zwar aus einem qualitativ Verschiedenem. Auch die Musik wenn wir sie in ihrem ganzen Umfang nehmen, ist nicht blos aus Höhe und Tiefe, Länge und Kürze des Tones zusammen gesetzt. Es sind die Instrumente qualitativ verschieden, ebenso die verschiedenen Spannungen der menschlichen Stimme vom 4jährigen Kinde bis zur 80jährigen Frau. Fragen wir hier, so werden wir vielleicht finden, daß es hier Extreme giebt, die auszuschließen sind. Giebt es etwas – das bleibt also eine Frage – was seiner individuellen Beschaffenheit nach auszuschließen ist? Die Zeichnung ohne Beleuchtung, die Beleuchtung ohne Farbe ist unvollkommen. Jeder Kunstgegenstand muß also auf gewisse Weise an allen drei Elementen Theil haben. In der Poesie haben wir die Elemente als logische und als musikalische Elemente und in diesen die Länge und Kürze, die Höhe und Tiefe. Wenn nun ein Ton angegeben wird als Höhe und Tiefe und ich soll entscheiden ob ein solcher in der Musik vorkommen kann, so kann ich nicht entscheiden an und für sich ohne die anderen Töne mit ihm. In Länge und Kürze könnte man meinen, daß es ein Maximum geben müsse – da sie von der Bewegung und Spannung der Stimme abhängt, die ausgehalten sein will. Aber könnte sie ausgehalten werden, so läßt sich nichts entscheiden ohne das Gleichzeitige. – Ebenso in Länge und Kürze der Linien, die sich nach dem Standpunkt und der Entfernung der Sehenden erweitern kann. – Ebenso im Anhalt(?) der Musik was, wenn etwa andere Instrumente durchspielen. Das Minimum und Maximum verschwindet uns also und die skeptische Betrachtung haben wir nur fortgesetzt. Giebt es denn nun nichts im Elementarischen, das für die Kunst ausschließlich zu bejahen oder zu verneinen wäre? So weit hat uns die Betrachtung noch nicht geführt. Wir müssen aber aus der skeptischen Betrachtung heraus. | 48v

Wir versuchen die Sache von einem anderen Ende. Was ist denn das Einzelne in demjenigen, von dem wir das Kunstwerk unterscheiden, in dem freien Spiel, aus dem die Kunstthätigkeit als ein Geschloßenes hervorgeht? Wie werden wir das Einzelne an und für sich zu bestimmen haben? – Wenn das Einzelne ein in sich vollkommen Bestimmtes wäre, so würde das, was wir festgesetzt haben, ein anderes seyn. Wäre eins bestimmt, müßte es mehreres seyn und das Mehrere wäre in ein bestimmtes Verhältniß zu einander. Den Cyclus von Verhältnissen würden einige begreifen andere ausschließen. Wir werden also in Beziehung auf das Einzelne setzen müssen, daß es an sich unbestimmt ist. Wir gingen aus von der durchkreuzenden Reihe der Gedanken und Empfindungen, dann wie sich dieses freie Spiel zeigt abgesondert von der Kunstproduction. Das Träumerische im Wachen war es, von dem wir ausgehen mußten, im schärfsten Gegensatz gegen die Kunstproduction. – Denken wir uns die Reihe des Erkennens und dabei den unabhängigen Gedanken und Bildererzeugung und fragen nach dem Einzelnen und Unterschieden, so muß das Einzelne in jedem eine viel größere Bestimmtheit in sich haben und je mehr ein anderer diese hat, desto mehr würde sie sich hinneigen zum Anschluß an die Reihe oder kann sie sich nicht anschließen, so wird sie ganz die Reihe durchbrechen, nicht blos begleiten und durchkreuzen. Es muß sich also die Reihe doch durch eine relative Unbestimmtheit unterscheiden. Ebenso im Traum. Es liegt in ihm die größte Bestimmtheit immer in größerer Analogie mit dem Objectiven. Hieraus wird also folgen, wenn sich das Kunstwerk von dem kunstlosen Spiel unterscheiden soll, so muß sich beides unterscheiden, das Element in jenem von den Elementen in diesen muß sich verhalten wie das in sich Bestimmte zu dem Unbestimmten. Dasselbe wird gelten von | 49r der Klarheit in den Elementen in dem Kunstwerk zu den Elementen in der gesetzmäßigen Reihe. Wir hätten also das Resultat: es muß jedes Element im Kunstwerk durch sich bestimmt seyn. Unterscheiden wir die Kunstproduction also, wie wollen wir diese Momente wieder von der objectiven Thätigkeit unterscheiden? So lange wir hier keine Antwort haben, so sind wir auch noch nicht zu etwas Sicherem angekommen. – Die Antwort wird seyn, welche die Unterscheidung giebt: daß die Bestimmtheit im Kunstwerk nicht eine solche seyn muß, wie in der objectiven Reihe, sondern eine andere. Aber das ist nur eine negative und eine in sich unendliche Antwort. Es bedarf also noch etwas Anderem. Wir müssen hier keineswegs auf Gerathewohl herumrathen dürfen. Die Bestimmtheit muß eine solche seyn, die die Beziehung auf das Erkennen und das thätige Leben ausschließt. Es scheint das mehr zu seyn, weil es die Kriterien des Ausschließens in sich trägt. Aber woran wir nun positiv die anderen in der Kunst zu begreifenden Elemente erkennen sollen, das wissen wir nicht. Die objective Reihe des Erkennens und der Praxis haben es durchaus mit der gemeinsamen Welt als solcher zu thun. Indem wir sagten, daß das unwillkührliche Spiel und die Kunstthätigkeit im Individuum den Grund hätten, sagten wir, daß wir es hier zu thun hätten mit der eigenthümlichen Welt, die aber doch auf Mittheilbarkeit ausgeht. Das Letzte ist nicht eine bloße solche Negation, wie das Vorherige. Es wird also auch die Elemente in der Kunstthätigkeit welche ihre (?) Beziehung in dieser Eigenthümlichkeit haben, während die Elemente des Erkennens und Handelns ihre Bestimmtheit in der objectiven gemeinsamen Welt haben. Es folgt also, daß die entgegengesetzte Bestimmtheit der Kunstwelt ihre Beziehung haben muß in der eigenthümlichen Welt. Wir werden den Gegensatz aber noch einmal vornehmen müssen, da er zu der bestimmten Reihe(?) jetzt sicher aufgestellt werden soll. Wie verhält es sich nun mit der gemeinsamen | 49v und eigenthümlichen Welt? Wie verhält sich das was wir Vernunft im engeren Sinn nennen zu dem was wir Phantasie nennen? Durch beides werden Combinationen hervorgebracht. – Eine Combination durch die Vernunft sehen wir als allgemein gültig, eine Combination durch die Phantasie als relativ gültig an. Wir gingen aber noch einen Schritt weiter, als wir auf die Mittheilbarkeit kamen, daß die Phantasie mehr auf dieselbe Weise in den Grundzügen müsse bestimmt seyn. – Die Bestimmtheit der Elemente in der objectiven Reihe hat also auch(?) Beziehung auf die objective Welt. Giebt mir jemand eine Notiz von etwas Wirklichem und ich will die Richtigkeit prüfen, so ist das Erste, daß ich Verwandtes dagegen halte und dann beurtheile ich wenigstens zuerst die Wahrscheinlichkeit – und diese liegt aber darin, daß etwas mehr zur gemeinsamen oder mehr zur besonderen eigenthümlichen Welt gehörig betrachtet wird. Sollen wir die Elemente des Kunstwerks aber so prüfen? Die eigenthümliche Welt eines anderen ist mir gar nicht gegeben, als eben allmählich durch die Producte. Wenn ich die Formel aufstelle, die Elemente des Kunstwerks haben ihre Beziehung auf die eigenthümliche Welt, so giebt sie mir doch nicht den Maßstab zur Beurtheilung des Kunstwerkes. Können wir uns damit befriedigt fühlen? Es verhält sich so in einem gewissen Sinn. Jedes Urtheil über das Kunstwerk und einzelne Elemente in einem einzelnen Kunstwerk eines einzelnen Künstlers hat immer etwas Provisorisches, es erhält erst die Vollendung durch die ganze Reihe freier Productionen. Darin ist etwas. Aber um zu einer wirklichen Werthbestimmung zu kommen, müssen wir von einem anderen Punct ausgehen. Wie verhält sich die wirkliche Welt zur eigenthümlichen, wie bekomme ich von der eigenthümlichen Welt eine Beziehung einen Maßstab in Rücksicht der wirklichen? Was das Erste betrifft, so ist der Gegensatz, wie wir finden, nur ein relativer. Die gemeinsame Welt | 50r ist aber eine nicht allen gemeinsame. Sie trägt den Charakter des Eigenthümlichen in dieser Hinsicht in sich. Der Mensch ist freilich (z.B.) wesentlich derselbe. Die Lebensfunctionen sind im Ganzen dieselben. Aber doch ist der Mensch in anderen Klimaten ein anderer. Es ist eine andere Art, wie sich der Begriff individualisirt. Was ist dies Eigenthümliche nun im Verhältniß zum Gemeinsamen? Es ist dasselbe, nur anders verschoben(?). Das Licht ist überall dasselbe; wie es sich bricht, ist es auch wesentlich dasselbe. Doch herrscht in verschiedenen Klimaten ein anderer Farbenton. Was ist das? Wiederum das anders Individualisirte. Dasselbe, nur anders verschoben. Es ist da doch ein anderes medium gebrochen, es ist das Verhältniß des Lichts zur Luft auf eine andere Weise verschoben. Es ist aber zusammen genommen eine gemeinsame Welt. – Das Eigenthümliche ist nicht auf absolute Weise eigenthümlich. Im Eigenthümlichen ist wieder ein Gemeinsames und das Gemeinsame ist zunächst in demjenigen gesetzt, was in denjenigen, die zu Einem Volk gehören, das Gemeinsame ist. – Wird sich dies auf das Verhältniß der Vernunft und Phantasie anwenden lassen? Das Eigenthümliche liegt innerhalb des Gemeinsamen. Ist nur dies Gemeinsame gegeben, so wird mir die Bestimmtheit im Eigenthümlichen auch mehr aufgeschlossen seyn. Wenn wir nun die Elemente in dem Eigenthümlichen mit den Elementen in dem Erkennen und Handeln gemeinsam vergleichen, so hat das Gemeinsame(?) seinen Grund in Realem, jenes untergeordnet dem Subjectiven besonders, im Idealen. Wir denken dabei zuerst an die Gedanken und Bilderzeugung, in so fern sie eigenthümlich combinirt sind. Die Elemente der Kunstthätigkeit müssen also in sich bestimmt seyn, dann zu dem Objectiven sich verhalten, wie Ideales zu Realem. – Wo ist hier nun die Einheit? Beides können wir unmöglich gleichstellen, weder daß jedes in sich Gemessene auch auf die eigenthümliche Welt bezogen werden müßte, noch daß diese bestimme(?) (?) auf das in sich Gemessene. Wir finden noch mehr Schwierigkeiten. | 50v Wir nennen das auf die gemeinsame Welt Bezogene, das Reale, das auf die eigenthümliche, das Ideale. Wir haben den Ausdruck schon oft gefunden. Aber die eigentliche Gebrauchsweise ist nicht dieselbe. Es könnte also scheinen, daß wir durch die Gebrauchsweise etwas erschleichen. Wie ist es mit dem gewöhnlichen Gebrauch? Das in der Wirklichkeit, sagt man, ist etwas Unvollkommenes. Die Kunst soll es darstellen in seiner Mangellosigkeit, sie soll also das zeigen(?), was der Gegenstand ist, ehe er heraustritt. Wir kommen hier zurück darauf, wie sich die Kunst zur Natur verhält. Fragen wir, woher hat denn der Mensch das Ideale, so kommt heraus, daß er es aus der Wirklichkeit nicht hat, er bildet sich es selbst. Die Natur giebt hier also das Unvollkommene, die innere bildende Kraft bringt das Vollkommene hervor. Giebt dann die Kunst dem Natürlichen die Regel? Wir schreiben der Natur auch eine bildende Kraft zu und wir bleiben an bestimmten Orten bei den Gegenständen stehen, die die Natur selbst hervorbringt, bei dem Lebendigen. Die Natur bringt hier hervor, aber erfährt im Einzelnen Perturbation, sie bringt also nicht ganz das hervor, was, wenn man sich die Kraft bewußt denken müßte nach dem Urbild sie hervorbringen müßte. Fragen wir, ob dann die Kraft immer das Urbild erzeuge in der Wirklichkeit so wird auch hier die bewußt bildende Kraft im Hervorbringen alterirt. Ist hier ein wesentlicher Unterschied, im Mangellosen des Künstlers und dem Unvollkommenen der Natur? Wir müssen es verneinen; denn auch die Natur wie der Künstler will etwas Höheres. Wir können es also auf diese Weise nicht bewahrheiten, daß die Kunst die Ergänzung der Natur sei. Sehen wir auf das Urbild, so liegt beiden die Vollkommenheit zu Grunde; sehen wir auf die Ausführung und Erscheinung, so wird es im Complexus mit anderen hervorgebracht und erhält eine Aenderung. Wir wollen also keineswegs das, was | 51r wir mit dem Idealen bezeichnen wollten, vor dieser Identification hüten. Die Erscheinung differirt immer von dem, was ursprünglich in der bildenden Kraft gesetzt durch das Dazwischentretende. Müßten wir nun zugeben, daß von dem ersten Gegensatz aus beides nicht als dasselbe und wesentlich verbindende erscheint, ist es dann ein so Allgemeines, daß es in allen Künsten vorkommen muß? Das heißt wie steht es mit dem in der Kunst, was nichts als Ebenbildlichkeit seyn will? Es fällt uns hier zuerst die bildende Kunst ein. Ist denn dann alles, was einen gegebenen Moment darstellt, nicht Kunst, weil es auf die wirkliche, gemeinsame Welt Beziehung hat? Es ist dieser Ausschluß nicht gesetzt, denn der Künstler will nie eine geometrische Ebenbildlichkeit hervorbringen, wie durch ein Durchzeichnen pp. Was so hervorgebracht ist, insofern es so hervorgebracht ist, kann kein Kunstwerk seyn. Mit der Zeichnung ist es vorbei. Ist es mit aller Ebenbildlichkeit ebenso? Wir werden es gestehen müssen, so fern wir das Mechanische (auf diese Art) der Kunst entgegengesetzt haben. Was muß denn nun noch anderes seyn, als das Mechanische, was muß zu dem Mechanischen hinzukommen? Wenn das Kunstwerk werden soll, werden wir alles Mechanische ausschließen? Der Bildhauer trägt wol beim Modelliren die Hauptmaße mit dem Circel auf die Masse auf. Dadurch setzt er aber nur seiner freien Production Grenzen, es ist nur eine Cautel. Besteht das Künstlerische denn nur in dem, was wir nicht mechanisch nennen? Ein Kreis hingezeichnet wie mit dem Circel wird doch nie ein Kunstwerk. Es ist die eigenthümliche Auffaßung die das Kunstwerk zum Kunstwerk macht, auch wenn es ein ebenbildliches ist. Wenn ein Künstler es auch wirklich so macht, daß er die Hauptzüge eines Gesichts durchzeichnet, so liegt diesem | 51v Proceß doch schon ein anderer zu Grunde; denn das Gesicht muß in einer bestimmten Stellung aufgefaßt werden und er hat sich es also schon vorher construirt, was das Bedeutsame sei. Dieses Auffaßen des Charakteristischen, was der Künstler die wahre Schönheit des Gesichts nennen wird, ist ein Gegenstand der eigenthümlichen Auffaßung. Wenn verschiedene Künstler ein und dasselbe Gesicht behandeln, so werden wir entweder sagen, daß es ein sonderlicher Zufall sei, wenn einer es auf dieselbe Weise aufgefaßt hätte. Das Ebenbildliche ist keineswegs also ausgeschlossen. Das Ebenbildliche kann auch eine Identität seyn. Durch die eigenthümliche Auffaßung ist der Gegenstand ein Glied seiner eigenthümlichen Welt geworden. Nennen wir das ideal und wirklich(?) eine mathematische Unfähigkeit, und nennen diese eine reale, so werden wir diese kein Kunstwerk nennen. Ein Gesicht wird z.B. auf den Stein gezeichnet nach der freien Weise der Auffassung und auch gemalt. Es werden durch den Abdruck Copien genommen. Wird man die Copie Kunstwerk nennen im Verhältniß zur Zeichnung auf dem Stein? Es ist dasselbe Verhältniß; nur der Gegensatz zwischen der Bestimmtheit in Beziehung auf die eigenthümliche Welt des Künstlers und in Beziehung auf die gemeinsame Welt. Ein jeder hat einen Gegensatz. Können wir ihn aber vollkommen aufstellen? ist nicht immer eine Beziehung auf die gegebene Welt nothwendig? Denken wir die Landschaftsmalerei. Baum und Baumschlag ist eines der ersten Elemente. Man fordert, daß ein geübtes Auge soll entscheiden können, welche Baumgattung gemeint ist. Insofern der Künstler die Miniatur verläßt, macht man diese Forderung. Wäre der Wald im Hintergrund, so wird man von der Forderung nachlassen, weil das Auge in der Wirklichkeit da auch weniger leistet. Aber im Vordergrund wird man es streng verlangen. – Es erhellt also, daß wir hier auf der Grundlage der gemeinsamen Welt unser Urtheil fällen wollen. Wenn einer ein Thier hat malen wollen und einer hätte es schlecht getroffen, so daß es zwischen zwei verschiedenen | 52r Gattungen steht, so sprechen wir denselben Tadel aus. Aber es trifft dies nur die conditio sine qua non, nicht das positive Kunstwerk. Auch hier ist wieder die Vollkommenheit nicht in der realen Seite, sie ist nur die Grundlage, eigentlich nur das Singuläre(?). Der Künstler stellt die Baumgruppen in einer gewissen Bewegung durch die Luft dar. Wir wollen, dass sie natürlich sei – es scheint also auch hier eine reale Ebenbildlichkeit zu seyn. Ist das nun auch noch nicht die Vollkommenheit des Kunstwerks? Wir verneinen es. Wir setzen das Maximum. Wir sehen eine Landschaft vor uns. Wir fragen, ob der Künstler die Landschaft erfunden. Der Künstler verneint es; er hat alles gelassen, wie es war. Hat die Landschaft vorher einen Eindruck gemacht, so werden wie ihr nicht das Künstlerische dazu absprechen. Sagt der Maler, daß früher niemand, sondern er allein auf den Gedanken gekommen, gerade diese Landschaft zu malen, so liegt gerade hier die Eigenthümlichkeit in dem Verhältniß der eigenthümlichen und wirklichen Welt. Es ist hier etwas, das dem Ebenbild vorangeht. Hier(?) spricht es einer und kein andrer. Würden wir nun nicht sagen, – wir kämen hier auf die Totalität; das Einzelne könnte seine Bestimmtheit haben in der wirklich gegebnen Welt. Es scheint so. Aber auch auf der anderen Seite liegt im Einzelnen eine Beziehung auf das Eigenthümliche. [...]

| 79rDie Gestalt an und für sich, die Reduction auf die Linie, würden wir schwerlich immer als Element angeben können. Gehen wir weiter und wir sagen, es müssen auch in den einzelnen Elementen bestimmte Verhältnisse gegeben sein. Das führt auf den Canon der Alten, in dem die bleibenden Verhältnisse mit Sicherheit skizzirt sind. Würden wir einen Canon, selbst den des Polyclet, als Kunstwerk achten? Es entsteht der Canon allein durch fortgeschrittenste, objective Beobachtung, nicht durch freie Production. Um aus dem Kanon ein Kunstwerk zu machen, muß etwas hinzukommen. Die Figur muß nicht blos genau, sondern in einem bestimmten lebendigen Moment, wäre es auch nur ein Bewegungsmoment (Akademien), dargestellt werden. Ein Kunstwerk kommt aber auch nicht zu Stande, wenn der Künstler den Kanon in ein lebendiges Moment setzt. Die lebendige Art ist das ursprünglich Gedachte, nicht der Kanon; aber je mehr sich diese Art in den Kanon auflösen läßt, desto schöner muß eine Figur seyn. Ein Kanon in einer Bewegung gesetzt mag ein Gegenstand des Studiums für die Verhältnisse seyn, niemals Kunstwerk. Es wird also nicht die Linie, sondern das lebendige Moment hier das Kunstelement seyn und es geht also auch hier von der freien Production aus.

Gehen wir nun auf das allgemeine Gebiet zurück, und fragen, woher kommt es, daß der eine mehr dichtet, der andere Maler ist. Es ist Resultat der geistigen Organisation. Das Gemeinsame wird die klare bewußte Bildung seyn; das Uebrige wird von einer bestimmten eigenthümlichen Richtung abhängen. Es wird keiner Maler werden, als wenn er viel gesehen hat. Die receptive Thätigkeit des Organs hat der Production vorausgehen müssen. Was ist denn dasjenige in dieser receptiven Thätigkeit, was am unmittelbarsten zusammenhängt mit der Kunstthätigkeit? Ist es hier das Objective oder das was zugleich das Individuelle ist? Was | 79v die Künstler insgesamt darstellen, ist etwas der gemeinsamen Welt Angehöriges. Wir dehnen dies freilich nicht in das Aeußerste aus. Ist auch z.B. in der Beschreibung eine Pflanze nicht durch bestimmte Spuren(?) herauszufinden, so muß doch der Typus eine gewisse Familie darin seyn. Im Centauren, Faun pp. ist freilich nichts ganz Natürliches, aber auch hier ist die Verschmelzung zweier Formen nicht ohne Zurückgehen auf die gegebene Welt. In dem Dichter werden wir auf gewisse Weise den Keim(?) suchen, aber niemals das Unerhörte. Unsere unabhängige Combination hatte es mit dem Einzelnen zu thun. Hier scheint es als müssten wir für das Entgegengesetzte entscheiden. Aber was haben wir beim Zurückgehen auf das Einzelne für eine Grenze des Eigenthümlichen gesetzt? Es mußte mittheilbar seyn und wir haben zugleich die Grenze dieser Mittheilbarkeit gesetzt. Was ist hier das Zurückgehen auf die gemeinsame Welt? Es ist nichts, als die Grenze der Mittheilbarkeit, die hiedurch bestimmt wird. Es soll das Kunstwerk von dem, der er es aufnimmt innerlich nachgebildet werden. Weil überall die Production durch die receptive Thätigkeit der Organe bedingt ist, so wird diese Nachbildung nur Statt finden können, in dem Maß, als die Reception dieselbe wird. – Eine chinesische Landschaft ist uns unverständlicher als eine europäische. Auf der chinesischen sind uns die einzelnen Gegenstände fremd. Es müssen die Gegenstände also aus der gemeinsamen Welt genommen werden damit das Kunstwerk nachgebildet wird. Aber auf der anderen Seite beruht es gar nicht auf dem Objectiven. – Das historische Gemälde verstehen wir nur, wenn wir das Zusammenseyn der Gestalten, die Lebensmomente verstehen. Das ist die intellectuelle Seite der Composition. Hat man das Gemälde auf diese Weise verstanden und es kommt einer, der aber sagt: Dieser Kopf ist der Partner des Künstlers, dieser eines Freundes pp., so könnte man fragen, ob das den Werth des Kunstwerks erhöht. | 80r Schwerlich – nur, daß der Künstler sich eine schwerere Aufgabe gestellt hat, indem er Figuren in einem ihnen fremden Lebensmoment bringt. Auf dieser Seite giebt also das Objective nicht den Werth. In allem zuerst das Individuelle der menschlichen Gestalt liegt, nicht blos ein Kanon. – Ein Gemälde von Mulatten, Kaffern pp. ist nur unverständliche Erscheinung weil uns der Typus fremd ist und wir in ihm die lebendige Individualität nicht auffassen können. Es ist also das Individuelle, die lebendige eigenthümliche und zugleich allgemeine Auffassung, die den Künstler bildet, die Art, den Typus eigenthümlich zu machen. Die Auffassung ist in ihrem ersten Keim nicht eine gleiche, sondern die Art, wie die Menschen differenzirt sind. – Wir werden also auch auf dieser Seite zu dem zurück kommen, was wir das Ideal nannten.

| 82r Das Erhabene hat nun seinen eigentlichen Ort im großen und strengen Stil, im leichten ist es ein fremdes Element. Das Schöne insofern es einen Gegensatz des Erhabenen bildet, wird dasjenige seyn, das den Gegenstand des leichten und zierlichen Stils ausmacht. Der Gegensatz ist relativ. Wenn wir nun fragen, wie verhält sich das wol, da wir es eigentlich hypothetisch aufgestellt haben, mit der gewöhnlichen Erklärung und dem Sprachgebrauch und der Anwendung auf die einzelnen Fälle. Wir sind von einem andren Ort hierher gekommen und da beide Stile nur relativ entgegengesetzt sind, so drücken sie den Gegensatz da aus, wo der Stil am meisten gespannt ist. Wären wir so auf den Unterschied gekommen, so fänden wir schwerlich in der gemeinen Sprache den Ausdruck. Die gemeinsamen Zwischenräume des Lebens bilden hier den Anknüpfungspunkt. Wenn man gewöhnlich sagt, daß das Erhabene dasjenige sei, bei dessen Größe der Mensch sich in seiner Kleinheit fühlt, so werden wir das übertragen können. Daß im Erhabenen eine Größe ist, versteht sich. Man hat aufgestellt, daß das Schöne müsse vom Maße unabhängig sein. Man hat es gebracht im Streit über griechische und gothische Baukunst. Die griechische Baukunst passe in jedes Maß, im Großen und Kleinen – nicht die gothische – Der olympische Jupiter ist eine erhabene Figur; er ist zugleich kolossal. Ist er erhaben durch das Kolossale? Schwerlich. Denn wäre ein Faun | 82v in diesem Maß ausgeführt, so wird er nicht erhaben. Freilich als Miniatur zur Verzierung ausgeführt, wird der Jupiter aufhören erhaben zu seyn – nicht in dem Mittleren. Warum geht der Charakter des Erhabenen in Miniatur verloren? Nicht weil er das große Maß verlor, sondern weil er dadurch aus der Beziehung des großen gemeinsamen Gebiets(?) des Lebens herausgedrängt ist – denn die Miniatur könnte nur in einer kleinen Stube Statt haben. – In der Musik ist das Erhabene im Kirchenstil (?) zu Hause und gewisse alte Chorale machen schon in den ersten Akkorden den Eindruck. Gesetzt aber diese Akkorde würden ausgeführt auf dem Flageolett oder auf der höchsten Oktave eines Flügels, so hörten sie auf erhaben zu seyn. Der Grund liegt auch hier darin, daß es aus dem großen Gesamtleben herausgenommen ist. Die besondere(?) Bewegung der Akkorde(?) erfordert eine große Tonmasse und doch spricht sie die Gemeinschaft(?) aus. Ist diese verloren gegangen, so ist es das Erhabene auch. – Man hat in der modernen Poesie als erhaben angeführt den Vers aus dem Pallas, Je craine

Denken wir uns ein Lustspiel, wo jemand dem anderen eine Angst einjagen will, diesem wäre es Ernst – und er brächte den Vers – es wäre doch immer, als wollte man den olympischen Jupiter auf einer Zuckerdose präsentieren. Es ist herausgerissen und weil diesem Wesen(?) das Erhabene anhängt, kann man es nicht komisch nehmen. Fassen wir diese Beispiele zusammen und fragen nach dem Gemeinsamen, so werden wir in der Erklärung zusammentreffen. Was ausschließend den Typus des großen Stils in sich begreift ist das Erhabene. Wir bleiben hier auf dem Kunstgebiet. Das Erhabene in der Natur wird man wieder nur aus dem Gesichtspunkt des Kunstgebiets betrachten können wie beim Schönen. Eine Landschaft mit einem stürmisch bewegten | 83r Meer hat eine Tendenz zum Erhabenen. Worin liegt es? Darin, daß die größeren Naturverhältnisse dargestellt werden. Sehen wir auf dem Meer ein Schiff, so tritt das Erhabene noch mehr hervor – weil hier die Beziehung auf den Menschen hervortritt, die Naturgewalt und die Vereinigung der menschlichen Kraft. Wenn statt dessen Fischer gegeben sind am Ufer mit Nachen, so wird der Eindruck des Erhabenen verloren gehen. Warum? Die Tendenz zum Erhabenen liegt im Kampf. Hier aber ist das geringe Verhältniß des Gewerbes in seiner Vereinzelung dargestellt und der natürliche Typus ist aufgehoben. Das bewegte Meer mit dem Fischer wird dasselbe seyn, ob groß oder klein. Aber die Landschaft mit dem mit dem Sturm kämpfenden Kriegsschiff wird in Miniatur ihren Typus verlieren. – Die Naturgegenstände als erhabene haben ihren Charakter in der Beziehung auf die Vereinigung der menschlichen Kraft. Es ist nur Schein, daß der Mensch als klein erscheine bei den Gebirgsmassen, die sich thürmen. Wie das Schöne eine reine Empfindung sei, so sei die Empfindung des Erhabenen modificirt durch das Bewußtseyn des Kleinen. Es ist aber die Naturgewalt als solche. Das sich als klein Erscheinen des Einzelnen bezieht sich doch auch auf eine untergeordnete(?) Weise auf das große Gesammtleben. Das eigentliche Gebiet für das Erhabene in der Kunst liegt nicht in der Darstellung der Naturgegenstände. Legen wir es in das Geschichtliche und Moralische, so kommen wir aber auf das Große in diesem Gebiete zurück. – Wir bemerkten anfangs, daß etwas Unklares ist in dem gewöhnlichen relativen Gegensatz des Schönen und Erhabenen. Wir haben dem vorgebeugt, indem wir es auf unseren Schematismus zurückgeführt haben. Das Erhabene ist erhaben, insofern es dem großen Stil angehört. Werden wir sagen, daß das Schöne schön ist, insofern es dem leichten Stil angehört? Es ist das nicht möglich. In dem großen Stil darf nicht alles erhaben seyn – was aber nicht erhaben ist, muß doch die Kunstvollkommenheit haben, muß schön seyn. Es ist ein neuer Ausdruck also nöthig. | 83v Wir wollen sagen, das Schöne insofern es dem leichten Stil als solchen angehört und im großen fremd seyn würde, wollen wir das Anmuthige nennen. Das Schöne würde also beiden Stilen angehören, das Anmuthige nur dem leichten, das Erhabene nur dem großen. Wird das Anmuthige im großen Stil gar nicht vorkommen können? Nur im Beiwerk. Wird das Erhabene im leichten Stil gar nicht vorkommen können? Nein – weil in diesem nichts ist – was sich entgegengesetzt verhielte wie das Beiwerk im großen Stil . – Im hohen Stil könnte also das Anmuthige nur im Beiwerk vorkommen. Giebt es nicht etwas, was überhaupt nur, auch im leichten Stil nur als Beiwerk vorkommen könnte? Es ist das Anmuthige als bedeutungslos. Im leichten Stil werden die Hauptelemente seyn das Schöne und Anmuthige, das Anmuthige als bedeutungslos wird das Beiwerk seyn. Ideal wird es immer seyn müssen – es ist zierlich und niedlich – aber weiter nichts. Wie stellt sich nun diese Reihenfolge? Vergegenwärtigen wir uns das Verhältniß zwischen dem künstlerischen Product und dem gehaltlosen Spiel, das Verhältniß der Kunsttheile zu der gebundenen Reihe, und vergleichen wir die gefundene Beziehung, so werden wir sehen wie sich das Ganze abschließt und wir die elementaren Beziehungen ganz aufgestellt haben. Wenn wir den aufgestellten Begriff vergleichen, das Ideal als Allgemeines ansehen, auf der einen Seite das Erhabene, auf der anderen das Anmuthige setzen, in beiden das Schöne , so finden wir in dem zweiten mehr eine Beziehung auf das freie Spiel, in dem ersten auf die gebundene Thätigkeit im Menschen, in dem Schönen ein freies für sich Bestehen. Wir haben gesagt, daß das Zierliche im Erhabenen nur als Beiwerk vorkommen kann, dem geselligen Stil verwandt aber doch auch noch fremd: wo wird das Zierliche nun hineinfallen? Ist es also in der Kunst an sich nicht, so könnte es da seyn, was an sich nicht Kunst ist, in der verschönernden Kunst, | 84r wo die Kunst nur Antheil hat und unter dem Gesetz der Zweckmäßigkeit steht. Das Bestreben zu verschönern ist das Zwischeneintreten. Es verhält sich wie das freie Spiel zur gebundenen Thätigkeit und der Hauptreihe, es tritt nur zwischen ein; daher man hier die Vollkommenheit eines Kunstwerks nicht erwartet, noch weniger das Bedeutsame. Es ist unter der Form der Kunstproduction eine Annäherung zur Willkührlichkeit und an das Freie. Es ist der Zierath in der Skulptur so fragmentarisch, daß freilich der Typus des Producirenden zu Grunde liegt, aber daß die Conception mehr Reminisenz ist, als unmittelbar. Hier erwartet niemand etwas anderes als das Zierliche, das Schöne im Kleinen, aber Fragment. Es ist hier also die Beziehung auf das was noch nicht Kunst ist. Es ist nicht auf das Gebiet der bildenden Kunst eingeschlossen. Wir finden es auch auf anderen Feldern, und in den bildenden Kunstwerken selbst. Man denke sich ein historisches Gemälde. Ist auch die Gegend angedeutet, so wird sich allenthalben doch ein leerer Raum ergeben. Was daher kommt, gehört nicht mehr in die productive Reihe, als das Ornament beim mechanischen Künstler. Sehen wir Thiere und Pflanzen hier, was nicht zum Ganzen gehört, so können wir es nicht auf die ursprüngliche Conception beziehen, als wie das Zufällige auf das Wesentliche wie das freie durchkreuzende Spiel auf die Reihe der gebundenen Thätigkeit. Ebenso in der Poesie. Sie tritt auch auf als Ornament an anderen Kunstwerken, auch an dem was nicht zur Kunst gehört, wie Ueberschriften an Häusern. Es ist ein Ornament. Hier wird das Gegentheil schon wieder mehr relativ. Was eingestreut wird und nicht auf die ursprüngliche Conception zu beziehen ist, ist oft schwer von der Digression zu unterscheiden, in der wir einen Zusammenhang mit der Hauptsache suchen. Es kommt hier darauf an zu suchen, wohin es in der Conception gehört. Die Digression liegt mehr schon in ihr | 84v als entsprungen aus der Hauptsache. Will ich aber einen Zusammenhang des Nebenwerks, das aus dem freien Spiel entsteht, mit dem Hauptwerk suchen, gerathe ich leicht in künstliche Interpretation. Das Beiwerk ist das, was sich aus dem freien inneren Spiel in das Kunstwerk einmischt. Hier machen wir keinen höheren Anspruch als den Begriff der Zierlichkeit. Selbständig finden wir es nur in dem Gebiet der verschönernden Kunst. Es geht aber durch das ganze Kunstgebiet hindurch und bildet den inneren Zusammenhang des inneren Lebens. Wie ist es mit dem anderen Extrem des Erhabenen ? Diesem wohnt eine besondere Beziehung auf die gebundene Lebensthätigkeit ein. Wir haben schon gesagt, daß wir in der menschlichen Seele annehmen müssen als unter der freien Production was die Kenntniß von den natürlichen Gegenständen betrifft. Das Gemeinsame unter der Form des Schauens(?) ist etwas das wir selbst machen und das zu verschiedenen Zeiten anders gemacht wird, wie z.B. wenn die ganze Animalisation zu der einen Zeit anders classificirt wird als zu einer anderen. Diese productive Thätigkeit beruht auf einer nothwendigen Zusammengehörigkeit des Begriffs und der Natur der Dinge selbst. In der geschichtlichen Welt ist es offenbar, daß hier Gegenstände werden durch die ursprüngliche Thätigkeit, als sie Gegenstand der Erkenntniß werden. Aber es ist hier eine genaue Parallele. Betrachten wir die Weise der natürlichen Gegenstände das allgemeine Bild entweder von Einzelheit oder von Production, so sind die allgemeinen Bilder immer in der Production. Aber sie haben mit der Kunstthätigkeit nichts zu schaffen. Es ist das unendliche Spiel gleichsam die zu Grunde liegende chaotische Thätigkeit. Aber sie wird ein geschlossenes Ganzes von einem anderen Princip aus, auf der einen und anderen Seite. Auf der einen Seite wird die Gleichheit mit den Dingen selbst gesucht, so daß die Thätigkeit immer weniger erscheinen soll als aus der freien Productivität hervorgegangen. Auf der anderen Seite bildet sich bei Fortschritten auch das Bewußtseyn einer inneren Gesetzmäßigkeit und die Aufgabe wird daß sich alles abschließe | 85r zu einem Ganzen. Es beruht hier nicht auf der Phantasie, sondern auf der Vernunft. Das Letzte wäre eine Production in der Vernunft, in der alles Geschichtliche liegen könnte als Resultat des rationellen Calcüls. So steht es auf der Seite der objectiven Thätigkeit. Wir kehren auf das Kunstgebiet zurück. Wie verhält sich beides zu dem Schönen und Erhabenen, die wir relativ entgegengesetzt haben. Das künstlerische Product, wie wir sagten, ist nie bloße Nachbildung der Natur. Das gilt auch wie sie auf dem geschichtlichen Gebiete versirt. Es erscheint der Gegenstand zugleich als einzelner. Beziehen wir diesen auf eine Stimmung, so erscheint uns dieser als ein einzelner. Wir suchen daher in der einzelnen Gestalt eine gewisse Wahrheit, ohne daß sie Abbild seyn sollte, das Wahre des Schönen ist der Schein der Wahrheit. In dem einen Zusammenhang ist der Gegensatz völlig aufgehoben. Aber in Vergleich beider Gebiete finden wir diese Entgegensetzung. Auch in Beziehung auf das praktische Gebiet ist das Höchste die Idee einer allgemeinen Gesetzmäßigkeit. Diese kann am Einzelnen als solchen niemals angeschaut werden. Es kann aber die Kunst hier niemals in solchen Verhältnissen stehen, daß sie untergeordnet stehe. Wenn ihr das Schöne des Wahren anhängt, nicht blos im Einzelnen, sondern im Gesetz der allgemeinen Production, so steht das in genauem Zusammenhang mit dem Schein des Guten, nicht im Einzelnen, aber in der Production des Gesetzes. Fragen wir, was ist es, was wir erhaben nennen, so sind sie versuchte Erklärungen(?) aller Schönheit. Aber keiner wird zweifeln, daß das absolute erhaben ist, weil es alles in sich schließt, was alles als hervorgegangen gedacht ist. Wenn der eine sagt, es ist Gott, der andere die absolute Idee, der dritte die absolute Urbildlichkeit: so läßt sich das von diesem Standpunkt leicht vereinigen. Alles was sich als Gesetzmäßigkeit der lebendigen | 85v Gesetzmäßigkeit zu erkennen giebt, ist das Erhabene. – Wir bleiben hier im Halbdunkel der eigenthümlichen Figur. Ein Zeus als Schwan oder bei danae(?) kann nicht erhaben seyn; der Schein des Wahren kann in ihm seyn, aber nur die Wahrheit des Einzelnen. Aber denken wir uns den olympischen Jupiter und dabei die Verse des Homer, so wird es uns erhaben erscheinen – er ist die Gesetzmäßigkeit so vieler einzelner Thätigkeiten. In dem erhabenen Anblick des Meeres wird als erhaben die allgemeine Quelle des Lebens erscheinen. In der Musik als erhaben wird die Gesetzmäßigkeit, die allgemeinen Potenzen des Lebens erscheinen, wie sie nicht einzelne intellectuelle Bewegungen sind, sondern Principien. Alles Erhabene muß erst unter diesen Gesichtspunct gefaßt werden, wäre es auch in der Realität des Lebens. Das Schöne ist das Centrum, von dem das Erhabene und Anmuthige ausgehend sich als ein Ring zusammenschliessen. – Daß auf der einen Seite zur Production des Erhabenen ein großer gebildeter Kunstsinn und auf der anderen Seite eine gewisse Begünstigung durch das Volk gehört, um in einer Einzelheit das Gesetzmäßige darzustellen, leuchtet ein. Das entgegengesetzte Extrem, die Zierde, schließt sich an alle mechanischen Thätigkeiten an. Es mischt sich dem Kunstwerk selbst wieder bei, und als zufällige Ergänzung und Raumverstücklung(?). Hier haben wir den größten Umfang. Wie werden sich beide verhalten zu einander? Je mehr sich die Kunstthätigkeit in diesem Gebiet ausbreitet, desto mehr wird der Sinn für das Erhabene verloren gehen. Je mehr die Kunst in dem Gebiet versirt, wo sie erhaben ist, je mehr sie heilig ist, desto mehr wird sie in diesem Gebiet sich verbreiten können. Das Wesentliche des geselligen Stils steht zwischen beiden, das Gleichgewicht zu erhalten und ist der reinste Re | 86rpräsentant der Kunstthätigkeit, während das Erhabene und Zierliche schon in ein anderes Gebiet übergeht. – Wie weit sind wir vorgerückt? Ist die allgemeine Untersuchung abgeschloßen? – Die erste Aufgabe war das Kunstgebiet zu beschränken in seinen verschiedenen Gestaltungen. Hier sind wir durch das Allgemeine der Kunstthätigkeit allerdings zu einer Uebersicht gekommen, die in sich geschlossen scheint, wenigstens nach außen. Diese allgemeine Kunstthätigkeit kann Basis einer Production seyn, wenn sie sich nicht in das regellose Spiel verliert oder sich zu sehr an der gebundenen Reihe hält. Hier haben wir die bildenden und tönenden Künste. In den tönenden Künsten haben wir Sprache und Musik. Aber es ist nicht jede für sich abgesondert. Die Grenze ist noch nicht bestimmt. Wie sich beides der Form nach unterscheidet ist uns noch nicht gegeben, noch weniger, daß wir die einzelnen Formen und Gattungen schon bestimmt hätten. Das Letzte kann nur im Einzelnen geschehen. In der bildenden Kunst haben wir Malerei und Plastik. Aber die Architektur war uns zweifelhaft. Wie weit hier die Formen sich in einander verwechseln lassen, davon haben wir wol die Möglichkeit gesehen. Wie sich aber die einzelnen Künste gegeneinander gesondert verhalten, darüber haben wir noch nichts bestimmt. Wir haben die Künste noch auf einem anderen Wege getheilt, indem die Kunstthätigkeit in jedem Volk so lange(?) ein und dieselbe ist, ein Ganzes ist. Hier kamen wir auf den Unterschied der dominirenden und dienenden Künste, unselbständige oder weniger selbständige. Wir haben den Unterschied von einem hohen und geringen Stil in jedem Gebiet gefaßt. Aber für das einzelne Kunstgebiet bedarf es einer Anwendung. Wir sind auf die Frage gekommen über die Kunstvollkommenheit im Einzelnen, wie es subsumirt wird. Da haben wir das wesentliche Merkmal aufgestellt und die drei Formen, die wir zuletzt vornahmen gefunden. In demselben Verhältniß als das einzelne Kunstorgan zur ganzen Kunstthätigkeit steht, so das einzelne Kunstwerk zu seiner Kunst. Die Totalität ist nun aber eigentlich nie gegeben, nur in unserer Idee, nach der wir beurtheilen müssen. | 86v Wie verhält sich denn das einzelne organische Kunstelement zu dem Kunstwerk im ganzen Gebiet? Auf gewisse Weise ebenso, in anderer Beziehung anders. Dies haben wir schon dadurch ausgedrückt, daß wir sagten: die Kunstvollkommenheit muß organischer Complexus seyn von organischen Kunstelementen, hervorgegangen aus Einem Punct, der Conception. Dagegen ist das Gemeinschaftliche beider immer dieses, daß es ein in sich selbst Gemessenes seyn muß, daß es einen eigenthümlichen Typus empfangen hat. Verhält es sich nicht so, so ist es ein fremdes Eingedrungenes. Ist es nicht etwas Gemeinschaftliches und etwas Eigenthümliches so ist es, wenn das Letzte fehlt, blos als Nachahmung anzusehen, wenn das erste fehlt, blos Werk der Laune, da ein Kunstwerk ohne Mittheilung nicht gedacht werden kann. – Wir können also die Kunst nicht anders betrachten, sie(?) zerfällt in verschiedene Gebiete. Die Kunst eines jeden Volkes ist eine eigenthümliche Kunst, sie muß in ihm eigenthümlich entstehen. Entsteht sie erst im Verkehr mit anderen Völkern und durch diese, so deutet(?) das auf eine untergeordnete Stellung; es wird eine Mischung seyn. Es wird das Eigenthümliche des Volkes darin seyn, aber da dieses nicht stark genug war, die Kunst zu wecken, so wird sie sich anschließen und in Vielen fremd seyn. Je mehr sich die Völker beruhigen, desto mehr muß der eigenthümliche Typus zurücktreten und es läßt sich ein Punct denken, wo der Typus des einzelnen Volkes im Verschwinden begriffen ist. Ist das überhaupt der Fall, so wäre die Sphäre der Mittheilung die Welt und es wäre aller Unterschied zwischen der eigenthümlichen und allgemeinen Welt, zwischen dem was wir Phantasie und Vernunft genannt haben geschwunden. Es darf auf diesen Punct nicht kommen, wenn etwas Wahres in unserer Darstellung seyn soll. – Wir werden auf der anderen Seite auch eine Grenze finden müssen, welches Verhältniß die Kunstthätigkeit des einen Volkes zur Kunstthätigkeit des anderen hat. Ehe wir dies gefunden, ist nicht alles gegeben für die Konstruktion des Kunstgebietes und die Kritik des Einzelnen. – Hier müssen wir uns auf das Frühere berufen, | 87r daß dies weder durch Begriffeintheilung noch Begriffsverbindung kann gefunden werden. Das Eigenthümliche kann nur durch Annäherung – durch den Begriff aufgestellt werden. Erst wenn wir die Kunst geschichtlich vor uns haben, läßt sich der volksthümliche Charakter in den Gliedern der Kunst darstellen. Das ist aber eigentlich erst das Letzte. Es vollendet erst das Verstehen der ganzen Kunstthätigkeit. Wenn wir dahin kommen könnten, den Charakter in den verschiedenen Völkern und Zeiträumen zu construiren, und die Differenzen als Cyclus d.h. als Einheit in der Mannigfaltigkeit zu begreifen, dann würde es leicht seyn, die Stellung des einzelnen Künstlers in seiner Kunst und seinem Volk zu bestimmen. Es ist das höchste Ziel, wohin das Kunstverständnis kommen kann. Am Ende werden wir sehen, wie weit wir zu diesem die Prämisse haben werden. In Hinsicht des ersten Theils sind hier schon Differenzen zu berücksichtigen, weil es darauf ankommt, den Raum zu bestimmen und das Verhältniß in diesem Raum. – Völker auf ganz untergeordneter Stufe haben keine Kunst. Sollen wir aber alles, wo sich in den Völkern der Welt auch nur ein Ansatz zur Kunst findet, in die Betrachtung ziehen. Wir theilen freilich nicht die Völker in Griechen und Barbaren. Aber es ist ein großer Unterschied zwischen den Völkern, die eine große geschlossene Masse zusammen bilden und denen die außer ihnen stehen. Was diese geleistet, ist beschränkt und wir können es daher mehr übergehen. Wir werden sagen, alle Völker, die noch in keiner Beziehung stehen, noch keine Geschichte für sich durchlebt haben, wollen wir bei Seite lassen. Andere Völker haben eine Geschichte für sich durchlebt, aber ohne in unseren geschichtlichen Verkehr einzudringen. Es sind die amerikanischen Völker vor der Eroberung Amerikas, die asiatischen Völker, welche große Masse theils gebildet haben, theils bilden, in welchen sich eine Kunstwelt entwickelt hat. Hier haben wir es mit zweien zu thun, den Juden und Chinesen. Man hat Kenntniß ihrer genug, um sie zum Gegenstand der Betrachtung zu machen. Aber ihr ganzer Typus ist | 87v dem unseren ganz fremd und die Betrachtung wird sich isoliren. Wir müssen sie ausschließen um uns mehr concentriren zu können. Dann sind andere asiatische Völker , auf die wir und die auf uns einigen Einfluß haben und ihre Kunst steht nicht so allein. Es sind die Perser und Araber. Aber die Kunst ist bei ihnen nur in einzelnen Zweigen zu einer gewissen Blüte gekommen. Sie eignen sich also zur Betrachtung weniger, weil sie unvollständig sind. Wir werden in den einzelnen Zweigen auf sie Rücksicht zu nehmen haben. Die europäischen Völker sind wieder in zwei Massen getheilt, in die germanischen und slavischen. Die letzten können wir wieder ausschließen wegen anerkannter Dürftigkeit in der Kunstproduction. Die germanischen Völker stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Antike, dem classischen Alterthum. Von da geht das ganze Kunstgebiet aus. Da kommen wir aber wieder auf einen Gegensatz, den man, seit man mehr zur Besinnung gekommen, hervorgebracht hat. Es ist der Gegensatz zwischen der Antike und Moderne. Wir werden versuchen uns allgemein darüber zu verständigen. Daß der Gegensatz der Antike und Moderne in jedem Kunstgebiet ist, ist klar, aber ob auf gleiche Art, ob das Verhältniß der verschiedenen Künste auf ein Gemeinschaftliches zurückzuführen ist, ist die Frage. Wie kommen wir auf den Gegensatz? Auch hier eine Volksverschiedenheit. Griechen und Römer sind hier gewisser Maßen eins, wie sie denn auch in der Sprache u.s.w. viel Verwandtschaft haben. Das ist aber nicht das Einzige. Daß sie älter sind wie die Neuen ist kein Unterschied. Ohne Rücksicht auf die Zeit stellen wir das Gleiche hier neben einander. Aber die antike Kunst hatte bestimmten Einfluß auf die Bildung der modernen – nicht rein(?) wie die Production verschiedener unabhängiger Völker sodaß sie neben einander. Die ganze moderne Cultur ist von der alten in gewisser Abhängigkeit. So für unsere und andere Gebiete(?). Doch nicht wie Fortsetzung, Nachahmung ist die moderne Kunst. Zusammengesetzt vielmehr aus der volksthümlichen Eigenthümlichkeit der Neuen verbunden mit der pädagogischen Abhängigkeit von den Alten. | 88r Diese Richtung ist dem Grade nach verschieden in den Völkern und diese wieder in den Zeiten und in diesen wieder in den verschiedenen Kunstgebieten. Das eine macht sich unabhängig von den alterthümlichen Typen während das andere verharrt. Nur der Wechsel überhaupt ist anzugeben, ohne Nachweisung ob er oscillirt oder feststeht. Das wäre eine eigentlich geschichtliche Untersuchung. Aber so verließen wir unser Gebiet. Ist dieses nun wirklich der Unterschied der modernen und antiken Kunst ? Verschiedene Antworten. Einige vertheidigen die reine Ursprünglichkeit der hellenischen Bildung, andere die Ableitung?

Einige leiten die hellenische Kunst von der aegyptischen ab und in einigen Zweigen von der morgenländischen. – Die Abhängigkeit oder Unabhängigkeit zu entscheiden kann hier nicht die Aufgabe seyn. Sind die Chinesen von einem fremden Volk abhängig, wie wir von den Griechen, so wäre der Unterschied nur der, daß es verschiedene Völker sind. Haben nun die Hellenen die Kunst ursprünglich und volksthümlich gebildet, so ist der Unterschied gegeben. Wir neigen uns auf die Seite der Eigenthümlichkeit und Ursprünglichkeit der griechischen Kunst hier und müssen sie hier(?) auf gewisse Weise als Lemma fordern. Wenn auch Anfänge durch die Colonisation gegeben wurden, so stünde doch dasjenige, das den ersten Impuls auf diese Weise gab, doch auf der weit niedrigeren Stufe, als nachher die griechische Kunst. Also kann nur der Anfang Aehnlichkeit gehabt haben. Wäre in der griechischen Poesie etwas Aehnliches, obgleich schwer daran zu glauben, so wäre doch die Differenz größer. Der Unterschied von der morgenländischen und griechischen ist doch schroffer als zwischen der griechischen und modernen. Die griechische Kunst hatte ihren Cyclus durchlaufen. Die moderne Kunst knüpfte sich an sie an, wie an ihr Urbild. Aber der aegyptische Typus war nie das hellenische Kunst Ideal, wenn auch analoge Anfänge | 88v erschlossen werden. Das Eigenthümliche prägt sich immer erst in dem Fortgang aus. Wir unterscheiden in der modernen Malerei die italienische Schule und die deutsche. Der Unterschied verschwindet in dem ersten Anfang und zeigt sich erst im Fortschritt. Die aegyptische Kunst ist über die erste Stufe gar nicht herausgegangen. Die hellenische Kunst ist nicht die eines fremden Impulses gewesen, sondern das Eigenthümliche war rein im Volk selbst. Geben wir auch nur einen relativen Gegensatz zu, so müssen wir doch sagen(?), die griechische Kunst verhält sich zu der modernen, wie eine aus sich selbst sich rein Entwickelte zu einer aus fremdem Einfluß Gebildeten und aus fremden Elementen Zusammengesetzten. Wir haben also Gesichtspuncte zu betrachten in verschiedenen Kunstformen, in verschiedenen Gebieten, in verschiedenen Regionen. Wir werden den unterschiedlichen(?) Charakter allenthalben festzustellen haben. Es drängt(?) sich uns die Frage auf, wie auf dem modernen Gebiet etwas von der Antike Verschiedenes entstanden ist, oder nicht. Wir werden hiebei den Unterschied der alten und neuen Völker uns vor Augen führen müssen. Der Untergang der alten Welt und der Anfang der modernen Bildung hängt zusammen mit einem allgemeinen Wendepunct in der menschlichen Geschichte, dem Christenthum. Es bestand schon lange als herrschende Religion, ehe die alte Welt(?) als solche wirklich untergegangen war, aber die Kunstproductivität hatte eigentlich aufgehört. Zwischen der ersten dem Christenthum gewidmeten Dichtkunst und Plastik und der Blüte der Antike liegt allerdings schon der Verfall des eigenthümlichen Charakters und des nationellen Lebens. In der alten(?) Schule liegt schon ein Verfall der inneren Kraft und dieser Punct der einen Uebergang bildet, zeigt uns deutlich, daß schon Keime des Modernen entstehen eben unter dem Einfluß des Christenthums. Aber der Gegensatz zwischen der Antike und Moderne verschwindet dadurch nicht. Wir können nicht sagen, daß dies eine neue Kunstperiode war. Es war der Verfall der eine Entwicklung des Princips in dieser alten Masse(?) mit(?) zuließ. Erst als die rohen Völker aus der Rohheit heraus ein | 89r neues Leben entwickelten, konnte sich das Princip in der neuen Kunstwelt gestalten. Können wir von diesem Punct aus etwas Näheres zur Bestimmung finden? Wir finden einen Punct bei dem wir stehen bleiben können. Der Gegensatz zwischen dem höheren und leichten Stil, wie wir ihn auch in Verbindung gebracht haben mit den beiden Formen des Ideals, dem Erhabenen und Schönen und wie wir das eine auf das schlechthin Gesetzmäßige Heilige bezogen haben.Hier ist ein Punct, der das ethische betrifft. In der alten Welt war Politisches und Religiöses eins und das Privatleben trat gar sehr zurück gegen die Öffentlichkeit. Im Privatleben hatten die Griechen fast keine Kunst, also die verschönernde. Es ist später, als das öffentliche Leben verfällt, und in dem Privatleben ein allgemeiner Luxus eintritt (römische Kaiserzeit), dabei geht die Kunst in das Privatleben über. Es gilt nicht blos von der bildenden Kunst, sondern auch von der Poesie. Die Tragödie hängt an allgemeinen und politischen Festen; die Lyrik selbst hängt in ihrer Wiege mit diesen Festen zusammen; das Epische ebenso. Was folgt hieraus für jenen Unterschied? Offenbar dies, daß der Unterschied weniger scharf hervortreten konnte, als in der modernen Kunst. Denn die Tendenz des Christenthums war von Anfang an, das Religiöse unabhängig zu machen vom Politischen. Das Kirchliche bildete die neue Gemeinschaft und blieb bei allen politischen Veränderungen. Es trat ein ganz anderes Verhältniß des Privatlebens zum öffentlichen ein. Das hat zum Theil klimatische Gründe aber größtentheils auch den geschichtlichen Charakter der modernen Welt zum Grund. Der leichte Stil muß sich ganz dem Privatleben anschließen, mehr als im Alterthum möglich war. Kein Punct wird mehr von dem Gegensatz zwischen der Antike und Moderne afficirt. – Wir können nicht übersehen, daß wir in der modernen Welt ein Verhältniß des Geschmackes finden, wie wir es im Alterthum nicht finden. Mit dem, was als die Procuctivität und Receptivität festsetzen, hängt zusammen daß sie ein und denselben Typus haben, nur in verschiedenem Maß. Zwischen dem Producirenden | 89v und Genießenden ist die Wechselwirkung. Bei den Alten tritt die Kritik gar sehr zurück, nur in gewissen Zweigen in gewisser Vollkommenheit. Bei der modernen Welt finden wir ganz diese Tendenz, daß sich diejenigen, die die Receptivität in sich tragen, auf gewisse Weise sich über die erheben wollen, die die Productivität in sich tragen. Das muß auf einer Differenz beruhen, einer verschiedenen Richtung. Es wäre wunderbar, wenn diese differentielle Richtung blos in der Production, blos in der Receptivität wäre. Es ist die differentielle Richtung vertheilt. Bei den Neuen tritt diese hervor, nicht blos in der Zeit des Verfalls, sondern mitten in der Entwicklung. Es ist also ein Unterschied zwischen der Kunst, die sich aus einem Princip entwickelt und der, die aus zwei verschiedenen Richtungen hervorgeht. – Es wird die moderne Zeit dargestellt als Differenz zwischen dem Künstler und dem Publicum. Wie die Productivität auf der einen Seite das Urtheil bestimmt, so wirkt der Geschmack zurück auf die Künstler. Wir finden dazu das Analogon für alle(?) anderen Gebiete. In einer anderen Hinsicht aber für das Kunstgebiet gesondert. Die Kunst hat wiederum eine Geschichte, eine Entwicklung vom Kleinen zum Vollkommenen. Diese giebt eine Succession von Momenten. In so fern diese als eine reine Succession betrachtet wird, wäre es nicht nöthig, daß eine Differenz hervortrete. Nun aber ist überall, wo etwas successiv sich entwickelt, daß die einzelnen Momente auch neben einander stehen, die Alten neben den Neuen und neben den Puncten die Ahndung von etwas Zukünftigem sind. So kann es drei verschiedene Puncte geben gleichzeitig obgleich eigentlich nach einander. Diese Art finden wir überall, wo es eine gewisse Entwicklung giebt. Wir dürfen uns also nicht wundern, wenn jene(?) nicht gleichmäßig, aber doch immer vorkommt – Spuren zur Differenz zwischen dem Urtheil und der Productivität Statt finden. In der modernen Kunst ist der Charakter einmal volksthümlich und wieder zusammenhängend mit der Antike. Dieses Verhältniß muß schwankend erscheinen. Es | 90r ist einmal möglich, daß die Volksthümlichkeit in dem ersten Moment schon da ist und durch das Alterthümliche nachhaltig umgewandelt wird, dann, daß das Alterthümliche da ist und daß sich in demselben das Volksthümliche einmischt. Es läßt sich aber die Periode wechselnd denken, worin die Antike und wieder worin das Nationale dominirt. Die Kunstentwicklung geht in verschiedenen Völkern neben einander vor, nicht so im Alterthum: In sofern sich die Volksentwicklung bald gestaltet als ein Vorwalten des einen, bald als ein gleiches Nebeneinanderstehen, so wird es ebenso in der Kunst seyn. So machen sich die Differenzen. Je größer die Gemeinschaft der gleichzeitig neben einander bestehenden Völker, je größer zugleich der Einfluß der Antike, um so größer muß die Differenz der verschiedenen Normen zum Vorschein kommen, indem an dem einen Ort mehr die Moderne, an dem anderen mehr die Antike zu Tage kommt. Diese alle können aber gleichzeitig neben einander seyn und noch einer anderen folgen. Aber desto schwerer ist für den Einzelnen die Aufstellung der Theorie, weil er in der Differenz befangen ist. Die Theorie wird daher von dem nur aufgestellt werden können, die schwächere Kunstthätigkeit hat, damit er weniger in der Differenz begriffen ist. Auf der anderen Seite muß er aber auch ein unvollkommeneres Kunstbewußtseyn haben. Wie finden wir dies in dieser Hinsicht? Es wird schwerlich ein größerer Gegensatz aufgestellt werden können, als der Gegensatz der deutschen und französischen Kunst. Die Franzosen hatten, als ihre Kunst am höchsten stand, ein großes politisches Uebergewicht und dadurch auch in der Kunst. Je mehr ihre Kunstproduction als etwas Gleichzeitiges an der Politik hing, desto größere abstoßende Kraft haben sie bewiesen gegen das Fremde, gegen das Englische, wo die Nation anders war, und gegen das Deutsche, wo die Antike sich anders gestaltete. Bei uns ist die Gemeinschaft das Vorherrschende und war es immer. | 90v Die Antike war aber das Einflußreiche. Das französische Element ward dominirend für die Wege der Geschichte. Später entstand ein besonderes Zurückgehen auf die eigene deutsche Kunst. Hier haben wir die Principien zur verschiedenen Kunstansicht. Es ist die Möglichkeit gegeben den Kreislauf durch diese Ansichten zu wiederholen. Die Verschiedenheiten sind immer neben einander, das Zusammenseyn constituirt den Charakter. Die Aufgabe kann nirgends daher so vollständig gelöst werden als bei uns, aber es ist auch desto schwerer, sie so zu lösen wie sie sich stellt, da sie von allgemeinerem Umfang ist, als der einfache Typus bei den Franzosen. Aber die Aufgabe soll so behandelt werden, wie sie in Beziehung auf die ganze Kunstwelt gewesen ist. Die Formen müssen rein als verschieden gelten. Ob der Streit über sie jemals unter uns wird geschlichtet werden, ob sich Ein Typus fest setzen wird, ist eine Frage, die nur die Geschichte selbst beantworten wird. Den Einfluß des französischen Typus kann man fast schon als verschwindend annehmen. Wollte man darauf eine Schlichtung bauen, so würde sie leicht falsch werden, denn was in einer Zeit verschwindet, kann wieder hervortreten und die Geschichte des einen Typus ist nicht die Geschichte des anderen. Es ist doch jedes Kunstwerk nur zu beurtheilen nach seiner Art und Weise, in seinem Typus und wir müssen jeden Typus gelten lassen, der einen geschichtlichen Raum gewonnen hat. Es ist auch offenbar daß wir zwei verschiedene Standpuncte haben zu beurtheilen und keinen aufgeben dürfen. Wir wollen einmal(?) teilweise Vollständigkeit durch die Bedingung, wie es nur ewig(?) ist, Nationelles bedingt durch das Alterthum. Dann stehen wir auf dem Punct, daß wir die Gemeinschaft der Völker repräsentieren. Das wollen wir auch nicht blos einseitig durch Receptivität, sondern auch wieder Einfluß ausüben und dieser entwickelt sich schon mehr auf das Bestimmteste. Wollten wir das letzte aufheben, so würden wir aus dem Nationalen ein Moment herausreißen. Daher ist | 53res um so nöthiger, daß wir uns von aller Einseitigkeit frei halten und jedem Geschichtlichen seinen Ort geben und lassen. Jeder hat freilich seinen eignen Geschmack. Aber in so fern er in der Theorie ist, ist die Aufgabe, diese Subjectivität zur Ruhe zu bringen und sich in der Masse, die vorliegt, zu versetzen, so daß man das individuelle Urtheil dem Theoretiker nicht muß anmerken können. – Der herrschende Typus giebt eine Differencirung die durch alle Kunstgebiete durchgeht, obgleich nicht immer in demselben Maße, oft hier später, dort früher. Sieht man aber hier(?) noch die ganze Differenz der Kunst, so ist es ein Hinderniß sie zu begreifen. – Wir kommen auf einen anderen Punct der Differenz. Wir sind davon ausgegangen daß die Kunstthätigkeit sich unterscheidet von dem kunstlosen Spiel. Das ist der Gegensatz in welchem die Kunstthätigkeit steht gegen das gleichsam allgemeine Leben der Production. Jedes Kunstwerk ist ein in sich abgeschlossenes Ganzes. Kann man dies von allen auf dieselbe Weise sagen, oder ist es in dem einen mehr, in dem anderen weniger? Als man unter uns anfing, sich durchgreifend mit der antiken Poesie zu beschäftigen, so war es teilweise wichtig, zu einem richtigen Kunstbegriff der Alten in den einzelnen Gattungen zu gelangen. Ein Hauptwerk war der Homer. Es entstand die Frage, ist und wodurch ist die Ilias ein abgeschloßnes Ganzes? Die Art wie man darüber gestritten hat, giebt zu erkennen, daß der Begriff hier nicht auf solche Weise anzuwenden ist, wie in der dramatischen Poesie. – Die Odyssee hat ein bestimmteres Ende, als die Ilias, daher kann man fortsetzen und hat sie fortgesetzt. Es sind verschiedene Arten der Fortsetzung aus verschiedenen Gesichtspuncten. Ebenso könnten nicht etwa Gesänge oder Theile der Gesänge fehlen, ohne daß das Ganze litte? Die Abgeschlossenheit des Ganzen stellt sich also auf eine andere Weise. Man ist sogar auf das Resultat gekommen, die Ilias wäre nie ein Ganzes gewesen, nur geworden. Jeder einzelne Gesang wäre ein Ganzes. Die Zusammenstellung hätte sich später gemacht. Wir sehen hier einen Streit zwischen der Sicht einzelner untergeordneter Theile und | 53v der Sicht des Ganzen. Eine Scene im Drama ist auch etwas für sich aber sie verhält sich anders zum Ganzen. Wir verlangen hier das ganze Drama. Vergleichen wir diese beiden, so entsteht ein ganz verschiedener Charakter aus den verschiedenen Verhältnissen der untergeordneten Einheit zu der größeren Einheit. Dies kann auf anderen Kunstgebieten sich ebenfalls zeigen, wenn gleich auf ähnliche Weise. Vergleichen wir die größere Skulptur zum Relief, so hat diese eine gewisse Neigung zur Unendlichkeit, wie das Epos. Denken wir das Gesims eines Gebäudes und einen technischen(?) Process, so ist die Einheit eine solche, die nicht bestimmt abgeschlossen zu werden braucht. Eine einzelne Figur oder eine Gruppe ist etwas in sich Gedrungenes und Geschichtetes(?) wo sich jene Neigung gar nicht entwickeln kann. Ebenso in der Malerei und Musik. Hier giebt sich ein durchgreifender Gegensatz zu erkennen in Beziehung auf den Gegensatz und für den Ort, wo das freie Spiel heraustritt. Denken wir ein solches Relief, so haben wir nicht nöthig zu denken, daß vom Künstlerischen in der Conception das Ganze je vorgeschwebt hätte. Dasselbe werden wir von der antiken epischen Poesie sagen. Dagegen müssen wir in den entgegengesetzten Fällen das Entgegengesetzte aussprechen. Desto mehr nicht, wie hier Strenge sey, weil sich sonst die ungezügelte Phantasie in das Unendliche verliert. Wir müssen auf diese Trennung im Voraus rechnen. Wenn wir hier ausgehen von der Production, so unterscheidet sich die eine von der anderen durch die größere Gemessenheit und Bestimmtheit. Der willkührlichen Production wohnt mehr Unbestimmtheit bei, aber eine relative, die oft hervortretend sehr geeignet ist, die Kunstproduction zu wecken. Die Bestimmtheit des Einzelnen kann hier größer seyn oder geringer. Es ergiebt sich am leichtesten in der bildenden Kunst, wo wir unterscheiden können das Skizzirte und Ausgeführte. Es kann etwas eine bloße Skizze seyn und doch schon ganz den Charakter des Kunstwerks in sich tragen. Es erscheint hier, als wenn die Kunstproduction hier gehemmt | 54r wäre, da jeder Augenblick fortgesetzt werden könnte. Es scheint in der Poesie keine so durchgreifende Unterscheidung. Eine Skizze zum Trauermarch wird unmöglich so als Kunstwerk erscheinen, wie der Karton zu einem Gemälde. Es würde uns unzweckmäßig scheinen, wenn der Dichter in dem Entwurf eines Trauerspiels schon geverselt hätte. Die Skizze des Gemäldes kann ausgeführt werden, der Entwurf des Trauerspiels ist nur das Gerüst, das wieder abgebrochen werden muß, um das Kunstwerk zu produciren. – Es ist hier die Differenz zwischen Bild und Gedanken. Wie steht es mit der Differenz? Das Bild im Drama und Epos zeigt eine Aehnlichkeit zwischen Gedanken und Gestaltenbildung. Es verwandelt sich das Gedicht des Epikers erst dann zu rechtem Leben, wenn wir das einzelne Bild bestimmt vor uns sehen. Der Dichter könnte dieses Gemälde vorher entwerfen und so gäbe es eine Skizze ebenso wol in der bildenden als redenden Kunst. Wir sind ausgegangen von der Stimmung, kamen alsdann zu der das Ganze gestaltenden Urbildung, und der dritte Theil der Process war der darstellenden Ausführung. Wie kommen die Glieder des aufgestellten Gegensatzes zu diesen Puncten zu stehen? In der Skizze tritt uns das Verhältniß zwischen der erzeugenden Stimmung und gestaltenden Urbildung hervor. Je mehr das Kunstwerk vollendet wird, tritt das Verhältniß zwischen der gestaltenden Urbildung und der darstellenden Ausführung hervor. Je mehr uns die Ausführung bindet, desto weniger gehen wir auf die erste Stimmung zurück. – Das Verhältniß zwischen der Stimmung und Urbildung als eigentliches Quantum betrachtet, ist am meisten das, was wir in der Kunst die Genialität nennen. – Das Verhältniß zwischen der Urbildung und Ausführung ist mehr Sache der Virtuosität. – Es theilt sich uns also, das Kunstwerk in solche, worin die Genialität dominirt oder untergeordnet ist, und solche, worin die Virtuosität dominirt oder untergeordnet ist. | 54v In der Skizze, also in dem was Sache der Genialität ist, muß die Möglichkeit der Ausführung, zu dem was Sache Virtuosität ist, liegen. In der Malerei als Ausführung unterscheidet sich Zeichnung, Färbung, Beleuchtung. Der Künstler kann eines vorherrschen lassen wollen. Aber darauf muß schon die Gestaltung in der Urbildung Rücksicht genommen haben. Von hier aus wird sich ein anderer Gesichtspunct offenbaren. Was auf der Seite der Ausführung liegt, ist am meisten empirisch, fordert am meisten Mechanismus, Sache der Uebung. Wie soll die Uebung erlangt werden? Es giebt in der Entwicklung des Künstlerischen eine gewisse Periode der Uebung, wo sie(?) als Schule erscheint. Was nur(?) als Uebung des Schülers lebendig erscheint, rechnen wir nicht in das Gebiet der Kunst. Es giebt auch für die Kunstproduction selbst eine Uebung und es wird auf die Uebungen der Meister sehr großen Werth gelegt und was ein Künstler als Uebung hervorbringt, kann als Kunstwerk Werth haben, wenn es an sich auch andere Beziehungen hat. Unsere drei Momente müßten sich aber auch hier als in einem Kunstwerk finden. Vergleichen wir eine Studie und ein Kunstwerk, das eine erscheint als Uebungsstück, das andere als selbständig. Wir werden den Unterschied schwer fassen, wenn nicht eine Hauptbeziehung und Hauptrichtung im Studium hervortritt, auf die der Künstler als Uebung sich vorgewandt(?) hat. In dieser Beziehung wird man an der Studie nicht so strenge Forderung des Ebenmaßes machen. Soll in einer Akademie von Figuren der Anatomie hervortreten, so ist der technische Werth als Kanon das Herrschende. Hat die Figur zugleich eine bestimmte Gestaltung die auf eine bestimmte Stimmung zurückweist, so ist es ein Verdienst, der ihr nebenbei, aber nur nebenbei zukommt. Die Ausführung | 55r eines Gemäldes mag immerhin auch eine bestimmte Richtung angedeutet haben. Aber wir werden immer das Zurückführen auf die erste Stimmung verlangen. Wo ein Gleichgewicht der Momente ist, ist also ein selbständiges Kunstwerk; wo ein Moment überwiegt, haben wir eine Studie oder eine Skizze. Voß hat schwergereimte Oden gegeben. Man sieht ihnen den Charakter der Uebung und des Studiums an; als Ode muß sie immer eine Ode seyn, aber weil sie Studium ist und einen anderen Zweck hat, werden wir sie die Forderung nicht so hoch spannen. Aber in der Virtuosität, in dem Ausführen werden wir hier das Höchste verlangen. – Sehen wir nun, ob sich diese Thätigkeiten nicht wieder kreuzen. Fragen wir, wie entsteht die erzeugende Stimmung von etwas(?) wie Sprache? Die Frage könnte als blos psychologisch erscheinen, hat aber noch eine andere Aufgabe. Zu jeder Handlung, zu jeder, wo der Mensch ein anderer werden soll, gehören zwei Factoren, ein innerer und ein äußerer, die wechselseitig ein Maximum oder Minimum seyn können. Findet sich der innere als reiner Lebensreiz(?), der äußere als Aufforderung, wo die(?) Kunstproduction ist? Diese Frage können wir nicht beantworten, da es zu jeder Handlung gehört. Aber das Verhältniß zwischen den beiden Factoren kann eigenthümlich seyn. Was ist hier die Begeisterung? – Der innere Impuls ist das Maximum gewesen, eine Steigerung vom indifferenten Zustand durch inneren Trieb bis zur Production. – Es ist aber Thatsache, daß in einer Menge von Kunstwerken die äußere Aufforderung als das Erste erscheint. In jener entsteht die Production als absolut frei und eigen; in dieser ist sie mehr aus dem gemeinsamen Leben geschöpft. Das ist ein Unterschied, den wir durchgehend finden durch alle Künste, der Unterschied zwischen einem freien Werk und einem gelegentlichen Werk. Ist nun nothwendig, daß im letzten Fall | 55v die Begeisterung null ist? Keineswegs. Der innere Moment in Beziehung auf den äußeren Impuls muß abgewartet werden. Fragen wir nach der Bedeutung des Unterschieds, so ist er keineswegs ein solcher, daß man es jedem Kunstwerk ansehen könnte, ob es auf die eine oder andere Weise entstanden sei. Die Möglichkeit zu einem solch verschiedenen Verhältniß in dem Kunstwerk wird gegeben seyn. Es ist aber das das Schönste, wenn ein Gelegenheitswerk sich so darstellt, daß wir es nicht wissen, es nicht sehen könnten. Aber der Anspruch kann nicht allgemein gefaßt werden. Giebt es aber nicht etwas Analoges in den Werken der freien Begeisterung? Die größte Vollkommenheit ist auch hier die Verschmelzung des Unterschiedes, so daß sich das Werk zugleich in das gemeinsame Leben versenkt. – Bei den beiden Formen, deren eine wir Genialität, die andere Virtuosität nannten, haben wir keinen solchen Vorzug des letzten vor dem ersten angenommen, daß in dem Maße das dominirende hervortrete jenes daher zurücktrete. Ist die Hauptproduction in der Region, daß vorzüglich die erzeugende Stimmung und die Urbildung wirksam sind, so bleibt sie da stehen, wo das eigenthümliche Wesen der verschiedenen Kunst erst angeht, daß eine dominirende Stimmung eine Urbildung wirklich wird, hängt im Allgemeinen aber von der Stärke der Richtung auf die Kunst überhaupt ab. In und mit der Urbildung tritt erst ein bestimmter Kunstcharakter hervor. Wird ihre Ausführung vernachläßigt, so tritt diese bestimmte Kunst zurück, ist nur Mittel zur Realisierung der Kunst überhaupt; wird die Ausführung vollendet, so dominirt die bestimmte Kunst. Ein völliges Gleichgewicht der Genialität und Virtuosität kann unter zwei Formen seyn. Die Stimmung kann das erste seyn, so daß durch die Skizze Ausführung der ersten Darstellung bewirkt wird, nachher kann es bis in Einzelne vollendet werden. Im anderen Fall kann die Richtung auf die Ausführung der erste Ursprung seyn, so daß aber nicht zurücktritt das Verhältniß zur Urbildung. Dann wieder das Gleichgewicht aber unter anderer Form. Es ist dann Aufgabe der Kritik, bei Meisterwerken, wo ein solches Gleichgewicht Statt hat, zu unterscheiden, unter welcher Form es entstanden ist, was die Haupttendenz des Künstlers war. Zurückgegangen nun auf die unvollkommene Production, wo entschieden eins von beiden dominirt, so ist da von bestimmter Differenz das Urtheil zu bilden und die Erscheinung in der Kritik zu verstehen. Einige Urtheile gehören mehr | 56r einer bestimmten Kunst , haben nur Interesse für diese, oder auch für alle Künste, aber für jede doch in ihrer bestimmten Form und Eigenthümlichkeit. Andere interessieren sich für die Kunst überhaupt und fassen die Eigenthümlichkeit der Kunst weniger ins Auge. Die ersten sind die allgemeinen Kunstliebhaber die letzten mehr die Dilettanten. Sie werden immer mehr Werth legen auf das, worin die Virtuosität ihre Höhe hat. Die anderen interessieren sich mehr für ein Werk, worin das Verhältniß der Stimmung und Urbildung hervortritt, glauben das Kunstwerk verstanden zu haben, wenn aus der Urbildung die innere Stimmung hervorscheint und sie einsehen, wie der Künstler diese in die Urbildung niederlegt in dieser Composition [...]

Man pflegt das Verhältniß der Urbildung zur Stimmung das Poetische in der Kunst zu nennen. Der Ausdruck ist unrichtig. Er kann aus diesem Gesichtspunct die größte musikalische oder pitoreske Anlage seyn ohne das poetische. Ebenso ist die Poesie ohne Ausführung dürftig, wie die Skizze. Das Verhältniß der Gedanken muß hervortreten und das geschieht nur in der Ausführung. Die Bezeichnung deren wir uns bedient haben, um die Glieder des Gegensatzs zu bezeichnen, soll keineswegs dazu dienen, als ob das Geniale weniger in dem zu seyn brauchte, was gleich auf die Ausführung berechnet ist. Das eine ohne das andere ist einseitig, aber isolirt tritt das Geniale hier mehr hervor. Um ein Kunstwerk zu bezeichnen(?), muß immer eine gewisse Sicherheit in dem Gefühl seyn, ob die Urbildung mehr angelegt ist rückwärts auf die Stimmung oder vorwärts auf die Ausführung. – Dies sind die Principien der Künste insgesamt im Allgemeinen. – Wir gehen zur Betrachtung der einzelnen Künste: Es muß dabei vorher erinnert werden, was über den Schematismus im Allgemeinen gesagt ist. Wir sahen die Kunst im Allgemeinen als unbestimmtes Mannigfaltiges im Anfang. Es wurde uns deutlicher, als wir das Verhältniß betrachteten der unwillkührlichen Production zu den Functionen der gebundenen Thätigkeiten und als wir auf der anderen Seite erst gefunden hatten, daß die Kunst in ihrer Verständlichkeit auf ein gewisses Gebiet beschränkt | 56v ist, und daß die Kunst nur im Zusammenhang aller Künste in den Typen des Volkes seyn kann. Wir haben schon einmal uns auf diese Hinsicht hin gewendet(?) so daß wir sahen, daß einige Künste untergeordnet sich nicht isoliren können. Wir haben noch ein anderes Princip gefunden. Wir waren ausgegangen bei der Analogie der unwillkührlichen Aeußerungen mit der Kunstthätigkeit. Diese unwillkührlichen Aeußerungen fanden wir in Ton und Geberde. Wir sagten, daß es Künste gebe, die sich unmittelbar an diesen anschlößen und sie fortsetzend in sich abschlössen. Wir unterschieden in diesen solche, in denen das Kunstproduct nicht auf solche Formen der inneren Production sich richtet, sondern nur vermittelt, diese beiden Eintheilungsgründe erschienen aber nicht als sich kreuzend, sondern als zusammenfallend. Mimik und Musik waren die unwillkührlichen Aeußerungen zur Kunst erhoben. Die redenden und bildenden Künste lagen zugleich in Analogie mit der objectiven Thätigkeit, und beide waren zusammengefaßt in dem Moment der Conception. Als wir auf die Tendenz eines Volkslebens Acht gaben, fanden wir, daß die ersten nur mehr begleitend wären, die anderen ihre Natur mehr dominirend. So weit hatten wir dann den Gegenstand gebracht. Wir müssen uns jetzt aber sicher stellen, an nichts Wesentlichem vorbeizugehen und die ganze Ansicht prüfen und weiter führen.Wenn wir als die begleitenden Künste Mimik und Musik ansahen, als selbständig und die anderen an sich ziehend die bildende und redende Kunst, so fragt sich, was ist für ein Verhältniß unter den beiden Eintheilungsgründen daß wir einsehen können, wie sie unter dieser Rubrik zusammen gehen, und zweitens gehören sie auch wirklich zusammen und sind sie der einen oder anderen Haupteintheilung gleich. Um von der letzten Frage anzufangen, so kann uns die Antwort nicht entgehen. Die Dichtkunst zieht die anderen Künste an, die Dramatik zieht die Mimik an sich, die lyrische die Musik, die Epik zog bei den Alten beides an sich den recitativen Gesang und eine gewisse Mimik als Declamation. Bei uns ist diese Attraction geschwächt und wir brauchen sie selbst dem Drama nicht ganz auszuschließen(?). | 57r Hier finden wir eine Differenz zwischen der Antike und Moderne. Zieht die bildende Kunst ebenso die begleitenden Künste an sich? Wir werden es nicht auf dieselbe Weise behaupten können. Freilich haben Werke der Sculptur und Malerei für sich betrachtet teilweise Unverständliches und es muß zur Verständigung etwas hinzukommen, doch braucht dieses Hinzukommende nicht Kunst zu seyn. Wenn bei den Alten auf den Statuen sich häufig Epigramme finden, so beziehen sie sich oft weniger auf das Kunstwerk als auf den Künstler oder den verherrlichten Gegenstand. Das wäre uns fast künstlerisch, gewordene Weisen zur Verständigung beizusetzen. Musik zum Gemälde zu gesellen, ist möglich, aber mehr willkührlich. Gemälde die mit einem Mechanismus verbunden sind oder das lebendige Gemälde haben häufig die Musik zur Begleitung, aber sie sind untergeordnet. Wie ist es auf der Seite der Musik und Mimik? Von der Mimik gilt es im starken Sinn, daß sie blos begleitende Kunst ist; selbständig tritt sie in der Pantomime hervor – wird hier aber umständlicher und isolirt dadurch den Kunstcharakter. Gesang ohne Worte kann man sich wol construiren aber nur als Zwischenspiel. Instrumentalmusik tritt auch an und für sich hervor und in der neuen Zeit um so mehr, als sich die Instrumente und also die qualitativen Differenzen des Tons vervielfältigen. Die Fähigkeit eine dominirende Stimmung im Allgemeinen hervorzubringen an und für sich, kann man der Musik nicht absprechen. Es ist eine Differenz also hier zwischen Musik und Mimik und streng genommen treten nur Mimik und Poesie in dieser Hinsicht attractiv einander gegenüber. Die anderen treten gewisser Maßen in die Mitte. Fragen wir, wodurch wird eigentlich bestimmt, daß die Musik mehr in die Analogie der Mimik und die bildende Kunst mehr in die Analogie mit der Poesie gesetzt wird? Man könnte die Sache umkehren und sagen, das Vollendete der Musik liegt erst in der Selbständigkeit durch die Instrumente | 57v und als solche erscheint sie attractiv, indem sie den Tanz hervorruft. Wir kamen aber zu dieser Stellung, da Musik am meisten die innere Stimmung gebe. Es fragt sich nun, wie es mit der Zusammengehörigkeit dieser beiden Eintheilungen gründlich stehe. – Es ist dies für die Sache selbst etwas relativ Gleichgültiges und scheint blos ein logisches Interesse zu haben, wenn man sieht ob die Kunst einen bestimmten Cyclus bildet oder in Gegensätzen gehalten. Wir können aber nicht leugnen, daß auch die Principien, die wir hier aufzustellen haben, in gewissem Zusammenhang stehen. Kommt man darauf teilweise abzutheilen, so ist es sicher das am klarsten, wenn man zwei Abtheilungen hat die sich kreuzen [...]

Die Geschichte ist allerdings am reinsten vollbracht, wenn die Eintheilungsgründe geschieden sich einander kreuzen und einer mit dem anderen ein Ganzes eingehe. Wir finden aber Theile, die sich nicht so befinden. Wir konnten nicht sagen, es giebt dominirende und | 58r begleitende, unmittelbare und mittelbare Ausdrücke des Inneren die anderen schlechthin. Es finden sich Künste auf beiden Seiten. Es fragt sich, ob beides auf ein und dasselbe herauskommt. Der unmittelbare Ausdruck der inneren Stimmung hat eine unmittelbare Verständlichkeit. Dagegen wenn das Moment der Besinnung hineintritt und dadurch ein anderes Verfahren entsteht, so gewinnen die einzelnen Bestandtheile an Bestimmtheit und Gemessenheit, aber die Beziehung des Aeußeren auf das Innere verliert an Verständlichkeit. Hat der Mensch seine Stimmung in Ton und Bewegung geäußert, so ist es teilweise abgeschlossen. Ist es eine Kunstreihe geworden, so ist auf der einen Seite gewonnen, auf der anderen Seite verloren. Wo etwas verlorgen gegangen, entsteht das Bedürfniß, das Bedürfniß es an ein anderes anzuschließen, um sich dadurch zu befriedigen. Sobald die natürliche Bewegung in mimische Darstellung übergeht oder in Ton, so sucht sich das eine durch das andere verständlich zu machen. So werden die unmittelbar das Innere ausdrückenden Künste begleitend, die ihr Complement der Verständlichkeit in dem anderen suchen. Aber es könnte scheinen, daß diese Kunst bleibe, wie sie ursprünglich war und die andere Kunst, die Rede pp., als das Hinzukommende, das Begleitende sei, nicht jene. Indem wir aber ausgingen von dem Gesichstpunkt, daß alle Kunstgegenstände(?) ein Ganzes organisch bilden, so zeigt sich die Sache umgekehrt. Wir sehen die Kunst, die unmittelbar in die Production trete, als dominirend an, die andere als die begleitende. Dies deutet auf einen anderen Gesichtspunct. Wir haben etwas gewonnen durch die letzte Betrachtung, daß die Stimmung die ursprünglich Erzeugende sei, mittelbar in der Kunst die sich an unmittelbare Aeußerung weniger anschließt. Es gab die Duplicität der Verständlichkeit. In der einen wird die innere Stimmung unmittelbar | 58v verstanden, aber die Urbildung tritt zurück; wir wissen nicht warum diese oder jene Tonreihe der Stimmung entspricht, die andere umgekehrt. Wir sehen hier ein gegenseitiges Bedürfniß. Auf diese Weise werden wir so sagen können, das Verhältniß, welche Künste dominirend sind, welche begleitend sei nicht feststehend, sie sind es gerade durch das Vorherrschen der inneren Beziehung auf die anderen, daher giebt es hier etwas Schwankendes. Wenn unsere Gesichtspuncte eine innere Wahrheit haben, aber sie sich nicht einander durchkreuzen, so scheint es, daß sie auf einander zurückgeführt werden müssen. Wir gehen hier auf etwas Anderes zurück. Haben wir die innere Stimmung und die unmittelbare Aeußerung, so verhalten sich beide, wie Seele und Leib. Es ist hier ein Bestimmtseyn des einen durch das andere. Betrachten wir die Kunst die sich an freie Production anschließt und wir sagen, daß diese Production teilweise eine Production von Bildern oder Gedanken ist, und fragen was hier das Producirende ist: so werden wir wieder sagen müssen, die Seele, so lange wir in dieser Duplicität bleiben, daß aber die Seele Bilder hervorbringt und die Gedanken nur durch die Sprache, woher kommt dies? Es ist die Gebundenheit der Seele an den Organismus. Was sie produciren will, ist immer das Wesen. Es ist das Wesen der Dinge, was sie nachbildet, den Dingen einbilden will. Der Unterschied zwischen der freien Production aus welcher die Kunst entsteht und der gebundenen Thätigkeit beruht auf dieser Gemeinschaftlichkeit. In diesem Bestreben ist die Seele gebunden an den Organismus. Die verschiedene Form ihrer Production ist nur aus dem Organismus verständlich. Warum giebt es nicht ein eben solches Bestreben andere Sinneseindrücke nachzubilden etwa den Gesichtseindruck? Weil keine das Wesen der Dinge so treu nachbildet und kein Organ dem Bildenden so | 59r zu Hülfe kommt. Es ist hier das Verhältniß zwischen Geistigem und Organischem relativ entgegengesetzt ausgedrückt. Die eine Klasse repräsentirt mehr die Bedingtheit des Geistigen durch den Organismus, die andere mehr die Bedingtheit des Organismus durch das Geistige. So sind unsere beiden Klassen in der Auffassung eines und desselbigen gegründet und beide erscheinen als wesentlich zusammengehörig. Wir können nun am besten die eine aus der anderen, die eine mit der anderen zusammen verstehen. Die(?) eine geht aus von der Kunst als Mitzutheilendem – es liegt in ihm die innere Stimmung zur Urbildung. Es ist die eine das Fundament. Denken wir die Kunst nicht von Seiten der Mittheilung, sondern an und für sich in dem Producirenden allein, so tritt unmittelbar das zwiefache Verhältniß ein. Producirend sind beide Geist und Organismus, aber verschieden auf den verschiedenen Gebieten. Hier entsteht gleich eine andere Betrachtung, daß, wie der Gesichtspunct der Mittheilung dominirend ist, so herrscht der eine Gesichtspunct vor als Maß des anderen.

2. Teil. Die einzelnen Künste

Darin bewegt sich auch ein Unterschied zwischen der Antike und Moderne, davon im Einzelnen. Wenn wir nun zu der Darstellung der einzelnen Künste selbst übergehen, so fragt sich, welche Ordnung sollen wir beobachten? Es zeigen sich zwei eigenthümliche Wege von eigenthümlichen Vorzügen. Erscheint im Zusammenseyn die eine Kunst als dominirend, die andere als begleitend, so scheint es natürlich, daß wir von der dominirenden Kunst anfangen. Wenn absolut nothwendig ist, daß die begleitenden immer begleitende Kunst sei, so werden wir auf diesen Weg allein gewiesen seyn. Aber betrachten wir die Sache genetisch, so werden wir bei demjenigen anfangen müssen, was sich an die Natur am meisten anschließt. Hierdurch werden wir erst den Uebergang verstehen können und wie der Gegensatz gelöst wird. | 59v Die Unbestimmtheit die in der ersten Methode liegt, scheint dem letzten einen Vorzug zu geben. Es kommt hinzu, daß die Kunst, die überwiegend begleitend sich unmittelbar an die Aeußerung des Inneren anschließt, weit kleinere Kreise bestimme, weil sie sich an das Natürliche näher anschließen. So scheint es zweckmäßig, den Anfang zu machen mit dem was das Kleinere ist, und am leichtesten in sich geschlossen werden kann. Dieser Gesichtspunct gewinnt dadurch, daß, wie wol die Entstehung aller Kunst in jedem Nationalgebiet über geschichtliche Perioden hinausgeht, doch wieder, wenn nun die Geschichte im Großen den ersten Anfang verbirgt, aber man die Geschichte im Kleinen, im einzelnen Menschen befragt, diese Kunstthätigkeiten als das frühere erscheinen. Wir werden also mit der Kunst den Anfang machen, die das unmittelbare Ausdrücken des Inneren sind. Wir haben als diese angesehen, wie die Stimmung durch die Bewegung äußerlich wird durch Bewegungen und Ton, so wie es nur zwei Arten der freien Production zu einem Ganzen giebt, die Production von Bildern und Gedanken.

Die begleitenden Künste. Mimik und Musik

Aus dem ersten ergiebt sich durch das Aeußerlichwerden der Stimmung durch die Bewegung die Mimik, durch den Ton die Musik. – Wollten wir fragen, wie kommt es, daß die innre Stimmung nur diese beiden unmittelbaren Aeußerungsweisen hat, so würden wir verlangen, daß uns der Organismus in seiner Abhängigkeit von dem Inneren klar seyn sollte in seinen bestimmten verschiedenen Formen. Dazu wird eine in sich vollendete Psychologie und Physiologie gehören. Diese vollendeten Wissenschaften haben wir nicht. Aber so viel ist klar, der Ton hängt an dem bestimmten Organ der Stimme, die | 60r Bewegung an dem ganzen Organismus. Das ganze System des Blutumlaufs ist auch organische Bewegung. Es hängt mit der inneren Stimmung zusammen, es ist verschieden bei dem Maler und Sänger. Aber nichts von ihr kann hier willkührlich der fremden(?) Herrschaft unterworfen werden. Indem wir gesagt haben, daß die Kunst ihr Gebiet habe, in dem herrscht der Geist über das Leibliche, so werden wir sagen, die Kunst kann erst in der Bewegung der Gliedmaßen anfangen, die zuerst eine fremde(?) ist. Hier ist an und für sich ein Negatives gegeben, aber ein sehr Mannigfaltiges, anders bei der Musik, wo wir unmittelbarer auf Elemente kommen. – Bei der Mimik kann man Thätigkeit und Resultat der Thätigkeit nicht unterscheiden, bei der Musik aber ist die Thätigkeit in der organischen Bewegung, das Resultat im Ton. Sollte auch das Bild, das den Zuschauer aufnimmt, bei der Mimik das Resultat seyn, so verhält sich doch anders der Ton zu der Bewegung der Stimme. Bei der letzten modificirt die Luft den Ton. Das Werk der Musik ist freilich vorübergehend, existirt nie ganz zugleich. Die Bewegungen der Mimik sind auch verschwindend; in jener aber tritt Thätigkeit und Resultat der Thätigkeit auseinander. – Wenn wir am Ende auf die Poesie kommen, so mögen wir von ihr – als der letzten Kunst – wieder dasselbe sagen, was wir von der Mimik – als der ersten – sagen. Gedanke und Wort sind da unzertrennlich und Werk und Thätigkeit sind eins und dasselbe. Durch diese Einfachheit schließt sich der ganze Ring von dieser Seite. – Denken wir uns eine stark aufgeregte Stimmung, so erscheint eine stumme Reihe von Bewegungen immer als unnatürlich; der natürliche Zusammenhang der Thätigkeit wäre gehemmt. Ebenso will jemand eine heftige Stimmung durch den Ton zu erkennen geben | 60v und der Körper ist ruhig: so ist das ebenso barock. Aus dieser Einheit gehen diese beiden Künste hervor – Je nachdem eine Richtung vorherrscht, entsteht eine mimische oder musikalische Reihe. Darin liegt keineswegs, daß, so weit die Richtung auf die Kunst eintritt, es in der Kunst die Natur wäre, daß die Musik bewegungslos, die Mimik stumm wäre. Die Beziehung bleibt dieselbe. Aber in der Gesellschaft entsteht gleich die Möglichkeit des Zusammenwirkens, eine musikalische Begleitung für die Bewegung des anderen, oder eine mimische Begleitung für den Ton des anderen. Das ist das natürliche Band. – Stellen wir uns auf diese Weise in den Uebergang von dem natürlichen Ausdruck zu dem Kunstgebiet, was wird der Unterschied seyn zwischen beiden? Wir haben die allgemein Gefundene hier anzuwenden. Alle Kunstelemente, die auf der Seite der natürlichen Production liegen, unterscheiden sich von ihr durch die Bestimmtheit und Gemessenheit. Soll der Ton eine Bestimmtheit oder Gemessenheit haben, so ist die Beschaffenheit der Organe dabei auch nicht gleichgültig. Nur bei einer gewissen Reinheit und Stärke wird die Bestimmtheit und Gemessenheit in gewissem Umfang entstehen. Der Producirende in dem natürlichen Zustand hört mehr mit dem inneren Ohr auf seine Stimmung, als mit dem äußeren auf das was herüberkommt. Der Beurtheilende hat nur das Letzte. In dem Maß, als Stärke und Reinheit fehlt, wird ein Mensch in Beziehung auf den natürlichen Ausdruck nicht gesanglos seyn, aber doch wird die Anlage zur Kunst fehlen. – Wie ist es mit der Mimik, wenn wir auf die Bestimmtheit der Bewegung und ihre Gemessenheit sehen? Woran sollen wir sie messen? Wol nicht anders, als nach der Beschaffenheit der Gestalt. Es gehört also hier eine gewisse Beschaffenheit der Gestalt dazu. Wenn die Gestalt nicht den Typ menschlicher Körper | 61r in einem gewissen Maße in sich trägt, so wird es stören und ein Theil der Bewegung wird sich zu anderen verschieden verhalten. Dann gehört eine gewisse Leichtigkeit und Beweglichkeit dazu. Was in der Musik Stärke und Reinheit der Organe ist, das ist in der Mimik Schönheit und Anmuth der Gestalt. Fehlt beides, so bleibt der natürliche Ausdruck übrig, aber für die Kunst ist wenig da. Ist dies Alles eine zu vollständige Bedingung? Wir sehen hier rein auf das Organ. In der Musik aber können wir uns ein reines starkes Organ denken, und es fehlt der Musik, und etwas anderes kann jenes gewiss nicht ersetzen. Es ist der Ausdruck, das Symbolische der inneren Stimmung, oder Sicherheit, die intellectuelle Seite des Organs gleichsam zu beherrschen, die Leichtigkeit, durch das Organische auf eine differenzirte Weise bewegt zu werden, ist die Ausdrucksfähigkeit. Das ist entfernt von dem, was wir in dem Vortrag dem Studium zuschrieben. Es ist vielmehr das geistige Element der psychischen Naturanlage, dem Geistigen coordinirt. Sagt man, jemand ist ohne Ausdruck, so schreiben wir ihm keine intellectuelle Stumpfheit zu, aber wir setzen es in das Organ und seinen Zusammenhang mit dem Geistigen. – Wenn uns dies bei der Mimik weniger einleuchtet, so kommt es daher, weil hier viel auf dem conventionellen Leben beruht und daher weniger an der persönlichen organischen Beschaffenheit in dieser Beziehung gebunden ist. Doch in den Einzelnen und selbst wenn sie sich auf denselben Gebieten bewegen, ist in der Bewegung des einen eine unmittelbare Geistigkeit die dem anderen fehlt. Wir hören lieber das organische Product, in welchem dieser Ausdruck herrscht, als den Reim und Stärke allein; ebenso in der Mimik sehen wir vor allem gerne diese Geistigkeit. So weit hier das Allgemeine, die Parallele zwischen beiden Künsten überhaupt.

Mimik.

Hier fügen wir zusammen das Vorige, die Kunstproduction wird bestehen in | 61v der bestimmten gemessenen freien Bewegung des ganzen Leibes oder der Theile. Dieser Gegensatz findet sich nicht bei der Musik. Dieser Gegensatz giebt uns die Haupteintheilung des ganzen Kunstgebietes. Beide vollkommen trennen, wäre unnatürlich. Eine große Reihe mit solchen partiellen Bewegungen ohne das Ganze wäre wie ein Automat, und das Kunstgefühl ganz verloren. Ebenso wenn wir uns blos Raumveränderungen denken und steif die Glieder: so ist das eben so wenig natürlich. – Es ist ein relativer Gegensatz. – Mimische Production wo die raumverändernden Bewegungen das Vorherrschende sind, ist die Orchestik, wo die partiellen Bewegungen überwiegen die Mimik im engen Sinn. Eine Zusammensetzung beider in eine Production ist das Pantomimische. Wir werden da besonders noch die bestimmten Differenzen ins Auge zu fassen haben. Der Gegensatz zwischen den partiellen Bewegungen und den den Raum verändernden Bewegungen bringt uns auf einen andren, in dem sich das Ganze spiegelt, aber nicht dasselbe ist. Wenn die Bewegung des Ganzen ruht und die partiellen Bewegungen spielen: so ist es uns in der Erfahrung gegeben, daß hier noch Verschiedenheiten Statt finden. In der Stellung ist ein verschiedenes räumliches Verhalten bei völliger Ruhe. Es verhält sich also die Ruhe nicht zur Bewegung, geradezu wie Null. Sie trägt ihre Differenzen in sich und diese stehen mit der Bewegung in bestimmtem Zusammenhang. Die Stellung ist freilich Ruhe in Vergleich mit der Bewegung, aber betrachtet als eine Differenz in sich selbst fähig, ist sie nur erklärbar als Maß einer früheren Bewegung und in der Stellung spiegelt sich die Bewegung oder sie erscheint als Differential gleichsam der Bewegung, welche folgen soll, aber als Bewegung noch nicht hervorgetreten ist. Hier haben wir wieder einen Gegensatz zwischen Bewegung und Stellung. Diese wird statt finden können, wenn auch nicht gleichförmig, auf beiden Gebieten. Es lassen sich denken orchestische Reihen, wo | 62r die Bewegung die Hauptsache ist und die Stellung nur Uebergang und umgekehrt. Der relative Gegensatz löst sich uns wieder in eine Identität auf und in dieser Hinsicht ist jede von beiden wieder Maß des anderen. Die Bewegung muß in jedem Moment gesammelt werden können, Stellung werden und doch Kunstelement bleiben. Wieder wenn die Stellung Bewegung würde, nach ihrer eigenen Andeutung, und sie könnte kein Kunstelement seyn: so wäre sie auch als Stellung es nicht. Dies giebt einen Kanon. Es ist nicht das Nackte, das sich bewegt, wie die Bekleidung überall Bedürfniß ist, so ist es auch hier uns Bedingung der Schönheit. Welches Verhältniß hat die Bekleidung einmal zur Bewegung und wieder zur Stellung? Je mehr das Uebergewicht auf der Seite der Bewegung ist, desto weniger darf die Bekleidung hindern. Hat die Stellung das Uebergewicht, so könnte die Bekleidung so seyn, daß die Massengestalt mehr dadurch zur Ansicht komme. Daraus entsteht eine Bekleidung, die sich anschließt und die Glieder frei läßt, so weit als möglich. Das ist die orchestische. Das Andere wäre diejenige Form der Bekleidung, die mehr Draperie ist, und da mehr hervortritt, wo Uebergewicht der Stellung über die Bewegung ist. – Wenn die Musik zur Mimik gehört, und diese nun die Bewegung aller Organe ist, jene die Bewegung eines: so müssen wir mehr auf die Organe gehen. Es tritt wenn wir auf die Stimmung sehen ein Gegensatz auf zwischen Bewegung des Gesichts und des übrigen Körpers. Die Bewegungen des Gesichts haben ein Minimum von Raum, ein Maximum von Ausdruck. Die Bewegungen der anderen Gliedmaßen können die kleinen folgenden Veränderungen, die Vibration in ein und derselben Stimmung nicht | 62v auf dieselbe Weise ausdrücken. In der Orchestik treten die Bewegungen des Gesichts völlig zurück, da diese um bemerkt zu werden eine relative Ruhe des ganzen Körpers erfordert. Es wird einem jeden einleuchten, daß Veränderungen in der Mimik nur recht bemerkt werden können, wenn der Körper ruhig oder gleichsam peripatetisch(?) ist. So wie wir uns rasch folgende Bewegungen denken, so kommt das Innere wie es das Minenspiel bewegt auch nicht so zu Bewußtseyn. – Minenspiel kann nicht Kunstelement seyn, wo die Raumveränderung des ganzen Körpers das Hervortretende ist. – Wenden wir uns zur Mimik im engen Sinn, so ist der große Unterschied zwischen der antiken und modernen Mimik auffallend. In der antiken Mimik trat das Minenspiel durch die Maske ganz zurück – Augen und Lippen allein spielten durch. – Wir haben hier zuerst noch die Frage ob und wie nun das Kunstgebiet vorkommt unter den beiden Formen die wir als leichten und hohen Stil bezeichnet haben. – Geschichtlich finden wir es im Ganzen genommen in beiden. Es scheint freilich im ersten Augenblick, als ob die Orchestik nur für den geselligen Stil wäre und wenn wir den höheren Stil als den gemeinsam Platz des größeren Lebens denken, so scheint er nicht am(?) Platz – wol aber gehört er der Mimik. Die Rede sei prosaisch oder poetisch, politisch oder religiös, so wird sie von der Bewegung begleitet und diese wechselt, wie die Stimmung. Die Bewegungen müssen ebenfalls die Typen des Kunstgemäßen an sich tragen, es muß also auch Raum für die Orchestik seyn, nur daß der Gegensatz zwischen dem leichten und hohen Stil sehr bestimmt hervortreten muß. – Denken wir den Pomp, einen heiligen Zug der Alten, so wäre der Zug verunstaltet hätte die Bewegung nicht den Charakter des Gemessenen – eben so muß in der | 63r christlichen Procession alles sich feierlich aus Einem entwickeln und der entgegengesetzte Charakter der beiden Gattungen tritt auf das Schärfste hervor. Wenn die Mimik im engen Sinn aber keineswegs an das öffentliche Leben gebunden seyn kann, so geht die Mimik und Orchestik durch beide Stile. Wie begrenzt sich hier nun das Kunstgebiet? Wie es auf der einen Seite übergeht in das uneigentliche Kunstgebiet der Verschönerung und es hier einen bedeutenden Raum einnimmt, so ist die Begrenzung nur relativ. Die Begrenzung ist eine zwiefache. Die Kunst ist an einem anderen, wenn sie nur an der unwillkührlichen Production hängt und an einem anderen, wenn sie an der Reihe gebundener Lebensthätigkeiten auftritt. Sehen wir auf das Verhältniß der übrigen Lebensfunctionen und denken diese organisch(?) in Bewegungen bestehend und die geistigen Bewegungen an eine gewisse Stellung, als einem Minimum von Erregung gebunden , so müssen wir hier einen Unterschied zu bestimmen suchen für das eigentliche Kunstgebiet. Es giebt eine Tüchtigkeit des Körpers für die gebundene Thätigkeit – wir nennen sie mit den Alten die gymnastische, wenn auch im weiteren Sinn weil Inbegriff solcher Thätigkeiten, die bei den Alten nicht in das uebrige Leben hineintraten. Wo es eine Tüchtigkeit giebt, giebt es auch eine Darstellung. Wie verhält sich diese? 1. In der gewöhnlichen Lebensbeschäftigung kommt es darauf an, diese Tüchtigkeit die angemessen der Beschäftigung ist, gleichsam darzustellen – ein Epideiktisches. Es tritt hier in das Kunstgebiet hinein, wenn auch nicht ganz, da es nicht ausgeht von einer inneren Stimmung. Der Zweck für die Thätigen liegt mehr zu Grunde. – Es kann in Gefahren wichtig seyn, sich auf einer schmalen Unterlage zu bewegen. Denken wir uns dies auf der Spitze, so kommen wir bis zum Seiltänzerischen. Dieses gezeigt ist epideiktisch. – Kommt es bei Kriegen auf die gegenseitige | 63v Beherrschung der körperlichen Kraft im Kampf an, so dies für sich betrachtet das Athletische. – Dies alles macht einen gewissen Anspruch, Kunst zu heißen, in so fern es von dem gebundenen Leben losgerissen ist. – Wenn wir aber auf den Grund zurückgehen, so haben die Thätigkeiten doch rein ihren Ort in den gebundenen Lebensfunctionen, wenn sie auch im Act der Darstellung heraustreten. – Sehen wir Leute von seiltänzerischer Fertigkeit, so ist es uns widrig, daß es ihr Lebensgeschäft ist; denken wir sie uns aber etwa als Spritzleute(?), so bekommen wir Respect und Seiltanz sollte das Extract(?) von Spritzleuten seyn. – Ebenso mit der so genannten Kunstreiterei. – Indem uns indivduell(?) solche Darstellungen gegeben werden, so machen wir doch Kunstansprüche. Läuft einer noch so schnell und der Läufer hat eine krüppelige Figur, so werden wir sagen, er müsse sich nicht sehen lassen, da er die Schönheit nicht entwickeln kann – als die conditio sine qua non, wenn die Bewegung Bestimmtheit und Gemessenheit haben soll. – Die Kunst ist hier nun(?) ein anderes, das eigentlich nur in das praktische Leben gehört. Denken wir einen Augenblick zurück an die Antike, so sehen wir das Athletische und Gymnastische einen bedeutenden Raum einnehmen, wie wir es in der modernen Welt uns nicht denken können. Sollen wir sagen, daraus sehen wir, daß die Alten es zur Kunst gerechnet und ihren Umfang erweitert hätten? – Einmal in der griechischen(?) Welt ist das Gebiet der körperlichen Organe zurücktretend geworden, wie künstlerische Organe mehr vorhanden sind. Die athletische Stärke hat in dem jetzigen Leben nicht solchen Werth, da unsere Maschinen diese ersetzt. Es gilt von der Schnelligkeit – bei einem(?) die cholerische | 64r Gymnastik des Kriegers, daher auf der einen Seite die Verschiedenheit. Auf der anderen Seite tritt in den Alten die Richtung auf die körperliche Schönheit stärker hervor, wie bei uns und daß, was den Exponenten(?) der Betrachtung potenzirt, dies mehr auf den männlichen Körper gerichtet war – wie es mehr im praktischen Leben hervortritt. Weil eine solche Richtung herrscht, so müsse in der Pause des Leiblichen ein Spiel von dieser Seite hineintreten. Bei uns können wir es nicht sagen und wir dürfen es nicht darauf schieben, daß die Schönheit schwächer hervortrete. Es ist bei uns einmal ein stärkeres Auseinandertreten des Leiblichen und Geistigen, wie bei den Alten alles sich mehr auf die unmittelbare Identität richtete. Es treten Bedingungen also ein, wo der Schein, daß diese Künste nicht-Kunst sind verschwinden. – Wo aber Volksfeste sind, gehören körperliche Uebungen mit zu dem, was sich darstellt. Es ist eine Bewegung, wo mimische Kunst an einem anderen ist. Wo wir das reine Kunstgebiet haben, da dürfen aber wegen dieser Beziehung mimische Bewegungen hervortreten aus dieser Richtung auf das praktische Leben. Die Bewegung im Tanz darf keine Eilfertigkeit haben zu einem Ziel hin, nichts Seiltänzerisches, wie in der Pirouette, nichts Athletisches. Ein anderer Gegensatz, den wir hätten auffassen können, war das Uebergewicht der physiognomischen Bewegungen über die anderen Bewegungen. Aber das hätte uns keinen reinen Gegensatz gegeben; den auch die antike Mimik nicht hatte. – Das Nächste ist das Verhältniß der erzeugenden Stimmung und der Urbildung, die das Princip ist. Die Kunstthätigkeit ist in beiden eine Reihe von Bewegungen. Es fragt sich, ob ein Unterschied sei des Verhältnisses zwischen der Bewegung und Stimmung. – Die Orchestik setzt immer nur eine Stimmung voraus, die in einer Reihe von Bewegungen dargestellt wird. Die Mannigfaltigkeit soll diesen Einen Charakter darstellen. Die Stimmung wird in dieser Thatache gefunden. Wenn wir die Mimik betrachten, wie | 64v im Drama erscheinend, so haftet sie am Gespräch. Aber dieses Gespräch ist eben die Handlung, die Thätigkeit. Die eigentliche Urbildung constituirt die Construction der Handlung. – Betrachten wir die Sache näher an dem natürlichen Ausdruck, die Mimik begleitet im gemeinen Leben das Gespräch und die Mimik bezieht sich auf den Wechsel in der Förderung oder Hemmung der Thatsache. Es kommt uns dadurch noch ein anderer Unterschied vor Augen. Die Mimik erscheint auf diese Weise mit größerer Nothwendigkeit als begleitend – weil wir finden, daß das Mimische ebenso einer künstlerischen Behandlung fähig ist, als die Thatache und diese doch das Vorhergehende ist. – Auch in der Pantomime ist die Mimik Entwicklung der Thatsache, – die gleichsam verrathen werden soll. Man wird daher immer auf das zurückgewiesen, was dabei fehlt. Von dieser Spitze abgesehen erscheint die Mimik nur als Begleitung. – Gehen wir dagegen darauf aus, daß die Mimik nicht anders konstruirt oder kann, als daß sie die Stimmung selbständig darstellt. Auf der anderen Seite kann dagegen die Frage seyn, daß die Mimik mit den anderen Künsten in natürlichem Zusammenhang stehe, überall, wo die Rede dominire, diese begleite. – Wir fangen von der

Orchestik

an. Fragen wir, was ist als dasjenige zu denken, was früher in das eigentliche Kunstgebiet übergeht, Mimik oder Orchestik, so werden wir sagen, so lange es nicht ein Kunstwerk der Rede gegeben hat, habe es auch keine Mimik im engen Sinn gegeben. Der Tanz findet sich dagegen bei allen Völkern auf früher Bildungsstufe als kunstgemäße Composition über den natürlichen Ausdruck. – Betrachten wir die Orchestik für sich, so werden wir zuerst sagen müssen, daß es kein Volk giebt, das nicht einige Fortschritte darin gemacht haben sollte, die Stimmung durch eine kunstgemäße Bewegung darzustellen und in dem Zusammenwirken mehr zu diesem Zweck. Der ursprüngliche Typus erscheint als ein gemeinsamer der Orchestik und Mimik. | 65r Es ist die Beweglichkeit des Lebens in seiner Einheit mit der Seele, die zur Anschauung soll gebracht werden. Die Herrschaft der Seele hängt von der körperlichen Constitution ab, diese im Ganzen und Großen von der Nationalität. Das Ideale, wie wir es genannt haben, ist also auch hier das Erste. Aus dem unwillkürlichen natürlichen Ausdruck, der bei den Völkern deswegen teils verschieden ist, entwickelt sich außer diesen beiden Formen noch das Conventionelle, das geeignet ist, in die Kunst aufgenommen zu werden. Was in dem Ausdruck der natürlichen Stimmung schon conventionell ist, ist auch nach der Nationalität eigenthümlich. – Fangen wir von dem natürlichen unwillkührlichen Ausdruck an, und wir stellen uns auf der anderen Seite die höchste Virtuosität der Orchestik vor, wie wir sie in der Anschauung nur bei den abendländischen Völkern haben, stoßen wir auf die Differenz. Wir finden den Tanz als Volkstanz – dann als höhere Ansprüche machend auf Virtuosität. Dies scheint anfangs nur ein Mehr und Minder in der Virtuosität – indem an dem minderen Grad der Virtuosität die ganze Masse Theil haben kann. Der Unterschied wird aber dann den Platz gar nicht verdienen. Es liegt noch teilweise anderes darin. Der Volkstanz ist überall die Orchestik in der Form, wie in den festlichen Momenten des gemeinsamen Lebens von größerer Masse diese Kunst ausgeübt wird. Es geht auf das wirkliche Zusammenleben hinaus. Der höhere Tanz kann zwar auch für die größere Masse da seyn, aber sie ist dann Zuschauerin, nicht Theilnehmerin. Diese Differenz ist so groß, daß sie einen bedeutenden Punct in dem Naturcharakter ausdrückt. So giebt es Völker, bei denen nur die einen und Völker, bei denen nur die anderen Statt finden. Bei den Alten wurde nur getanzt für das Volk und in dem Volk. Der Legator(?) tanzte nicht. Bei den orientalischen Völkern ist es noch jetzt eben so. Der Sklaven und Sklavinnentanz für die Herren. | 65v Ist dies, so ist die Bestimmung nicht mehr da, die gemeinsame Stimmung darzustellen. So könnten wir also, auf den höheren Tanz gar nicht das Princip anwenden, das uns sei die Darstellung der Stimmung in der Bewegung. Es muß teilweise anderes hinein getreten seyn. Was ist denn dies, wenn wir uns den Tanz denken, als nicht teilweise übergegangen in die Mimik im engen Sinn? – Was ist das constitutive Princip der Bewegung? Wir haben schon früher gesehen, daß dies, die Stimmung durch eine Reihe von kunstgemäßen Bewegungen auszudrücken, eine Beschaffenheit des Körpers, die Reinheit das Verhältniß an dem Körper voraussetzt, damit dieser leichter und die Bewegung schöner auftrete. Die Schönheit und Gewandtheit wurden uns das Fundament, für das die Kunst hier wahrscheinlich nicht da sey wie das Element, das hinzugetreten. Im Volkstanz ist die Darstellung der inneren Stimmung durch die Bewegung die Hauptsache. Jenes andere Element ist auch da, wo es für unpaßend(?) gehalten wird, daß ungestalte Personen sich in den Tanz mischen. Aber dies ist nur die Negation, die conditio sine qua non. Je mehr Schönheit im Volk ist, desto mehr wird sich der Tanz aus dem Inneren herausgetrieben entwickeln. Es ist eine Bildung(?) agens. Aber wie werden wir sagen daß, wo wir einen Volkstanz finden, ein Anspruch auf etwas Eminentes in der Schönheit und Gewandtheit gemacht wird. Jenes Element ist nur Bedingung – im höheren Tanz hebt sich dies Zurücktretende hervor. Da in diesem Gewandtheit und Uebung in höherem Grad erfordert wird, so steigern sich die Ansprüche. Das Ebenmaß in den Bewegungen des Körpers soll die Auffassung des Dargestellten erleichtern. So tritt der Ausdruck zurück. Weiter läßt sich dies nicht von einander trennen. Wollte man beim Volkstanz die Richtung auf das Ebenmaß in der Gestalt ganz | 66r verschwinden lassen, so schwände auch die Kunst in ihr. Ebenso ist die Schönheit und Gewandtheit in der Reihe von complicirten Bewegungen das Einzige, so sind wir aus dem Gebiet der schönen Künste heraus auf das Feld der επιδειξις gekommen. – Ist der Tanz dem natürlichen Ausdruck so nahe, daß man nicht mehr auf das Gemeßne sieht, so ist es noch das Wilde und Kunstlose. – Was sich hier als Hauptgegensatz gestaltet hat, muß sich in den Gliedern wieder finden. So unterscheiden wir zweierlei in dem Volkstanz, einen solchen, wo mehr ein Chor ist, und einen solchen, wo mehr Wechsel zwischen Chor und Solo ist. Wo der Volkstanz ganz Chor ist, tritt der Volkstanz als Kunst ex professo gar nicht hervor und das eine Glied des Gegensatzes ruht. – Sehen wir auf den höheren Tanz, so müssen wir den Gegensatz teilweise anders nehmen. Der höhere Tanz bleibt nur Kunst in dem Zusammenhang mit der Stimmung. Wenn in diesem Sinn die Darstellung ganz beschränkt ist, so ist dies das Aeußerste des In-sich-Bestehens dieses Tanzes, so daß er doch noch Kunst bleibt.

Wenn der höhere Tanz sich aus irgend einer anderen Darstellung heraushebt und weniger in sich ausschließend die Stimmung in sich trägt, so ist der Tanz mehr abhängig von einer anderen Basis. – Ein anderer Gegensatz liegt hier wieder in dem großen und leichten Stil. Es fällt dies nicht mit dem Vorigen zusammen. Betrachten wir hier den Gegensatz zwischen Stellung und Bewegung; den Nullpunct der Ruhe in der Bewegung giebt die Stellung. Der große Stil geht aus dem gemeinsamen Leben hervor. Je kleiner die Bewegungen sind, desto mehr verschwinden die einzelnen für das Auge. Die kleineren können daher im großen Stil keinen Effect haben – sondern es müssen mehr die Bewegungen der Masse seyn – die schon mehr Gravität in sich tragen und daher auch mehr Stellung. So entsteht hier ein relatives Uebergewicht – und in dem leichten Stil tritt die Stellung natürlich mehr zurück. Ein anderes | 66v Verhältniß eines anderen Elements hängt hiermit zusammen – die Bekleidung. Auf der einen Seite steht die die mehr Drappirung ist, auf der anderen diejenige, die alle Gestalten des Körpers genau zum Vorschein bringt. Es ist offenbar, daß für den höheren Stil jene gehört, weil sie die Masse darstellt, die für den weiten Kreis Anschauung bleibt und weil sie eine Harmonie ist mit der Gravität: Es wird sich dieses beides kreuzen, wenn wir den Gegensatz betrachten. Es liegt in der Natur der Sache daher die Orchestik, die mehr dem höheren Stil angehört, auf der einen Seite mehr das Geschichtliche darstellt mit einem Minimum der Virtuosität der Einzelnen, auf der anderen Seite mehr die Virtuosität der Einzelnen mit vorherrschender Receptivität der größeren Masse. Die Virtuosität ist nicht an einen leichten Stil gebunden und das Ausdrucksmittel wird ebenso auf beiden Gebieten Differenzen bilden. – Im leichten Stil wird nun mehr gefunden die, so zu sagen, demokratische Form des Chortanzes, weniger das Beherrschende des Solotanzes. In dem was wir den Volkstanz genannt haben, tritt die Virtuosität der Einzelnen mehr zurück und die Masse bewegt sich ganz. Diese finden wir in mannigfaltigen Formen. Hier kann diese nur in der Anschauung gegeben werden, die Möglichkeit der Mannigfaltigkeit ist eine unendliche, ewig sich mehrend und wechselnd durch wechselndes Maß und Bewegung bei jedem Volk, das eigenthümlich ist, finden wir Volkstänze, einen Beitrag zur Charakteristik, da sie aus der inneren Eigenthümlichkeit hervorgeht. Vergleichen wir den Tanz der germanischen und romanischen und slavischen Völker, so wird sich dies ergeben. Es müssen aber die einzelnen Tänze zu einer Einheit harmonisch werden. In dem Tanz der einen spricht sich das Sanguinische, in dem anderen mehr das Melancholische aus. Die Physiologie ist hier das unmittelbare Princip der Bewegung. Weil wir ohne aber nicht bis zu den innersten Quellen(?) nachgehen können, so erscheint vieles conventionell, es ist aber gewiß weniger. – Wir brauchen eine Parallele. – | 67r Sehen wir auf die Sprache, so ist der Schatz und die Form der Vorstellungen in allen ein anderes. Aus einer gewissen Entfernung angesehen nähern sie sich und eine relative Identität erscheint. In den Tönen indeß finden wir eine Differenz; es gilt von dem formellen und materiellen Element. Worin ist diese Differenz begründet? Eine Willkührlichkeit giebt es hier nicht. Es beruht auf physiologischen Differenzen. Die einzigen Buchstaben sind schon in jeder Sprache eigen nüancirt und sie verbinden sich eigenthümlich. Hier haben wir Differenzen in der Production eines einzelnen Organs und diese sind physiologisch in ihrer Wurzel. – Ebenso hier in der Orchestik. Mit der Erklärung sind wir hier am Einheitlichen. – Allein eine Differenz tritt uns hier noch vor Augen, eben aus dem zuletzt Ausgeführten. Wir sind stehen geblieben bei den nationalen Tänzen. Aber die Völker sind in dieser Hinsicht selbst wieder verschieden, daß sie ihre eigenthümliche Bildung länger behalten oder in den allgemeinen Völkerzusammenhang eingetreten diese verwischen und gemeinschaftliche allgemeine Formen bilden. Diesen Unterschied finden wir auch bei geselligen, gebildeten Völkern, die für einen größeren Weltschauplatz stehen. Die Volkstänze ziehen sich in die Masse zurück. So entsteht ein Gegensatz zwischen volksmäßigem und hofmäßigem Tanz. Denn dieser Verkehr hat sich mit dem Hof gebildet und in der Schweiz z.B. würde das Verhältniß anders erscheinen. Es fragt sich, sind beide nur coordinirt? – Gehen wir darauf zurück, daß alle Kunstelemente eine Bestimmtheit erhalten müssen durch das Princip eines eigenthümlichen Kreises. Das Volk bildet einen solchen Kreis, und aus dieser geistigen und körperlichen Constitution sind die Reihen von Bewegungen hervorgetreten. Was ist denn der Charakter der höfischen Welt? Auch sie ist eigenthümlich – sie ist eigenthümlich, aber nicht natürlich. Daß ein Volk isolirt lebt und nur seine Constitution ausbildet, könnte man sagen, wäre ein unvollkommener Zustand. Aber wenn dieser natürliche Zusammenhang im Volk zerrissen wird und die Theile(?) | 67v sich lostrennen, da können wir Vollkommenheit doch nicht finden. Es ist dies etwas Unsittliches und das Volksthümliche – als ein natürliches Band – soll in allen hervortreten. – Der volksmäßige Tanz im engen Sinn kann freilich unter gewissen Umständen noch die Spur des Kunstlosen an sich tragen, wenn er sich noch nicht von der blos natürlichen Aeußerung losgerissen hat. Aber geht die natürliche Entwicklung ihren gesunden Gang, so wird er sich ganz kunstmäßig gestalten. Vergleichen wir die romanischen Völker auf der einen Seite, die slavischen auf der anderen mit den germanischen, so thun die ersteren Völker es den letzteren zuvor im Volkstanz. – Die Slaven haben Reichthum an Zierlichkeit der Bewegung bei aller Volksthümlichkeit – auf der anderen Seite steht der spanische Tanz. Die Deutschen und Schweden sind hier zurück. – Wir können uns eine Kunstmäßigkeit denken ohne Verwischung der Nationalität und geschichtlich giebt es aber diese. – Wie steht es mit dem hofmäßigen Tanz? Wie steht es hier, ob das Ganze hervorgegangen ist aus einem Impuls einer vorherrschenden Stimmung, oder aus einem allgemeinen Conventionellen. Indem die Volksthümlichkeit verwischt wird, geht der Ausdruck verloren und es bleibt allein das andere Element, die Schönheit der Gestalt für sich dargestellt – und losgerissen also von der eigenthümlichen Stimmung nähert es sich dem Epideiktischen. Daher finden alle die Wirkung so außerordentlich verschieden. Im Allgemeinen finden die Festlichkeiten mehr Last(?) und Cerimonia in diesen Kreisen und hält man sich an das ursprüngliche Entstehen der Kunst, so möchte man sagen, daß es eine Ahndung daran sei, wie ein volksthümliches Element auch diese Kreise bewegen sollte. Es ist nur die leere Form geblieben und es wird statt dem Zusammenhang das Losgerissene seyn vor dem geselligen Band des gemeinsamen Volkes dargestellt und es spricht sich hier mehr, als irgendwo, der Typ der langen Weile aus. | 68r Es ist feststellbar(?), daß in dem Streben nach Leichtigkeit und Schönheit die Bewegung, wenn es nicht mehr an einem anderen haftet, das Gesetz nicht mehr zu finden ist. Es ist ein Unterschied zwischen dem Antiken und Modernen. Es ist diese Bewegungskunst, als etwas angesehen, bei dem man Zuschauer, aber nicht gut mitthätig seyn könnte. Bei den Alten war hier der Gegensatz zwischen Sklaven und Freien. Man kann allerdings sagen, daß diese Schönheit der körperlichen Darstellung mit Virtuosität verbunden ist , weil es große Uebung am eigenen Körper erfordert, etwas Untergeordnetes ist. Auf der anderen Seite aber ist das Wohlgefallen daran rein, ohne daß sich ein Begierde Erregendes einzuschließen braucht. Im Volkstanz wie in jedem Kunst gewordenen Tanz tritt hier(?) die Grenze der Aesthetik als das Sittliche ein. Die Urbildung und Ausführung ist auf ein Gemeinsames gerichtet, so muß die erhöhte Stimmung, die beiden zu Grunde liegt, auch in dieser Gemeinschaft und bestimmt sich ausdrücken lassen. Die Begierde ist teilweise fremdartig. Das Sittliche liegt im Kunstbegriff selbst. Wenn wir uns gesagt haben, daß der Kunstsinn darauf ausgeht, auf die innere Production zurückzugehen, so ist dies schon nicht mehr rein, wenn man die Kunst als Veranlassung nimmt, um auf etwas Fremdartiges, auf die Begierde zurückzugehen. – Der höhere Tanz ist bei uns ganz in den Händen der Schauspielkunst – bei uns vorzüglich in der Oper. Ob er da sein nächstes Gebiet hat, werden wir erst recht verstehen, wenn wir zu ihr kommen. Auf jeden Fall werden wir gestehen müssen, daß er sich zum Epideiktischen hinneigt und auf der äußersten Grenze des Kunstgebiets liegt. Kunstgemäß kann doch der Tanz eigentlich nur vorkommen im Volkstanz, der wahrhaft auf der Stimmung beruht. Da liegt dann die Virtuosität auch nicht blos mehr in den überwundenen Hindernissen; die Stimmung ruft | 68v hervor. Wenn wir fragen, ob auch diese Gattung eine Duplicität des höheren und niederen Stils zulässt, so werden wir es verneinen müssen, doch nicht auf eine allgemeine Weise. Der Gegensatz tritt bestimmter hervor bei anderen. Bei den Alten war das Gesammtleben im Gegensatz gegen das größere Privatleben politisch und religiös in einem Ungetheilten und der Gegensatz trat weniger scharf hervor. Bei uns ist es mehr das Religiöse, was der Sitz des höheren Stils ist; das Politische ist zurückgedrängt. Doch der Gegensatz gegen das Gesellige – und diejenigen Bewegungen in dieser könnten bei uns keine symbolische Bedeutung haben, da das Leibliche in der Religion immer auf das rein Geistige deuten muß. Bei den Alten, wo die Religion und Politik verwachsen waren, konnte ein religiöser Tanz seyn und im politischen und religiösen Element hervortreten. Denn war die körperliche Kraft die Basis des Zusammenlebens, trat die Schönheit der Gegenstände dazu. Daher kommt die körperliche Bewegung in dem Leben vor, in sofern es politisch und religiös ist. Bei uns läßt die Orchestik keine Modificationen zu, insofern als das Religiöse das Uebergewicht hat. – Im hohen Stil muß ein relatives Uebergewicht der Stellung über die Bewegung seyn. Hier ist ein vorherrschender Charakter von Ruhe und die Bewegungen müssen mehr das Verhältniß zur ganzen Masse, als die einzelnen Theile berücksichtigen. Erscheint die Stellung auf der einen Seite als werdende Bewegung, so ist sie ganz eigentlich dazu gemacht, die Darstellung der Empfindung zu seyn, die immer das Resultat ist einer gewissen Stellung und immer die Tendenz hat, in eine Thätigkeit überzugehen. Die Stellung ist ohne Bewegung nicht denkbar und es soll das Uebergewicht der Stellung über Bewegung nicht arithmetisch verstanden werden, sondern es ist das Verhältniß im Vergleich mit anderen Stilen gemeint. | 69r Kann nun hier die Bewegung auf eine selbständige Weise hervortreten? Die Bewegung ist immer ein gewisser Uebergang. Es ist das Orchestische an dem Mimischen, das Mimische wieder an der Rede und Gesang, oder an einer symbolischen Handlung, die einen gewissen dramatischen Charakter hat, bei der die Rede als bekannt vorausgesetzt wird. Es ist die Rede untergeordnet oder hat eine Verwandtschaft mit dem Pantomimischen. Weil die Bewegung hier nur eine solche seyn kann, die mehr auf das Ganze geht, als auf das partielle Verhältniß, so muß die Bekleidung überwiegend Drapirung seyn. Bei den Alten war die höchste Erscheinung hier im tragischen Chor und in der religiösen Auffassung. In dem tragischen Chor war ein Gegensatz zwischen Schauspieler und Chor, und die Bewegungen hingen am Metrischen. Ob der Chor bei uns diese Stelle einnehmen könne, das wird erst beim Drama klar werden. Die Oper kann dem hohen Stil angehören, wenn sie sich dem tragischen Chor annähert, so wie in der entgegengesetzten Form(?) der Bravour-Tanz seine Stelle findet, so die Orchestik in der tragischen Oper, nur daß das Religiöse, das im Tragischen mit seyn soll, hier nicht das Unsrige seyn kann – wie bei den Alten. In der katholischen Kirche finden wir allerdings einen Ort für Kunstelemente in der religiösen Darstellung, welche orchestische Bewegungen sind. Der Procession liegt die Idee zu Grunde, daß die Bewegung darstellend seyn soll und gehört einer Handlung an, worin sich die Stimmung besonders modificirt. Es sind solche Bewegungen, wie wir sie hier characterisirt haben und sie können nur verstanden werden, als Theil einer solchen Handlung. So hat die symbolische Handlung der katholischen Kirche etwas Chorartiges, einen gewissen dramatischen Charakter. Es mag in diesen gottesdienstlichen Handlungen gesprochen werden oder nicht, die Pantomime bleibt dieselbe, da die Sprache eine fremde ist und was Bewegung und Geberde ist, von dem Publicum nur durch das Ganze beurtheilt werden kann. – Es ist hier ein Uebergang und wir gehen zum Zweiten, zu der

Mimik im engen Sinn.

Von | 69v vorn herein ist hier der Unterschied zwischen der Antike und Moderne aufzuführen. Bei uns ist das Minenspiel, sind die physiognomischen Bewegungen ein Hauptelement; bei den Alten hingegen traten diese zugleich zurück. Die Maske verbarg bis auf weniges die einzelnen Züge und die Aufmerksamkeit war auf die Bewegung der Gestalt gerichtet. Wo haben wir diese Differenz eigentlich zu suchen? – Bei den Alten gehört das Drama dem großen geselligen Leben an. Es hing an großen öffentlichen Festen, und konnte nicht nach dem Privatverhältniß(?) täglich genossen werden. Es war ganz auf den großen Zusammenhang bezogen, – wiewol hier zwischen Tragödie und Komödie ein besonderer Unterschied ist. Es war hier die Voraussetzung, daß die erzeugende Stimmung eine Beziehung haben müsse auf das große gemeinsame Leben. Es ist weit mehr die Einzelheit, die Beziehung auf die Persönlichkeit, das Moment, wie es die Menschen in ihrer Einzelheit trifft und bewegt, was sich auf dem Gesicht abspiegelt. Dieses konnte theils nicht hervortreten in einem Theater für eine so große Masse. Theils war das, was sich durch das Gesicht abspiegelt, nicht das was dargestellt werden sollte und äußere Bedingung und innere Absicht traten zusammen. – Bei uns zeigt sich in beiden Hinsichten das Gegentheil, – einmal, daß wir mehr das Drama auf die Differenzen des persönlichen Lebens beziehen, als auf die Einheit mit dem großen Ganzen, dann, daß wir auf ein beschränkteres Zusammenseyn rechnen. Wir müssen uns also erst losmachen von dieser Einseitigkeit und beides als gleichgeltend neben einander stellen, damit wir eine Uebersicht bekommen, von den Verhältnissen in diesem Element, ihren Grund und ihre Bedeutung [...] .

| 74rWas der Unterschied zwischen beiden Gattungen ist: so läßt sich sagen, daß die Tendenz des Lebens hier am meisten unterscheidet: das Drama, an dem die Mimik hängt, ist Kunstgattung. In der einen Seite ist bestimmter Zweck, sie gehört in die gebundenen Lebensverhältnisse hinein, sie mag berathen oder berichtigend seyn. Von der religiösen die am meisten der neuen Zeit angehört, sie ist am meisten didaktischer Art und sie giebt auch so einen gewissen Zweck oder sie kann aussprechen was in der Verhüllung ist und so nähert sie sich mehr der Kunst. Im Politischen giebt es manches von mehr epideiktischer Art – wie bei den Alten die epitaphische Rede, die Epitomia(?). Diese nähern sich der Kunstgattung noch mehr, während die religiöse Rede sich immer in einer gewissen Entfernung halten muß. Wo die Rede sich der reinen Kunstgattung nähert, findet die Darstellung des Körpers selbst in der Bewegung Statt. Wo ein bestimmter Zweck vorherrscht, so die Bewegung, rein an den Inhalt gewiesen und die Sprachmimik bekommt ein Uebergewicht. Da nun auch das Wechselverhältniß zwischen Redner und Zuhörer kein solches Heraustreten ist, so muß auch die pathematische Mimik zurücktreten und eine große Mäßigung aller Bewegung ist das erste Erforderniß. Betrachten wir die religiöse Rede und selbst auch als annähernd dem Epideiktischen, so bleibt das Mimische doch untergeordnet und wir ertragen hier noch eine größere Unterordnung. Die politische Rede verkündigt auf eine eigenthümliche Weise das Durchdrungenseyn der Rede von dem Gegenstand und das manifestirt sich in der Mimik, die sich an die Natur anschließt. – In der religiösen Rede ist der Gegenstand, von dem die Rede durchdrungen seyn soll, ein solcher, daß er am wenigsten das Austreten in die Bewegung des Leiblichen zuläßt, eben weil der Inhalt ganz geistig ist. Der religiöse Redner kann sehr wenig von der politischen, noch weniger von der dramatischen lernen. Er ist ganz zurückgewiesen auf die größte Mäßigung und Leidentlichkeit in | 74v der Bewegung. Die Nationaldifferenz wird hier auch hervortreten – aber weniger. Es kommt alles darauf an, daß die Empfindung der Gemessenheit und Bestimmtheit erhält. – Die dramatische Mimik unterscheidet sich sehr, einmal weil hier das Wechselverhältniß zwischen mehreren hervortritt. Dazu sind noch die Zuschauer da. Aber zu diesen tritt der Vortragende eigentlich in gar kein Verhältniß. Der Redner soll den Eindruck stufenweise verfolgen, den er macht. Achtet der Dramatiker, der nicht eine freie Person spielt, auch auf das Publicum, so ist das die Koketterie der Schauspieler. Die Zuschauer sind gleichsam auf eigene Gefahr da. Je bedeutender nun die Handlung ist, an welche sich die Mimik anschließt, um so stärker muß das mimische Element hervortreten, teils in jedem Augenblick und Eindrücken zur Entwicklung oder Hemmung folgen. Wie verhält sich nun wol die moderne dramatische Mimik zu der antiken in Beziehung darauf daß bei den Alten die Gesichtsmimik verdeckt war? Es ist nicht zu leugnen, daß hiebei vieles von äußeren Verhältnissen abhängt. Es war zum Theil das Locale, es war ein größerer Raum, in dem die Gesichtsmimik mehr verschwindet, in dem die Intention der Stimme stärker seyn mußte. Je mehr aber die Stimme angestrengt ist, um so größer sind die Organe, die mit der Stimme zusammenhängen, und um so größer muß nun die Ruhe der übrigen Theile des Gesichts seyn, weil sonst eine Fratze entsteht. Da ist nun bei diesem Unterschied natürlich, daß die Gesichtsstellung mehr wirken mußte, als die Gesichtsbewegung und die Gesichtsstellung überhaupt und in der Articulation was durch die Maske zu erreichen. Dazu kam, daß bei dem Drama die ganze leibliche Bewegung mehr Platz einnahm und die Gesichtsmimik mehr zurücktrat. In der alten Tragödie war dies durch den Chor gleichsam postulirt. Das Individuelle in den einzelnen Mit | 75rgliedern kommt hier nicht in Betracht und die Gesichtsbewegungen im Chor wären wie Gesichtsbewegungen auf Commando. Die Analogie des Ganzen herrscht allein. Es würde aber ein zu großes Mißverhältniß gegeben haben zwischen den Elementen des Chors und den übrigen Einzelnen, wenn nun dennoch die Gesichtsbewegungen in den anderen hätte hervortreten sollen. Dies zeigt, daß bei dem alten Theater es nicht anders möglich sei. Aber daraus folgt keineswegs daß nicht die neue physiologische Mimik etwas Vorzüglicheres seyn kann, als die größere Hemmung. Wir müssen hier in das Drama eingehen. Zum Voraus bemerken wir, daß das antike Drama gar nicht einen solchen Gebrauch machen konnte von dem Gefühlsspiel, weil die einzelnen Personen eine andere Bedeutung haben. Bei uns ist die Gesichtsmimik aber so nothwendig – sobald das Drama rein modern ist. Man hat in einer bereinigten(?) Nachahmung die Maske gebraucht und es scheint das Zweckmäßige auch bei den übrigen nur Lokalitäten eingeleuchtet(?) zu haben. So könnte man es auch bei anderen Nachahmungen, wie bei Schlegels Ion versuchen. Bei der rhetorischen Mimik [...] das [...] dramatische ist ein Antagonismus, zwei verschiedene Bewegungen mussen in Harmonie gebracht werden, einmal die Rolle darzustellen für sich, dann Rücksicht zu nehmen, daß die Einheit im Ganzen mit dem Uebrigen hervorgebracht wird. Jede Rolle muß für sich stehen. Die Gruppirung darf nicht den Schein einer Absicht haben und doch muß das scheinbar Zufällige ein Ganzes im Einklang bilden. – Die Sprachmimik, die Gesichtsmimik und die Redemimik sind hier also die drei Gattungen. In neuerer Zeit giebt es eine Kritik und es ist interessant, wie die mimische Darstellung einer und derselben Aufgabe in solcher Verschiedenheit heraustritt. Hier erscheint die mimische Darstellung als ein Unbestimmtes, während es doch nur die Begleitung der Rede ist. | 75v Wenn wir zuerst das Factum aufstellen, daß die mimische Darstellung durch die Rede als teilweise Unbestimmtes erscheint, so fragen wir, ist vor allem nicht von den verschiedenen Auffassungen der Schauspieler nur eine die vollkommene oder müssen wir sagen, daß verschiedene gleich richtig seyn können und nur das Verhältniß zur Individualität der Schauspieler ausdrücken? Bei dem antiken Drama konnte die Frage nicht aufgeworfen werden. Der Dichter lehrte die Schauspieler nie. Wenn wir uns denken, der Dichter könnte die Gestalten festhalten, wenn sie ihm beim Werden zuerst erscheinen: so müssten wir sagen, diese wären die mimische Urbildung vor dem inneren Auge und Ohr des dramatischen Dichters, die Darstellung durch den Schauspieler wäre nur Ausführung. Dann müsste der Dichter sich seine Schauspieler wählen können, zum Beispiel nur wo die Gesichtsbildung miteinwirkt. Gehen wir davon aus, so werden wir dazu geneigt seyn zu sagen, die mimische Handlung hat keinen anderen Maßstab als die mimische Urbildung des Dichters, weil die Dichter sie nur beschreiben und festhalten können. Wenn wir uns nun denken, daß dem Dichter die Gestalten bestimmt vorschweben, so wird dies nur da Statt finden, wo ein enger Zusammenhang zwischen dem Dichter und der Darstellung gegeben ist. Machte ein Dichter ein Drama, ohne daß es ihm einfällt, ob es auf die Bühne komme oder nicht, so verschwindet die Konstanz der mimischen Urbildung. Er ist hierin die Theilung zwischen der Antike und Moderne. Für die Antike galt das Erste. Die ganze Darstellung hing von der ersten inneren mimischen Conception ab. Bei uns kann nur das Andere gelten. Der einzelne Schauspieler tritt mehr hervor und es entsteht eine größere Beziehung auf die Individualität und wir müssen hier von der Basis ausgehen, daß ein richtiges Verhältniß ist zwischen der Eigenthümlichkeit der Menschen und dem Ganzen | 76r seiner Darstellungen. Daraus folgt schon, daß jeder auch in dem Einzelnen seine eigene Art und Weise haben wird und daß die letzte Bestimmtheit der mimischen Person von dem Schauspieler abhängt. Das setzt dann freilich eine große Begünstigung des Ganzen und des Einzelnen vor dem Ganzen voraus. Bei den antiken Dramatikern ist also der Dichter der Bestimmende, bei den modernen die Darstellung eine Composition aus dem was der Dichter gab und aus dem, was das Drama selbst ergänzen soll. Es fiel den Alten nie ein, die Person so für sich darzustellen: die ganze Handlung war der Gesichstpunct. Gerade weil nun die Darstellung so individuell auf den Schauspielern beruht, so tappt die Kritik im Einzelnen, mehr im Dunkeln. Das moderne Drama entstand aus der Improvisation. Nur allgemeine Umrisse waren verabredet ( [...] ). Von dieser Willkührlichkeit ist das Ergänzende als Element geblieben. Die meisten unserer Dramatiker sind aber gar nicht zu einem solchen Ergänzenden fähig und die Besseren folgen einem inneren Trieb, den Erinnerungen aus antiken und pittoresken Darstellungen. Es ist die Frage übrig, wie sich auf dem Gebiete der Mimik der Gegensatz zwischen dem tragischen und komischen Kunstgebiet verhält. In wie fern eine Differenz gesetzt ist in dem Zusammenhang der Bewegung und Rede auf dem einen Gebiet und dem anderen, so kann sie nur in dem Gebiet liegen, was bezeichnet ist. Wir können hier nur wieder von der Genesis aus der Natur ausgehen. Ist sie ein anderes bei Tragödie und bei Komödie? – Im Tragischen ist größere Bestimmtheit, beim Komischen ist das Maß loser und lapidar. Wenn das Tragische sich der Karrikatur nähert, so kehrt sie sich wie travestirt(?) zum Lächerlichen. Ebenso im Metrum der Alten – das stricter in dem Tragischen ist, ausgelaßner in der Komödie. – Ebenso bei der Bewegung. Das tragische Gebiet verlangt eine waltende Strenge; das komische läßt eine größere | 76v Laxität zu. Daraus muß sich alles ergeben. Bei dem Komischen ist eine geringe Differenz zwischen Naturwahrheit und Kunstwahrheit, stärker hervortretend bei dem Tragischen. Es scheint dies gegen die Illusion zu sprechen. Das Verlangen aber, daß dem Zuschauer sein Bewußtseyn von der Darstellung gegen die Wirklichkeit verschwinden soll, ist nur eine falsche Forderung von der gänzlichen Hingabe des Zuschauers an die Kunst. Niemals aber darf er das Bewußtseyn, daß es Kunst ist, aufgeben. Wo das ganze Metrum eine unerlässliche Forderung war, ergab sich es von selbst, daß es keine Wirklichkeit seyn könne. Bei uns hat man das vertilgt, da man auch das Metrum oft in der Darlegung begrenzen zu müssen glaubt. – Es kam auf die Täuschung nicht so hingearbeitet werden im Tragischen. Daher auch hier die Differenz. – Es giebt die bestimmte Art, von einer Bewegung in die andere überzugehen. Aber das gehört in die Technik auf einem bestimmten Gebiet, und bestimmtes Volk läßt sich hier manches Sicheres aufstellen. Wenn das Drama nicht in der höheren Welt versirte, wo die Volksthümlichkeit verwischt ist zu einem allgemein Cultivirten, so würde die Frage und deutsche Mimik nicht dieselbe seyn können. Hier ruht der Einzelne in der physiologischen Nationalität; was uns nicht einheimisch ist das scheint uns hier als fremd und unwichtig – ähnlich mit dem Material der Sprache. – Wir haben im Deutschen über diese Gegenstände ein Werk, wovon es in einer anderen Literatur vielleicht keines giebt: die Mimik von Engel (ein Anfang zur eigentlichen Technik, wenn auch nicht alles aus gesunder Beobachtung).

Pantomime.

Die Pantomime ist von den übrigen Künsten losgerissen. Welches ist der Zusammenhang zwischen der Orchestik und Mimik? Der Form nach ist sie analog der Orchestik Bewegung, dem Inhalt nach der dramatischen Mimik – es soll eine Handlung dargestellt werden ohne Sprache. | 77r Von der einen Seite werden sie uns also erscheinen als erhöhte Tänze, von der anderen als verstümmeltes Drama. Wir müssen beide Gesichtspuncte verbinden. Die Orchestik ist Ausdruck der Stimmung in einer Reihe von Bewegungen. Als Ausdruck der Stimmung ist das Ganze verständlich und die Verständlichkeit wird erhöht durch das Verhältniß zur Musik. Dieses freilich kann zwiefach seyn, entweder, daß die Musik der Ursprung, die Orchestik die Begleitung ist oder umgekehrt. Der Einzelne bleibt aber immer etwas unverständlich und die Differenz hier kann nie ganz aufgehoben werden. Der Charakter der Orchestik bleibt in der Pantomime, aber die Reihe von Bewegungen wird Darstellung einer Handlung. Diese könnte vollständig werden durch die Sprache. Die Sprache aber fehlt. In wie fern ist darin, daß die Bewegung alles giebt, eine Erhöhung oder Aberration? Ist ist sie aber gleichsam ein durch die übrige Bewegung verständlich gemachter Tanz, so ist sie das Höchste auf diesem Gebiet, weil die Mimik hier ganz hervorträte. Worauf beruht es? Darauf, in wie fern das Ganze verständlich seyn kann ohne die Sprache. – Hier ist wieder die Differenz zwischen der Antike und Moderne. Die Alten hatten einen mythischen und heroischen Cyclus, der bekannt war. Die Pantomime versirte in diesen bekannten Situationen und es war zu erkennen ohne die Rede; zumindest das poetische Gebiet, auf das man zurückging, vielmehr volksmäßig war. Wie geht es mit der modernen Pantomime? Sie kommt uns vor im Ballet. Bei den Alten kam dies nur in Privatkreisen vor und die Umgebung des öffentlichen Theaters weniger als bei uns, wo das Pittoreske der Decoration hinzukommt. Wir haben das Ballet theils als Bestandtheil der Oper, theils als für sich hervortretend. Kommt | 77v es als Bestandtheil der Oper vor, so kann es Aehnlichkeit haben mit der alten Pantomime, insofern die Verständlichkeit durch das übrige Ganze der Oper gegeben wird. Ist aber das Zwischenspiel fremdartig oder tritt es für sich hervor: so componiren die Balletmeister eine Art Drama. An sich ist es unverständlich, da machen(?) sie die Auslegung und schreiben es in das Buch. Es ist hiermit, wie mit allen Kunstwerken die man nicht ohne Unterschied verstehen kann. Man ist beständig an die Handlung gewiesen und versteht sie doch nicht durch sich. Hier ist es das verstümmelte Drama. Verständiger ist die Darstellung eines Charakters(?) in der Gesellschaft, wo der Räthsel Darsteller und der Rathende in eine gewisse lebendige Wechselwirkung treten. Nimmt man hinzu, daß die Bewegung einen gewissen epideiktischen Charakter hat, so ist es, wie auf der einen Seite ein verstummtes und verstümmeltes Drama so auf der anderen erhöhte Seiltänzerei. Hier ist die Pantomime Aberration. Zu solcher Gattung fehlt uns die Grundbildung, der bestimmte Cyclus.

Blick auf das Ganze der Mimik. – Wir fragen noch eine Frage im Allgemeinen. Wir gingen davon aus, daß alle Kunstthätigkeit beruht auf einer erhöhten Stimmung, sie wird Kunst durch die hineintretende Besonnenheit, der Kunstwerth beruht auf der Instensität und der Genauigkeit der Verbindung. Was ist denn nun die mimische Begeisterung, was die wahre Besonnenheit, wodurch die Kunst ihrem Inhalt nach entsteht? – Diese Frage konnten wir uns erst aufwerfen, da uns das Ganze vor die Augen getreten ist mit seinen Differenzen: Die Mimik ist offenbar nichts anderes als das wesentliche Gefühl des Leiblichen, von der symbolischen Dignität desselben, | 78r so daß das Leibliche die Erscheinung des Geistigen ist. – Hier sehen wir eine Differenz. Auf der einen Seite kommt der Leib nur als Organ in das Bewußtseyn, als Princip des Mechanismus. In eben diesem Maße muß die Kunst zurücktreten: Je mehr der Geist sich vom Leib zurückzieht durch das Erkennen, um so weniger wird er sich auch auf die andere Seite der Kunst zurückziehen. Vergleichen wir nun in beiden Rücksichten den Werth, so hatte diese Kunst einen großen Spielraum. Die Speculation war zurückgedrängt und das Mechanische war in den Händen der Sklaven. Die Freien bewegten sich in einer Sphäre, wo die Identität des Leiblichen und Geistigen am meisten hervortritt. Das Gymnastische in der liberalen Erziehung begünstigt den Sinn für die symbolische Dignität des Leibes. Auf der anderen Seite finden wir ein Ueberwiegen des öffentlichen Lebens durch das Chorische fast in allem, und das Zurücktreten der physiognomischen Mimik als basiert auf der persönlichen Eigenthümlichkeit. Wo die begünstigenden Bedingungen weniger vorhanden sind, muß das Ganze eine andere Gestalt annehmen. Betrachten wir die orientalische Ruhe, so begünstigt sie weniger die Erscheinung des Leiblichen in der symbolischen Dignität. Es ist freilich da auch eine größere Ruhe im Geistigen gegeben. Aber eben das Zurücktreten auf beiden Seiten hemmt die Entwicklung. Man läßt nur vor sich tanzen, wobei die physiognomische Mimik zurücktritt, aber wegen der Unbekanntschaft mit dem Wechsel der Stimmung. Auch bei den Griechen ließen die Freien nur vor sich tanzen, wenn gleiche Spuren(?) vorkamen, daß sie es in dem Jahr der gymnastischen Uebung lernten. Aber es wäre paradox gewesen, hätte ein Freier vor Freien tanzen wollen. Das Mimische, was in der ganzen Gestalt seinen Sitz hat, trat immer im öffentlichen Leben hervor und fand dort seine Befriedigung, so wie der Tanz wegen der leichten Annäherung an das Begierdeerregende der Freien unwürdig war. | 78v Wir bemerkten daß das Zusammenwirken der beiden Geschlechter in der Orchestik unbedenklich ist, so lange es in der Kunstgrenze bleibt, weil diese eher eintrat als die Grenze des Sittlichen. Anders war es freilich bei den Alten, wo die Schönheit mehr blos gestellt war, freilich nur als Ausdruck, aber diese muß an das Verlangen streifen. Die größere Stärke aller mimischen Bewegungen war auch dort einheimisch und eben das schloß den Tanz als öffentliche Darstellung aus dem freien und edlen Leben aus. Vergleichen wir die Modernen, so finden wir den Leib als Princip des Mechanismus stärker hervortreten, das zwischen demjenigen, der mechanische Gewerbe treibt, und demjenigen, der einem öffentlichen Leben angehört, nicht so große Differenz hat. Die Knechtschaft giebt bei uns nicht den Typus. Wir haben einmal ein mehr gleich machendes Princip an dem Christlichen, und dem Verhältniß zwischen Handwerk und Künsten wie bei den Alten können wir nicht entsprechen. Diejenigen die die Mimik üben bilden eine Klasse, die es noch nicht dahin hat bringen können, gleich gesetzt zu werden in der sittlichen Werthschätzung und geben Gebildete eine dramatische Darstellung, so wird es geheim gehalten, damit es nicht als Lebenselement erscheine. Der Grund ist zuerst etwas complicirt, schwerlich so einfach. – Es hat wol einen gewissen Schein für sich, daß je mehr jemand in der fremden Darstellung begriffen ist, desto mehr das eigenthümliche verliert. Es ist das aber nur Schein. Es ist auch hier das Augenfällige das eigentlich bestimmende Motiv.

| 91r Die Mimik erscheint nur als daseyend für das Vergnügen der Anderen und darin liegt viel. Andere Künstler schätzen wir auf andere Weise, weil sie von einer freien Production ausgehen, hier aber der Mime erst produciren kann, indem er die freie Production versenkt in ein Fremdes. Es liegt bei der Mimik freilich im Grunde dasselbe Element da, das erhöhte Lebensgefühl von dem symbolischen Charakter des Lebens. Erkennen wird in einem nur seyn vermöge einer nationalen Beschaffenheit des Leibes. Es sind nationale Qualitäten, die dabei zu Grunde liegen. – Von einem anderen Punct aus ist dies klar, daß das eigentliche Talent nicht eher erwachen kann, als bis die Einheit zwischen dem Geistigen und Leiblichen sich manifestiren kann, in den Jahren der Mannbarkeit. Die Jugend unter diesen Allen wird mit einem inneren Drang schwerlich in diesem Gebiet versiren. Es ist dann nur ein Nachahmen. Wenn Kinder in der Mimik etwas Bedeutendes leisten, so können sie nur nicht widrig seyn, wenn sie bewußtlos erscheinen, sonst ist hier der höchste Gipfel in dem, was wir das Altkluge bei den Kindern nennen. Ist die Mannbarkeit da, so entsteht das Gefühl, daß die Ausübung der Mimik nicht mehr geneigt ist und ist die Beweglichkeit später nicht mehr da, so tritt mehr das Epideiktische der überwundenen Schwierigkeit hervor. Es ist hier also ein kürzerer Kreislauf der Kunst. – Ist ferner die Hauptsache hier das Hervortreten des symbolischen Charakters, so werden wir einen Hauptpunct zwischen der Orchestik und Mimik finden, die Orchestik versirt mehr auf dem Gebiet der Individualität, die Mimik mehr auf dem Gebiet der Sensibilität. Diese ist daher mehr der Ausdruck des Geistigen durch das Geistigere, so wie jene des Geistigen durch das Leiblichere in dem animalischen Leben. So erscheint die Mimik in höherer Bedeutung, und deswegen die Orchestik mehr als Sache des großen Volkes. So könnte die Pantomime auch hier das Höchste seyn, weil sie beides in Identität | 91v zu verwandeln strebt. Aber das Streben hat schon etwas Epideiktisches. Ein Element tritt natürlich immer hervor. Den relativen Gegensatz aufzuheben ist immer mehr ein Zeigen der Ueberwindung der Schwierigkeit. Der Gegensatz(?) ist also hart(?), in dem diese Gattung eingeschlossen ist. – Dieser gesammte Kunstzweig hat seinen höchsten Werth nicht im Selbständigmachen, wie in der Pantomime, weil sie leicht epideiktisch ist, sondern in dem Grenzpunct des Hervortretens der Kunst aus dem Leben, auf der orchestischen Seite im Volkstanz, und im Zurücktreten in das Leben, daß der Sinn für das Symbolische des Leibes geschärft wird, zur Auffassung der Anmuth und Schönheit, die uns aus der menschlichen Darstellung entgegentritt. Hier bekommen wir zwei Wendepuncte, der eine ist der, daß der unmittelbare Ausdruck des erhöhten Lebensgefühls zur Anschauung kommen will in der öffentlichen Geselligkeit, die andere mehr der Punct der Speculation, daß der Geist uns Kunst werden soll in seiner Einheit mit dem Leiblichen. – Dieser Ausdruck soll zurückwirken und in dieser Beziehung ist die Mimik ein erziehendes Kunstgebiet und die Erhöhung der Anmuth und Schönheit im Volk ist das Werk, das diese Kunst sucht. Sie ist das Urbild, das Öffentliche in der Orchestik, das Persönliche in der Mimik. –

Mit der Musik haben wir die Mimik näher zusammengebracht, da sich beide unmittelbar an den natürlichen Ausdruck anschließen. Beide locken sich gegenseitig hervor, wie in Orchestik Musik und Mimik sich so gleich stehen, daß man nicht weiß, welche vorherrscht. Dasselbe gilt von der eigentlichen Musik, die doch im Ursprung, in dem Gesang das Negative(?) ist. – Plastik bildet in der todten Masse, um an ihr dasselbe darzustellen. Aber die Plastik kann nur die Bewegung in der Stellung darstellen; daher in ihr mehr der Knochenbau die Grundlage ist. Die Mimik stellt das Elastische dar – und ruht mehr auf | 92r der Musculatur. Die Plastik ist in dieser Hinsicht ein Ergänzendes und verwandtes. Plastik und Malerei sind wieder ein Ergänzendes, da diese durch Licht und seine Brechung(?) den Gegenstand aufhellt(?). Alle Poesie beruht auf Vortrag und kann der Sprachmimik nie entbehren. Das Epische verlangt nichts anderes, das Lyrische und Dramatische zugleich Geberdenspiel, Minenspiel und Tanz.

Musik

Wie die Mimik durch die Besinnung aus der Natur, so auch die Musik. Sehen wir aber auf den ganzen Umfang derselben und denken wir an die Elemente, die Töne, so müssen wir sagen, daß der größte Theil dieser Töne rein vom Menschen erfunden ist. – Den eigentlichen Gesang finden wir nie ohne eine Besinnung, die ihn als Kunst stempelt. Der Ton der Natur ist nur in der Rede, in der Interjection, im Weinen und im Lachen. Aber diese Elemente umfassen die menschliche Stimme, wie sie sich im Gesang darstellt, gar nicht. – Der Umfang der Höhe und Tiefe in der Rede beschränkt sich ungefähr auf den dritten Theil des Umfangs, der in dem Gesang liegt. Die Interjection zeigt sich nur in der Gemüthsbewegung, ohne Umfang. Ebenso liegt das Lachen nur in der Mitte des Umfangs, nicht in der höchsten Höhe, noch in der höchsten Tiefe. Der Umfang der Rede ergiebt sich also erst durch den Gesang. Die menschliche Stimme ist aber in der Musik nur ein einzelnes Element. – Welche Masse verschiedener Instrumente giebt es aber? – und welche qualitative Verschiedenheit nach den Instrumenten? Hier haben wir eine ganze Welt von Tönen, die nur der Kunst eigenthümlich sind. – In der Bewegung giebt es manches Element, das als conventionell erscheint, die theils in einem Volk gar nicht, theils in einem anderen Sinn erscheint. – Hier ist auch ein Gemachtes – aber nicht so sehr dem Materiellen nach, als nach der Bedeutsamkeit. Die conventionellen Bewegungen sind aber doch nicht, außer da, wo Commando gilt, durch Besinnung erfunden, sie haben sich in jedem Volk natürlich ergeben. – Wir können es nicht an das Kunstgemäße anknüpfen, da es mehr unwillkührlich ist. – Hier in der Musik ist ein Analogon, aber mehr willkührlich tritt es hier hervor. So muß hier ein größerer | 92v Umfang anerkannt werden. – Wie erklären wir uns bei einem Kunstwerk die Musik? Es können nämlich alle diese Töne – natürliche und gemessene – aber so ungemessen in sich seyn. Das Kunstgemäße entsteht aus dem Ursprünglichen. Wir wollen einmal davon ausgehen, daß alle Töne sich auch im Natürlichen ausdrücklich(?) fänden. Dennoch würden sie kunstlos seyn, sobald das Maß fehlt. Hören wir einen Ton, so können wir Differenzen der Stärke und Differenzen der Reinheit finden. Aber das ist ein Naturelement von Seiten des Organs. – Wie kommt das Maß hinein? – Ein in der Stärke vollkommen gleich gehaltener, in Höhe und Tiefe feststehender Ton hat eben so wenig ein Maß in sich, als die gerade Linie, die an sich immer als Fragment erscheint, das ins Unendliche verlängert werden kann. – Bekommt der Ton sein Maß nur dadurch, daß er an andere grenzt, daß andere vorhergehen, andere nachfolgen? Er kann sein Maß noch durch teilweise anderes bekommen. Denken wir uns den Ton in Bezug auf die Stärke von einem Minimum anschwellend zum Maximum und zurück, so hat er sein Maß in sich, denn er repräsentiert die Totalität des Organs. Abstrahiren wir hiervon, so kann der Ton nur gemessen werden, dadurch, daß der Ton an den anderen grenzt, eingeschlossen durch eine gewisse Höhe und Tiefe. – Die Masse ist hier wieder abhängig von dem Vergleich des einen Tons von anderen. – Wenn die Länge und Kürze hier nicht eine gemessene Einheit haben, zu der sie sich wie bestimmte Producte verhalten, so wäre es ebenso gut, als wären sie ungemessen. – Wenn eine größere Folge von Tönen gegeben wird, so können wir wieder nicht betrachten, ob sie einzeln betrachtet commensurabel sind, wenn wir nicht wieder größere Einheit haben der Töne, die sich absetzten, die wir also festhalten. Das ist der Tact – das Absetzen der gleichen Zeiteinheiten, die aber wieder in sich theilbar sind. – Dieses Absetzen entsteht durch die Differenz der guten und der schlechten Tacttheile. – (da es Arsis und Thesis analog, dem Anschwellen und Verhallen ähnlich, nur an das entgegengesetzte Ende angesetzt). Bleiben wir hier stehen und wie hier derselbe Ton in verschiedenen Theilen steigend oder abnehmend hervortritt: so ist hier schon Kunst und Besinnung. Es ist die Zeiteinheit in der sich Selbstgemessenheit. So kann ein | 93r einzelner Ton rhythmisch einen Kunsteindruck machen, der aber durch Wechsel von Höhe und Tiefe seinen Gegensatz haben muß. – Denken wir nur ihr Anschwellen und Verlieren, die bloße Differenz von Höhe und Tiefe, so ist auch hier Kunsteindruck. In dem letzten ist das Malerische (Differenz von Höhe und Tiefe). Aber hören wir eine Melodie, ohne daß die Töne in sich gemessen sind, ohne den inneren Mittelpunct der Stärke: so fehlt ihr etwas Verbindendes , so haben wir alles was die einfachen Töne hervorbringen können – Höhe und Tiefe – Anschwellen und Verlieren – durch Tact commensurabel geworden. – Bleiben wir hiebei stehen und fragen wir, was denn eigentlich vernommen wird. Hören wir den einfachen Naturton als Accord oder Interjection, so erkennen wir in ihm auch die Gemüthsstimmung, aus dem gemeinsamen Leben, das wir auf unser eigenes reduciren. Ist es auch so noch bei der Melodie? – Ja – wenn es ein gesungener Satz ist. – aber wenn es reiner Ton ist, scheint die Bedeutsamkeit zu verlieren. Das wäre gegen die Tendenz, da die Besinnung, die hinzutritt, immer zusammenhängt mit dem Vernommenseynwollen. – Es ist dies der schwierigste Punct im Verstehen der Musik überhaupt. Aber wir müssen erst den ganzen Umfang der Elemente beisammen haben. – Es kommt nun erst das Zusammenseyn der Töne, im Gegensatz der Melodie, Harmonie. – Gehen wir auf das Zusammenseyn im Naturzustand, so ist mehr Disharmonisches gegeben, nur daß dieser da kein Maß gegeben ist, dieses weniger hervortreten kann. – Die Differenz kann nicht bemerkt werden, wenn kein Maß da ist. Das Zugleichseyn der Töne um ein Kunstgemäßes zu werden, muß also auf eine besondere Weise umgebildet werden, damit die zugleich seyenden Töne als zusammengehörig erscheinen. Das natürlich Erste wäre hier das Unisono, aber daraus entsteht hier nur ein stärkerer Ton, aber Einer – wenn auch streng genommen, jede Stimme seine qualitative Differenz hat. In der gegenwärtigen Musik erscheint das Unisono als unvollkommen, wir verlangen, daß die Töne in die Differenz heraustreten | 93v sollen – doch zusammengehörig. Das giebt den harmonischen Gegensatz von Consonanz und Dissonanz – von Erscheinungen der Töne als zusammengehörig, als nicht zusammengehörig. Die Darstellung derselben im Tact ist die Totalität der musikalischen Elemente. – Worauf es beruhe, daß gewisse Töne als zusammengehörig erscheinen, andere nicht, ist an und für sich nicht verständlich. – Dies führt auf eine eigene Auffassung der Musik, die aber mehr zum Verkennen des Naturwerthes führt.

Wenn der harmonische Gegensatz zwischen Consonanz und Dissonanz ist, so ist die Melodie der Uebergang von einem Ton zum anderen und der Sprung in größere Intervalle. Aber er giebt auch Intervalle, auf denen man nicht ruhen kann, sondern wesentlich nur vorbereitend sind. Es hängt mit der Consonanz und Dissonanz zusammen. Es ist etwas Physiologisches was man nicht auf die Mathematik zurückführen kann. Das Nationale schielt schon mit hinein. In der alten Musik gab es ganz andere [...] und andere Schlußweisen. Dasselbe erfolgt(?) aus dem Unterschied der Volksweisen bei den slawischen und romanischen Völkern. Im Rhythmus ist ebenfalls ein neuer Gegensatz. – Wie der Unterschied von guten und schlechten Tacttheilen hervortritt, so in der Kürze und Länge der Töne und ihrem Verhältniß, woher die vier Haupttempo entstehen die wir unterscheiden, und die den Differenzen in der Stimmung offenbar entsprechen in dem was wir Constitution oder Temperament nennen: Allegro entspricht dem sanguinischen Temperament, das Presto dem cholerischen, Andante dem phlegmatischen, Adagio dem melancholischen. – Hier finden wir einen Theil von der Antwort unserer ersten Frage: wie es zugehe, | 94r daß die Bedeutsamkeit der Naturausdrücke in der Musik zu leiden scheine. In Rücksicht dieses rhythmischen Unterschieds tritt die Bedeutsamkeit wieder hervor. – In Rücksicht des Nationellen tritt uns ein Unterschied zuerst hervor, der wegen der Menge an Material noch nicht genug beleuchtet ist, der Unterschied zwischen antiker und moderner Musik. – Zuerst noch eine Betrachtung über das Vorige. Wir haben drei, Melodie, Harmonie, Rhythmus. Diese Elemente müssen überall zusammen seyn, wo ein vollendetes musikalisches Kunstwerk seyn soll, jedoch in sehr verschiedener Mischung. In einigen mag der Rhythmus hervortreten, in anderen die Harmonie oder Melodie. Eines oder auch zwei von den drei Elementen kann hervortreten oder zurücktreten und darin wird die wesentliche Differenz in dem Totaleindruck der verschiedenen Compositionen liegen. Bisweilen nähert sich das Zurücktreten dem Verschwinden, wie es der Fall ist beim Recitativ, wo die Rede zwischen Gesang und bloßer Rede schwebt, wo die Bestimmtheit des Rhythmischen durch den Tact zurücktritt. In diesen verschiedenen Verhältnissen wie sie sich so auf die eine Seite beziehen, liegt auch die andere Seite des Nationellen. Hier müssen wir auch die Bedeutsamkeit suchen – nicht so sehr im Einfachen, als im Naturausdruck, worauf die Musik beruht. – Es hatte den Anschein, als ob das Zusammenseyn der verschiedenen Töne nur auf dem Gesellschaftlichen beruhen könne und daß sich da das Unisono ergäbe. – Wir finden da, wo die Kunst ihren Ort hat, im gemeinschaftlichen Leben Menschen von verschiedenem Alter und verschiedenem Geschlecht zusammen. – Legen wir hier die Kunst zu Grunde, so ist der ganze Tonleib in keiner einzigen Brust. Sie ist vertheilt und diese Theilung liegt im Geschlecht und im Alter. Es hängt das mit physiologischen Verschiedenheiten zusammen. Da ist also ein Zugleichseyn von verschiedenen Tönen schon angelegt durch die Natur – wenn wir in das ursprüngliche | 94v Verhältniß zurückgehen. Wo ein Gemeinsames in der Stimme hervorgehen soll, müssen wir diese vier Stimmen voraussetzen, die den vier Arten des harmonischen Akkordes entsprechen. Denken wir uns eine Reihe von Akkorden, worin die vier Stimmen zugleich sind, so soll jeder Einzelne ein Ganzes für sich bilden – und wiederum im Ganzen ein harmonisches Ganzes. Hier finden wir den Punct, wo das Nationale besonders hervortritt. Wo in dem öffentlichen Leben das Zusammenseyn der beiden Geschlechter ausgeschlossen ist, muß in der Musik das Harmonische zurücktreten, weil keine Veranlassung(?) zum Hervortreten da ist. Wo in dem Volk das persönliche Individuum stark oder weniger stark hervortrat, da werden wir je nachdem ein Gleichgewicht oder ein Vorherrschen der beiden Stimmen finden, analog ist das Gleichgewicht der Blonden oder Brünetten oder das Vorherrschen. Ist ein solches Vorherrschen, so muß das Harmonische zurücktreten, und die Melodie und Rhythmus hervortreten. – Die Melodie ist mit der Harmonie am meisten verwandt und vertritt daher besonders freie(?) Stellen. Hier haben wir den Grund der Hauptdifferenz zwischen der Antike und Moderne. Die Harmonie trat bei den Alten aber aus diesem Grund hervor; und wenn wir von den großen Wirkungen der alten Musik lesen, so deutet doch alles darauf, daß diese Wirkungen besonders durch den Rhythmus hervorgebracht wurden. Die Alten hatten verschiedene Tonarten, während wir nur zwei haben, Dur und Moll. Die Alten hatten die phrygische, lydische, dorische, ionische und ihre Zusammensetzung. Ihnen war daher eine größere Mannigfaltigkeit von Elementen und melodischen Intervallen gegeben. Dennoch fehlte das Harmonische sehr(?). Wo die Harmonie herrscht, wie in der neuen Musik, muß die Fülle der Töne | 95r durch die Mannigfaltigkeit gebrochen werden. – Hier sehen wir, wie in der Musik das Losreißen der Musik von der Poesie sich auf eine andere Stufe stellt, als bei der Mimik. In der Mimik konnte das Isoliren in der Pantomime nur als Ausartung erscheinen; es konnte etwas Künstlerisches nur da seyn, wo ein bestimmter Cyclus von Poesie bekannt ist, auf dem sie fußt. Wir finden, daß die Mimik und Musik ursprünglich nur begleitende Künste sind. Aber bei den Alten war die eigentliche Instrumentalmusik, die sich losgerissen hat, in einem geringeren Verhältniß. Aber dieses Losreißen der Instrumentalmusik ist keineswegs eine Ausartung, wie die Pantomime. Ohne die Instrumentalmusik war es nicht möglich, daß sich der Reichthum der neuen Musik entfalten kann. Wo aber die Musik bloß begleitend ist, da kann die Hauptsache, das begleitet wird, durch Reichthum der Instrumente gedämpft werden. So wie die Instrumentalmusik gegeben war, war auch das selbständige Hervortreten gegeben. Die Hinneigung zum Epideiktischen, die überall das rein Künstlerische begrenzt, wird am meisten auf dieser Seite liegen. Was wir eine Symphonie nennen oder ein Concert, hat immer schon eine gewisse Neigung zum Epideiktischen, mag mehr darauf angesehen seyn, darzustellen, wie weit es gehen kann, daß bei einem Reichthum der Instrumente jedes doch in qualitativer Differenz vernommen wird oder daß der eigenthümliche Charakter eines einzelnen Instruments ganz besonders hervortrete. Das Zusammenseyn mag seyn ein mehr demokratisches oder mehr monarchisches, so liegt immer die Neigung zum Epideiktischen darin. Hieraus geht hervor, wie sich beides vereinigt. Wie sich auf der einen Seite ergiebt, daß die Instrumentalmusik für sich keine Ausartung ist, so müssen wir doch | 95v auf der anderen Seite sagen, daß die Musik eine begleitende ist. Die Instrumentalmusik liegt auf der Grenze und die Ausartung ist leichter. Auch der Gesang kann epideiktisch werden, wie so oft die Bravourarie, die nur die Virtuosität eines besonderen Organs in allen seinen Seiten zeigen will. – Wie steht es nun aber um den Gegensatz, den wir im Allgemeinen schon in jedem Gebiet als das Hauptsächlichste angesehen haben, um den Gegensatz zwischen dem hohen und großen, und dem geselligen und leichten Stil? Wir dürfen hier als Beispiel den Kirchenstil und den Opernstil nehmen. – Gehen wir in das Alterthum zurück, so war der hohe Stil im Politischen, der sich aber deswegen mehr nähert dem geselligen Stil, dem ionischen (in seinem Gegensatz vom dorischen). Der strenge Stil begrenzt(?) sich im Rhythmus durch gewisse Abgrenzung in Beziehung auf die Harmonie. Sparsames Gebiet der Differenz, in Beziehung auf die Melodie Mäßigung in den springenden Uebergängen. Bei uns ist der Kirchenstil mehr die Strenge, obgleich eigentlich der theatralische Stil an der Strenge Theil nehmen könnte. Es liegt aber im Theater selbst, das eine öffentliche Anschauung hat, aber doch nicht auf derselben Stufe steht. Wir können uns den Tanz denken als Annäherung zum Gottesdienstlichen und insofern wäre hier ein Uebergang. – Der Kirchenstil verlangt die Rede als Element und die reine Instrumentalmusik ist nur Einleitung oder Zwischenspiel. In der [...] kann die Instrumentalmusik sich ganz frei und selbständig hinstellen. Das Warum(?) hat hier seine Schwierigkeit. Vieles erscheint conventionell, rein positiv. Das gilt besonders von der Instrumentalmusik. Sehen wir auf den Charakter, so scheint nur so viel das Wesentliche zu seyn, daß die Instrumentalmusik das, was ihr fehlt, ersetzen möchte | 96r dadurch, daß sie eine vollkommene Individualität darstellt. Diese Forderung auf Vollständigkeit in Bezug auf das Zusammenseyn der entgegengesetzten Elemente hat eine gewisse Richtung zum Epideiktischen hin. Wie aber die entgegengesetzten Elemente verbunden sind, erscheint als zufällig. Haben sie einmal Autorität, so können sie sich eine Zeit erhalten, aber man kann keine innere Nothwendigkeit darin erkennen. Das Feststehende der Form ist nur ein Ersetzen der Unverständlichkeit. Die Musik bekommt die Bedeutsamkeit durch die Beziehung auf die Rede. Diese fehlt der reinen Instrumentalmusik. Von einer unmittelbaren Beziehung auf die Gedankenerzeugung ist nicht die Rede. Die entgegengesetzten Tempo’s entsprechen den Tempo’s in dem menschlichen Leben, bezeichnen in gewisser Beziehung den Charakter. Es wird ein geschichteter(?) Charakter, daß alle diese Differenzen vorkommen sollen, durch die man durchgeht. Das Individuelle kann nicht darin liegen. Darin ist ein großer Unterschied, zwischen demjenigen was die Kunstdarstellung gewährt dem, der selbst Künstler ist, und dem, der Kenner ist; zwischen dem kritischen Genuß und dem nicht kritischen. Jener kritische Genuß muß aber teilweise Untergeordnetes seyn und es wird nur eine neue Art von Epideixis wenn der Künstler für den Künstler componiert. Die Bedeutsamkeit kann darin nicht liegen, noch auch der Kunstwerth, wenn in der Musik das Wort nicht zur Sprache kommt, sie aber ursprünglich an das Wort gebunden ist, ist dann die Instrumentalmusik ganz von der Gedankenerzeugung losgerissen? Wollte man es annehmen, so müsste man die Musik als zwei Künste ohne Einheit des Materials annehmen. Diese Abtrennung wird auch keiner verstehen wollen. Es ist hier die Identität zu groß. Die Zuhörer werden merken, wenn zu der Musik gesungen werden soll, aber was gesungen werden soll, wird jeder auf andere Weise sich denken. Aber ursprünglich hängt die Musik | 96v an einer poetischen Darstellung. Wenn wir eine Composition betrachten, die sich an ein Gedicht anschließt, nun soll das Gedicht in eine andere Sprache übersetzt werden, kann da das Verhältniß der Musik zum Text ein und dasselbe bleiben? Es ist nicht vollkommen denkbar. Soll die Musik nicht mitgeändert werden, so muß auf jeden besonderen Theil das Entsprechende kommen. Ist es nicht ganz möglich, so wird dennoch die Bedeutsamkeit und Richtigkeit das Ganzen bleiben. Je mehr also das Adaequate im Einzelnen gesucht wird, so entsteht das, was man Malerei in dem vortrefflichen Kunstwerk nennt, aber es ist die gefährlichste Klippe. Die Bedeutsamkeit liegt also mehr im Ganzen. Daraus entsteht eine relative Leichtigkeit, einen anderen Charakter unterzulegen. Es darf nur eine allgemeine Verwandtschaft da seyn. Die einzelnen Theile des Gedichts können durchaus anders seyn. Mit geringen Unterschieden wird man eine Angemessenheit finden. Weiß sich der dem Componisten Nachbildende zu fügen, so wird die Differenz geringer werden. – Betrachten wir die Reihe durch, so können die einzelnen Lieder mehr Compositionen haben. Gehen wir gar zur Oper, die mehrere Compositionen hat, so sind nicht alle gleich aber es bleibt ein subjectives Urtheil, welche Composition der Dichter nun besser getroffen hat. Stellen sie auch eine verschiedene Weise, den Gedanken aufzufassen dar, so können doch alle das Gedicht verstehen – und es kann daher eine Menge von Variationen geben. Denken wir uns bei der Instrumentalmusik ein Temperament zu Grunde, so werden wir sagen, jeder soll sich sein Temperament unterlegen. Die Verbindung mit der Gedankenerzeugung ist nur ein Mittelbares; das Objective | 97r kann nicht darin liegen, aber eine unmittelbare Beziehung liegt darin. Es ist der Ton der Gedankenerzeugung, der uns in der Instrumentalmusik angegeben wird. So weit sich die Instrumentalmusik auf einen gewissen Grad entwickelt und sie einen starken Eindruck macht, und wir auch während des Hörens zum Denken nicht kommen, so wird der Eindruck doch immer der von einem gewissen Typus der Gedankenerzeugung, weil eine gewisse Ordnung, ein gewisser Umfang angegeben ist, aber durch die Differenzen der Höhe und Tiefe, durch das Gleiche und Ungleiche des melodischen Verhältnisses. Es ist eine mittelbare Beziehung auf dasselbige was in der begleitenden Musik offenbar ist. Wir werden nach der Musik sagen, es ist die Begleitung von einer Gedankenerzeugung von einer gewissen Gattung. – Wir haben ein Beispiel in der Musik, wenn es auch ein Zwitter ist, das Melodramatische. Die Empfindung wird ausgesprochen und wieder musikalisch dargestellt. Es ist der Uebergang von der rein begleitenden Musik zur Instrumentalmusik. Es sollte als eigene Gattung eigentlich nicht hervortreten – aber als Durchgangsmoment kann man es fixiren um die reine Instrumentalcomposition zu verstehen. Auf ihrer Unbestimmtheit der Bedeutsamkeit beruht es, daß dem Hörer teilweise Bestimmtes muß gegeben werden. Haben wir durch den Gattungsnamen schon eine Uebersicht, so kann das Verständniß eher anfangen, als sonst bei dem absolut bestimmten Anfang. – Im musikalischen Kirchenstil ist nun die reine freie Instrumentalmusik zurückgedrängt, nur als Einleitung oder Zwischenspiel erscheinend. Dem Hörer ist etwas Bestimmtes gegeben, und auch im Zwischenspiel ist eine größere Bestimmtheit durch das Vorhergehende und Folgende. Dieses Zurückgedrängtseyn der bloßen Instrumentalmusik hängt damit zusammen, daß ein wesentliches Erforderniß des Kirchenstils die Klarheit ist. Vollkommen klar ist nur | 97v die begleitende Musik. Die Simplicität muß der erste Charakter seyn. Die Fülle der Musik in der Instrumentalmusik kann sich daher hier nicht ganz geltend machen. Als der Kirchenstil in der größten Strenge stand, war selbst die Duplicität der Instrumente ausgeschlossen, entweder war die Begleitung rein durch Blasinstrumente oder rein durch Saiteninstrumente. Man scheute die Verschiedenheit. Aber man ist mit Recht davon abgekommen, da die Orgel, eigentlich ein Blasinstrument, durch die ganze Behandlung große Annäherung zu den Saiteninstrumenten hat. Es ist hier die Identität gegeben. Aber Behutsamkeit in der Duplicität ist bei dem Kirchenstil nöthig. Alles Grelle in der Differenz muß hier stören. – Erklären läßt sich hier vieles nicht mit den Worten, weil die Musik für sich betrachtet eine Art Gegensatz gegen das Wort bildet. – Das Verhältniß des Materials zum Kunsteindruck wird in der Theorie keineswegs zurückbleiben, da wird eine unmittelbare Beziehung auf die Gedankenerzeugung noch für die Bilderzeugung gegeben sein, sondern hier nur unmittelbar auf die Stimmung, auf den eigenthümlichen Ton des Lebensgefühls den jeder nur in sich hat.

Die Musik fängt an auf der einen Seite als Begleitung des Tanzes, auf der anderen Seite als Gesang. In der Begleitung des Tanzes ist der Rhythmus das Dominirende, Melodie und Harmonie treten zurück; der Rhythmus mißt die Bewegung; man kann sich eine Tanzmusik ohne Harmonie denken, wie auf einem Instrument. Es ist zu denken, daß die Tanzmusik die Rede zur Hülfe nimmt; es tritt wie da die Orchestik des Einzelnen zurück; um das Verhältniß zwischen dem Einzelnen und Ganzen zu haben, ist es natürlich, daß Musik und Poesie zum Tanz hinzutritt. Wie kommt die Musik zur Begleitung der Rede? | 98r Ursprünglich wird nur die gebundene Rede begleitet, damit ihr Silbenmaß die Musik hervorlockt. Daher scheint wieder sich darauf die Musik zuerst mehr zu beziehen, als auf den logischen Inhalt. So im Entstehen, wenn auf der unteren Stufe der Entwicklung ein Volk nur wenig Melodien hat, daß nach Einer viele Gesänge gesungen werden. So die Volksmusik unter den slavischen Völkern(?) und im nördlichen Britannien. Es hängt zusammen mit der ganzen Entwicklung, die Musik auf diese Art muß mehr zu dem Rhythmus sich hinneigen, der Rhythmus zur Orchestik. Eine solche poetische musikalische Darstellung, wozu zugleich getanzt werden soll, heißt im eigentlichen Sinn Ballade. – Erweitert sich die Musik – und wird die Melodie mannigfaltiger, so werden Melodie und Harmonie reicher. Dann verläßt die Musik leicht die Poesie und den Tanz. – Wenn wir das Gegebene zu Grunde legen, so unterscheiden wir das Kirchenlied und Volkslied; jenes dem strengen Stil, dieses zuerst gewöhnlich in Form der Ballalde oder Romanze mit dem Tanz verbunden, nachher wieder von ihm gelöst. Wir finden hier aus dem Gebiet der Poesie das Lyrische im weiten Sinn des Wortes. Wir unterscheiden hier wieder, je nachdem die Darstellung mehr ein Objectives oder mehr ein Subjectives ist. Die Empfindung kann freilich nie anders dargestellt werden als an etwas Objectivem, aber im zweiten Fall ist es nicht etwas Historisches, hat keine rein objective Einheit für sich. Wenn die Musik mit der Lyrik zuerst mit dem Tanz verbunden erscheint, hernach wieder sich ablöst, wenn die Musik mehr Product der Melodie und Harmonie wird: so finden wir auf der anderen Seite, daß der Gesang sich vom Tanz löst, wenn der Tanz einen anderen Charakter annimmt. Je mehr hier das Kunstreiche hervortritt und die Virtuosität des Einzelnen, desto mehr trennt sich der einfache Gesang. | 98v Unterscheiden wir den strengen und lapidaren Stil, so fragt sich, ist diese Differenz gar nicht zu denken, wo die Musik ursprünglich als Begleitung erscheint? Der eigentliche Volkstanz kann immer nur genommen seyn aus dem Individualleben und hat nicht die Nothwendigkeit dessen, was der strenge Stil charakterisirt und die Kunst geht einen freieren Gang. Wenn aber die Bewegung das Gemessene an sich trägt, wie bei den Märschen, so ist hier das öffentliche Leben und der strenge Stil kann eintreten, es mag die Bewegung kriegerisch seyn oder festlich und als festlich religiös oder politisch. – Wenn wir von dieser Differenz aus noch einmal auf die Gesangsbegleitung zurückkehren und wir wieder anknüpfen, daß bei derselben Musik und Tanzbegleitung Gedichte verschiedenen Inhalts gesungen werden können, es sich aber bald verliert: so bleibt etwas zurück. Der Typus ist immer strophisch, – es gestaltet sich in großer wiederkehrender metrischer Mathematik. An diesem Lyrischen hängt das Musikalische noch. Vergleichen wir den geselligen und strengen Stil: so besteht unsere Choralmusik verhältnißmäßig aus einer geringen Anzahl von Melodien. Es geht das im religiösen Gebiet mehr an, da eine Verwandtschaft des Inhalts sich durchzieht. In dem Choral fängt die Harmonie an, überwiegend aufzutreten; wenn es sich auch vielleicht aus dem Unisono hervorgearbeitet hat, so ist es doch jetzt wesentlich vierstimmig – in solcher Stärke, daß es das Ganze durchdringt(?). In Beziehung der verschiedenen [...] haben wir nur eine Duplicität der harten und weichen Tonarten und wir können keine größere Forderung für die musikalische Begleitung aufstellen, daß eine Composition einen überwiegenden Charakter des Dur, eine andere des Moll hat. Darin muß das | 99r religiöse Gefühl seine musikalische Befriedigung finden. Ohne der Melodie und dem Rhythmus zu schaden, der in seinem Zusammensetzenden(?) und Geistigen etwas Wichtiges ist, kann die Harmonie doch sehr variirt werden. – Im leichten Stil des geselligen Liedes tritt die Melodie hervor. Es kann wechselnder und einzelner Gesang seyn, es kann auch chorisch seyn. Dafür die größte Mannigfaltigkeit der Töne. Da ein größerer Reichthum auf dem poetischen Gebiet hier offen liegt, so findet man sich nicht einmal befriedigt, wenn für ein und dasselbe Gedicht in allen seinen Strophen dieselbe Begleitung durchcomponirt ist. Bei dem Volkslied ist es möglich, daß die Composition im Einzelnen dem Inhalt des Einzelnen nachgeht. Aber es liegt an dem Gesang und geht leicht in das Malende über. Indem die Musik sich so in das Einzelne verliert, so schwindet der Gesammtcharacter, der in der Musik die Hauptsache ist. Ist es auch zu streng, die Variationen des Gedichts aus diesen Gründen zu verwerfen, wie man gethan hat, so muß man doch Bedingungen stellen. – Geht nicht Ein Typus durch das Ganze durch, bleibt die Mannigfaltigkeit nicht in Analogie mit der die im Choral liegt: so verliert sich der Gesammtcharacter. In dem Kirchenstil finden wir eine Eigenthümlichkeit, der nichts gegenüberliegt. Ungebundene Rede begleitet musikalisch. Es scheint ein Widerspruch. Der Gegensatz zwischen Länge und Kürze ist nicht so gebunden. Die Rede muß erst metrisch geworden seyn, ehe die Neigung entsteht sie musikalisch zu begleiten. In dem Kirchenstil ist die ganz ungebundene Rede oft musikalisch begleitet. Wie läßt sich es begleiten? | 99v Auf einem anderen Gebiet ist es fehlerhaft. Das Recitativ ist keine Instanz dagegen, da in ihm der Tact herrscht und sich an den Naturausdruck und in dem Rhythmus an das Metrum nähert. Die reine komponirte Prosa ist nur im Kirchenstil. Wir müssen uns die Abweichung aus dem erklären, was diesem eigenthümlich ist. Schwerlich würde es den Alten je eingefallen seyn, Prosa musikalisch zu begleiten. Die Prosa, die in dem Kirchenstil begleitet wird, ist biblische Prosa, vorzüglich aus den Psalmen. Im Hebräischen aber ist es eigenthümlich, daß Prosa und Poesie nicht so besonders unterschieden sind, wie in anderen Sprachen. Die Versuche einen bestimmten Rhythmus in das Einzelne hineinzulegen, scheint verunglückt. Doch unterscheidet sich in der Sprache und namentlich im Accent das Poetische und dieses ist immer musikalisch begleitet und das ist in unsere Kirchenmusik übergegangen. Psalmodische Prosa soll gleichsam dadurch vollkommene Poesie werden, daß sie musikalisch begleitet wird. Wir haben zwar gesagt, daß das Metrum die musikalische Begleitung herausfordert. Entwickelt sich aber die musikalische Begleitung, so zerstört sie leicht das Metrische. – Wird nun doch das Metrische durch die Pausen häufiger(?) zurückgedrängt so können wir uns auch das Umgekehrte denken, daß die ungebundene Rede durch eine musikalische Begleitung zur gebundenen mehr gehoben wird, wie das Feste der gebundenen durch sie aufgehoben wird. Daß die Prosa durch die Musik der gebundenen Rede näher gebracht wird, ist kirchlich, kann nur erklärt werden aus jenem Zusammenhang. Wenn aber historische Prosa musikalisch vorgetragen wird, wie die Einsetzungsworte oder die [...] und Episteln, so ist das unnatürlich. – Wir können es nur damit | 100r erklären, daß eine einzelne Stimme auf einer ungünstigen Stelle einen größeren Raum erfüllen soll, und daß der musikalisch geschwungene Ton weiter dringt. Sonst ist dieser Ort etwas Kunstloses. – Der Gesang kann an das Epideiktische grenzen, wenn die Composition die Volubilität des Organs besonders darstellt. Den Gipfel bildet die Arie, zugleich dem kirchlichen als leichten Stil angehörend. Im kirchlichen Stil herrscht hier mehr das Anhalten und Abschwellen, im weichen Stil mehr der Wechsel und schneller Uebergang. Sehen wir auf den einzelnen Gesang und das Chorische, so ist die Vereinigung das Größte der musikalischen Kunst. Die Poesie, die dabei zu Grunde liegt, kann nun aber nicht mehr das Lyrische, sondern das Dramatische seyn. So kommen wir zur Oper. Der Form nach betrachtet ist sie indifferent für beide Stile. Wenn es gleich im gegenwärtigen Leben wenig vorkommt, so lassen sich Beispiele denken, die sich dem strengen Stil nähern und wir haben solche Opern zur Zeit Grauns, Händels, Hasse's gehabt. Das Indifferente ist gegeben. Wenn die Oper ihren poetischen Gehalt aus der Wahrheit des bürgerlichen und geselligen Lebens genommen hätte, wenn sie in dieser Hinsicht mit politischer Bedeutung national war, so müsste sie dem strengen Stil mehr angehören. Da dies aber nicht der Fall ist, so fällt selbst die tragische Oper mehr und mehr dem leichten Stil anheim. Es steht der Oper im strengen Stil gegenüber das Oratorium. Im Oratorium ist es rein zufällig, daß die Poesie auf gewissem Maße dramatisch ist, aber nicht dramatisch dargestellt wird. Der Character der Composition dürfte derselbe bleiben, wenn jene Darstellung hinzuträte. Aber in Hinsicht des Ganges ist ein größerer Unterschied. Was auf das Gesicht berechnet ist, | 100v tritt ganz zurück. In der Oper, wo die dramatische Darstellung vollständig ist, wo also auch für den Gesichtssinn gearbeitet wird, und die bildenden Künste einen Theil haben, ist ein Element mehr und wir können wieder(?) ein verschiedenes Verhältniß annehmen. Betrachten wir die Oper, wie wir sie finden, so ist sie eine Vereinigung von Poesie, Musik, Mimik, Malerei. Die Malerei bildet durch sie als Decorationsmalerei eine eigene Gattung. Wie stellen sich diese verschiedenen Künste die zu einem organischen Ganzen vereinigt sind, gegen einander? In verschiedenen Zeiten bemerken wir eine große Verschiedenheit. Was Malerei ist, erscheint als zufällig. Dasselbe ist in Beziehung auf das Drama. Gehen wir auf das Alterthum, so tritt hier was Malerei ist zurück; die wesentlichen Puncte sind nur angedeutet. Ebenso wenn wir auf die dramatischen Anfänge in der neuen Zeit zurückgehen. Man könnte ein Mißverhältniß darin finden. Auf der anderen Seite ist nicht zu leugnen, daß das Hervorheben der Malerei auf die Differenz zwischen dem alten und modernen Drama zurückführt, darauf, daß wir einen Werth auf die Illusion legen. Dies hängt zusammen mit dem anderen, daß man in neuer Zeit einen Werth legt auf die Ueberraschung, die Neuheit. Es war im ersten Drama bei den Alten nichts dergleichen, da der Stoff seinen bekannten Cyclus hatte. Daß wir in der Betrachtung des Kunstwerks alles andere vergessen und uns in dasselbe versenken, dazu ist keine äußere Helfsart(?) nöthig, das Kunstwerk selbst muß dazu führen. Sollte die ganze Größe darin liegen, daß die Menschen alles für wahr hielten und mit auf die Bretter sprängen, so wird es dem Kunstwerk nichts geben. Was blos der Illusion zu Liebe geschieht, ist falsch. Doch muß ein Gleichgewicht Statt finden. Wie steht es um | 101r die Verbindung? Die Musik ist ihrem Wesen nach eine begleitende Kunst, nach und nach erst selbständig werdend. Die Poesie ist daher hier das Centrum – und Glucks Reform hat ihren Grund darin, daß er sich an dieses Grundverhältniß mehr hielt. Wenn man die gegenwärtige Praxis betrachtet, so erscheint das Verhältniß als umgekehrt. Tritt die Poesie als das Leitende auf, so müsste der Dichter alles anordnen. Aber der Tonsetzer bildet vielmer den Mittelpunct, der die übrigen Mitarbeiter in Bewegung setzt. Darin scheint etwas zu liegen, was ein anderes Verhältniß bezeichnet. Die Musik ist selbständiger, wenn sie auch an der Poesie, wie an einem Stabe, rankt. Zu einem Metrum können manche Inhalte stimmen, aber wir werden es schwerlich zugeben, daß Eine Opernmusik mehrere Texte habe. Dann wäre die Poesie Null. Soll die Musik begleitend seyn, so muß sie um so mehr sich auf den Inhalt beziehen, da sie sich auf das Metrum nicht mehr so beziehen kann, wie in der lyrischen Poesie. – Man hat in der neuen Zeit die Decoration über alles gehoben, die Oper, einzutheilen nicht nach Acten, sondern nach Decorationen, die Decoration herausgedehnt(?), das erscheint auch als teilweise Gesundes. Die Decoration ist das, was später nachgekommen ist, das Letzte. Es will sich diesen Elementen gleichstellen. Es theilt die Sinne und stellt einen Wettkampf zwischen Auge und Ohr an – stellt den Zuschauer auf die Probe, wie viel er zugleich aufnehmen kann. – Er muß ermüden und das Ziel scheint hier überflogen – faßt man die Thatsache im Ganzen auf, so ist man auf ein geringeres Maß gekommen. So wie das Kunstwerk die Fassungskraft übersteigt, so werden die Lebensmomente mehr gestört, als gefördert. – Es entsteht hier die Frage, | 101v giebt es hier ein schlechthin Richtiges und schlechthin Falsches und was ist der Kanon? Für welchen Anfang sollen wir uns entscheiden? Wenn wir das Interesse der Theorie ins Auge fassen, so müssen wir sagen, wenn die Theorie auch kein absolutes Ideal aufstelle, so widerspricht es doch, hier alles auf die Verschiedenheit des subjectiven Geschmacks zu schieben, so daß die Gewohnheit oder Sucht(?) entscheidet. Fragen wir die Praxis, so erscheint es entgegengesetzt, wenn wir die Geschichte der Dramatik des Jahrhunderts fragen. Wollte man jetzt eine händelsche oder graunsche Oper ohne Veränderung auf das Theater bringen, so müsste man Langeweile finden und doch erscheint nur der Theorie nach alles vollkommen. Im gegenwärtigen Zustand müssen wir uns der Ueberladung beschuldigen. Gehen wir auf die einfachen Grundbegriffe zurück, so müssen wir den gegenwärtigen Zustand für verdorben erklären. Kann die Theorie das Princip nicht hervorbringen, so ist sie nicht die rechte Theorie, sondern nur etwas Willkührliches. Die ganze Frage gehört eigentlich nicht hierher – da wir nur von der Musik sprachen – und doch gehört auch mehr hierher, da wir am Ende dieselbe Erscheinung in der Lyrik und Instrumentalmusik finden. Welchen Unterschied gibt es zwischen Symphonien von Bach und Bethofen? Man sollte denken, die Sache läge so, das Eine zu tadeln und das Andere zu loben. Was ist eigentlich das Gute und Vortreffliche in der Musik? Worauf beruht es, daß jede dieser Compositionen in ihrer eigenthümlichen Art als vortrefflich anerkannt werden kann, und wo liegt die Grenze des Verdorbenen des Geschmacks? – Die Entscheidung ist schwer und hängt damit zusammen, wie es mit der Bedeutsamkeit der Musik steht. Angeknüpft haben wir diese an die natürliche(?) Kunstform. Wir haben zu gleicher Zeit gesehen, wie sich mit der Entwicklung der Bedeutsamkeit | 102r zu gleicher Zeit sich eine solche Mannigfaltigkeit entwickelt, daß die Aufgabe nicht umgangen werden kann. Aber hieraus sehen wir schon die Unmöglichkeit, den Kanon aus Einem Punct zu construiren. Der eine Punct ist das größere Anschließen an den unmittelbaren natürlichen Ausdruck – der andere die Annäherung an das Epideiktische – wohl verstanden der Annäherung, denn wird die Production rein epideiktisch, so verliert sie ihren Charakter. Beide beschränken sich einander, lassen sich bis zu einem gewissen Grad vereinigen. Aber dann wird eine Richtung ihr Maximum nicht leisten können. Es läßt sich ebenso denken, daß das Eine hinter das andere zurücktritt und es entsteht daraus ein verschiedener Kanon. Das Zurücktreten darf kein Verschwinden werden. So wie wir uns auf diese einfachen Puncte der Construction stellen, so können wir der Aufgabe nur bis auf einen gewissen Punct genügen. Soll die musikalische Hervorbringung zugleich den unmittelbaren Ausdruck repräsentiren und dieser geht ganz verloren über die Epideixis, so ist das Corruption. Im Ganzen muß das Kunstwerk auf die reine Ausdrucksweise zurückführen. Geht dies ganz über die Tonmaße oder die mechanische Künstelei mit den Instrumenten, so ist die Corruption da. Nicht so leicht ist das entgegengesetzte Verhältniß zu entscheiden. – Der Naturausdruck ist leichter zu finden bei der begleitenden Musik als bei der Instrumentalmusik. Ebenso müssen wir die Worte blos auf Töne setzen, wie bei der Instrumentalmusik die Töne nur auf Worte. Bei der Instrumentalmusik, beim Kirchenstil, eine Mottette pp. denken wir uns zwei dem Charakter nach entgegengesetzte Subjecte(?), wie eine Miserere oder ein Gloria in excelso, stimmt(?) eines von beiden, so müssen die Compositionen schlecht seyn, wenn es paßte. Diese Indifferenz kann leicht begegnen, je mehr Figuren in der Composition und je mehr Zierden(?) in derselben ist. Dasselbe werden wir | 102v auf anderem Wege finden. Denken wir eine Romanze, die eine mehr idyllisch, die andere mehr tragisch: so muß der Character in den Tönen ausgesprochen seyn, auch ohne die Worte. Wodurch wird dies eigentlich bewirkt? Dies ist mit Worten nicht wiederzugeben. Sehen wir auf die einzelnen Elemente, auf den Accord, auf die Dissonanz und ihre Auflösung, so werden wir nicht sagen können, daß ihnen für sich die Bedeutsamkeit beiwohnt. Dasselbe Tonverhältniß für verschiedene Zeiten und für verschiedene Völker haben nicht dieselbe Bedeutsamkeit, hier werden wir auf die Physiologie, auf die Constitution der Organe, und zugleich auf die Gewöhnung zurückgeführt. Eine bethofensche Sonate hätte vor 50 Jahren nicht den Eindruck machen können, da man an die Mannigfaltigkeit der Organe nicht so gewöhnt war. Hier stehen wir an einem besonderen(?) Beispiel, zu sagen, es liegen innere Gründe vorhanden, auf die sich das Organ (?) stützt, aber auch ein bedeutender Einfluß, den die Künstler auf die natürliche Basis ausüben. Wenn man jetzt die musikalische Production der Alten vorbringen könnte: so würden sie schwerlich die großen Wirkungen machen, obwohl uns das Ganze(?) in seiner Bedeutsamkeit verständlich werden kann neben dem Unterschied. Die Abhängigkeit der Musik von dem Text ist zu groß bei dem declamatorischen Gesang, die Eigenthümlichkeit der Musik tritt zu wenig hervor. Wir dürfen diese Gattung nicht zum Typus nehmen. Je mehr aber die musikalische Behandlung itzt zum Entgegengesetzten sich einigt, um so strenger müssen wir daran halten. Käme nun diese Gattung ganz abhanden, so könnte leicht die ganze Bedeutsamkeit verloren gehen. Tritt auf der einen Seite die Musik weniger hervor, so muß auch wol die ganze Musik in ihrem Princip der Begeisterung noch nicht so hervorgetreten seyn. In diesem Princip muß die besondere psychische Stimmung des Tons mit der inneren Bewegung liegen, worin zugleich die Ahndung der Mannigfaltigkeit des Tons gegeben ist. Das müssen wir uns denken in der gebundenen Musik(?). | 103r Das Princip findet in dem bloßen Gesang nicht seine Bedeutsamkeit. Kommt das Instrument zur Stimme hinzu, so muß in dem einen etwas liegen, was in dem anderen nicht liegt. Die Stimme ist näher an das Wort geknüpft, wenn es auch nicht malen soll. Das Instrument ist die Befriedigung jenes sprachlichen Princips der Begeisterung in der Mannigfaltigkeit des Tons. Sobald aber in dieser Fülle blos das Epideiktische hervortritt losgerissen von der Manifestation eines Inneren in der Masse des Tons, so ist das Künstlerische verloren. Der Stimme muß das Instrument musikalisch also beigefügt seyn, in einer solchen Fülle, wie sie bestehen kann damit, daß der Gesang seine Ursprünglichkeit bewahrt. Daraus geht ein anderer Character in der Begleitung der Stimme selbst hervor. Wenn in der Oper das Recitativ hervortritt, so tritt das Instrument musikalisch zurück, es schwingt oder giebt nur ein leises piano. Entwickelt aber die Stimme in der Arie eine Fülle, so ist eine große Mannigfaltigkeit des Tons zulässig. Vergegenwärtigen wir uns die Musik in einem Finale der Oper, so könnte dieses schwer frei auftreten und man müßte ihr doch den inneren Character anmerken. So finden wir den Uebergang. Das Objective des einen und des anderen wird also dasselbe, doch der Character verschieden seyn. Das Höchste ist also die größte zugleich mögliche Fülle der Töne, wobei das Epideiktische ausgeschlossen ist und die Beziehung auf den Naturausdruck nicht verloren geht. Finden wir nichts in der Musik, als das Streben nichts als Mannigfaltigkeit des Tons ins Ohr zu bringen, da ist der Kunsteindruck aufgehoben. Hier wäre ein Temperament(?) undenkbar, das man innerlich umbilden könnte. Das wird wieder ein jeder zugeben, daß dieses Maß wieder sehr verschieden seyn kann und wenn die Fortschreitung naturgemäß vor sich geht und die Organe allmählich zur Aufnahme gewöhnt werden, so kann es zunehmen und die Nachbildung der Stimmung ist durch | 103v die größte Fülle auf diese Art nicht aufgehoben. Ein Character in Beziehung auf die Stimmung muß durchgehen. Wenn wir nun auf das Verhältniß der beiden Hauptstile in der Musik sehen: so bilden diese nur einen relativen Gegensatz, so wie es Uebergänge giebt. Sehen wir auf den strengen Stil und wir betrachten die Instrumentalmusik, so ist das das Trockene in der Musik, wenn man den Gegensatz zu fest halten will und es ist hier eben(?) Epideiktisch auf eigene Art. Im strengen Stil giebt es besimmte Gesetze über den Uebergang und die Sprünge. Es gilt nun, daß diese Aufgabe sich innerhalb dieser Gesetze bewegt. Tritt es nun zu stark hervor, wird die Musik durch diese Gesetze gefallen, aber zugleich gehemmt werden, so tritt das Arithmetische zu sehr hervor und dieses giebt das Trockene in der Musik. Daher große Meisterstücke, so bald sie sich diesem Extrem nähern, jetzt, wo wir an freiere Behandlung gewöhnt sind, die wenigsten befriedigen. Nur der Kritiker, der sich aus der gegenwärtigen Zeit heraussetzt, wird sich durch eine Composition von Sebastian Bach ganz befriedigt fühlen. In der freien Behandlung dieser entgegen sind die Beziehungen auf die arithmetischen Verhältnisse untergeordnet. Wie wir auch in anderen Künsten dieses finden, es ist eine Laxität in Beziehung der Regeln im mathematischen Theil zu Gunsten dessen, was einen unmittelbaren Eindruck auf Organe und durch die Organe auf die Stimmung macht. Würde dieser Eindruck mehr durch das Einzelne als durch das Ganze hervorgebracht werden, so entsteht das Hinneigen zum Verborgenen. In dieses sind einige große Componisten aus der neuen Zeit gerathen, wie die Aelteren in das Trockene. Wir haben eine Mannigfaltigkeit, die Ohren werden nicht verletzt, aber das Gesetz hat nur einen verborgenen Eindruck gemacht. So wird es bei manchen besonders späten Compositionen von Beethofen gehen. Die Frage läßt sich nicht lösen, als durch die Beziehung auf die beiden verschiedenen | 104r Puncte, von denen wir ausgegangen sind und der Künstler verlangt vielmehr Spielraum. In der Musik ist es am meisten, wo der Producirende die größte Herrschaft üben muß über das Empfangende. Vergleichen wir die gegenwärtige Behandlung mit der alten, so giebt uns das die bestimmte Ueberzeugung. Das Auffassungsvermögen hat sich erweitert und ist anders bestimmt. Es hängt damit zusammen, daß das Material kein ursprünglich Gegebenes ist. Die Stimme ist allen das Ursprüngliche, aber in ihr allein ist nicht die musikalische Befriedigung. Es liegt noch mehr darin, wie die Instrumente zusammen gebracht und zu ihrer qualitativen Differenz verarbeitet werden. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hatte man schwerlich Versammlung der itzigen Orchester, zu dem man noch unorganische Klänge, wie den des Ambos(?), Janitscharenmusik pp. und dergleichen mischt. Wo das Gemessene fehlt, ist keine musikalische Bedeutung. Das Princip wirkt in der Combination fort und in der Art, wir das einzelne Instrument in der speciellen Wirkung verstanden wird. Diese Ausdehnung hat auch ihre Grenze. In früherer Zeit ward wol auf die Applicatur gespielt, aber es galt für Ausschweifung. Wenn die Violine stark gestrichen zu werden, gekniffen wird, so ist die Aufgabe des Instrumentes innerhalb seiner Grenze gebraucht zu werden verletzt. Der Umfang des Instruments hat seine Grenze durch die Möglichkeit umfaßt zu werden. Hier gilt es den reinen Sinn für die Eigenthümlichkeit jedes Instruments zu haben und sie darnach zu behandeln. Es muß die ursprüngliche Beziehung enthalten(?) aber nie in das blos Epideiktische sich verlieren. Es ist noch ein eigenthümliches Verhältniß in der Musik, das hier auf eine viel ausgezeichnetere Weise gegeben wird, die Vertheilung der Kunst selbst und die Mannigfaltigkeit der Person, durch die es hindurchgeht. – Wenn wir ausgehen von der Poesie, so ist der Dichter nicht der Componist, der Componist nicht der Sänger, oder der Ausführende. Ebenso bei der reinen Instrumentalmusik. Sehen | 104v wir auf das Symphonische, so ist die Ausführung für Einen – den Componisten unmöglich. Dazu kommt die Verfertigung von Instrumenten, die nicht blos von mechanischen Regeln abhängt, sondern wenigstens die Schärfe eines Gehöres erfordert. So ist das mechanische Kunstwerk ein gemeinsames Werk von vielen. Vergleichen wir den Zustand bei den Alten, so war es einfacher. Der lyrische Dichter war gewöhnlich zugleich der Componist und das hat zum Theil auch wol gegolten in der dramatischen Poesie. Der lyrische Dichter war nicht der einzige, der ausführte. Doch war es mehr, zumal das Instrument weniger und einfacher war. Doch durch das Getrenntyeyn des Dichters und Tonsetzers entsteht etwas Willkührliches. – Je größer die Gewalt des Gedichtes ist, je stärker der Eindruck ist, um so mehr Gemeinsames wird in der Composition seyn, die von einander unabhängig entstand. Das ist die unsichtbare Gewalt des Dichters, insofern das Objective des Gedichtes mit dem Rhythmus und dem ganzen Typus zusammenhängt. Ist der Dichter gar kein Musiker, und ist in ihm keine Beziehung auf das Musikalische: so kann auch diese Gewalt nicht ihm seyn. Hat das Gedicht Unbestimmtheiten in sich, so ist die Auffassung in der musikalischen Behandlung desto größer. Sehen wir ein natürliches Zusammengehöriges beider Künste an und wir müssen gestehen, daß ein lyrisches Gedicht nicht fertig ist, bis es musikalisch vorgetragen wird: so war der frühere Zustand vortheilhafter als der jetzige. Leugnet man diese nothwendige Zusammengehörigkeit: so ist es etwas Anderes. Es ist ein ähnlicher Fall, wie zwischen Mimik und Dramatik. Wir finden, daß ein bedeutender Unterschied zwischen dem alten und neuen Drama zu seyn schien: das Drama der Alten hatte die Ausführung nothwendig. Ist es ebenso hier? Es gab bei den Alten mehr lyrische Poesie, die von dem öffentlichen(?) | 105r Leben ausging. Es verstärkt die Gleichförmigkeit des Eindrucks, wenn musikalische Begleitung hinzukommt. Durch das Hinzukommen musikalischer Begleitung sind mehr Puncte, durch die die Zuhörer gefaßt und bestimmt werden. Wollen wir sagen, für unsere lyrische Poesie sei die musikalische Begleitung nicht so nothwendig, wie für die der Alten, so können wir das Band uns doch nicht ganz zerrissen denken. Zum Nachtheil der Musik würde es zuerst(?) auffallen. Wenn die Musik weniger in Beziehung auf die Poesie steht, so wird die Verständlichkeit auch der Instrumentalmusik abnehmen. Ebenso wäre es zum Nachtheil der lyrischen Poesie. Es wird besonders von unserer Literatur gelten. Wir sehen weniger auf die organische Wohlaute, mehr auf das Grammatische. Indem aber auch die musikalische Begleitung dabei gedacht wird, so liegt darin eine Aufforderung, nicht Töne zu suchen die sich dem musikalischen Vortrag widersetzen. Es hält ihn dies fester, auch bei dem, was im mündlichen Vortrag dem Ohr wohlthätiger ist. – Aus der Verschiedenheit der Dichter und Componisten entsteht zuerst, daß eine Menge musikalischer Kunstwerke nicht die Allgemeinheit haben, nur als Gelegenheitsstücke erscheinen. Eine gewisse Anzahl von vortragenden Künstlern muß sich zum Vortrag vereinigen. Wenn eine solche moralische Person eine gewisse Constanz hat, wie bei unseren Capellen, so ist es natürlich, daß der Tonsetzer in Beziehung auf diese bestimmte Kunstfertigkeit ihre Compositionen vermischen. Das entzieht die Allgemeinheit. Es gilt von Opern, wo für bestimmte Sängerinnen gerechnet wird, von Symphonie, wenn man auf bestimmte Instrumente Rücksicht nimmt. Wenn das Virtuose auseinander geht, so verliert das Kunstwerk an Ausführbarkeit und das Kunstwerk bekommt dadurch eine Wandelbarkeit, wenn | 105v zur Ausführung, weil das Material oder Personal nicht das ursprüngliche ist, an dem Werk geändert werden muss. – Es ist eine Unvollkommenheit die aus der größten Vollkommenheit im Ganzen entsteht. Betrachten wir das Subjective so erscheint die Vereinigung von Componist und Ausführung bei uns immer als Ausnahme. Es sind getheilte Fertigkeiten. Der Virtuose componirt selten und es giebt viele Componisten, die wenig als Virtuosen bedeuten. Bei großen Compositionen würde freilich so(?) ein Instrument auch verschieden(?) vom Ganzen. – Im praktischen Leben ist bei uns ein großer Vorzug in der Vertheilung der Arbeiten. Wir haben schon gesehen, daß die zusammen gesetzte Instrumentalmusik eine Hinneigung zum Epideiktischen hat. Wenn nun der Componist zugleich Virtuos ist, wird er dann in jedem Fall, zwei ganz verschiedene Personen seyn. Man wird es keinem zumuthen können, daß er im Componiren sich als Virtuos ganz ignoriren sollte. Es ist nicht vorauszusetzen. Sowie ein Virtuos für ein Instrument componirt so ist es natürlich daß er für sein Instrument besonders componirt. Die Fertigkeit ist nicht Eine für dasselbe Instrument, bei dem einen besteht sie besonders im Ansatz des Tons, bei einem anderen besonders in der Beweglichkeit, bei dem dritttten in den Graden der Stärke. Componirt nun jeder für seine Composition, so muß die Composition manirirt werden. Ist es von allen Seiten, so ist keine Rettung vor dem Epideiktischen. Diese Vertheilung ist hier also etwas Wohlthätiges, was die Ausartung noch etwas hemmt. Vergleicht man die Composition und den Vortrag so ist bei dem letzten ein großer Theil mechanischer Fertigkeit, wogegen das Componiren auf der intellectuellen Seite liegt. Daß es hier auch eine Ausartung giebt, ist natürlich. Man hat als Spieler eben erfunden, Wälzer und Tänze in der Composition zusammen zu würfeln. | 106r Das heißt die Composition zu mechanisiren, wie bei dem Tanz der Rhythmus(?) bestimmt ist und die Harmonie mehr mechanisirt(?) werden kann. Eben dieses, die Tonsetzung als etwas Geistiges, die Ausführung als etwas mehr Mechanisches, ist nicht zu bezweifeln. So ist die Vertheilung nicht zu tadeln, wenn nur beides auf die richtige Art nachher zusammen kommt. – Aber der Vortheil ist nicht der richtige, wenn die Composition und Ausführung bedingt wird durch eine bestimmte specielle Beziehung auf ein bestimmtes Personal. Etwas Classisches muß sich von solcher Beziehung frei halten, wenn auch die Musik die musikalisch Ausführenden im Allgemeinen berücksichtigen muß. – Ebenso ist es gewiß nur vortheilhaft für den ganzen Gang der Kunst wenn die Virtuosen keine Componisten sind. Denn zur Virtuosität gehört eine gewisse Selbstverleugnung, die schwer in der Kunst, und am wenigsten da sich findet, wo die mechanische Seite so hervorragt. – Achten wir auf die sogenannte Volksmusik, so finden wir eine Menge von Sangweisen von denen niemand weiß, woher sie stammen. So auch in der Kunstmusik dies: ihre Compositionen sind das Gegentheil von jener unbestimmten Berücksichtigung der Individuen. Jene können sich nie zu etwas Großem erheben, da ihre Ausführbarkeit verloren geht; diese aber sind zu allgemein, nur Repräsentant des allgemeinen musikalischen Volkscharakters. Dies ist der eine Entwurf: Daß es ein Mangel ist, wenn die Volksmusik nicht existirt, ist gewiß. Denken wir aber, wir hätten im Nationalgebiet eine ausgezeichnete Stimme und wir hätten eine Entwicklung für die Instrumente in Vollendung: so wäre es wieder ein Verlust, wenn es nicht Compositionen gäbe, an denen der ganze Umfang sich manifestirt. Jenes bleibt zu universell, | 106v dieses nur vorübergehend: wird blos geschichtlich, da sich Manirirtes einschleicht und nur die eigenthümliche Höhe der Kunst und(?) der Ausführung zu einer(?) bestimmten Zeit sich ausspricht. – Das Classische liegt in der Mitte. Es muß die mechanische Fertigkeit im Ganzen berücksichtigt werden, nicht blos die wenigen, die das Höchste in ihr noch nicht haben. – Es fragt sich, wie verhält sich der Tonsetzer zum eigentlichen Virtuosen. Es ist etwas Aehnliches, wie das Verhältniß des Dichters zum dramatischen Schauspieler, oder bei den Alten, wie das Verhältniß des Poeten zum Rhapsoden. Das Werk der dramatischen Dichter besteht eben vermittelst seines ganzen logischen Gehalts, es fehlt blos die aeußere Darstellung. Aber man kann doch nicht sagen, daß die musikalische Composition könnte gemessen werden ohne Darstellung. Es giebt freilich ein inneres Hören, aber dieses ist blos ein Schattenbild von dem aeußeren, wirklichen. Es können durch den Leser theoretische Fehler in der Composition entdeckt werden, aber das Ganze kann erst ganz durch die Darstellung gemessen werden. Die Darstellung ist hier erst das Kunstwerk. Das Natürliche ist, daß der Tonsetzer selbst darstellt. Wenn uns aber eine größere Gemeinschaft die Aufgabe stellt, daß die Darstellung auch da sei, wo nicht einmal der Tonsetzer sei, wenn auf verschiedenen mannigfaltigen Instrumenten: so wird das Verhältniß anders. Wie verhält sichs aber mit der Sicherheit, daß der Virtuose darstellt, was der Tonsetzer gedacht hat? Es ist so(?) wie mit dem Schauspieler. Ganz giebt es keine Sicherheit, daß der Virtuose alles so giebt, wie es der Tonsetzer will. Wichtig ist hier das System der musikalischen Beziehungen, das sich seit geraumer Zeit sehr vermehrt hat. Diese Zeichen haften aber immer an den einzelnen Tönen. Nun ist aber offenbar, daß es bei Instrument und Stimme eine verschiedene Art des Vortrags giebt. – Wodurch wird nun das erste Motiv der | 107r Musik realisirt? Es lassen sich hier nur Zeichen geben – und die ganze Musik kann nicht realisirt werden. Wo die Divinatio mit eintritt, kann auch die Willkühr nicht vermieden werden – und verschiedene werden verschieden es vortragen. Könnte es mechanisirt werden, so wäre der Virtuose nur ein mechanischer Künstler von bloßen Fertigkeiten und [...] . Es ist nicht möglich: Je weniger es möglich ist alles auf Zahl zurückzuführen noch die qualitativen Differenzen der Töne durch Worte zu beschreiben, so ist dem Virtuosen und seinem Sinn ein großer Spielraum gelassen. – Oft tritt noch ein Drittes dazwischen. Wenn vieles zur Darstellung erforderlich ist, so ist einer der die Einheit vertritt und dirigirt. Nehmen wir hinzu, daß die Empfangenden, das Publicum auch in sich different ist und daß die Vorstellung des Künstlers vor ihm einmal ganz bestimmt seyn kann. Doch je weiter sich das Kunstwerk verbreitet desto schwankender wird das Verhältniß zwischen dem Tonsetzer und Empfangenden. Die Virtuosen haben mehr die anschauliche Kenntniß von der Empfänglichkeit des Publicums. Was also in der ursprünglichen Conception Eins und sich selbst gleich ist, wird in der Darstellung ein Mannigfaltiges. Die Erfahrung ist allgemein. Nicht leicht wird man dieselbe Oper an verschiedenen Orten auf dieselbe Art hören. – Die Verschiedenheit der Capellen, die Rücksicht auf sein Orchester und auf sein Publicum sind hier die Quellen der Verschiedenheit und der Tonsetzer wird durch viele Mitglieder abhängig. Es ist ein Punct, wodurch verschiedene Künstler verschieden bestellt sind. Es ist hier nicht, wie bei der Mimik, eine andere Kunst lyrischer Gegensatz der dramatischen Dichtkunst. Hier ist die Kunst ein und dieselbe. Wo nun auf der einen Seite die Rücksicht auf den Naturausdruck so dominirend ist, wie hier, und vieles wieder von einem Tact abhängt, | 107v der nicht durch die Sprache dirigirt werden kann, da hängt die Darstellung ab von den verschiedenen Mitgliedern. – Es ist noch ein Punct übrig. Der musikalische Sinn entwickelt sich oft in einer frühen Periode, ganz außerhalb aller Verhältniße mit den übrigen Zweigen geistiger Thätigkeit. Es gibt wol keine andere Kunst, in der so häufig schon in den Kinderjahren sich diese Richtung so bestimmt entwickelt und die bestimmte Fertigkeit erzeugt. Daß in der Poesie schon so etwas vorkommt, ist nicht denkbar. Ebenso fast in der bildenden Kunst. Womit hängt diese Erscheinung zusammen? Dieses Talent liegt freilich mehr auf der Seite der Virtuosität als der Composition, wenigstens ursprünglich, so daß sich denn auch freilich früher an der Virtuosität die Composition entwickeln kann. Betrachten wir es genetisch, so ist das Erste, daß sich die Empfänglichkeit für die Töne so früh entwickeln muß. Warum kann sich die Empfänglichkeit in der Poesie und den bildenden Künsten nicht ebenso leicht entwickeln? Die Dichtkunst setzt die ganze Thatsache des Lebens, ein entwickeltes Selbstbewußtseyn voraus, um in den Dichtungen mehr als abgerissene Züge zu verstehen. Fragen wir nach den bildenden Künsten, so scheinen diese in dieser Hinsicht der Musik schon etwas näher zu stehen. Empfänglichkeit beruht auf der äußeren Anschauung und das Gesicht fängt vor ihr an zu sehen, als das Ohr zu hören. Die Empfänglichkeit für Gestaltung hat also einen Vorsprung. Doch findet sich die frühe Erscheinung nicht. Die Anlage das Häßliche zu unterscheiden kann auch eine ursprüngliche seyn, indem sie sich sehr isoliren kann – wie ein sicherer Tact in dieser Hinsicht giebt(?) es viele, die sonst auf einer untergeordneten Stufe der Bildung stehen. Die Beispiele treten uns dennoch von einer frühen Kunst nicht so vor Augen. Das Gesehene hat zugleich eine große Beziehung auf das | 108r eigentlich thätige Leben. Was der Mensch sieht, hat eine Beziehung auf die Begriffsentwicklung. Diese wird ergriffen. Hernach hat es die unmittelbare Beziehung auf die Empfindung, das Praktische. So sehen wir, wie sich das unabhängige Auffassen der Gestalt entwickeln kann, wenn sie(?) an(?) das Richtige erst geführt sind. Es wäre verkehrt, wollte man durch die Erziehung einen anderen Gang einleiten. Wollte man glauben die Beziehung mehr auf die Gestalten an und für sich, oder auf das Logische oder Praktische richten, so würde es doch nicht gelingen, sobald die Selbstthätigkeit den naturgemäßen Gang einschlagen kann. – Hat denn die Musik hier keine Aehnlichkeit? Man kann hier wol nur anführen, daß sich auch sehr früh wesentlich in den Kindern das Talent der Nachahmung, das Mimische entwickelt. Hier werden wir wieder darauf geführt, daß beide Künste verwandt sind in dem eigentlichen Naturausdruck. Die frühen musikalischen Talente werfen sich ursprünglich dann weit mehr auf die Instrumentalmusik als auf den Gesang. Woher kommt es? Der Gesang haftet mehr am Wort. Das logische Interesse ist aber noch nicht so entwickelt. Je mehr die Kinder das Instrument verstehen lernen, desto mehr richten sie sich auf den Inhalt, der Gesang wird gleichgültig. So(?) für sich ohne Beziehung auf die Erkenntniß oder das Praktische steht der Ton; er ist Naturausdruck. Ist nun Empfänglichkeit für den Ton besonders angeboren, so wird sich die Kunstanlage, wenn auch ursprünglich mehr als Receptivität und von der Seite der mechanischen Fertigkeit entwickeln, wenn die Gelegenheit des geselligen Lebens hinzutritt. Der Naturausdruck geht freilich auf die Stimmung, | 108v die Stimmung auf den Lebensinhalt. Kann nun ein Kind ohne viele Lebensinhalt die Stimmung haben – die Kinder, auch wenn ihnen noch nicht viel begegnet ist, haben doch einen gewissen Lebenston und sie gehen von Anfang des Lebens an Differenzen der Stimmung durch(?) weil diese vom Leidentlichen abhängt. Es ist also nicht so großer objectiver Lebensgehalt nöthig, wie bei der Poesie und den bildenden Künsten. – Je mehr sich nun nachher aus der Stimmung(?) freie Composition entwickelt desto mehr ist das eigenthümliche Talent versenkt(?). Aber gewöhnlich wird durch solch zeitige musikalische Entwicklung die allgemeine Bildung mehr gehemmt als gefördert. Es hat seinen Grund in der Natur dieser Kunst. Die Kunst ist isolirt – um so mehr, je weniger Tonsetzer und Darsteller ein- und dieselben sind. Was sie ausdrücken ist der Lebenston in seinen momentanen Differenzen. Ist der Lebenston da, so kann die Entwicklung isolirt vor sich gehen, ohne daß es einer bedeutenden Unterstützung bedarf von den anderen Bildungszweigen. Je mehr die Musik sich auf die anderen Künste bezieht, desto weniger setzt sie im Menschen voraus. Allerdings wird ein bewegliches Gemüth dazu gehören und man hat es oft bemerkt, daß Componisten, die sich früh entwickeln in einer kindlichen Stimmung in Ansehung des ganzen Lebens befangen sind und sich die ganze Thätigkeit in diesen eine musikalische Richtung erschafft(?).

Bildende Künste.

Architektur

Wir hatten das Gebiet der Kunst noch nicht abgeschlossen. Es fragt sich, ob die Baukunst auch dahin gehört. Die Gestaltbildung hat sie mit der bildenden Kunst gemein; aber das erste Treibende ist das Bedürfniß, das kaum(?) mit dem Kunstsinn etwas gemein hat. So scheint es als ob | 109r nicht das Ganze der Baukunst, sondern nur Einiges an der Grenze, das abgesondert werden kann, zur Kunst gehört. Es giebt Häuser die Wohnhäuser sind, gebunden an die Zwecke des Lebens. Sieht man auf die Absicht, so kann sie ausgeführt werden ohne Rücksicht auf das Schöne, ohne(?) Rücksicht auf die Uebereinstimmung der Verhältnisse. Wenn dies bei den Wohngebäuden Statt finden kann, so könnte es auch in großen Versammlungshäusern seyn. So scheint sich das Kunstgemäße von dem Zweckmäßigen sondern zu lassen. So haben einige die Sache so stellen wollen, als ob nur die Verzierungen der Gebäude, nicht der Ursprung in die Kunst gehören. Wären die Fenster nach dem Bedürfniß ungleich, und doch an Häusern und Säulengängen angebracht, so wären diese nur Verzierung und sie gehörten in den Ort, wo die Production nur Nebensache ist, der den Uebergang bildet von der gebundenen Lebensthätigkeit zu der freien. Der erste Impuls kann in dem Zweck liegen, die Vollendung in dem Kunsttrieb. So wollte man es mit der Architectur auch machen, das Wesen, wie es dem Zweck dient, sollte der mechanischen Kunst anheim fallen, was Verzierung ist, der schönen Kunst. Stellen wir die Sache so, so würde die Baukunst auf der einen Seite der Kunst näher stehen, aber auf der anderen Seite den Uebergang bilden zu denen, an denen nur etwas Schönes ist. Es ist schwer; denn führen wir es weiter, so kommen wir im Kreis herum. Ein Gebäude wird errichtet. Inwendig werden Statuen hineingesetzt. Die Statuen nehmen schon mit einem freien Raum (für einen Saal) vorlieb. Das Bild aber wollte einen geschlossenen Raum. Lassen wir es gelten, so erscheint am Ende eine ganze Gattung als pittoreske | 109v Verzierung der Gebäude . Es scheint also, das Verhältniß zu hoch gestellt zu seyn, da ein ganzer Theil vom Gemälde nur nach der Bestimmung das Gebäudes und seinen Verhältnissen bestimmt wird. Es kommt aus der Architectur ein anderes hinzu. Wir können das Schöne vom Gebäude nicht trennen, wie das Vasengemälde von einem Gefäß, das man abwaschen(?) könnte oder ein(?) [...] , den(?) man abhobeln könnte. Es sind nicht abzutrennende Theile. Es ist die ganze Gestaltung der Oberfläche. Wir verlangen daß die Façade eines Gebäudes in bestimmte Theile muß getheilt werden können. Ist sie in zwei Theile getheilt, so verlangen wir daß sie gleich seyen, ist sie in drei Theile getheilt, daß ein bestimmtes Verhältniß sei zwischen dem mittleren und den Seitentheilen. Man könnte dem Gebäude alle Verzierungen schenken, aber wenn das Ebenmaß in der Oberfläche selbst nicht Statt findet, würden wir es tadeln, und wäre es in allen Gebäuden eines ganzen Volkes, so wäre es die Spur eines noch nicht erwachten Kunstsinns. Wir müssen diese also(?) dem Kunstsinn zuschreiben – und wir sind genöthigt, der Architectur einen besonderen Platz unter den bildenden Künsten anzuweisen. Es ist keine äußere Verbindung der Trennung und Hinzufügung, sondern eine reine(?) gleichsam chemische der Durchdringung. – Aehnlich ist ein anderes Verhältniß. Wenn wir sagen die Musik ist als Begleitung des Gesanges oder der Orchestik verstanden, so ist freilich der Impuls von einem Kunstwerk ausgegangen, aber es ist doch nicht der Impuls von derselben Kunst. Wenn wir dem Impuls zur Construction des Gebäudes nachgehen, so tritt es dem Bisherigen nahe. – Betrachten wir den ganzen Umfang der Architectur, so müssen wir sondern diese Gebäude, die für das tägliche Leben unmittelbar bestimmt sind, Wohngebäude, Arbeitsgebäude(?) | 110r und solche, welche dem großen gemeinsamen Leben dienen. Die letzteren müssen nichts grandioses seyn, in ihnen unterscheiden wir wieder die Gebäude die auf das bürgerliche und diejenigen, die auf das religiöse Leben ihre Beziehung haben. Die ersten haben den Zweck, die Versammlung gegen Wind und Wetter zu schützen (ursprünglich die politische Versammlung unter freiem Himmel) ehe der Verkehr der Stimmen ganz erlischt(?). Niemand wird in der bloßen Weichlichkeit es zuschreiben wollen, daß man große politische Versammlungsgebäude errichtet hat. Es muß noch ein anderer Impuls da gewesen seyn. Betrachten wir die religiösen Gebäude, so wollen wir vorläufig von den christlichen abstrahiren. Wie war es bei den ältesten Völkern, deren Architectur wir historisch kennen? Die Tempel waren kolossale Gebäude, ursprünglich für ein einzelnes Heiligthum, wie für die Statue pp. Dieser innere Raum war von einem äußeren umgeben, der die Verehrenden zusammenschließt – dies Letztere schon mehr zufällig. Ursprünglich finden wir das Heiligthum auch ohne architektonische Umschließung, in heiligen Hainen pp. Je mehr das Heiligthum Kunstwerk wurde, sich in organische Gestalten verwandelte, um so mehr entwickelte sich der Sinn für architectonische Umschließung. Gleichartig sind diese Productionen den anderen architectonischen Constructionen, obgleich ohne dieselben Bedürfnisse. So beruht die Einheit der Kunst nicht blos auf dem Ausgegrenztseyn von dem Bedürfniß. Andere architectonische Productionen sind nichts als Monumente. Eine Ansicht sieht ja die Piramide auch als nichts anderes an, als solche Monumente, die keinen Zweck hatten, an denen nur der Gedanke geheftet war. Eine Abbildung ist bei den Monumenten etwas Zufälliges. Die Verbindung ruhte in der Schrift, und das Monument war Raum | 110v für die Inschrift oder die Verbindung war symbolisch. Alle politischen Gebäude sollten zugleich Denkmäler der politischen Zustände seyn, die den Gedanken und das Interesse fest hielten und die menschlichen Handlungen gleichsam fixirten an den Raum, in dem sie vorgehen – es läßt sich die dunkle Ahndung nicht leugnen, daß die Gebäude die Verfassung überdauern und überleben könnten, obgleich im hellenischen Bewußtseyn der Gedanke der Fortdauer der Verfassung schwebte. Insofern also diese Gebäude der Gedankenerzeugung dienen, so stehen wir der Kunst näher und wir können die Architectur in die bildenden Künste verpflanzen. Der Gedankenerzeugungsprozess ist auf der einen Seite ein solcher, von welchem die Poesie ausgeht. Das müssen wir von den religiösen Gebäuden zugeben. Sie sind der Ort der religiösen Poesie und Musik. Es galt auch von den alten religiösen Gebäuden, theils weil die Poesie und Musik auch dort ihren Sitz hatten, theils weil die Poesie und Musik sich auf die geweihten Orte und ihre Heiligthümer bezieht. – Was an den Gebäuden des täglichen Lebens nun Kunst ist, ist freilich ein Minimum. Aber es giebt den Beweis, daß die Menschen diese Gebäude des bestimmten Zweckes nicht hervorrufen können ohne daß sich innerlich ein Kunstimpuls vereinigt. So werden wir die Baukunst den bildenden Künsten beigesellen. Die innere Bildung ist die Basis aller bildenden Künste und auch der Architectur. Die Typen und Formen sind etwas der Seele Vorschwebendes, ursprünglich aufgenommen von innerlich Gegebenem, wenn nicht das System der Gestaltung der Seele angeboren wäre. Die innere Aufnahme geht in Production über und daß wir in einem solchen Process der Gestaltbildung sind, darüber haben wir uns verständigt. Suchen wir einen Zusammenhang, so finden wir allenthalben Malerei und Sculptur, das Relief als Mittelgattung; Maler und Sculptur verlieren sich auf der einen Seite(?) in die bloßen | 111r Verschönerungen. Es tritt die Architectur hinzu. Diese verliert sich in den kleinen Productionen auch in dem Gebiet der Verschönerung, auf der anderen Seite produciren sie den den Gebäuden des Zweckes inwohnenden Kunstgenuß. Nehmen wir die Architectur auf, so könnte man sagen, man habe noch andere aufzunehmen. Es sei einerlei, ob ich den Raum durch Steine, oder durch Bäume begrenze, ob der Raum geschloßen oder blos bezeichnet ist. Ist die Architectur Kunst, so sei es auch die schöne Gartenkunst, die sich in Parks pp. von dem Bedürfniß losgekettet hat. Es möchte dies aber die Grenze bezeichnen(?) auf der einen Seite, weil es kein bestimmtes Mannigfaltiges der Kunst giebt, und weil die Grenze mehr subjectiv zu(?) seyn scheint und einem herrschenden(?) Geschmack zu dienen. Aber dies gilt auch nur in gewissem Grad und beide gehören gewissermaßen zur Kunst. – Je mehr der Kunsttrieb im Allgemeinen da ist, je schärfer die Gestaltbildung hervortritt: um so mehr manifestirt sich der Kunsttrieb. Dieser muß in der Conception liegen; aber er theilt sich. Wenn wir Malerei und Skulptur betrachten, so bildet beides Gestalten, es ist nur die Außenseite daß jene auf der Oberfläche, diese in der ganzen Körperlichkeit bildet. Beleuchtung und Färbung trat in der Skulptur zurück und in der Malerei ist beides das Bestimmende. Hier ist also in der ganzen Richtung von der Auffassung zur Darstellung die wesentliche Differenz. Die Architectur hat eine entscheidende Verwandtschaft mit der Skulptur und sie hat es mehr auf das Innere des Raums angelegt. Wenn die Kunst auch mehr auf der Oberfläche sich Kund giebt, so ist sie doch wesentlich durch das Innere des Raumes bedingt. Die Skulptur bringt Gestaltungen hervor: aber nur | 111v für sich, keinen Raum für dieselben. In(?) ein fremdes Gebäude läßt sich die Statue nur einräumen. Die Architectur soll aber einen inneren Raum hervorbringen und dieser sollte auf das Daseyn lebendiger Gestalten bezogen werden. – Ein Gebäude blos zur Vorrathskammer bestimmt macht keinen Anspruch auf Kunst. Im Arbeitsgebäuden bewegen sich lebendige Gestalten, aber mehr auf mechanische Weise. Die Malerei ist das Zusammenfassen von beiden, sie bringt mit der Gestalt den Raum hervor; eine Gestalt auf einem unendlichen Raum paßt nicht, man muß sich den Raum abstechen, eben weil er sein Maß haben muß. Ein Brustbild im kleinen oder größern Raum erscheint kleiner oder größer. Sehen wir auf den eigentlichen Stoff, so kommen wir auf eine andere Differenz. Die Malerei hat es vorzüglich mit der lebendigen Gestalt zu thun. Wenn sie blos das Todte oder aus dem Zusammenhang des Lebens Herausgerissene darstellt, so ist es eine untergeordnete Gattung von beschränktem Eindruck. Doch bewegt sich die Malerei nicht blos in der Menschengestalt. Die Landschaftsmalerei ist eine große Gattung. Die Skulptur dagegen(?) hat es fast ausschließlich mit der menschlichen Gestalt zu thun. Wenn auch Abbildungen von Thiergestalten in der Skulptur vorkommen, so bleibt doch die wesentliche Aufgabe die menschliche Gestalt. Dadurch daß sich die Kunst hier beschränkt, so ist ihr Gebiet(?) eigener und gehaltener. Die Malerei hat in dieser Hinsicht eine laxere Eigenthümlichkeit. – Wie ist es mit der Architectur? Diese bezieht ihre Werke auf die menschliche Gestalt, sie bringt aber die menschliche Gestalt gar nicht hervor, kommt sie in dem Bauwerk vor, so gehört sie der Skulptur an. Woher nimmt die Architectur ihre Gestalten her? Man kennt zwei Antworten, | 112r eine, sie seyen erfunden, dann sie seyen der organischen Natur nachgebildet. Im ersten Fall wäre das Gestaltungsvermögen hier sehr ursprünglich thätig, im zweiten Fall wäre nur eine Umbildung da. Eine Analogie in der Natur zu finden ist nicht schwer. Auf den ersten Anblick scheinen freilich die Verhältnisse rein mathematisch, je nachdem das Gebäude rund oder elliptisch pp. ist. Aber die Zusammensetzung liegt nicht im Mathematischen. Das Mathematische ist freilich aus dem Product hervorgegangen – die mathematischen Figuren sind die Spur seiner eigenen Bewegung. So wie wir die architectonische Zusammensetzung sehen, so werden wir mehr auf die Analogie der Natur geführt. Beim(?) Gewölbe ist der Typ von der Natur her genommen, nur gemessen erscheint es wie in jeder Kunst. Die geradlinige Form finden wir freilich in der Natur nur im Kleinen wieder in der Krystallisation. – Achten wir darauf, daß, wo auch kein Anspruch auf Kunst eines Gebäudes gemacht wird, doch gefordert wird, daß das Gebäude in gleiche Theile theilbar sei, so müssten wir sagen, daß wenn im Ganzen die Gestaltungen aus der anorganischen Natur genommen sind, diese doch ein Glied aus dem Lebendigen sind. Es ist das Eigenthümliche des menschlichen Körpers – in dem diese Symmetrie genau beobachtet ist. Diesen Grundtypus verlangen wir vom Gebäude, ja sogar von jedem Gefäß. Hier sehen wir wie die Mathematik und die Beziehung auf das Anorganische durch die Allgegenwart einer Beziehung auf die organische Construction temperirt und allen bildenden Künsten näher gebracht wird. Je mehr die Form dem mathematischen Grundtypus sich nähert, um desto zusammengesetzter verlangen wir diese Theilbarkeit. Wenn ein Gebäude frei steht mit vier geradlinigen Seiten, so verlangen wir von jeder für sich ihre Symmetrie und verlangen, daß sie gleichmäßig | 112v sei in dem Uebrigen. Ist es nicht, so werden wir immer finden daß dem Bedürfniß zu viel geopfert ist. Sehen wir eine gothische Kirche so ist nur ein Durchschnitt möglich, durch den sie in gleiche Hälften getheilt wird. – Doch ist die Symmetrie nur Eine der Grundforderungen und sie ist die negativste. Es ist mehr die conditio sine qua non. Woran hängt denn der Wohlgefallen in der Architectur auf positiver Weise ab? Es kommt zur Symmetrie noch zweierlei hinzu. Das Eine ist das mehr allgemein Anerkannte, Eurhythmie die in dem Verhältniß der Theile zu einander liegt, die sich mit leichter Anschaulichkeit einprägt. Sind die Theile so gegen einander geordnet, daß es schwer ist, ihr Zusammengehören herauszufinden, so ist das Auffassen auch schwierig und eben deswegen ist das Kunstwerk unvollkommen. Das geht ganz und gar auf arithmetische Verhältnisse zurück. – Wenn die Facade eines Gebäudes ein reines Viereck darstellt, so wird es keiner loben. Wenn die Höhe gegen die Länge verschwindet, so wird es auch kaum Einer schön finden. Man wird ein gewisses Maß, eine Differenz verlangen. Eine gewisse Einheit hat immer die Vorstellung von der Bestimmung des Gebäudes. In einem Excercirhaus ist ein großes Verhältniß der Länge gegen die Höhe; in einer Kirche wäre es unausstehlich. Ist man über die Bestimmung zweifelhaft und findet ein Verhältniß was nur durch eine besondere Beziehung könnte gerechtfertigt werden, so wird man tadeln. Es ist also die Beziehung auf das Arithmetische ein Wandelbares nach dem Letzten(?). Selbst eine Exercirhaus oder ein Stall wird uns zu lang seyn können; ein Gradirhaus – mehr in den Begriff des Mechanischen(?) hineingehend – kann so lang seyn als es will. Das Architectonische verschwindet. Dieses Arithmetische ist eine Analogie zwischen der Architectur und Musik. Man hat daher ein Analoges zwischen diesen beiden | 113r immer gefunden. Ehe ich die Symmetrie nur in dem Auffassen zu einem Gleichzeitigen gemacht habe, so lange wird das Architectonische den Intervallen in der Musik entsprechen. Ebenso wird es Dissonanzen geben, die zunächst auffallen können, aber durch das Folgende aufgelöst werden. Das Ganze ist erst gegeben, wenn alles dem Sinn gleichzeitig geworden ist – der Accord des Ganzen. In der Architectur ist es für das Auge nur anschaulich, in der Musik für das Ohr und mehr auf Einsicht und Ueberlegung beruhend. Im Wesentlichen ist die Idealität in dieser Beziehung nicht zu erkennen. Manche Kunstlehrer haben diesen Zug als Haupttypus aufgestellt, wodurch die Architectur auf Musik gleichsam könne reduzirt werden. Es hält aber im Einzelnen nicht Stich. – Der Raum und die Erfüllung ist Sache der Architectur. Man hat geleugnet, daß ihr das als Kunst zukomme. Es sei mehr Eindruck der Kraft, als der Kunst, mehr sittlich als aesthetisch. Man hat den Grundsatz aufgestellt, daß es hier blos die Größe sei. Durch den verringerten Umfang kann allerdings eine Einschränkung der Subsumtion unter die Kunst entstehen, wie etwa bei einer kleinen Figur der [...] . Es ist hier das Unangemessene für das Organ. – Wenn wir die Architectur nehmen, so werden wir sagen müssen, daß, wie man jetzt die hübschen Modelle von Kork hat, dies nur eine Erinnerung an das Kunstwerk ist, obgleich alles dasselbe ist. So sehen wir es nur als etwas Mechanisches an. Wir machen einen Unterschied, der doch nur auf den Begriff der Masse zurückzuführen ist. Ein Kartenhaus noch so schön in Symmetrie und Eurhythmie wird uns kein Kunstwerk bedeuten(?). | 113v Es mag das von der Verwandtschaft mit dem Mechanischen herrühren. In dem individuellen Gebäude ist keine Symmetrie und Eurhythmie, es springt aus der Masse hervor, man betrachtet in ihm(?) also nur die Vereinigung menschlicher Kräfte. Aber auf der anderen Seite muß man zugeben, daß dies in jedem Eindruck, den ein architectonisches Werk auf uns macht, mit hineingeht. Die Architectur verschmäht die Miniatur am meisten. So auch freilich in anderen. Den Kirschkern, auf den 100 Gesichter geschnitten sind, werden wir für kein Kunstwerk mehr halten, weil es unter der Masse zurückbleibt. Es scheint nun in der Architectur umgekehrt. Am Modell können wir alle Verhältnisse wahrnehmen. Es ist nicht rein das Umgekehrte, da der Eindruck(?) nicht mit der Größe unbedingt zunimmt. Wir setzen ein Maximum und rechnen(?) nachher nicht mehr die Größe. In der Malerei, Sculptur und Architectur finden wir das Verkleinerte, das Natürliche und Colossale. Das Natürliche hat im Gebiet der Architectur einen großen Umfang, da es nicht an bestimmte Gestalten gebunden ist, sondern es ist immer nur das Verhältniß des Raumes zu den Gestalten, die sich darin bewegen sollen. Wenn das Maß auf solche Weise überspannt(?) wird, so ist das Große nicht mehr bestimmt durch die Beziehung auf den Zweck. Wenn wir eine Kirche, wie den cölnischen Dom betrachten, so ist das Verhältniß für ihren Zweck viel zu groß. Gehen wir auch davon aus daß es bei dem Cultus für den er bestimmt ist, mehr auf das Hören als das Sehen ankommt, so werden wir doch dasselbe sagen. Wozu ist eine Zweck überschreitende Größe? Doch wol um dazu die Gewalt der Menschen und der Massen darzustellen. | 114r Man wird auf der einen Seite sagen müssen, daß es mechanisch ist. Aber auf der anderen Seite vereinigt es sich innig(?), auf eine chemische Weise mit dem eigenthümlich Schönen. Eine große Ringmauer macht an und für sich den Eindruck nicht. Also ist es nicht das Maß an und für sich, sondern nur als Subject der Symmetrie und Eurhythmie. Hat die Masse keine innere Theilung oder die innere Theilung keine Masse: so ist kein Eindruck da. Es ist die architectonische Basis. – Eine Steigerung [...]

Worauf beruht es? Die architectonische Masse soll ein vielfach Getheiltes seyn, je vielfacher sie getheilt ist, desto größer ist die Differenz der Verhältnisse, die das Organ in sich aufnehmen soll. In einem kleinen Modell von einem architectonischen Kunstwerk verschwinden die Säulenkapitäle für das Auge. Betrachtet einer sie mit der Lupe, so verschwinden wieder die großen Linien. Also ist dies zu klein. Was zu groß seyn soll, müsste eine Größe haben, die wir mit demselben Organ nicht fassen können, von dem Punct aus, von dem wir noch das Kleine sehen. Und je größer das Maß ist, um so weniger vielfältig darf die Masse seyn, weil das Verhältniß desto schwieriger aufzufassen ist. Wir finden Instanzen. Der Kölner Dom ist ein kolossales Gebäude und doch mit unendlich vielen Verzierungen, die fast ganz die Masse unendlich klein werden läßt. – Warum stört es nicht? Einige werden sagen, sie stören allerdings. Andere aber werden sagen, es störe deswegen nicht, weil diese Verzierungen auf eine leichtfaßliche, im beständigen Wechsel wiederkehrende Zahl zurückkehren. Die Gemessenheit mit einer absoluten Vollständigkeit ist | 114v das Grundelement des Kunsteindrucks. – Dieses fassen die drei Elemente Symmetrie, Eurhythmie und Massenverhältnisse. Nun ist besonders in Betracht zu ziehen, was man in der Architectur Verzierung nennt. Wir unterscheiden es als das Zufällige von dem Wesentlichen und doch verlangen wir es. Der Maßstab ist sehr verschieden. Man streitet nicht blos ab den Platz, sondern auch was man dahin zu rechnen hat. Das Gießhaus in Berlin ist oft angeführt worden als vorzügliches Werk in der Angemessenheit der Idee. Es ist aufgeführt zu mechanischer Arbeit, aber in der soliden Natur. Die Bewegungen erschüttern das Gebäude. Es muß also niemand auf den Charakter der Masse in der Festigkeit hinweisen. Diese findet sich im Gießhaus. Könnte das Gebäude nun nicht ohne alle Verzierung seyn? – Der eine würde vielleicht antworten: fehlt die Verzierung, so ist kein Anspruch auf die Schönheit der Kunst. Durch sie nur springt hervor, daß die Norm der Verhältnisse(?) nicht blos mechanisch bestimmt ist. Ein Zweiter würde vielleicht keine Verzierung verlangen. Ein Dritter die Verzierung verwerfen, da die Beziehung auf das Mechanische in dem Gebäude liege. Diese Fragen sind entgegengesetzt nicht blos in Rücksicht der Architectur im Allgemeinen, sondern auch in den Verzierungen. – Denken wir den Festungsbau, so wird man noch mehr bedenklich seyn, ob und inwiefern es zur schönen Kunst gehört. Ein Ort, wie Ehrenbreitstein wird keinem als Kunst(?) imponiren. Es ist blos die Masse. Aber Vieles fällt beim Festungsbau unter Symmetrie und Eurhythmie, das sich mit den Gesetzen des Zwecks hier verträgt. Im Raum kann der Baumeister bescheiden(?) seyn, aber im Wesentlichen ist keine Unbestimmtheit(?). Werden wir in einem Festungsgebäude Verzierungen verlangen oder gar verwerfen? Sie werden uns willkommen seyn, wenn wir sie finden. Passen sie, so wird man es dem Zweck zu gut halten. | 115r Findet man aber an schicklichen Orten, wie an dem Thor, Verzierungen, so ergiebt sich dadurch doch, daß der Baumeister sein Werk auch aus dem Gesichtspunct der Kunst will betrachtet haben. Gerade bei solchen Gebäuden, bei denen es zweifelhaft ist, ob sie aus dem Gesichtspunct der Kunst zu betrachten sind, müsste es gut seyn, Verzierungen zu haben. – Was sind Verzierungen? Das bloße Werk des gebundenen Zwecks gehört nicht zur Kunst. Ihm wird man die Säule entgegenstellen. Sagt man die Verzierungen verhielten sich wie das Zufällige zu dem Wesentlichen, so wäre die Säule zufällig. Aber haben sie keine Beziehung auf den Zweck, so tadelt man es, wenn man sie findet. Die Säule trägt. Die Säule ist nur die unterbrochene Wand, die Säulen umschließen den Raum, ohne ihn zu verschließen. Was so selbständig wie die Säule heraustritt, ist keine Verzierung. – Wir sind davon ausgegangen, daß die Architectur einen mathematisch gestalteten Raum bildet, wogegen die Skulptur nur organische Gestaltungen bilde. Die Verzierungen scheinen(?) dem Organischen nachgebildet zu seyn, vegetabile Gestalten oder organische Theile oder wirkliche Werke der Sculptur, die ein accessorium bilden, wie Statuen pp. Indem diese Werke zur Skulptur gehören, müßen sie dort beurtheilt werden. Hier fragt sich nur, ob sie richtig angebunden sind, oder ob ein Verhältniß zum Ort Statt findet. Aber nicht alle architectonischen Verzierungen sind von dieser Art. Die Verzierungen an den Capitälen, die Rosetten an den Balkenkörpern pp. können nicht zur Skulptur gehören, es steht im relativen Gegensatz zu der Linie und Fläche, die das Gebäude selbst bildet. Was liegt bei der Verzierung für ein Streben zu Grunde? Das Bestreben mehr Gestaltung in die Masse zu bringen. | 115v Wo durch die Idee des Gebäudes keine Theilung gegeben wird, ist die Verzierung an ihrer Stelle. So findet man Verzierungen an den Bastionen, Waffen(?) mit Laubwerk u.s.w. Es ist das Bestreben die ungetheilte Masse mehr zu brechen und da durch die Idee des Gebäudes nichts bestimmt ist, so tritt die natürlich vorhandene Neigung, organische Gestaltung zu bilden wieder hervor, aber größtentheils unter der Gestaltung des Phantastischen, Arabesken pp., wie auch die Capitäle der Säulen keine Copien mehr sind von etwas Organischem: Sind die Verzierungen in zu geringem Maße, so gehört es dem Trocknen, in zu großem, dem Ueberladenen an. Wenn der Eindruck des Massenverhältnisses leicht ist, so sind die Verzierungen weniger nothwendig. Ueberladen können sie auch nicht blos in Hinsicht der Quantität, sondern auch der Mannigfaltigkeit seyn, wenn sich das Einzelne nicht auf einen allgemeinen Typus zurückführen läßt und dasselbe für sich beschäftigt. Jetzt werden wir den Character der Architectur genauer bestimmen können. Der allgemeine Kunsttrieb erhält die architectonische Richtung freilich durch die Richtung auf das Bedürfniß des gebundenen Lebens und zwar des öffentlichen Lebens, worauf jene Kunst sich besonders bezieht, mit dem sie auch deswegen in besonderer Gemeinschaft steht. Der Charakter des gemeinsamen Lebens ist die Vereinigung der Naturkräfte, und zwar sowol im Religiösen als Politischen auf religiöse Weise. Wird der Ausdruck dieses Charakters allein in der Quantität der Maße gesetzt, so ist das erst der rohe Anfang. Denken wir aber dies, daß die meisten Gebäude einem Zweck dienen, so wird(?) sich die Kunst über diesen erheben und wie immer, so auch hier etwas schaffen, was für sich betrachtet werden kann. Finden wir colossale | 116r Gebäude, deren Länge in gar keinem Verhältniß ist zur Höhe und Breite oder Piramiden, so ist dieses noch die Kindheit der Kunst. Später finden sich in der hellenischen und gothischen Kunst entschieden verschiedene Typen. Die gothischen Gebäude sind mehr auf die Masse berechnet, und man hat sie deshalb von der Kunst ausgeschlossen, zumal da man behauptete, der Kunsteindruck müsse unabhängig seyn von der Quantität der Masse, davon sei aber die gothische Kunst nicht unabhängig. Es wird die Größe der Masse nicht ausgefüllt, aber daher eigenthümlich herrscht nur die Idee der siegenden Kunsteinheit. Dazu ist dann eigentlich das Gestalten aus starrer Masse nothwendig, denn Gebäude von Erde oder Ziegeln machen überhaupt nicht den Eindruck, wie die aus reinem Stein. Das Verkleinerte steht, wie in allen Künsten, auch in der Architectur auf untergeordneter Stufe. Die gothische Baukunst soll das nicht zulassen und man will daraus ihren Kunstwerth bestreiten, aber sie läßt es zu, z.B. bei Monumenten, Brunnen pp. Man kann also wol die hellenische und gothische Kunst neben einander stellen und sie vergleichen. In der ersten war Religion und Politik überall vermengt, in der zweiten ist beides bestimmt geschieden und die Religion herrscht vor, indem man schwerlich ein gothisches Gebäude mit politischer Tendenz aufweisen könnte, das so einen Kunstwerth hätte, als eine gothische Kirche. Diese erheben sich alle über das Bedürfniß, nähern sich hier aber der Kunstgrenze, da bei der Uebergröße keine Einheit der in ihnen vorgehenden Handlungen möglich ist. Bei den politischen Gebäuden herrscht hingegen die Rücksicht auf den Zweck so vor, daß Symmetrie und Eurhythmie darunter leiden. Schwieriger ist die Beurtheilung des besonderen Typs der hellenischen und gothischen Kunst, worüber es nur Hypothesen geben kann. Besondere Nachahmungen der Natur | 116v sind wol nicht anzunehmen, wenn auch ein allgemeiner Zusammenhang zwischen den Kunstgestalten und Naturgestalten ist. Es ist hier mehr allgemeiner klimatischer Unterschied. Aber auch diesen kann man um so weniger sehen, je mehr ein Volk zum Wandern neigt oder das Wanderungen seine Existenz verdankt, wie es bei Hellenen und Deutschen der Fall ist. Es scheint daher die Kunst mehr ein Act der reinen Selbstbefreiung zu seyn, wobei dann die Kunstanschauung mit der Naturanschauung zusammen stimmt [...]

| 118r Statt gefunden. Der Sinn für das Architectonische fehlt mehr im Volk. Es giebt bei uns noch eine innige Verbindung zwischen den redenden Künsten und der Architectur. Die Beredsamkeit bedarf an und für sich einen umschlossenen Raum, die Dramatik für die Darstellung. Sonach sind Kirchen auf der einen Seite, Theater auf der anderen Seite das Höchste, was die Architectur hervorzubringen hat, wenn sie sich nicht etwa in Schlößer vergraben muß. Es giebt Länder, wo die Mimik mehr Bedürfniß ist, aber mehr durch die kleinen Privatkreise und die Privatgeselligkeit. Es kann daher schwerlich eine architectonische Begeisterung entstehen zur Aufführung solcher Gebäude. Das Zufällige, auf einem persönlichen Geschmack Beruhende ist für die Architectur in sich selbst ein Mißverhältniß, darf gar keinen Anspruch auf die Dauer machen. – Sehen wir auf das Verhältniß zur Musik, so gehört auch zu der Musik ein eingeschlossener Raum, aber sie ist der redenden Kunst untergeordnet – für die Instrumentalmusik haben wir eigentlich auch keinen Sitz als das Gesellige. Zwischen Architectur und Musik ist aber ein gewisses inneres Verhältniß, wenn man auch nicht so weit gehen wird, wie man gegangen ist, daß die Architectur erstarrte Musik sei. Es beruht auf dem Rhythmus und es sind analoge Zeitverhältnisse für das Ohr und das Auge, zwischen Consonanzen und dem gefälligen Verhältniß der Länge und Breite und Tiefe. Der Accord kehrt hier auch wieder, da man es mit Zahlenverhältnissen zu thun hat. Aber wie man den Ton nicht blos im Arithmetischen zu suchen hat, so auch nicht im Architectonischen. Daß wir aber das Verhältniß der Linien(?) und Fläche mit dem Auge wirklich messen, ist | 118v nicht zu leugnen und die Arithmetik tritt noch mehr hervor. So könnte man es vielmehr umkehren, die Musik sei zerfloßne Architectur. Es läßt sich die Analogie weiter treiben: Ein musikalisches Thema ist die melodische Succession der Accorde. Was diese verbindet, was musikalische Figur ist, verhält sich wie Verzierung zu der architectonischen Linie und die verschiedenen Vorkommen bezüglich(?) ebenso verschiedenen Stilen und Kunstgattungen. Auf der anderen Seite ist wieder der größte Gegensatz. Das musikalische Kunstwerk theilt sich im Hervorbringen, und erfordert einen spontanen und mehr receptiven Künstler, und im(?) Zusammenstimmen mehr Virtuosen. Aber die Genialität eines Gebäudes steckt allein in dem Riß(?). Das andere ist durchweg mechanisch. Daraus, daß alles Künsterlische im Urbild liegt, erhellt zugleich, wie fest doch der Platz der Architectur unter den schönen Künsten steht(?). Alles in der Ausführung der Baukunst ist mechanisch, in der Musik muß alles bis zum letzten Hauch von demselben(?) Geiste bewegt seyn. Die Organe bei der Musik sind auch geistige, wie die Stimme. Die Kräfte, welche in der mechanischen Ausführung der Gebäude thätig sind, könnten durch Maschinenwesen(?) mehr ersetzt werden. Sie constituiren sich beide an den verschiedensten Enden der Kunst in dieser Hinsicht. – Wie verhalten sich die Architectur und Skulptur und Malerei? In vielen Hinsichten bedingen sich beide gegenseitig. So weit möchte es nicht getrieben werden dürfen, wie Goethe sagt, daß jedes Werk der bildenden Kunst die Verzierung eines gewissen Raumes ist. Aber dadurch wird die Architectur zu hoch gesetzt. Skulptur und Malerei wären dann für(?) | 119r die Architectur nur ihre eigene Verzierung, aber vom Körper des Gebäudes mehr gelöst. – Doch muß für das Werk der bildenden Kunst der Raum vorhanden seyn oder mit ihm entstehen. Der Bildhauer, der eine Statue machen will, wird fragen, woher sie kommen soll – und er wird in mancher Hinsicht anders arbeiten, je nachdem der Raum ein anderer ist. So ist das Altarblatt besonders in der alten Form der verschließbaren Thore(?) durch den Raum bestimmt. In dieser Hinsicht ist der göthische Ausdruck richtig. Nimmt man es nicht so streng, so stellt dieses Verhältniß das Gleichgewicht zwischen der Architectur und den anderen Künsten wieder her. Wenn ein Maler skizzirt, wird er nicht daran denken, daß es ein Thorstück(?) oder dergleichen seyn soll. Wird ihm das Gemälde aufgegeben, so wird das Gemälde durch die Mitbestimmung des Raums nicht aufhören ein Kunstwerk zu seyn. Ebenso kann die Architectur dadurch, daß sie für das Bedürfniß arbeitet, nicht aufhören Kunst zu seyn.

Skulptur

Wir haben die Malerei und Skulptur von der Architectur unterschieden als solche die lebendige Gestalten hervorbringen. An die Architectur schließt sich die Skulptur durch Gleichheit des Stoffs an und dadurch daß die Sculptur wirkliche körperliche Gestalten bildet, die Malerei dagegen Fläche. Doch muß man nicht mehr in dieses Letzte hineinlegen, als darin liegt. Man stellt die Differenz zu groß dar. Die Organisation der Oberfläche nähert sich der Architectur an. Die Malerei läßt immer nur die Hälfte der Gestalt erblicken, die Sculptur die ganze. Es ist richtig bis | 119v auf einen gewissen Punct. Denn das Auge überschaut auf ein Mal doch nur die Hälfte. Ist der volle Unterschied zwischen Architectur und Sculptur, daß jene mit anorganischen, diese mit organischen Gestalten zu thun hat und der Unterschied zwischen Malerei und Sculptur, daß jene auf der Oberfläche, diese auf der körperlichen Masse bildet: so ist das Verhältniß auf der einen Seite zu wenig. Es kommen nur in dem Werk der Skulptur ganz fingirte Gestalten vor(?) und es giebt einen Uebergang von der Architectur zur Malerei, der durch ein minimum von Lebendigem beide vermittelt. Die fingirten Gestalten, wie anorganische und organische Idole können auch nach der Art der Malerei producirt werden, man kann sie aber nicht für wahrhaftige organische Gestalten halten. Es kann jemand sich die Probe machen, einen Centauren der Oberfläche nach zu bilden – keiner aber des inneren Organischen nach. Es ist also innerlich(?) nur die Architectur(?). Es giebt Uebergänge aus der Architectur in die Skulptur. Diese finden wir fast in allem Frühern angedeutet. Bei der architectonischen Verzierung finden wir Rosetten gebildet aus Verschlingungen von Kreisen und Curven, die vegetabilen Formen gehen in einander über. Je weniger sich die Natur bestimmt ausdrückt, um so mehr sind die Formen des Lebendigen nur auf entfernte Weise nachgebildet. Es ist der Uebergang. Denken wir an die Hermen, so sind es Monumente, nur der obere Theil stellt den Kopf dar, es ist ein Verlaufen vom Lebendigen ins Leblose, eine wahre Zwittergestalt halb der Architectur, halb der Sculptur angehörig, ähnlich der naturphilosophischen Fiction, wo alles aus der todten Masse | 120r hervorgebildet wird, oder aehnlich der Stufe, wo das Leben in die Versteinerung übergeht. Es scheint die Skulptur aus der Architectur hervorzugehen. Die steifen aegyptischen Statuen haben durch ihr minimum an Leben noch fast eine architectonische Gestaltung. Eine solche Statue in die Nische geschoben giebt den Schein, als löse sie sich eben von der Wand ab. Diese sind offenbar das erste Werk der Sculptur. Nehmen wir die fingirten Gestalten hinzu, wie diese auch der ältesten Gestalt angehört, so sollte man sagen, daß das Bestreben, die wirklich lebendige Gestalt hervorzubringen erst allmählich aus dem Architectonischen entstanden ist. Freilich sind jene Werke noch dem eigentlichen Geist der Skulptur fremd, der Geist ist sich gleichsam noch nicht bewußt geworden; wir finden ihn in der indischen und aegyptischen Kunst nur in abentheuerlicher Gestaltung oder kolossaler Größe. Sehen wir die Entwicklung, so ist es immer das Hinstreben zur Darstellung der menschlichen Gestalt. Wo diese hervortritt, hat die Kunst ihr Gebiet ergründet. Vergleichen wir Skulptur und Malerei, so finden wir die abentheuerlichsten und willkührlichsten Bildungen auch in der Malerei und in der bestimmten Gattung der Arabeske, wie in der Skulptur und im Basrelief. Die abentheuerlichen Göttergestalten sind eben so in der Malerei dargestellt. Aber wo wir sie auf ihrem Gipfel finden, ist ihr Umfang größer. Die Darstellung menschlicher Gestalten wird die Hauptsache seyn, aber sie verschmäht die anderen nicht. Die Landschaftsmalerei bleibt immer weltlich(?). Die Skulptur kann sich mit den vegetabilen Gestalten nicht befassen. Die Malerei kann | 120v Thiergestalten freier und in größerer Fülle bilden. In der Skulptur kommen auch Thiergestalten vor, aber doch mehr als fingirte(?). Diese stimmen mit den abentheuerlichen Gestalten zusammen. In der Skulptur stehen sie auch immer in Bezug auf die menschliche Gestalt. Die Bildung eines Theils an und für sich, wie die myronische Kuh, ist immer eine untergeordnete Gattung und liegt an der Grenze. In der Malerei gehören die Thiergestalten in die Landschaftsmalerei besonders. – Woher sollen wir diese großen Unterschiede zwischen Skulptur und Malerei ableiten? – Es läßt sich schwerlich denken, daß eine Gruppe von organischen Formen, wie sie auf dem Gemälde einen Kunsteindruck giebt, in der Skulptur diese hervorbringt. Es scheint also ein Gegensatz zu seyn zwischen dem Material und dem Urbild. Die Beweglichkeit der Vegetation durch die Luft läßt sich im starren Stoff nicht nachbilden. Doch ist diese nicht eigentlich das Wesen. Die Begrenzung in ihrem Princip(?) liegt noch nicht darin. Wir müssen etwas anderes hinzunehmen. Die Malerei, wenn wir sie in ihrem eigentlichen Wesen betrachten und nicht das Schattenbild der Kunst mit der Kunst selbst verwechseln wollen, so hat sie es besonders mit den Lichteffekten zu thun. Die bloße Zeichnung ist nur das Schattenbild. Erst wenn in der Zeichnung Licht und Schatten hineingetragen werden, beginnt die Kunst selbst. Die Umrisse an und für sich sind nur die Grundlage, nicht das Werk selbst. Aus dem Umriß kann ein Kunstwerk werden, ist es aber noch nicht. Davon weiß die Skulptur nichts. Freilich finden wir bei den | 121r Alten, daß einzelne Meister anorganische Theile der Statue bemalten. Es ist das aber eine Verwirrung. – Denn es steht in Widerspruch mit der Aufgabe, daß die Gebilde von allen Seiten sollen betrachtet werden können. Es kommt bei den Alten auch nur als Rest aus der früheren Zeit vor und vielleicht als Rest eines Bedürfnisses bei kolossalen Figuren. Jede Beleuchtung wird vorherrschend günstig seyn für einen Theil der Statue. Was bei der Malerei nur als Unterlage erscheint, ist bei der Skulptur das Ganze – es ist der Umriß der ganzen Gestalt, und nichts weiter als das aus diesen beiden zusammen genommene, daß sie auf die Umrisse bei allem geht und nach der Darstellung des Lebens strebt, muß die ganze Kunst construirt werden. Bei der Malerei werden die Lichteffekte nicht der Natur überlassen, sondern in den Rahmen eingeschlossen und es muß das Licht von außen nur nicht widersprechen. – Fassen wir diese Unterschiede ins Auge, so fragt sich, ist das Princip der Begeisterung in beiden Künsten ein und dasselbe. In der Skulptur ist die Bildung wesentlich für das Animalische und eigentlich für das Menschliche. In der Malerei ist die ganze Natur Gegenstand für den Künstler – nur das Todte seinen Bezug auf das Lebendige haben muß. Betrachten wir diese verschiedene Ausdehnung auf der einen Seite, so müssen wir sagen, daß noch etwas anderes da ist in der einen und in der anderen. In der Skulptur tritt mehr die Begeisterung durch die lebendige Gestalt hervor: Wo diese als das Princip hervortritt, ist die Skulptur von der Architectur befreit. In der Malerei ist mehr die Begeisterung für das Licht, als dem medium wodurch wir das Licht erblicken – aber es kann nicht anders dargestellt werden | 121v als im lebendigen Spiel mit der Gestaltung selbst und dieses ist wieder nur im höchsten Maß in den lebendigen Gestalten. Von hier aus können wir das Gebiet festsetzen. – Was machen wir nun mit jenem ältesten Werk der Skulptur, das so abentheuerlich erscheint? Können wir uns damit zufrieden geben, daß es die architectonische Arabeske sei ins Große getrieben. Es muß weiter getrieben werden. – Es sind zwei Gebiete, die sich in unserer Zeit getrennt haben, das politische und religiöse. Auf diese Weise finden wir, daß die Architectur auf einer ursprünglichen Production des menschlichen Geistes beruht. Fast alle jene Gestalten sind mythologisch,und stehen mit der religiösen Production in unmittelbarem Zusammenhang. Hier können wir nicht in die inneren Gründe hineingehen, wie man dazu gekommen sei, das Hohe, das Göttliche unter solchen Formen darzustellen. Es liegt auf einer Entwicklungsstufe, wo Bilderzeugung und Gedankenerzeugung noch nicht genug(?) getrennt ist, es ist ein phantastisches Umhergreifen. Aber alle diese abentheuerlichen Bildungen haben doch eine symbolische Dignität und der Tempel und die Göttergestalten gehören in dieser Hinsicht zusammen. Je mehr die Architectur nur noch allein durch die Masse wirken will, so lange will auch die Skulptur noch durch die abentheuerlichen Gestaltungen wirken. Wie ist man nun von da übergegangen zum eigentlichen Princip der Natur ganz wahrer lebendiger Gestalt? Es ist die Verwandlung der abentheuerlichen Bildungen der Götter in die Menschengestalt. Mit ihr parallel geht das mythologisch Mystische der Religion in das Ethische über, wie(?) | 122r die Beziehung der Naturkraft übergeht von der Naturkraft zum Historischen. Hier entsteht die Skulptur in wahrem Sinn. Es bleibt eine Fiction, höhere Wesen in menschlicher Gestalt darzustellen, so wie Geistesthätigkeit an andere Gegenstände zu knüpfen als die menschliche. Aber es führt dieses Fictive doch auf das Gebiet der Wahrheit und hier kann die Production des Einzelnen erst recht hervortreten. Jene symbolischen Gestalten gehören eigentlich der mythologischen Periode an und der Einzelne mußte sich wol an den gegebenen Typus halten ohne eigenthümliche Urbildung. – Aus den abentheuerlichen Gestalten sind keine Kunstgesetze für die Darstellung zu abstrahiren. Wir werden auf die menschlichen Gestalten zurückgewiesen.

Umfang des Gegenstands. Die antike Skulptur ist mehr beschränkt, die moderne weniger gebunden, weniger in das öffentliche Leben übergegangen. Die älteren Bildungen, die mehr orientalischen Ursprungs sind, sind mit kolossalen architectonischen Bildungen zusammenhängend [...] : selbst kolossal. Die menschliche Gestalt postulirt hier eine Beziehung auf die Wahrheit. In der Masse ist hier eine abnehmende Progression. Wir finden in Absicht der Größe auch eine verkleinerte Skulptur von den verschiedensten Maßstäben, Statuen unter menschlicher Größe, alsdann noch kleinere, zum Theil als bloße Verzierungen bestimmt. So geht es bis zur Steinschneiderei, wo die allergrößte Verkleinerung ist. Wir finden Kunstwerke, auf die man einen hohen Werth legt, in diesem kleinen Maßstab. Wenn wir das Kolossale mit der natürlichen Größe und diese Miniatursteine(?) vergleichen, so ist das Kolossale in gewissem Sinn über der Grenze der Kunst hinaus. Denn die Begrenzung, daß die Statue soll von allen Seiten | 122v betrachtet werden, findet sich(?) hier nicht mehr. Eine Statue für eine Nische kann diese Forderung nicht erfüllen. Aber es ist für den Bildhauer auch nur ein halbes Werk. Kolossale Statuen können nicht von allen Puncten betrachtet werden. Es bleibt immer eine bestimmte Richtung des Auges – was ursprünglich ganz die Richtung der Sculptur ist. Gewöhnlich werden sie für einen höheren Standpunct gearbeitet. Der Sehwinkel wird auf jeden Fall ein anderer – und die oberen Theile erscheinen verkleinert. Es ist die natürliche verticale Perspektive und ein pittoresker Effect. Will der Künstler die Statue so arbeiten, daß man sie im natürlichen Verhältniß sehe, muß er sie in einem anderen Maß arbeiten. Dabei müssen mahlerische Gesichtspuncte eintreten. Es scheint sich daher eigentlich die Sculptur auf die ursprüngliche Wahrheit der Natur zu concentriren. Denken wir uns eine frei stehende Statue, so kann der Schauer entfernter seyn, aber steht sie nur im horizontalen Verhältniß mit ihm gleich, so hat der Künstler keine Rücksicht darauf zu machen. Der Künstler denkt sich einen Standpunct, wo der Schauer die Statue übersehen und gehörig unterscheiden kann. Dies wird noch in einer bedeutenden Entfernung seyn. Betrachten wir aber die Miniatur, so wird vieles, was sich noch entfernt unterscheiden läßt, hier zum Punct werden. Die Aufgabe, mit Klarheit und Deutlichkeit zu arbeiten, wird eine schwierigere. Wir kommen hier an die Grenze von der anderen Seite, an das Epideiktische. Vieles kann nur mit dem bewaffneten Auge ganz unterschieden werden. Das ist Darlegung einer blos mechanischen Vollendung. Die Alten konnten auf solche Bewaffnung nicht Rücksicht nehmen und sie mussten sich | 123r blos an das Allgemeine halten. Die Figur auf die natürliche Gestalt zurückgeführt, würde mehr als Skizze erscheinen. Das Kolossale und die Miniatur sind also die beiden Grenzpuncte und das eigentliche Feld liegt in einem kleineren Umfang um die Größe her. Verkleinertes kann ursprünglich nur als Zierrath gemeint seyn und das Kolossale kann nur aus besonderer Bestimmung gerechtfertigt werden. Denken wir uns den Trieb des Künstlers frei, so wird kein Grund vorhanden seyn, über die Naturwahrheit hinauszugehen. Das Kolossale war seltener – und mehr Gegenstand einzelner barocker Aufgaben. Die verkleinerte Skulptur hat von jeher viele Künstler gefunden. Wir müssen darauf zurückgehen, daß diese kleinen Gestalten als Schmuck getragen werden sollten. Die Kunst arbeitet für die Gestalten. Die volle Wahrheit der Gestalten kann im kleinsten Maßstab wieder gegeben werden. Je bedeutender eine kleine Figur(?) wird, um so mehr zeigt sich, wie vollkommen dem Künstler die Gestalt vorschwebte und wie bestimmt die Hand dem inneren Bild gehorchte. Es ist keineswegs blos mechanische Virtuosität. Der Eindruck kann rein und klar werden. Wir haben jetzt das Qualitative und Quantitative berücksichtigt. Es fragt sich noch etwa, wozu die Malerei Veranlassung giebt. In einem Gemälde können verschiedene Gestalten zusammen da seyn, kurz die Gruppierung der Gestalt. Wie steht es hier in der Skulptur? Ursprünglich erscheint sie auf die einzelne Gestalt beschränkt. Es ist eine Verbindung möglich – und es giebt solche Verbindungen, aber auf eine geringe Anzahl beschränkt. Über diese kann die Sculptur nicht hinausgehen, ohne auf der anderen Seite pitoresk zu werden. Das Relief bildet den Uebergang und | 123v läßt in dieser Hinsicht die Mannigfaltigkeit der Malerei zu. Aber es ist auch dies der Punct, in dem sie nicht unter die Skulptur subsumirt werden kann. Wir finden bei den Alten die Beschreibung einer Verbindung. Die Statuen sind hintereinander gestellt ohne Perspective oder der Zuschauer steht in einem Kreis derselben, wodurch dann keine Bedingtheit der Gestalten gegeben wird. Die Verschlingungen der Gestalten kann nur in geringem Maß vorhanden sein und daraus sieht man, wie die einzelne Gestalt die eigentliche Aufgabe der Sculptur ist. Was ist an der einzelnen Gestalt denn eigentlich die Aufgabe? Hier müssen wir zurückgehen darauf, daß die specielle Begeisterung der Sculptur nichts sei als die menschliche Gestalt selbst, wie sie in ihr den Typus des Lebens ausdrückt. Es ist ein allgemeiner Begriff. Wir fragen, wie wir ihn zu fassen haben. Die menschliche Gestalt bleibt das Centrum und eine Darstellung des menschlichen Geistes, wo diese nicht mit in der Aufgabe läge, könnte unmöglich in das rechte Gebiet der Kunst gestellt werden. Wir haben verschiedenes Maß, nach welchem wir das Leben beurtheilen, das sinnliche, wo die Gestalt als Organ und(?) Werkzeug des Geistes gedacht wird, und in Kraft und Beweglichkeit liegt in dieser Hinsicht die Hauptsache. Das Andere ist das Geistige wo der Geist als Product aus den Thätigkeiten des Geistes selbst angesehen wird, die Spur der Gemüthsbewegung, in welcher das Antlitz der Mittelpunct ist. Sind diese Maße in Beziehung auf diese Kunst einander gleich? oder hat sie nur eins von beiden zu berücksichtigen?(?) | 124r Was wir besonders das Physiognomische und Pathognomische nennen, tritt in dem Werk der Alten weniger hervor als wenn man sich denken wollte, daß die persönliche sittliche Charakteristik das Ziel sei. Darauf legten die Alten ja auch keinen Werth in der Mimik (Masken) und mehr die ganze Gestalt als die kleinen Züge war in der Darstellung das Wirkliche. In der dramatischen Dichtkunst soll der Einzelne als handelnd dargestellt werden. Die Figuren sind wesentlich(?) gruppirt. In der Sculptur fällt die Gruppirung weg und die Gestalt kann als handelnd in Beziehung auf andere Gestalten nicht bezogen werden. Daher muß jenes Eine in einem noch größeren Maßstab Statt finden. – Wir sind so sehr in unserer ganzen Sculptur auf das Alterthum gepropft, daß es natürlich wäre, auch den Sinn zu haben für jedes wesentliche Element in dem Alterthum. Doch war der Sinn für die alten Skulpturen früh erstorben(?) und man ging bald ab von dem antiken Typus. Wenn wir statuarische Gruppen betrachten, wie sie aus der französischen Schule hervorgegangen sind, so haben sie in mancher Hinsicht Kunstwerth, aber der Sinn, in welchem die Künstler gearbeitet haben ist verschieden. Der Sinn ist durchaus pittoresk und daher im ganzen Charakter dem Antiken entgegengesetzt. Wie haben wir uns diese Unempfänglichkeit und diesen Weg, den die Kunst einschlagen wollte, zu erklären? Daraus, daß man ihn bald wieder verlassen mußte, läßt sich eine enge Verbindung ersehen, in der die antike Ansicht mit dem Wesen der Skulptur steht. Das Erste(?) erklärt sich aus dem verschiedenen | 124v Verhältniß der Alten zu der Gestalt – nach der Geschichte der Skulptur und des ganzen öffentlichen Lebens. Deswegen aber ist es für uns aber so schwer, die Theorie der Skulptur ganz darzustellen. Unser Leben ist ihrem Mysterium fremd. [...] | 125r

Auch die ältesten griechischen Werke der Skulptur, die so genannten χώανα sind symbolisch. Es wird die Idee des Seyns darin ausgedrückt ohne bestimmte Handlung. Wir dürfen es nicht verwechseln mit unseren allegorischen Figuren, die immer bestimmte Handlungen oder bestimmte leidenschaftliche Zustände darstellen, auf eine allgemeine Weise. Wenn wir die griechische Mythologie entstanden denken aus diesen ältesten symbolischen Vorstellungen, so ist im Homer freilich viel Handlung; sehr viel bewegtere Gemüther und Ausdrücke nicht blos in der Gestalt sondern auch in der Physiognomie. Die Skulptur ist mit der Poesie keineswegs gleichen Schritt gegangen. Diese Physiognomie findet sich erst später in der hellenischen Plastik und diejenigen Werke, die Ausdruck haben, wie der bellvederische Apoll und die dazu gehörige Diana, die späterer Zeit zuzuschreiben sind. Wahrscheinlich ergab sich dieser Ausdruck erst, als das öffentliche Leben verloren gegangen war, zum Anfang der römisch italienischen Zeit. Worauf weist dieser langsame Fortschritt hin? Darauf, daß die einzelnen Momente weniger in der Gestalt dargestellt sind. Gehen wir vom morgenländischen symbolischen Charakter aus, so finden wir willkührliche Gestaltungen, doch auch Anklänge, wie die Centauren, aber der Sinn des menschlichen Wesens hat eine andre Bedeutung. Im griechischen Centauren sind zwei verschiedene Theile kunstreich in einander gefügt. In einem aegyptischen Sperber mit Hundsgesicht ist diese Einfügung und innige Verbindung nicht so groß – das Symbolische nur tritt hervor. Aus einem gewissen Indifferenzpunct geht Gedachtes und Gebildetes, Wissenschaft und Symbolik nach und nach hervor. Der Charakter der Bildungen ist menschlich(?) (?) aufgefasst – der der Form ist in einem Kreis beschrieben, der die Natur angiebt. Es führt auf die Verschiedenheit der Geschlechter | 125v dann die specifischen Differenzen. Die Uebergänge machen einen großen Theil aus. – Seit langer Zeit hat es die Kunstrichter beschäftigt, ob die Vollkommenheit der Kunst in der Schönheit liegt, oder in dem Charakteristischen. Der Streit ist aber wol eigentlich keiner. Eine Gestalt, die sich mehr zur Darstellung der Kraft neigt, hat einen anderen Charakter, als eine Gestalt, die sich zur Darstellung der Leichtigkeit neigt, die hat verschiedenen Charakter. Ebenso in den Geschlechtern. – Die Schönheit wird diesen Charakter nicht vermeiden. Gebunden ist jeder an den Charakter. Es giebt freilich Uebergänge – männliche Gestalten die sich den weiblichen nähern (Bacchus), weibliche, die sich den männlichen nähern (Athene). Aber dies zeigt um so mehr, daß der Gesichtspunct ebenso sehr auf den Charakter genommen(?) ist, als auf die Schönheit. Es ist eine andere Art der Schönheit bei Athene und Venus – weil ein anderes Maß zu Grunde liegt. Es ist das Kunstgemäße des in sich selbst Gemeßnen – vorzüglich in Beziehung auf das Heraustreten aus dem gebundenen Leben. Wie steht es mit dem in sich Gemeßnen der menschlichen Gestalt. Es kann jemand hier den Kanon des Polyclet anführen. Hätten wir ihn aber noch und könnten ihn neben die Meisterwerke des Alterthums stellen, so würde doch wol jeder, wenn er sie vergliche, diesem anmerken, daß er nur zur Darstellung der vollkommenen Gestalt gemacht sei. Der Kanon wird beschrieben als δορυφόρος – offenbar um das Maß des Krummen in dem Geraden zu haben. – Dieser δορυφόρος kann noch immer schön seyn, aber ein Apoll wird ein Kunstwerk höherer Gattung seyn. Wenn es nun auch manche Regeln der Verhältnisse giebt, so ist es doch kein eisernes Maß – und es giebt Differenzen | 126r die die Grundverschiedenheiten in dem menschlichen Geist darstellen. Indem die Aenderung der Gestalt mit dem sich entwickelnden Charakter in Verbindung steht, so sehen wir, wenn wir auf eine allgemeine Norm der Schönheit ausgehen wollen: wir beschreiben die Schönheit, die Natur werden würde durch die Kunst. Die Schönheit ist etwas Bewegliches innerhalb bestimmter Grenzen. Die Idee der Sculptur kann nur seyn die verschiedenen Manifestationen der Gestalt in bestimmten Verhältnissen darzustellen. Wie kann man auf den Gedanken gekommen seyn, das Charakteristische auszuschließen? Dadurch wol, daß wir gewohnt sind, den Charakter mehr in der Physiognomie zu suchen, als in der Gestalt. In der Physiognomie tritt der Charakter bei den Alten zurück: wir finden die Differenzen in den Gestalten, oft gar nicht sehr in der Physiognomie. Betrachten wir die älteren aeginetischen Gestalten, so sehen wir die Verschiedenheit in den Gestalten bestimmt hervortreten, die Gesichter haben denselben Schnitt und Ausdruck, der sich gar nicht einmal um die Handlung bekümmert. Das Charakteristische in den Gestalten kann nicht geleugnet werden. Der Sinn der Alten war mehr auf die ganze Gestalt gerichtet, um so mehr tritt das Gesicht zurück. Es ist wol nichts richtiger, als was gesagt ist, daß das Leben der Alten in dieser Hinsicht ein anderes gewesen, daß weniger Pathognomisches in den Gesichtern der Alten war. Aber noch jetzt werden wir es in den ähnlichen Gesichtern der Italiener und Kleinasiaten(?) nicht finden. Wir wissen auch aus Beschreibungen daß die Leidenschaft genug im Gesicht sich kund that. – Aber der Künstler will es in der Sculptur nicht. Es ist zu erwähnen dabei, daß die Sculptur mehr die isolirte Gestalt zum Gegenstand hat, es muß die Gestalt durch sich selbst verstanden seyn. In einer bestimmten Gestalt kann nun die Handlung nicht so hervortreten, da zu einer Handlung noch(?) mehrere gehören. Der Apoll im Begriff den Drachen zu tödten | 126v oder die Diana auf der Jagd läßt sich einzeln darstellen. Aber ein geschichtlicher Moment war nur der Malerei aufbehalten. Die neuere Sculptur, die nach diesen geschichtlichen Momenten gestrebt hat, ist in das Pitoreske übergegangen. War die Sculptur nun nur auf etwas Allgemeines hingewiesen, so kann die geschichtlich bewegte Gestalt noch viel weniger im Gesicht hervortreten, weil das Gesicht gegen die Gestalt als kleiner Theil verschwindet und nicht hervortritt, wie bei uns. Gehen wir also der geschichtlichen Entwicklung nach, so ist die Idee der Sculptur keine andere, als die Darstellung des Lebens in seinen verschiedenen wesentlichen Differenzen durch die Gestalt und in der Gestalt. Ist nun Kunstsinn des Empfangenden und Kunsttrieb des Darstellenden nur wie ein und dieselbe Größe, und wir fragen worauf beruht die Identität beider in dieser Hinsicht, so kommen wir auf den inneren Proceß der Gestaltbildung zurück. Keiner wird von einem Menschen mit Interesse hören, ohne daß sich ihm eine Gestalt innerlich bildet. Je treuer die Erzählung, desto treuer gewiß die Gestalt. Dieser Sinn ist beschränkt, wird durch ein reges öffentliches Leben gewendet(?). Aber je größer der Reichthum der erscheinenden Gestalten, desto mehr geht die innere Gestaltbildung auf die ganze Gestalt. Könnten wir diesen Naturproceß in uns mit dem antiken vergleichen, so würde es bei uns sicher mehr zum Physiognomischen neigen, bei den Alten weit mehr auf das bestimmte Ganze der Gestalt. Es muß seinen natürlichen Grund haben. Einmal je kleiner und enger die Nationalität in sich abgeschlossen ist, wie bei den Griechen, je mehr das ganze Leben ein öffentliches ist, um so weniger tritt diese Art hervor, die sich am meisten durch die Physiognomie ausdrückt. Um so mehr jeder Einzelne mehr in Beziehung auf das Einzelne bewegt wird, um so mehr entwickelt sich diese Art der Individualität. Wir müssen also in uns erst recht den Sinn für die Totalität der Gestalt mehr wecken, um die Alten zu verstehen. Ein bedeutender Unterschied ist hier noch zwischen den mythologischen und historischen Gestalten. Beide sind durch das Heroische miteinander gebunden. Die mythologischen Darstellungen nähern sich noch mehr dem Symbolischen, das leichte Daseyn mehr in bestimmter Form, wie es in einem höheren Wesen gegründet ist, in den verschiedenen Lebensaltern, in den verschiedenen Typen. Diese sollen zunächst rein als das Seyn dargestellt werden. Eine bestimmte Handlung vertritt nun die Stelle der Attribute. Das Mimische gehört der späteren historischen Zeit. Daher das Zurückführen der Bewegung auf die Ruhe, die Mäßigung der Bewegung, daß in der Bewegung die Ruhe mit erscheint. Daher ist dies der ältere Charakter der Kunst, weil es mit dem Smybolischen näher(?) zusammenhängt. | 127r

Die Sculptur stellt also das geistige Leben überhaupt in seinen verschiedenen Naturverhältnissen dar. Vor Kurzem ist noch von einer gelehrten Gesellschaft die Frage aufgeworfen, ob die Vollendung der griechischen Statuen basirt sei auf der geistigen oder physischen Vollkommenheit. Man kann für und wider antworten. Es giebt keine andere Vollkommenheit als die, welche die bestimmte Wirkung des höheren Lebens ist. Faßen wir die Extreme, Fülle und Mängel, so zeigt es sich, daß eine Untüchtigkeit des Lebens zum Beseeltwerden da ist. Man ist hier nicht befugt eine Trennung zu machen. Im ersten Keim ist das geistige Leben sogleich mitentstehend. Man kann nur die Wahl haben, ob das Geistige durch das Physische, oder das Physische durch das Geistige bestimmt ist. Es wird aber beides auf dasselbe herauskommen. Das Geistige wird im Allgemeinen bestimmen, das Physische kann im Einzelnen bestimmen. Ein anderes ist es, wenn man von der Bestimmtheit des einzelnen Moments ausgeht, hier, wo man von einem bestimmten Seyn(?) ausgeht, ist nur ein Motiv, nicht [...] [...] Stellen wir den Anfang so fest, so ist der Naturproceß in jedem Menschen schon gegeben. Wir müssen die Function aufnehmen, aber die Naturfunction wird verschieden seyn und unter verschiedenen Umständen der Sinn für die menschliche Gestalt in verschiedenem Grade gewendet(?) werden. Worauf es beruht, läßt sich nur fragmentarisch angeben. Wenn nicht die menschliche Gestalt in gehörigem Maß und im Ganzen zur Anschauung kommt, so kann sich der Sinn auch nicht ganz entwickeln. Wenn eine menschliche Gesellschaft in so nachtheiligen Umständen durch die Lebensweise oder durch dürftige oder verdunkelte(?) Bildung lebt, daß der Körper weniger hervortritt, und sich nicht vollendet entwickelt, so kann sich auch der Sinn nicht bilden. Es gehört eine geistige Lage zur vollkommenen Entwicklung. Wir werden hier sagen müssen, daß | 127v die Griechen in dieser Hinsicht die Repräsentanten des Geschlechts sind. Es hängt mit Klima und Staatsverfassung und mit der Lebensweise der Freigebildeten zusammen. Es ist kein Zweifel, daß ihr Typus immer wieder das Herrschende werden wird, so oft sich die Kunst wieder lebendig reproducirt. Man wird was von ihrer Grenze abgeht, immer wieder für Abirrung erkennen. Wir müssen uns ihre Grenzen zusammen ziehen. Es muß wiederholt werden, daß bei ihnen wesentlich die einzelne Gestalt der Gegenstand ist, eine Verbindung aber in engen Grenzen erscheint, daß die einzelne Gestalt also in sich verständlich gehalten werden muß. Wenn der Naturproceß zur Kunst übergeht und wir alles als Vorbereitung zur Sculptur ansehen, was noch architectonisch ist, und wir die Sculptur erst bei der menschlichen Gestalt beginnen lassen, so müssen wir sagen, daß die Besinnung über den Proceß zugleich eine Besinnung seyn müsse über die menschliche Gestalt selbst, auf der einen Seite in den Classificationen, auf der anderen Seite in den Differenzen, der einzelnen Gestalten, wenn sie gegeben werden zu dem Typus, auf den sie bezogen werden. In der letzten Hinsicht hat die Kunst die höchste Besinnung erreicht, wenn die Beobachtung sich zu einem Kanon fixirt hat, wie der des Polyclet, aber so daß dieser Kanon wieder als etwas Bewegliches(?) angesehen wird. Es ist klar, daß dieser Kanon nicht derselbe seyn kann für die verschiedenen Geschlechter, für die verschiedenen Richtungen, für die Lebensalter. Die Duplicität des Geschlechts ist in der Natur geordnet, ebenso die verschiedenen Richtungen. Das Athletische und das leicht Bewegliche wird immer nur(?) als verschiedene Form erscheinen. In Rücksicht der Verschiedenheit der Alten finden wir bei den Griechen vorherrschend die Vorstellung von der ἀκμή, der physischen Blüte. In der Zeit, die dieser vor | 128r hergeht(?), sind auch die Verhältnisse noch nicht hergestellt. Der Kopf zur Gestalt ist noch nicht in das richtige Verhältniß getreten und dieses Verhältniß ist das erste Erforderniß. Die Zeit der Blüte ist freilich nicht gerade der Punct, wo der Körper ausgewachsen ist. Es setzt sich der Körper erst, wo die Extremitäten sich ausgleichen. Das ist die ἀκμή, bei dem weiblichen Geschlecht in kürzerem Zeitraum eingeschlossen. Der Apoll ist der Typus der jugendlichen Schönheit (Anfang der ἀκμή), der Zeus der Typus der männlichen Schönheit (Ende der ἀκμή). Ein Apollino ist schon untergeordnet, mehr zum Knaben hingeneigt. Wo die ἀκμή zu Ende geht, beginnt der Zerstörungsprocess. Die Begeisterung aber will die Gestalt in ihrer Herrschaft. Hier finden wir eine bestimmte Differenz zwischen Sculptur und Malerei. Kinder und kindliche Gestalten sind in der eigentlichen Sculptur selten, mehr untergeordnetes Werk, dagegen im Relief und der Steinschneiderei können sie einen größeren Raum einnehmen. Ein spätes Lebensalter ist in der Blütezeit der Sculptur nicht dargestellt, wol in der Malerei. Das weist auf Differenz der Principien beider Künste. Die Malerei will die Gestalt nur in bestimmter Beziehung. Die Sculptur will nur eine vollkommene Gestalt in sich. Daher kommt eine in der Bildung gestörte Gestalt in der Sculptur nicht vor, wol aber in der Malerei, wo es auch komische Effecte geben kann, wovon in der reinen(?) Sculptur nichts seyn darf. In der Malerei findet man in größeren Werken Zwerge, nicht in der Sculptur. In der Malerei wird die Gestalt auf eine Menge anderer bezogen und hat daher ein weiteres Feld als die Sculptur. Dies ist auch der Grund, weswegen das Basrelief auch ein weiteres Feld hat, als die eigentliche Sculptur. Wodurch erreicht die Sculptur ihren Zweck? | 128v Nur durch die Darstellung der Oberfläche der Gestalt. In dieser liegt nicht, was sie eigentlich darstellen will, es liegt vielmehr im Innern. Alle diese Verhältniße worauf die Vollkommenheit beruht sind wesentlich Verhältnisse des Knochenbaues. Diese kommen aber für sich nicht vor, doch ist es die Bedingung das Skelett studirt zu haben, und die lebendige Gestalt auf den Knochenbau zu reduciren. Zwischen dem Gerippe und der Oberfläche, die der Künstler darstellen kann, liegt die Musculatur und das Zellgewebe. Stellt einer die Oberfläche nicht dar, daß die Musculatur durchscheint und daß ein bestimmtes Verhältniß zwischen der Musculatur und dem Zellgewebe ist, so wird er auch nicht mit Wahrheit darstellen. Es ist die freie ungestörte Bildung, die er darstellen will, die Flächenbearbeitung in Beziehung auf dasjenige, was ihr zu Grunde liegt. Der menschliche Geist an und für sich ist nun der Gegenstand des Künstlers. Die menschliche Gestalt erscheint bedeutend. Ist es für den Künstler gleichgültig? Eine vollkommen verhüllte Gestalt kann reine Gestalt der Sculptur seyn. Es kann selbst nach dem griechischen Typen ein geistiger Typus seyn, daß nur der Kopf hervortritt. Aber die Bedingung ist, daß die Grundverhältnisse ungeachtet der Bedeckung sichbar sind. Hierin liegt es, daß die modernen Bekleidungen für die Sculptur unbrauchbar sind, weil sie eine Oberfläche für sich geben, nicht der ganzen Gestalt folgen und von der Gestalt bewegt werden. Die griechische Kleidung ist aus einem Stück, nirgends eine theilweise abgeschnittene Oberfläche. Daher manifestirt sich das Leben durch dieselbe durch. Doch unser Kleid kann z.B. den Arm nicht durchdringen. Es ist eine neue Oberfläche gesetzt und nur der Eindruck in den Biegungen der Gelenke ist gegeben. Ebenso beim Rumpf. In der Darstellung der bekleideten Gestalt ist bei den Griechen dasselbe Verhältniß wie bei den nackten, nur daß bei den bekleideten noch ein Moment hinzukommt. Die Oberfläche der Bekleidung muß durch den Knochenbau und die Musculatur so bestimmt seyn, daß diese hindurchscheinen. Eine modern gekleidete Statue kann Kunstwerk seyn. Aber es wird dargestellt, wie ein bestimmt zusammengefügtes Stück Tuch in der Erregung(?) | 129r bewegt wird. Es ist unsere Gestalt vortheilhafter als der Harnisch des Mittelalters. Die Bekleidung ist uns in so fern kein Hinderniß, als sie die Gestalt durchscheinen lässt, ohne die Verhältnisse zu trüben, ohne etwas für sich seyn zu wollen. Da ist dann die grandiose, freie antike Kleidung allein günstig. Auch(?) der neuere Künstler nähert sich daher dieser Kleidung an. Vergleicht man die neueren Bildsäulen mit den älteren aus der neuen Zeit, so haben die ersten eben durch diese Berücksichtigung einen großen Vorzug. Gehen wir dem geschichtlichen Gang nach, so kommen wir vom Architectonischen der Skulptur zu den Göttergestalten, die aber sehr unvollkommen waren, mehr für Nischen bestimmt. Daß man die Fabel des Daedalus früh gedeutet hat für die Befreiung der Bildsäule von der ruhenden Stellung, ist bekannt, ebenso die Belebung der Statue. Aber die Art und Weise, die Statue zu bearbeiten, war verschieden. In der großen Statue sah man mehr auf die Größen, unterließ das Kleinere. Späterhin nahm eine größere Ausdauer und feinere Ausarbeitung mehr den Platz ein – aber mit ihm Neigung zum Epideiktischen. So hat man schon darüber gestritten, ob es ein reiner Kunsteffect sei in der Gruppe des Laokoon. Es ist ein gekünstelter Ausdruck. Schon der Ausdruck des Schmerzes ist in dieser Art dem wahren antiken Geist mehr fremd. Die Ziehungen der Musculatur und die Windungen der Schlangen, sich entgegenstrebend, ist schon etwas epideiktisch. Es ist neben einem Kunstwerk zugleich ein Kunststück. – Es führt diese Neigung zur Ausartung und(?) führt auf einen anderen Punct, auf das Motiv, das den Verbundenen zu Grunde | 129v lag. Es war das religiöse Interesse das erste und ursprüngliche Motiv. Wir dürfen aber in diesem Religiösen das Nationale nicht verkennen. Entfernt hier in die Ursprünglichkeit oder in das Entlehnte des griechischen Mythos einzugehen, so waren doch die Gestalten(?) im Bewußtseyn des Volks national. War etwas entlehnt, so fand sich das Bewußtseyn darin erst in späterer Zeit durch [...] . Zugleich waren es nationelle Bewegungen die der Kunst neue Impulse gaben. Bei jedem Kriege wurde immer ein bedeutender Theil der Beute als Weihgeschenke den Göttern gegeben und diese bestanden größtentheils in Werken der Skulptur. Es schließen(?) sich hier an geschichtliche Momente, wie auch die Architectur von dem Gemeingeist ausgegangen war. Den begünstigten die öffentlichen Spiele. Sie gingen von demselben Bestreben aus, die physisch lebendige Gestalt in Haltung(?) und Kraftäußerung vollkommen zur Darstellung zu bringen. Es sind Darstellungen der Kraft und Darstellungen der Leichtigkeit und Behändigkeit. Die Wett-Kämpfer waren Künstler. Der Zweck lag in keiner Art gebundener Lebensthätigkeiten. Er ging vom Darstellungstrieb aus. Das Volk trat in dasselbige Interesse. Was hervorgebracht und gesehen wird, war die ursprünglichste Nahrung des Kunsttriebes. Ein jeder solcher Moment des öffentlichen Lebens wurde zu einem productiven für die Kunst, bereicherte die Wahrheit und Genauigkeit der Anschauung. Hier sehen wir in einem ungetrennten Ganzen neben dem Mythologischen das rein Geschichtliche. Aber wiewol von Anfang an ein bedeutender Unterschied gemacht wird zwischen einem ἀγάλματα (Göttergestalt) und εἰκών (Porträtstatue) , so wurde doch vielleicht bei der Portraitstatue der Zweck(?) auf die genaue Darstellung nicht geachtet, sondern mehr auf | 130r den Typ des ganzen Spiels. Nicht der einzelne Mensch sollte verherrlicht werden, sondern in ihm das Vaterland. Wenn nun nach überstandenen Kriegen ein Theil der Beute als Weihgeschenke gebracht wurden, so wurden auch die Feldherren zum nationalen Andenken dargestellt. So sehr auf der einen Seite die Willkühr und Erfindung freies Spiel hatte, so hatte doch jede Gottheit ihren eigenen Typus. Dazu findet man in der Sculptur noch strenge Schulen für die Grundverhältnisse der Kunst und die mechanische Arbeit. Nur sehr allmählich ging man von dem frühem Stil ab – und Werke des frühen Stils kamen noch in späterer Zeit vor als Anhänglichkeit an dem Bestehenden. Bei den Göttern war ein bestimmter Typus, bei den Menschen ging man nicht von einer vollkommenen Aehnlichkeit aus, es war wieder der herrschende Typus. Zwischen beiden finden wir die Darstellung solcher Wesen, die kein Gegenstand der Verehrung waren, aber übermenschlich, Nymphen, Flußgötter, Faune, Satirn. Bei ihnen hatte auf der einen Seite die Freiheit den meisten Spielraum, aber auf der anderen Seite neigten specielle Motive zum Epideiktischen. Diese Figuren (wie die homerischen) hatten nicht ein solches Fundament im Religiösen oder Politischen. Sie gehörten weniger dem Gemeingeist an, als dem Privatleben. Das führt uns auf die römisch-griechische Zeit, wo das Nationalleben erloschen war. Da ging noch die reichste Zeit für die Sculptur hervor, da die Sculptur sich in der Person der Kaiser concentrirte. Wie diese Bauwerke aufführten eigentlich als ihre Häuser, aber doch dem Volk geweiht, so wurden diese mit Bildsäulen geschmükt und die herrlichsten Bildwerke finden sich aus dieser Zeit. Die Wahl der Gegenstände | 130v fiel nun daher der Phantasie der Künstler anheim nur beschränkt durch die Mittel und den Raum. Hier verstehen wir Goethes Wort, daß die Bildsäule nur die Verzierung eines geschlossenen Raumes sei. Gehen wir auf das Hervorgehen im menschlichen Geist zurück: so ist es mehr Nachbildung oder(?) mehr ursprünglicher. Der griechische Charakter bleibt. Der römische Charakter in der Figur ist of durch den griechischen Typ gemildert. – Ehe wir die neuere Kunst betrachten, haben wir noch etwas über die untergeordneten Gattungen zu sagen. Von dem Kolossalen und dem geringerem Maß gilt was wir von der Verständlichkeit und Selbständigkeit des Bildwerks gesagt haben. – Wir haben noch das Basrelief – und die Steinschneidekunst in Gemmen und Camaen. – Die Statue konnte nur als Product des öffentlichen Lebens ercheinen. Diese kleinere Gattung war auch den Einzelnen zugänglich. Ein Uebergang von der Sculptur zu den geschnittenen Steinen ergiebt sich – durch die Verzierung der Zimmer. Es ist zugleich der Uebergang in das Privatleben. Ein Uebergang in das Basrelief bildet die Statue, die obgleich ganz und nicht in die Wand gefügt, die Giebelfelder der Tempel einnehmen. Das Basrelief selbst konnte einen Reichthum von architectonischen Verzierungen hervorbringen. Daß das Basrelief einen Uebergang bildet von der Sculptur zur Malerei und die größere Freiheit der Malerei theilt, die daraus entsteht, daß das Kunstwerk nur aus Einem Punct gesehen wird, ist schon vorgekommen. In wiefern man die Erfindung oft | 131r das Poetische in den bildenden Künsten genannt hat, so ist das Basrelief reicher. Man findet daher den Typus des religiösen und häuslichen Lebens in solchen Basreliefs und der ganze Reichthum der mythischen Systeme ist hier am meisten benutzt worden. – In der Steinschneidekunst haben wir noch jetzt solche Meisterwerke, daß dieselbe reinste Anschauung dabei zu Grunde liegt, wie bei der Statue. Aber es ist doch eine untergeordnete Gattung, da die Figur nur skizzirt werden konnte. Was im Großen als Skizze unvollendet gewesen war, wurde in den kleineren Gestalten dem Auge vollendet. Die Kunst hatte auch hier eine größere Freiheit. Wenn wir nun den ganzen Umfang der Kunst als Darstellung der Gestalten betrachten wollen, so ist fast das Uebergewicht auf der Seite des Basreliefs. – Dieses kann uns den Uebergang bilden zum Verhältniß der Sculptur zur neuen Zeit. Im Basrelief finden wir das ganze Lebewesen dargestellt, aber es hat keinen anderen Platz als die architectonischen Ornamente. Fragen wir nun, ist kein Hinderniß, ob nicht derselbe Gegenstand noch jetzt als architectonisches Ornament gebraucht werden könne, so ist es freilich etwas Einheimisches, Nationales. Aber die Gestaltbildung wird zuerst aufgeregt durch das Alterthum. Unser Bildung ist mit derselben verwebt(?). So lange dieser Zusammenhang Statt findet, kann auch die Darstellung aus der hellenischen Mythologie oder Geschichte uns nicht fremd seyn. Soll das Volk aber diese öffentlichen Werke verstehen, so können wir diese Region nicht mit demselben Erfolg anwenden(?), wie bei den Alten. – In wiefern ist die Sculptur noch etwas Lebendiges, | 131v so daß sie sich reproducirt, wie kann sie sich zur alten Sculptur verhalten in Darstellung und Typus wie in der Befreundung mit dem Leben? – Die griechische Kunst ging unter mit dem Untergang des römischen Reichs; ein Theil war schon durch das Christenthum verloren – die Götterbilder. Im Abendland war die Kunst nie nationell. Es war nationell, daß Versuche(?) zur Darstellung christlicher Gegenstände geschahen(?). Aber es entfachte sich ein Streit. Wir finden Ueberreste aus dem Mittelalter in den Statuen der Apostel und Heiligen, auf den Grabstelen, in Basrelief und Haut-relief. Die Kleidung jener Zeit ließ eine lebendige Behandlung der ganzen Gestalt gar nicht zu. Aus dieser Kunst nun entwickelte sich bei der wiederhergestellten Kenntniß des Alterthums die französische Kunst, ähnlich die französische Architectur und Poesie. Man glaubte die alte Sculptur nur zu verbessern. Es giebt in Berlin einige ausgezeichnete Bildwerke aus der französischen Schule. Es ist vorherrschend die Bestrebung die Gestalten in die größte Bewegung, in den schwierigsten Minenmomenten darzustellen. In der Darstellung der unmittelbaren Bewegung geht die Ruhe der alten Kunst verloren. Nimmt man das Zwitterhafte der Kleidung, so wurde dasselbe Princip auf die Gewänder übertragen. Diese Kunst ist später verfallen. Während sie auf der einen Seite die mythologischen, auf der anderen allegorische Figuren bildeten, waren sie außer(?) dem Basrelief die Gestalten, und konnten keine Consistenz gewinnen. Durch die neuesten Statuen ist reinerer Sinn für die Antike erweckt. Die Sculptur ist nicht untergegangen. Aber fragen wir nach | 132r dem Stoff für das Talent, nach den Hülfsmitteln zur Darstellung und zur Auffassung, so sind die Schwierigkeiten sehr groß. Im Gegenstand kommt uns das eigenthümliche Gebiet des Alterthums entgegen. Wir glaubten noch in der christlichen Zeit Gegenstände aus der alten Mythologie aufstellen zu können in den Cabinetten und in den Gebäuden die dem öffentlichen Leben und seinen heiligen Gestalten gewidmet sind. Wird aber auf diese Weise jede Sculptur werden, was sie war, aus dem Gemeingeist(?), aus dem Gemeinbewußtseyn hervorgegangen. In dem Gebiete der Sculptur wird das Verständniß fehlen für die Gegenstände der alten Sculptur. Aber eine Volkssache wird es nicht seyn. Man höre nur die Deutungen der Leute auf dem Markt. Insofern ist die Sculptur ein öffentlicher Luxus und nebenbei etwas Unwahres, in wiefern was für die Öffentlichkeit ausgestellt ist, auch einen öffentlichen Charakter tragen muß. Wenn wir nur die Aussicht hätten, daß in einigen Jahrhunderten das Volk in diesen Kreis wird hineingezogen werden, so wäre es eine prophetische Kunst, die sich mehr mit der Zukunft beschäftigt. Aber es erscheint dies als widernatürlich. Wir wollen nicht einmal die Möglichkeit aufstellen, daß unsere Bildung auf einem anderen Boden als auf dem Alterthum neue Wurzeln treiben könne, wie auf dem Indischen oder Altdeutschen. Es verbreitet sich vielmehr die Bildung. Aber wird je die Gestaltungbildung im Volk eine solche Mischung nehmen, im Antiken zu produciren so daß diese Gestalten eigenthümlich und fixirt(?) aus dem Alterthum in den Sinn des Volks [...] gewonnen. Ist kein Gleichgewicht zwischen den Hervorbringenden und Aufnehmenden da, so bleibt das | 132v Verhältniß fremd. Wird etwa der Homer ein Volksbuch, so würde uns es wol gehen, wie den Franzosen, die den Helden in einer französischen Gestalt, französischer Sitte aufführen. Die mythologischen Gestaltungen bleiben der christlichen Welt immer fremd. Der weiteste Punct, in den man in die alte Mythologie zurückgeht(?), ist die Reduction auf die Poesie ohne die innere Anschauung. Es kann also diese Sculptur aus dem Alterthum entnommen ein theilweise Volksthümliches werden. Ihre Erscheinung in öffentlichen Gebäuden scheint eine gewisse Verachtung des Volkes zu verrathen. Es ist ein äußeres Darlegen, als ob man etwas für das Volk thun wolle, aber es ist nichts für das Volk gethan, nur für die Gebildeten. Kommt nun gerade(?) der Aufwand zu dieser Kunst aus der Tasche des Volks: so tritt das Verhältniß um so schroffer hervor. Ist aber von der Belebung und Beförderung der Sculptur die Rede: so ist das Zurückführen auf die Antike nothwendig. Der reine Kunstsinn muß erst sicher gestellt werden, ehe die Sculptur auf neue Gegenstände übertragen wird – und dazu wird lange die Antike das einzige Mittel seyn. Die Antiken haben daher ihren Platz in den eigentlichen Schulen und etwa in den Palästen der Großen, die dann das gute Gewissen haben mögen, den reinen Kunstsinn durch diese Darstellungen zu erhalten. – Bei den Alten war die Religion und Politik eins, das Privatleben zurücktretend. In der neueren(?) Zeit sind beide getrennt, das politische Leben erscheint mehr als Privatleben. Es werden also die beiden Stile auseinander gehen. Die Sculptur muß daher um volksthümlich zu werden etwa an das | 133r Religiöse sich anschließen oder das Historische für das gemeinsame Leben behandeln. Was das Erste betrifft, so ist das Uebel dieses, daß das erste christliche Alterthum wie es sich an das Alterthum anschließt, dem Volk mehr fremd ist. Es geht mit den religiösen Erinnerungen so weit nicht zurück. Es ist das große Leiden zwischen der Stiftung und der Heimischwerdung des Christenthums. In der evangelischen Kirche schneidet sich das allgemeine Gedächtnis mit der Reformation ab. In der katholischen Kirche geht sie bis zur Stiftung der großen Bisthümer, des Pomps und des Luxus. Da würden wir wieder in einer Region seyn, wo die Anwendung der Kunst schwieriger ist. Selbst die Bildung der Apostel und Evangelisten ist nicht etwas allgemein Ansprechendes für das Volk. Für die Geschichtsbildung ist ein gewisser Typus – wenigstens für Johannes, Petrus, und Paulus. Die Attribute haben kein Leben mehr, weil die Legende kein Leben mehr hat und wir mehr in der evangelischen Kirche beikommen werden. Alles Spätere würde sich mehr in das historische Gebiet hineinziehen. Wie steht es mit dem geschichtlichen Gebäude? Die Geschichte ist im Volk nur auf sparsame Weise einheimisch. Nach gerade ist auch der Siebenjährige Krieg im Volksgedächtnis verblichen vor dem Späteren. Mit der neueren Zeit ist ein guter Anfang gemacht, und verließen wir nun mit diesem Guten auch noch manches andere, so könnte die Hoffnung werden, daß diese große Zeit länger fortleben wird. Aus dem frühen Leben bleiben nur mehr einige Gestalten. Der große Kurfürst(?) steht fest. So ist der Umfang der Gegenstände beschränkt. Wie soll es mit den Principien der Darstellung gehen? | 133v Die moderne Zeit steht hier mit dem Princip der modernen Kunst in Widerspruch. Die geschichtliche Wahrheit muß aufgeopfert werden. Eine solche Aufopferung haben die Alten auch gemacht, da sie das Nackte darstellten. Hier muß die Kunst kein allzu enges Gewissen haben – und Wahrheit in Beziehung der Kleidung muß etwas nachgelassen werden der Kunst zu Liebe. Einige schwierige Aufgaben sind in der neuen Zeit herrlich gelöst. Eine andere Schwierigkeit ist die, daß der Anschauende die geschichtliche Wahrheit am meisten in der Physiognomie sucht. Der andere Körper ist mehr bedeckt. Die neue Zeit sieht mehr auf die Züge, als den Zeugen des inneren Lebens. Die allgemeine ganze Gestalt tritt uns nur bei Bekannten ganz nahe. Dadurch wird entstehen, daß unser Charakter eine andere Charakteristik gewinnt. Es braucht uns dies nicht Leid zu thun. Es ist immer ein vergebliches Bemühen, ein Stück um Jahrhunderte oder Jahrtausende zurückzuschreiben. Wir werden mehr das Individuelle auf dem Gesicht hervorheben müssen, als die Alten gethan haben – das historische Gebiet fordert mehr das Portraitmäßige. In der späteren Zeit des Alterthums war es eben so. Man denke an die Büste. Man findet diesen Zweig am ältestesn in den alten Hermen. Aus diesen haben sich die Büsten entwickelt. Die Büsten sind in der Schulter nach innen hermenmäßig abgeschnitten, sie wurden aber immer mehr Portraits. Immer also wird dieser Zweig der Zweig der Kunst seyn, der am meisten volksmäßig ist. Wir werden zugleich gestehen müssen, daß die Kunst, wenn sie nur in Büsten sich bewegt, nie den vollendeten und großartigen Charakter gewinnen kann. | 134r Müssen wir von vorne anfangen(?), um die Sculptur volksmäßig zu machen, so muß man sich allerdings auf der einen Seite mehr an die Büste halten, auf der anderen Seite die Mythologie nachbilden. So kann man einer volksthümlichen Zeit für die Sculptur entgegengehen können, die aber doch mehr historische Gegenstände darstellen wird, und zwar mehr und fast allein politische. –

Malerei

Um die Hauptdifferenz zwischen der Sculptur und Malerei recht ins Licht zu setzen, ist noch ein Punct zu berufen(?). Das Gemälde ist für einen Blinden verloren, das Werk der Sculptur nicht. Es kann dieses durch den Tastsinn, wenn auch langsam aufgefaßt werden. Die Oberfläche unterscheidet sich ob sie nackt oder bekleidet ist. Der Tastsinn durchläuft die Fläche. Das Gemälde kann nur durch das Auge aufgefasst werden. Wären die Pigmente so aufgetragen, daß der Tastsinn sie ahndet, so wäre schon gefehlt. Wir haben in der Malerei also ausschließlich mit dem Auge es zu thun und auch ganz. Die Malerei zeigt uns nicht blos die Gestalten, sondern das lebendige Spiel des Lichtes mit den Gestalten. Wenn wir von der bloßen Darstellung der Gestalt an und für sich auf das Auge ausgehen, so werden wir sehen wie weit wir noch bis zur Malerei haben. Die Malerei kann für eine gleichmäßig fortlaufende Ebene arbeiten. Wäre die Ebene statt gerade oder rund, gehoben, so entstünde eine Zwittergattung zwischen Malerei und Basrelief. Also muß eine gleichmäßig fortlaufende Malerei auf der Fläche seyn. Ist der Gegenstand nicht auf der Fläche, so ist er auch nicht für die Malerei. Wollte | 134v man das Fundament eines Hauses malen, wie es die Ebene schneidet , so entsteht ein Riß, kein Gemälde. Der Schatten eines Gegenstandes, der bloße Umriß eines Körpers auf der Fläche wird niemand für einen Gegenstand der Malerei halten, theils wegen der mechanischen Abdunkelung(?), theils und besonders weil es die bloße Fläche auf der Fläche ist, die Malerei aber etwas anderes als die Fläche auf der Fläche darstellen soll. Skizzen welche nichts als Umriße enthalten, nicht eine Beleuchtung, nicht einmal in dem Dunkeln(?) der Linien, stehen ganz auf der Seite des Mechanischen. Das Verhältniß stellt nichts dar als eine Ebene durch den Schatten gestaltet, weil das Hervortretende durchschnitten – also eine Fläche – sich abspiegelt. Es kann auf mechanische Weise hervorgehoben werden, so bald nichts von Beleuchtung hinzukommt. Der Gegenstand mag seyn, welcher er will, sobald er körperlich ist, entstehen diese Lichtdifferenzen. Zeichnet man die Halbkugel gerade vor dem Auge, so könnte ein Halbkreis entstehen, aber ohne Lichtdifferenzen wird man keine Halbkugel in ihm erkennen. Wäre die Abbildung eines Cubus pp. mit der Lichtdifferenz und der Verkürzung der Perspective ein Kunstwerk? Es wäre ein Uebungsstück. – Die Elemente der Malerei finden sich, aber als vereinzelte Gestalt fällt es aus dem Gebiet der Malerei. Wir setzen an die Stelle der Halbkugel eine lebendige Gestalt, einen Kopf, wir geben die Lichtdifferenz an. Dann haben wir zwei Elemente: Zeichung und Beleuchtung im | 135r Gegensatz(?) mit Schatten und Licht. Der Gegenstand ist hier für die Malerei gegeben. Ist auch die Beschattung gegeben, so fehlt zur Vollständigkeit noch die Färbung. Das Licht hat eine doppelte Beziehung, die quantitative Differenz – das Licht und Schatten – und eine qualitative Differenz in der verschiedenen Brechung. So lange die letzte nicht mit dargestellt ist, ist die Aufgabe noch nicht vollkommen gelöst. Es muß die Färbung hinzukommen. Um es recht zu verstehen, müssen wir auf etwas Anderes zurückgehen. Fassen wir die Formel, es sei etwas darzustellen Licht und Schatten, so ist es die Beziehung des Lichtes auf die Gestalt, nicht der Gestalt auf das Licht. Die Färbung ist etwas von innen Herausgehendes, sei es von einer herausgehenden Lichterzeugung oder Modification des Lichts. Je mehr wir im Gebiet der lebendigen Gestalten sind, desto mehr werden wir geneigt seyn, es eine von innen ausgehende Lichterzeugung zu nennen. Betrachten wir hier den Punct von der größten Fülle, dem Glanz des menschlichen Auges, so scheint darin eine Lichterzeugung vorzugehen. Das äußere Spiel des Lichts unterscheiden wir von dieser inwohnenden Lichtfülle. Gehen wir zur Oberhaut, so ist auch hier schon durch die Mischung eine Farbe gegeben. Das Durchscheinen des Blutes kommt hinzu, das seine Farbe durch den Lebensproceß bekommt. Es ist etwas Eigenthümliches, von bloß äußerem Licht unterschieden, wenn auch nicht ohne das äußere Licht. Ebenso in der vegetabilen Welt. Die verschiedene Farbe hängt von der Art ab, wie sie verschieden | 135v in den Lebensproceß eingeht. Diese modificirte Lichterzeugung ist die höchste Blüte des Lebensprocesses. Wenn man sagt, wir finden auch verschiedene Farben in der anorganischen Natur, so sind doch die Farben nichts anderes als nachgebildete Spuren von dem erstarrten Lebensproceß. Sie hängen zusammen mit den verschiedenen Bestandtheilen, die wieder Functionen des durchlaufenden Lebensprocesses sind. Wird von diesen inneren Modificationen abstrahirt, nur die äußere Einwirkung des Lichts betrachtet, so fehlt noch etwas an der Vollendung. Man vergleiche den Eindruck eines Kupferstichs mit dem Eindruck des Gemäldes. Der Eindruck eines Kupferstichs ist mehr die Wirkung eines Studiums, nicht der ganze Genuß(?) des Kunstwerks. Wird nun auch der bloße Umriß der Gestalt wiedergegeben, so kann ich darin den Geist des Meisters erkennen. Aber als Kunstwerk betrachtet ist es nur die erste Grundlage, die Beleuchtung ist dann der Proceß, der sich in der Färbung vollendet. Fragen wir, worin wir bei dem Gemälde Befriedigung finden, so kommen wir zu einer Indifferenz. Es bleibt zweifelhaft, ob der Maler das Licht hinzufügt, um die Gestalten zu haben oder ob er das Licht an den Gestalten erscheinen läßt, damit das Leben des Lichtes desto vollkommener erscheint. Wollte der Maler das Licht besonders hervorheben, so wird er unwillkürlich die Gestalt hinzufügen. Es wäre ein Studium von der anderen Seite. Erst wo sich beides begegnet, ist das ganze Kunstwerk. | 136r Wir haben hier angegeben, daß die Sculptur im Gegenstand sich in enge Grenzen schließt, für die Malerei aber, daß sie die Mannigfaltigkeit der Gestalten zum Zweck hat. – Die Sculptur ist für einen Raum, die Malerei bringt die Gestalten in dem Raum zur gleichen Zeit hervor. – Diese relative Differenz zwischen diesen beiden Künsten wird jeder zugeben. Es scheint aber noch manches sich zu heben, wenn wir es auf die Malerei allein beziehen. Wo wir ein vollständiges Kunstwerk haben, haben wir den Raum als einen Hintergrund, begrenzt durch den Rahmen. Skizzirt man auf einer großen Fläche ohne diese zu begrenzen, ist es deswegen kein Kunstwerk? Wenn man eine Landschaft verhältnißmäßig klein auf einen Bogen Papir gezeichnet, so ist es unvollständig. Es sind Lichtdifferenzen an dem Gegenstand, nicht an dem Raum angegeben. Macht der Maler Gewölk hinzu und in den gehörigen Raum, so ist dadurch schon der Raum auf eine Art begrenzt. Es gehört also wesentlich zur Sache, die wesentlich mit dem Innern zusammen hängt. Es folgt noch eins. So wie wir uns denken, es werden Gestalten hervorgebracht, so tritt uns noch viel klarer vor Augen, daß der Raum selbst ein körperlicher ist, daß die Gestalten also körperlich sind, nicht auf einer Linie dargestellt. Es tritt besonders vor Augen, wenn wir mit der Mehrheit der Gestalten denken. – Je größer auf diese Weise die Differenz zwischen dem körperlichen Raum und der Fläche, je größer die Mannig | 136vfaltigkeit der Gestalten, desto größer die Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit der Lichtverhältnisse, desto größer das Kunstwerk. – Wenn wir die Elemente der Malerei, Zeichnung, Beleuchtung und Färbung betrachten, so können wir wol die beiden letzten zusammennehmen, indem die Färbung doch modificirte Lichterzeugung ist. Die Beleuchtung ist bei der Sculptur Sache der Natur und die Färbung erschiene als untergeordnet. Alles was in der Sculptur die Kunstwirkung hervorbringt, beruht in der Malerei auf der Zeichnung. Es ist freilich die Zeichnung nur ein kleiner Theil von dem was der Bildhauer bildet und die Erhöhung und Vertiefung erscheint nur in den Lichtdifferenzen. Diese gehörten eigentlich zu dem zweiten Moment. Aber es unterscheidet sich diese Lichtdifferenz doch von dem zweiten und kann zur Zeichnung gerechnet werden. Nennen wir dieses Licht die Schattirung der Localfärbung, so werden wir doch noch Beleuchtung und Färbung finden, die verschieden sind und dem zweiten Element angehören. Es kommt noch hinzu die besondere Beleuchtung der Theile wie die allgemeine Beleuchtung des Tages in der Hülle(?) des Mittags oder der Nacht. Diese hat nichts mit der Zeichnung zu thun. In dieser Eigenthümlichkeit ist die Malerei mehr mit der Sculptur verwandt. Es kommt ein besonderer Kunsteffect hinzu. Was in der Malerei der Scultpur verwandt ist, ist überwiegend das Objective, das Bestimmteste – es ist die Zeichnung, die die Figur ganz giebt und die Verbindung. Was die Beleuchtung und Färbung betrifft, so ist es anders. Es kann dieselbe Landschaft in Mittagshelle und Morgendämmerung dargestellt werden. Es betrifft das Objective, aber der | 137r Eindruck wird verschieden seyn. Dieselbe Landschaft kann dargestellt werden bei heiterem und wieder bei trübem Himmel. Das Objective ändert sich nicht, aber wol der Eindruck. Was ist das Eigenthümliche? Der verschiedene Ton der Beleuchtung und Färbung um uns hat Einfluß auf unsere Stimmung. Geht nun ein gewisser Ton der Beleuchtung aus dem Trieb der Gestaltung hervor oder wählt er einen gesehnen vor einem anderen, so muß das mit der Differenz der Stimmung zusammenhängen, diese muß sich mit aussprechen, diese muß übertragen werden. Es hat am meisten Aehnlichkeit mit dem Musikalischen. Es ist ein solches, was am wenigsten auf bestimmte Begriffe kann zurückgeführt werden. Es ist rein der Wiederschein einer solchen Stimmung. Die ganze Wirkung der Malerei besteht daher aus zwei einander relativ entgegengesetzten Elementen. Das erste können wir in seiner Aehnlichkeit das plastische Element nennen, das zweite das musikalische, jenes in der Zeichnung und in der Localbeleuchtung als Erzeugung der Zeichnung, dieses in der von der Zeichnung unabhängigen freien Beleuchtung und Färbung. Das Verhältniß kann hier nicht gleich seyn und es bilden sich hier zwei verschiedene relativ entgegengesetzte Gattungen, die eine, worin das Plastische, die andere worin das Musikalische die Oberhand hat. Daß beides in einander übergehen kann, daß wir uns ein Gleichgewicht denken können, und daß dieses die höchste Vollendung seyn kann, versteht sich von selbst. Wenn aber die Unterordnung des einen Elements unter das andere zu weit geht, so daß | 137v das eine nur als Mittel für das andere erscheint: Ein solches Vorwalten wird eine Einseitigkeit in der Kunst darstellen. Wenn das Subjective dominirt und das plastische Element vernachläßigt ist, so ist eine Einseitigkeit und man hat diese neuerdings das Nebulistische genannt. Wenn wir aber wieder nur ein Gemälde sehen, worin blos Zeichnung und Localfärbung ohne Beleuchtung, worin die Figuren also auf weißem Grund stehen: so ist es unvollkommen der Gattung nach, da die Beleuchtung und Färbung fehlt – nicht so im Entgegengesetzten, da kein Lichteffect ohne Zeichnung seyn kann. Es kann das Musikalische da seyn, aber vernachläßigt, daß es aus Mangel an Wahrheit für den Beschauer fast nicht existirt, so ist es eine Einseitigkeit nach der plastischen Seite hin. Wo beginnt denn eigentlich die malerische Production? Sie geht schon beim Sehen an; das malerische Talent muß sich schon im Sehen zeigen. Die Gestalten, die uns umgeben, sehen wir alle mit den verschiedenen Lichteffecten. Die Gestalten sehen mit einem künstlerischen Auge ist dasselbe ursprünglich für den Künstler und Bildhauer, aber die Gestalten in eines sehen, daß das Gegebene ein Bild macht, ist schon eine eigenthümliche Richtung auf die Kunst, ungeachtet es Sache der bloßen Receptivität zu seyn scheint. Mehr Menschen betrachten das Treiben von durch einander beschäftigten Menschen. Der eine sieht nichts anderes als eine verwirrte Menge, jeder ist ihm etwas für sich; die ideale Beziehung im Verhältniß zur Handlung versteht er, wenn er die Sache | 138r versteht. Die Sonderung der Gruppen zu einem Ganzen wird etwas Willkührliches seyn. Betrachteten mehrere dasselbe mit einem Spiegel, so wird der eine gleich ein Bild in seinem Spiegel aufzufassen wissen. Wer nur auf eine gewöhnliche Art sieht, dem wird diese Theilung im Bild(?) nicht da seyn. Das Landschaftliche Ganze wird der eine aus dem Vorigen herausfinden, während der andere nur das Panorama sieht. Die Differenz ist eine ursprüngliche, sie liegt in der Stimmung und der Kunstrichtung. Ist eine Einheit da, so ist schon die Besinnung hinzugetreten, womit aus dem allgemeinen Naturproceß hinaus die Kunstproduction anfängt. Wo die malerische Receptivität ist, da wird auch das Product gewendet(?) werden. Es ist die Circulation, die wir allenthalben in der Kunst finden. Dies hat in der bestimmten Richtung des Gemüthes seinen Grund, – wir werden freilich auch einen Schritt weiter gehen können, es manifestirt sich hier die Differenz der Kunstrichtung; es wird nicht dieselbe Leichtigkeit haben, ein Bild zu sehen, wo eine Menschenmasse sich bewegt oder wo die ruhige Natur da liegt. Das Letzte giebt das Vorwalten für das Musikalische, das Erste für das Plastische, doch so daß das Zusammenfassen in Bilder schon eigenthümlich dem Maler ist. Es ist hier anticipirt, daß die plastische Richtung in der Malerei es überwiegend mit der Menschengestalt, die musikalische mit der Natur zu thun hat. Es hat etwas Ansprechendes an und für sich. Indem wir die Zeichung und Localbeleuchtung mit dem Plastischen gleich gesetzt haben, so versteht sich von selbst, daß der Gegenstand auch der Gegenstand des Plastischen seyn muß, die Menschengestalt. | 138v Ist aber beides auch gleich zu setzen? Die Zeichnung herrscht in dieser Gattung vor. Eignen sich alle Gegenstände gleich so dazu(?), daß die Beleuchtung der Zeichnung untergeordnet werden kann, ohne daß ein Fehler entsteht? Es wird jeder den Unterschied merken. Wenn nicht ein Mangel an der Deutlichkeit in den Gestalten sich ergiebt, so ist keine solche fehlerhafte Einseitigkeit da. Die Naturgegenstände sind gar nicht so in den Locallichtern und Localfarben auf diese Weise bestimmt da. Sie lassen sich für das Ganze eher verändern und es erhellt also, daß hier das Musikalische mehr seinen Sitz hat. Die überwiegend musikalische Gattung wird es also mehr mit der Naturmalerei, die überwiegend plastische mehr mit den menschlichen Gestalten zu thun haben. So haben sich uns die Historienmalerei und Landschaftsmalerei constituirt. Wir setzen die Möglichkeit eines Gleichgewichts zwischen beiden voraus. Mehr Menschen sind in einer Handlung begriffen und zwar in der Ernte(?), so ist im historischen Gemälde ein Ort für die Landschaftsmalerei. Diese kann blos angedeutet seyn. Man kann deutlich sehen, die Personen sind im Freien und man soll nun(?) keinen umschließenden Raum denken, ohne daß Raum für die Landschaftsmalerei da ist oder Ausführung. Aber es kann auch gleichsam für die plastischen Figuren eine musikalische Begleitung da seyn. Es ist das Vollkommenste der Gattung, da beide Elemente in Gleichgewicht seyen. Ebenso können wir vom Entgegengesetzten anfangen. Es kann ein Landschaftsgemälde vollendet seyn ohne menschliche Figuren auf demselben. Es ist aber doch auf gewisse Art ein Mangel, | 139r nicht blos etwa weil die menschliche Gestalt das Maß für die Größe ist, sondern es muß ein Beziehungsgrund der Natur da seyn. Die Deutung(?) wird umso größer, wenn auch nur einsame Gestalten da sind. Handelnd oder betrachtend. Sie sind gleichsam, was in der Musik der Tact ist zu den Tönen. Je bedeutsamer die Figuren, um so bestimmter der Eindruck des Ganzen. Es kann auch hier ein Gleichgewicht seyn – aber auch in diesem muß sich die Duplicität wieder erkennen lassen und wir werden immer noch sagen können, es sei ein überwiegend musikalisches Gemälde, eine Landschaft, so bewegt auch die Gestalten seyn mögen. – Haben wir in diesen Hauptgattungen das ganze Gebiet der Kunst? –

Wir wollen eine andere Frage vorläufig zwischen schieben. Wenn wir hier das ganze Gebiet hätten, wie würden sich die beiden Formen zu einander verhalten? Man hat der Landschaftsmalerei sehr den Punct(?) zuerkannt und sie ist als(?) Kunst mehr zur Antike zurückgeführt worden, die wieder nur untergeordnet war, – Es hängt damit zusammen, weil in der historischen Malerei das Moderne und Intellectuelle hervortritt. Hier aber sprechen wir allein von dem Künstlerischen – in so fern die Gegenstände unter den eigenthümlichen Sinn des Künstlers fallen. Ist aber auch für diesen Sinn nicht die menschliche Gestalt das Höchste? Hier werden wir können, Ja sagen, aber zugleich sagen – man solle sich immer zur Sculptur wenden – will man in der Malerei bleiben, so hat man mit den Lichtbeziehungen zu thun und die Herrlichkeit desselben zeigt sich aber so in der Natur. Von diesem Punct aus ist keine Unterordnung da, sondern verschiedene Zweige. | 139v Wenn gesagt wird daß die Landschaftsmalerei mehr Analogie habe mit der Musik, die historische mehr mit der Plastik, so kommt bei der letzten hinzu, daß die Malerei noch mehr als die Plastik darstellen kann, ganze Gruppen. Es liegt in der Handlung ein Gedankenproceß und man sagt, daß diese durch die Malerei angeregten Ideen der Malerei den Vorzug geben. Es liegt dies aber im Gegenstand. Wenn wir uns ein Geschichtsgemälde von irgend einer bekannten Begebenheit denken, so entstehen auf Veranlassung des Gemäldes moralische oder politische Vorstellungen. Wem gehören diese mehr an, dem Maler oder dem Dichter und dem Geschichtsschreiber? Gewiß dem letztern. Der Maler vollzieht nur den Bildungsproceß der Anschauung, den der Dichter und Geschichtsschreiber wollte. Es ist die Gedankenerzeugung, die nicht dem Maler auf diese Weise angehört. Die Malerei ist gegen den Gehalt der Gegenstände indifferent. Wenn ein Maler für einen geringen Gegenstand großen Aufwand macht und die Kunst sich in den Gestalten wieder findet,(?) werden wir einen würdigeren Gegenstand wünschen. Aber wir tadeln nicht den Künstler als solchen. Was die redende Kunst(?) hat, wird zurückkehren zu dem Bild. Der Tadel wird sich auf den persönlichen Charakter des Künstlers werfen, nicht auf den Kunstcharakter. Aber je größere Bildung der geschichtliche Gegenstand hat, einen um so weiteren Kreis des Verständnisses hat er. Ein geringer Gegenstand bleibt weniger verständlich, und die Deutung ungewiß. – Denken wir uns einen Roman mit Kupfern ausgestattet, so | 140r ist der Gegenstand unbedeutend, aber im Werke durch das Werk verständlich, außer dem Werk aber weniger. Ist die Verständlichkeit da, so hat der Gegenstand keinen Einfluß auf das Kunstwerk. Die Malerei ist viel freier daß sie nicht so ängstlich in der Auswahl zu seyn braucht, als die Plastik. Die Plastik den reinen plastischen Trieb der Natur rein plastisch darstellen. Die Malerei hat es nicht mit der Gestalt allein zu thun, sondern auch mit den Lichtdifferenzen. Kein Bildner wird den Thersites darstellen, wol aber der Maler in einer homerischen Scene. – Aller Gedanke der aus dem Gebiet des Gegenstandes entsteht, gehörten nicht mehr in das Gebiet des Malers, wenn nur die Verständlichkeit gerettet ist.

Wie steht es um die Erfindung? Hat ein Kunstwerk einen größeren Werth, wenn der Maler es erfunden hat? In beiden Gattungen der Malerei läßt sich eine Erfindung und ein Gegebenes denken. Man wird darnach fragen, ob eine Landschaft eine Portrait-Landschaft oder ein Ideenstück sei. Es wird auf das Kunstwerk keinen Einfluss haben. Von einer anderen Seite wird jemand sagen können, es sei Schade, daß ein schönes Gemälde nur ein Fingirtes darstelle, und nicht ein Wirkliches, das die Kenntniß erweitere. Aber auf der anderen Seite scheint in dem Maler, der Landschaften aus der Idee malt, die Gestaltbildung in der Phantasie selbstthätiger. Aber es hat dies mehr Schein, als Wahrheit. Der Maler der nach der Natur malt, erfindet auch die Einheit des Bildes, und derjenige, der nach der Idee malt, kann doch auch nichts anderes | 140v zusammensetzen, als Naturgegenstände. Ob gerade die bestimmte Species einer Pflanze, oder nur der Typus der Gattung getroffen ist, macht nichts zur Sache. Aber ist in größeren Gegenständen Willkührlichkeit, so erscheint eine Abentheuerlichkeit, die nicht gefallen kann. Es ist also keine bedeutende Differenz. Auch die Landschaftsmalerei nach der Natur muß dieselbe Thätigkeit der Phantasie haben, denn sie gehört zum pittoresken Sehen wie zur Findung der Einheit. Ein solcher sieht die freien Schöpfungen der Phantasie nur als Studium an – und ihm dient doch im Ganzen die Natur nicht(?) als Modell. Wenn die Natur nicht gerade ihm die Musik giebt, so ist ihm die Natur eigentlich gar nicht gegeben. Der andere hingegen sieht die Zeichen der Natur für sich als Modell(?) an. Unterschied ist nicht da, geht man auf das Wahre. – Wie ist es bei der historischen Malerei? Wenn ein Maler die Einheit des Ganzen erfindet, so bildet dies für die Verständlichkeit eine besondere Schwierigkeit. Warum macht der Maler sich die Schwierigkeit, da der Reichthum des bekannten Gegenstands so groß ist. In unserer heiligen Geschichtsmalerei ist es anders. Die Madonna in der Mitte, in der Umgebung ein Heiliger hat nirgends Statt gefunden. Auch erfunden angesehen läßt sich die Madonna nirgends einreihen und dies gehörte doch zur eigentlichen Malerei. Es ist hier einerlei, ob der Maler eine besondere Vorliebe für diese Heiligen hatte, oder ob sie aus Local [...] bestellt sind, wenn nur die Legende paßt und die Verständlichkeit sicher ist. Es ist nur Schein der Handlung, aber es | 141r thut der Vortrefflichkeit keinen Eintrag. Um so weniger kann es Eintrag thun, wenn der Maler sich in bekannten Gegenständen gehalten hat. Alle Gestalten aus der Vorzeit sind uns fixirt auf eine allgemeine und unbestimmte Weise. Es giebt Figuren, die durch die Tradition ein gewisses Schema bekommen haben. Keine hohen werden je als untergesetzte Figuren dargestellt seyn. Gesetzt der Künstler hielte sich an einen geschichtlichen Gegenstand aus der Gegenwart, werden wir es loben, wenn er sich nicht an die treue Wahrheit hält? Man wird es nicht loben, weil es die Deutung des Bildes verwirrt. Hat der Maler deswegen nichts an ihnen zu erfinden? Mit der wirklichen Gestalt hat er freies Spiel in der Zusammenstellung der Handlung gemäß. Die eigentliche Erfindung des Malers ist wieder nur in der Gestalterzeugung und Gestaltzusammenstellung. Was dem Maler gegeben ist, ist die Zeichnung, da die Erfindung nicht beschränkt. Er wendet sich auf einen besonderen Gegenstand. Man hat die Portraitmalerei als untergeordnet dargestellt, weil sie der Erfindung keine Freiheit lasse. Sie ist es nicht aus diesem Grund, sondern weil das Portrait ein unvollständiges Kunstwerk ist, – theils weil die Figur nur halb ist, theils weil sie nur eine unvollständige Entfaltung der Kunstmittel zuläßt. Aber der Maler hat bei dem Portrait noch eben so viel zu erfinden, als der Maler, der aus dem Panorama ein einzelnes Bild sich absticht. Was dort in dem Raum ist, ist hier in der Zeit. Der Mensch ist in der Reihe der Augenblicke ein Mannigfaltiges, für den Maler selbst nach den verschiedenen Standpuncten in denselben Augenblicken ein Mannigfaltiges. Der Maler erfindet | 141v den Moment. Das Somatische(?) und Psychische ist in jedem Theil der Gestalt besonders ausgedrückt und das Gesicht ist der specifische Ausdruck der Gemüthsrichtung. Der Künstler hat den Moment zu suchen, wie alles dieses dem Beschauer am vollkommensten entgegen tritt. Er bezieht sich nicht blos auf die Zeichnung, sondern auch auf die Beleuchtung und Färbung und den Hintergrund. Es ist also auch hier Erfindung genug. Wirklichkeit oder nicht ist einerlei, aber in der Naturwahrheit das Kunstgemäße hervorzubringen ist die Erfindung. Wir können es von der kleinsten Gattung für den größten Umfang anwenden. Ein Studirstück, wenn es eine wirkliche Begebenheit darstellt, ist nie in der Wirklichkeit aufgefaßt. Auch wird niemand verlangen, daß alle Figuren Protraitfiguren seyen; ist aber der Gegenstand, wo z.B. die dargestellte Schlacht vorgefunden ist, Portraitgegenstand und die Hauptfigur ebenso, so wird das Gemälde an der Leichtigkeit der Deutung gewinnen. Das Einzelne wie das Ganze muß sonst Erfindung seyn. – Sobald eine Erfindung unmittelbar auf die Gedankenerzeugung ausgeht, so will der Maler zugleich Dichter seyn und begiebt sich auf ein fremdes Gebiet. Das hogarthsche Gemälde: der Lebenslauf des Liederlichen, ist Roman(?) in Bildern ohne Text. Die Scenen so aus dem Leben, die Figuren charakteristisch. Man kann die Bilder sämtlich nicht verstehen, als in ihrer Folge. Lichtenberg hat einen Commentar zu den Bildern geschrieben und es ist hier ein umgekehrtes Verhältniß, ein Gedachtes zu den Bildern – und die Bilder sind hier nur die Veranlassung, eine Fülle von Witzfontainen springen zu lassen. Der Maler ist hier der ursprüngliche Dichter gewesen. Der ursprüngliche Beschauer muß | 142r erst das Ganze verstehen lernen, wie Hieroglyphen. Früher versteht man die Gemälde nicht. Ist ein eigentlich malerischer Genuß von der Deutung möglich? Gewiß nicht. Ist diese Operation geendigt, erst dann kan das Kunstwerk genossen werden. Dasselbe finden wir in beschränkterem Sinn häufig bei einer neuen Schule, die ihren Gegenstand hernimmt aus der heiligen Geschichte, aber jede Figur mit einer Menge allegorischer Figuren ausstattet. Dadurch wird nun die Deutung erschwert, die Wirkung wird aufgehalten, die Einheit der Composition geht leicht verloren. Das Auge wird auf die Einzelheiten festgehalten und der Eindruck wird gestört. Die Künstler legen nun freilich auch oft einen größeren Werth auf diesen Pfusch in der Dichtkunst, als auf die Malerkunst. Sie glauben einen intellectuellen Eindruck hervorzurufen, aber das geschieht wenigstens nur auf einem ungeheuren Umweg. Es scheint eine Ungleichheit zu seyn zwischen dem was gegeben ist auf dem Gebiet des Historien- und des Landschaftsmalers. Der Historienmaler soll keinen Gegenstand erfinden, er habe sich immer an etwas Gegebenes zu halten, aber der Moment und die Stellung der Theile zum Moment bleibt ihm aufbehalten. Aber keineswegs verhält sich der Landschaftsmaler wie ein bloßer Copist zur Landschaft. Giebt sich etwas für ein Prospekt eines bestimmten Gegenstandes aus, so bedarf es einer Ueberschrift, um verstanden zu werden, wenn die Region nicht allgemein bekannt ist. Wenn uns solche eigentlichen Prospecte gegeben sind, können wir an sie dieselbe Praetension in Rücksicht der Kunst machen, wie an die Landschaft, auf die solche bestimmte Gegend nicht sich bezieht. Der Prospect ist | 142v von Anfang an mehr auf die Zeichnung gerichtet. Der Künstler will nichts anderes, als daß der Beschauer sich das Kleine gleich ins Große umsetze, um die Gegend zu erkennen. Können wir das in eine Reihe stellen mit dem, was wir vom Portrait sagten? An ein Portrait lassen sich größere Kunstforderungen machen, als an ein Prospect. Der Prospectzeichner sucht sich freilich auch einen Gesichtspunct aus, aber dann hat er nichts zu thun, als die Zeichnung mit größter Treue aufzunehmen. Denken wir uns den Proceß mit der Zeit beleuchtet und gefärbt so werden wir können die Forderung der Einheit des Lichts machen, da der Künstler mehr auf die Aehnlichkeit des Gegenstandes gewiesen ist. Wenn der Künstler nichts bedächte als eine Zeichnung zu vollenden, so erreicht er am sichersten seinen Zweck. Geben wir allen Anspruch auf Beleuchtung auf, so würde dieser Zweck nur gewinnen. Der mechanische Zweck läßt sich nur erreichen, wenn zum Theil jene Idee aufgegeben und untergeordnet ist. Jener mechanische Zweck wird durch illuminirte Zeichnung erreicht. Die Illuminierung giebt die Localfärbung, das eigenthümliche Leben des Lichts fehlt. Ein solcher Prospect ist durch einen fremden Zweck aus dem Gebiet der Kunst herausgesetzt. Wenn der Landschaftsmaler sich an das Wirkliche halten soll, so muß er die Freiheit haben, sie so zu faßen, daß die Kunstforderung an ihr erhellt werden könne. Beim Prospect fragt man nach dem Wo, bei der Landschaft ist es Nebensache. Der Landschaftsmaler muß größere Freiheit haben. Es wird | 143r der Unterschied seyn zwischen dem Prospectzeichner und Landschaftsmaler, daß jener mehr der mechanische Kopist ist, dieser eine Erfindung hinzubringen muß. Die eigentliche Tendenz des Landschaftsmalers wird an der entgegengesetzten Seite liegen. Nie wird ihm die Zeichnung genügen. Die Tendenz wird überwiegend seyn, die Einheit oder Mannigfaltigkeit mehr auszudrücken. Daher die Eintheilung der Gemälde in Klassen, die nach der Tendenz des Künstlerischen verschieden sind. Z.B. das Wasser ist überwiegend – so wird die Wirkung des Lichts auf das Wasser, und des Wassers auf das Licht dargestellt. Ebenso in den Waldstücken, dem Baumschlag, den Gruppen und dem Zwischentreten von Luft und Licht. Das Verhältniß zum Licht wird die Hauptidee seyn. Kehren wir zurück zur Geschichtsmalerei, und fragen, woher darf der Künstler seinen Gegenstand nehmen, so haben wir den allgemeinen Kanon aufgestellt, er muß ihn aus einem Gebiet nehmen, dessen Deutung keinen Zweifel hat. Dann hat auch seine pittoreske Erfindung freies Feld. Es wird für dieses Gebiet der Malerei eine verschiedene Kunst vorausgesetzt. Das reine Verhältniß des Beschauers zum Bild wird entrückt, wenn man den Gegenstand nicht erkennt. Wo ist die Geltung des Kunstwerks im Portrait? Eigentlich nur da wo der Gegenstand bekannt ist und Werth hat. Es giebt Portraits von welchen ein jeder sagt, ungeachtet ich den Gegenstand nicht kenne, so glaube ich doch, daß sie das Portrait ähnlich finden. Selbst solches Urtheil ist bedingt durch das Bekanntseyn des Typus des Charakters im weiten Sinn. | 143v Wir erkennen den Typus im germanischen Stamm; bringt man aber ein Bild von einem Chinesen, so wird man solches Urtheil nicht fällen, da das Schema fehlt. So giebt es in dieser reichen Gattung manche Gegenstände, die ihre Geltung schon verloren haben. Sobald in einem individuellen Bild das Individuelle nicht mehr ergriffen werden kann, so wird man die Virtuosität bewundern können. Aber es nähert sich mehr dem Epideiktischen – und die eine Seite des Kunstgenusses ist erloschen. Ein Familiengemälde hat nur einen beschränkten Kreis. Bleiben wir auf dem historischen Gebiete, so werden wir sagen müssen, daß die Geltung um so größer ist, je größer der Kreis, in welchem der Gegenstand Geltung hat. So werden wir auf natürlichem Wege zu unserer heiligen Geschichte kommen, als dem, was den größten Kreis hat. Wo einzelne Gestalten hervortreten sollen, machen wir doch Anspruch auf das Individuelle. Es existirt keine geschichtliche Kunde von Originalbildern aus diesem Geschichtscyclus und doch ist hier nie ein Streit über die Deutung, wenn auch, was aus der Naturwahrheit heraustritt, wie der Heiligen [...] weggenommen wird. Das ist die Macht der Tradition. Es ist eine traditionelle Einheit in der Darstellung Christi und der Madonna. Die letztere freilich mehr modificirt, doch in Situation und Gestalt erscheint auch hier eine traditionelle Einheit. Ist darin eine Wahrheit? Es ist ein wunderbares Mittelding zwischen Dichtung und Wahrheit. Es ist, als wenn jemand den Boden erst machen soll, auf dem man steht. So ist es hier mit der Geschichte | 144r der Kunst. Die Kunst hat sich diese Tradition erst selbst gebaut, aber vermöge dieser ist Sicherheit in der Deutung. Erweitern wir den Kreis, so kommen wir in die Legenden. Es ist zweifelhaft. Das Geschichtliche und Chronikartige ist so ohne alle Typen, wenn nicht die Kunst sich ihrer bemächtigt hätte. Die Tradition hat so eine allgemeine Geltung, die weit hinaus geht über die Basis. Denn von einer Menge von Figuren kennen wir die Legende nicht mehr, woher die bestimmteren entnommen sind. Was allgemeine politische Geschichte ist, hat seine Geltung nur in dem Kreise wissenschaftlicher Gebildeter. Man darf die Mischung von Wahrheit und Dichtung, die in der Legende ist, nicht übersehen. Ist die Legende blos Basis der Malerei, so mag das recht seyn. Sollen aber die Skizzen zur Aufbewahrung der Legende dienen, so muß man protestiren. Die besten Maler stellen die Personen aus den verschiedenen Zeiten willkührlich auf einem heiligen Gemälde zusammen. Es ist eine unnöthige Frage, ob es Vision seyn soll oder: ob auf die Zeit keine Rücksicht genommen werden soll. Es ist ein von den größten Malern angebautes Gebiet – die heilige Malerei bildet das eine, die Geschichtsmalerei das andere Ende. Eine solche Zusammenstellung kann aber keinen wirklichen Moment darstellen, leidet also eigentlich auch keine Raumbestimmung – daher auch selten Landschaften im Hintergrund. Die nothwendige Verbindung von GeschichtsMalerei und Naturmalerei tritt zurück – nicht so bei der [...] historischen Malerei der heiligen Geschichte. Auch in diesen engen Grenzen ist der Gegenstand unerschöpflich. | 144v Zwischen dem Typus, der die Sicherheit der Deutung gewährt, und der Frucht(?) in der Gestaltbildung des Künstlers ist hier ein so reiches Bild, daß eine unendliche Mannigfaltigkeit sich ergeben kann (wie bei der Madonna). Wenn nicht die Tradition zu Hülfe kommt, so wird der Gegenstand einer gewissen Erklärung bedürfen. Es giebt im historischen Sinn einen Boden, den die Malerei sich erst machen muß und Rücksicht der Verständlichkeit. – Sehen wir auf die Verbindung der Geschichtsmalerei und Naturmalerei, so kann Sicherheit und Klarheit der Bedeutung ebenfalls da seyn. Es zieht sich das Gebiet zusammen.

Was für uns die heilige Geschichte ist in Verbindung mit der Legende, war für die Alten die Mythologie in Verbindung mit der heroischen Tradition in einander spielend, nur vielleicht auf die entgegengesetzte Weise. Die Popularität dieses mythologischen Kreises hat aufgehört. Wenn sich auch die fortschreitende Bildung im Volk erweitert, so wird und darf sie doch im Volk nicht diese Richtung nehmen, – da sie keine historische und praktische Gestalt hat. An die Stelle dieses mythologischen Gegenstandes hat sich eine allegorische Composition geschlossen, indem man die mythologische Prosa allegorisch behandelte. Dadurch ist eine freies auf keinem geschichtlichen Boden ruhendes Feld entstanden. Ob sie eine Figur der Zeit oder der Alten darstellen, ist für viele dieser Gemälde zweifelhaft. So in vielen anderen. Hier scheint von einer anderen Seite die Grenze überschritten zu seyn. Dies ist ebenfalls eine Dichtung – doch auch als Dichtung auf untergeordne | 145rter Stufe stehend. Es ist immer ein verkehrter Luxus und diese Art der Erfindung scheint auch jetzt weniger Liebhaber zu finden. Wenn wir die beiden Hauptgattungen mit einander vergleichen, so scheint, wenn man über die eigentliche Grenze hinausgeht, die Geschichtsmalerei ein reicheres Gebiet zu seyn, die Naturmalerei ein beschränkteres. Es kann dies nicht den Maßstab der Beurtheilung geben. Fragen wir abgesehen von dem, was in dem Gebiet der Idee hineinschlägt, ist hier in Hinsicht auf das, was in Licht und Gestaltbildung die eine und die andere Gattung leisten kann, ein Unterschied: so ist der Reichthum der Formen der Natur doch wenigstens gleich der Mannigfaltigkeit in der menschlichen Gestaltbildung. Wir werden immer als Maß aufstellen, daß in der Verbindung beider Gattungen eigentlich die Vollendung zu suchen sei. Losgetrennt haben beide Gattungen etwas Dürftiges. Kehren wir zurück und fragen, was ist denn eigentlich die Vollkommenheit der malerischen Kunstwerke: Wir haben zwei Elemente, Zeichnung und Lichtbehandlung. Die Vollkommenheit besteht auf der einen Seite in der Mannigfaltigkeit der Theile zu Einem Ganzen verbunden, und auf der anderen Seite in der vollkommenen Beziehung, die die einzelnen Theile zu einander haben. Um die Malerei von der Sculptur zu unterscheiden, ist gesagt, daß die Malerei es nicht verlange, daß eine einzelne Gestalt durch sich selbst verständlich sei. Eine einzelne Figur ist immer noch ein unvollkommenes Werk, wenn nicht durch die ganze Umgebung und Handlung die Verständlichkeit gegeben ist. | 145v Wo dies noch nicht ist, ist noch Unvollständigkeit in den Portraits. Steht eine Figur allein da, so kann aber(?) Verschiedenheit der Lichtregion da seyn, nicht einmal eine eigenthümliche Beleuchtung, das innere als außer dem Gemälde kommend gedacht werden muß. Die Räumlichkeit im Gemälde entsteht eben aus den verschiedenen Lichteffecten. Es setzt daher die Figuren voraus, daß eine bestimmte Fläche da ist, die sich durch die verschiedenen Lichteffecte gestaltete zu köperlichem Raum. Wir sehen durch ein Fenster und sehen den körperlichen Raum, aber eigentlich doch auf die Fläche der Fensterscheibe – und aus den Lichtmomenten ergiebt sich uns der körperliche Raum. Daher ist das Lichtmoment das Wesentliche des Bildes. Durch dieses erst sondert sich der Raum auf der Fläche. Wenn die einzelne Figur in dieser Hinsicht immer etwas Unvollständiges hat, ist ein Kunstwerk deswegen um so vollkommener, je mehr Figuren es hat? Unmöglich. Dann bildeten Schlachtstücke die höchste Gattung. Durch die Menge selbst aber nimmt hier auch wieder die Erkennbarkeit ab. Der Maler soll freilich die Masse so nothwendig(?) und in Beleuchtung setzen, daß er die größt möglichste Erkennbarkeit der inneren Wahrheit giebt. Es hängt von der Menge der Gegenstände nicht ab. Wie wenden wir die Formel, die wir aufgestellt haben, an? Es giebt Kunstwerke, auf denen nur drei oder vier Figuren und die doch vollendet sind. Stehen die Figuren(?) | 146r in gewisser Beziehung, so würde alles, was darüber wäre, die Einheit verunstalten oder es würde Beiwerk seyn. Denken wir uns einen Besuch der Maria bei der Elisabeth, so lässt das weniger Figuren zu, außer den beiden höchstens den Zacharias oder eine oder die andere dienende Figur. Darin ist die Handlung abgeschlossen. Die Deutung wird schwerer werden, mischten sich noch andere Figuren ein. Menschliche Figuren taugen also nicht zum Beiwerk. Eine Verlobung der Maria erfordert eine größere Menge von Figuren als Teilnehmer und Zeugen. Hier hat der Künstler mehr Spielraum. Kann man hier die Anzahl nicht bestimmen, so liegt doch ein Maß darin, daß es eine Handlung des zurückgezogenen Privatlebens ist. Ist das Maß erfüllt, so ist das Gemälde von dieser Seite vollständig. Die verschiedenen Grade der Erkennbarkeit müssen sich mit hineinfügen. – Ist in dem Gemälde, wo nun nur wenige Figuren seyn können, das Uebrige Beiwerk, so fragt sich, soll das seyn oder nicht seyn. Es ist keine Veranlassung zum Beiwerk da. Einmal hat es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, die Gesetz unserer Anschauung geworden ist, daß der Raum durch einen anderen als daseyende Handlung begrenzt ist. Ist in dem Bild nichts als eine quadratische Figur, so kann man sich es nicht anders denken, als daß der Künstler sich des Beiwerks absichtlich enthalten hat. Die Handlung erfordert den Begriff der Wohnung. Diese kann einfach seyn. | 146v Ist noch etwas Vegetabilisches oder Animalisches hinzu kommend, so ist das Beiwerk. Ist der Raum vollständig und übervollständig erfüllt, so ist das Gebundene des Beiwerks verschwunden. Alles was der wesentliche Theil oder ein natürliches Beiwerk ist, muß in einer zusammenhängenden Beziehung der Beleuchtung stehen. Ein jeder Punct des Bildes muß in der Beleuchtung vollständig bestimmt seyn und hier ist zu unterscheiden Dürftigkeit und Fülle – nicht also ob die Dürftigkeit Mangel in sich schlöße, denn es kann Klarheit und Richtigkeit dabei seyn. Eben das, daß alles zur Klarheit und Richtigkeit des Sehens beiträgt und was wir unbewußt beim Sehen verrichten und die Verschiedenheit des Lichts die wir wahrnehmen und die Gestalten hervorrufen: das ist die wahre Vollkommenheit. Je mehr jeder sich so als auf seinem Platz manifestirt, desto größer ist die pittoreske Vollkommenheit.

Die Einheit und Angemessenheit leiden in vielen bedeutenden Gemälden Ausnahmen, wo zwei Handlungen in demselben Raum dargestellt sind. Man führt Raphaels Transfiguration an, wo doch beide Handlungen als gleichzeitg zu denken sind, nur daß dem Auge beide zugleich nicht erscheinen konnten, indem die Perspective verkürzt ist. Aus dieser Verkürzung sieht man erst, daß beide Handlungen als zwei betrachtet seyn sollten. – Oft ist eine Geschichte auf einem und demselben Bild fortgesetzt. Es ist eine Bindung(?), die in natürlichem Zusammenhang steht, wenn man das untergeordnete Manirirte als Beiwerk zur Füllung des Raumes betrachtet. Aehnlich auf der | 147r entgegengesetzten Seite. In der Naturmalerei bildet die Beleuchtung eine Einheit. Aber für das Gemälde findet man oft eine doppelte Beleuchtung, Mondschein etwa im Freien, im Gebäude eine Kerze. Es ist etwas an das Epideiktische Streifendes, beide Beleuchtungen wo sie zusammentreffen in der Naturwahrheit zu verschmelzen. Je mehr hier zur Beurtheilung der Kanon gehört, desto mehr ist das Kunsterforderniß geschwunden. – Gehen wir wieder aus von der Erfindung des Malers und der gemeinschaftlichen Art des Lebens, so breitet sich eine große Differenz aus. Einige sehen in der Entfernung schärfer als andere. Welches Maß soll der Künstler nehmen? Nimmt er das Maß eines zu schwachen Auges, so werden die Bilder abgestumpft. Nimmt er eine zu große Schärfe, so ist es das Hypothetische der mikroskopischen Malerei. Darin sind die holländischen Maler Virtuosen, die jedes Haar auf der Hand und jede Pore mitzeichnen. Es ist schon ein epideiktischer Charakter. Muß man auch den mechanischen Virtuosen bewundern, so ist der Kunstwerth verringert. Er verliert sich in einem Aggregat von Einzelheiten. Diese Manier wird freilich gewöhnlich nur angewendet in dem Portrait, wenn auch in den erfundenen. Doch finden wir auch in dem Zusammensetzen solche mikroskopische Genauigkeit in der Beleuchtung. Man kann den Werken der Skulptur, die in dieser Art gearbeitet sind, nichts Epideiktisches als Mangel vorhalten, da sie zugleich zur Einheit hinstreben. Soll aber auf Unkosten der Einheit das Einzelne wahrgenommen werden, so ist das wahrhaft Künstlerische unterdrückt. Was von der Gestalt gesagt war, daß ein Einzelnes kein besonderes Werk ist, ebenso in Beleuchtung und Färbung. Fehlt das letzte, so | 147v sind nicht alle Forderungen der Kunst erfüllt, noch mehr wenn die Beleuchtung gar nicht angegeben ist. Ist Licht und Lichteffect da, so könnte man sagen, die Vollkommenheit der Lichteffecte hinge davon ab, daß alle möglichen Lichteffecte, alle Grade der Beleuchtung, alle Nuancen von Farben müßten da seyn. Das Gesetz ist hier schwer auszusprechen wie auf der Seite der Gestalt. Wir müssen zu dem Ende Beleuchtung und Färbung trennen. Es ist möglich, die Mannigfaltigkeit der Gestalt so einzurichten, daß [...] Weil mehr Lichtdifferenzen schroff gegeneinander den Sinn stark afficiren, so ist es möglich, daß dadurch Fehler in der Zeichnung unbemerkt bleiben. Große Meister enthalten sich daher dieser Art, weil die Zeichnung dadurch leidet, indem der Betrachter auf die Lichteffecte allein hingewendet wird. Das Schwierigste ist, die Wirkung der benachbarten Gegenstände auf die Färbung außen, d.i. die Reflexion. Nimmt man auf sie keine Rücksicht, so muß die Einheit der Zeichnung leiden – es fehlt der Behandlung des Zusammenhangs die Figur. So bald die Figuren gruppirt sind, so tritt die Wirkung der Farbe auf. Es giebt aber auch hier den Unterschied nach dem Epideiktischen hin. Wenn wir sagen, es müssen die Differenzen in solchem Maße gehalten seyn, daß die Kraft der Zeichnung nicht darunter leidet, noch daß die Einheit gestört wird, wie bei der mikrologischen Zeichnung. – Ueberdies aber giebt es auf jedem Bild zwei Extreme des Lichts, Licht und Schatten und auch in der Farbe zwei Aeußerste. Es ist eine zweifache Behandlung möglich – die Behandlung durch Uebergänge und die Behandlung durch Contraste. Ist eine von beiden richtig oder wie steht es mit dem Verhältniß? Ist eins von beiden ausschließlich vorhanden, so ist | 148r die Wahrheit gestört. Uebergänge und Contraste werden immer nebeneinander vorkommen. Man kann sich nur die größte Absichtlichkeit denken, wenn man den Contrast ausschließen wollte. Ebenso in der Färbung. Es ist eine Neigung zum Epideiktischen wenn Contraste zu sehr dominiren. Es muß dies durch die anderen temperirt werden. Uebergänge durch Contrast, Contrast durch Uebergänge. Das ist die Harmonie des Colorits. Es ist freier Spielraum. Weiter können wir hier nicht gehen, ohne ins Technische zu kommen. Eine Frage liegt an der Grenze, was hat der Künstler für Mittel sein Werk hervorzubringen? Er muß eine Fläche haben, sein Werk darzustellen, zur Zeichnung bedarf er Umriße, um Licht und Farbe hervorzubringen, bedarf er der Pigmente. Da die Gestalten sich nur sondern durch die verschiedene Färbung. Der Umriß entsteht von selbst durch den Zusammenhang und Gegensatz der Färbung. Gehen wir davon aus, der Künstler bedarf der Fläche und Pigmente, außerdem der Werkzeuge diese zu behandeln. Diese sind ihrer Wirkung nach sehr verschieden, theils durch sich selbst, theils durch die Behandlung. So unterscheiden wir bei uns jetzt die Oelmalerei und die Malerei mit Wasserfarben. Ein Oelgemälde hat einen anderen Ton, als ein Gemälde von Wasserfarben. Beide haben das Gemeinschaftliche, daß das Pigment in ein Flüssiges getaucht ist. Bedarf der Künstler zu jeder Farbe ein besonderes Pigment? Es wird verneint, da die Nuancen Mischungen sind. So können alle Farben durch etwa 10 bis 5 Pigmente hervorgebracht werden . – Wird die Farbe trocken angebracht, wie bei der Pastellmalerei, so müssen die Farben in | 148v Mischung schon vorhanden sein. Diese Malerei mit trocknen Pigmenten ist aber etwas Unvollkommenes. – Es ist noch ein großer Unterschied in der Behandlung der Werkzeuge, in der Führung des Pinsels. Es ist eine der größten Studien für den Maler, herauszubringen, wie Künster von großer Bedeutung diese Aufgabe gelöst haben. – Es führt dieses auf die Copie. Die Erfindung muß der erste Punct seyn, von welchem das Ganze ausgeht. Der Werth der Copie für den Kunstgenuß kommt hier nicht in Betracht. Eine gute Kopie eines großen Bildes für den Kunstfreund steht höher als ein mittleres Gemälde. Eine Kunst kann sich nur durch Tradition erhalten. Es ist die fortlaufende Tradition, die wir unter dem Begriff der Schule verstehen, insofern diese Tradition von verschiedenen Puncten ausgehend verschieden ist. Ein Meister pflanzt seine Behandlung der Kunst für seine Schüler fort. Individuell ist jeder Meister in den meisten Gattungen und hat seine eigenthümliche Art und Weise. Das constante Fortgehen bildet den Charakter der Schule. Wir können rückwärts gehen. Auch das Maß in der Licht- und Farberzeugung und die Harmonie werden entweder so fortgehend seyn, wo es eine Einheit der Schule giebt – zunächst deswegen, weil das mehr Mechanische – die Behandlung der Pigmente und Werkzeuge in nothwendigem Zusammenhang mit dieser steht. So giebt es ein Fortlaufen bis auf das Ursprünglichste. So unterscheidet man Schulen nach dem verschiedenen Verhältniß der Zeichnung, Beleuchtung und Färbung. Wo eine lebendige Tradition auf ihre Art fortgeht, da ist kein Werth für die Copie. Eignet er sich die Manir lebendig | 149r von dem Meister an, so braucht er das Studium in der Copie nicht. Ist aber die Tradition abgebrochen und wenn der Raum in der Mitte sich nur durch mittelmäßige Kunst übertragen hat, da ist die Copie nöthig, um durch das Nachbild in die Gesinnung der Behandlung der Pigmente und des Pinsels einzudringen oder durch andere Mittel als dieselben Pigmente dieselbe Wirkung hervorzubringen. Die Künstler nehmen es deswegen mit der Copie so genau. Die fortgehende Tradition und die Copie muß sich also gegenseitig ergänzen. – Da unsere Kenntniß von der Malerei der Alten nicht hinlänglich ist, ein wirkliches Urtheil über das damalige Verhältniß der Kunst zu Stande zu bringen, so ist es schwer hierüber etwas ganz Bestimmtes auszusprechen. So hat man gesagt, daß sie nur in einzelnen Figuren vortrefflich gewesen, daß sie aber die Perspective gänzlich vernachlässigt haben. Man kann sich es kaum denken. Die Perspective liegt dem gesunden Auge zu nahe, als daß eine gänzliche Vernachlässigung möglich seyn sollte. Der Grund liegt wahrscheinlich in den Vasengemälden, welche freilich nicht als vollkommene Kunstwerke zu betrachten sind, weil immer nur eine Seite hervortreten kann. Die Figuren stehen freilich im realen Zusammenhang, sollten aber doch nur einzeln im Auge vortreten – weil man das Gefäß umdrehen muß, sie zu sehen. Hier würde ein Perspectivgemälde ein Fehler seyn. Wir gehen hierbei anders zu Werke. Soll ein wirkliches Gemälde gesehen werden, so beschränkt man sich auf Einen Gegenstand, der nur einmal gesehen werden kann. Füllt man nur einen Theil des Gefäßes und das übrige mit Arabesken, so hat die Perspective ihre Anwendung. Neuerlich soll ein Wandgemälde entdeckt seyn welches beweist daß die Alten die Perspective nicht vernachläßigt haben. Es ist das um so wahrscheinlicher, da im Basrelief schon eine Andeutung von Perspective ist. Die Malerei fing erst | 149v an, als die Sculptur schon blühte. Daher war es natürlich, daß man dieser mehr nachstrebte und daher die Perspective vernachläßigte. Aehnlich in der neuen Zeit, und umgekehrt. Die Alten vernachlässigten das Pathognomische im Gesicht. Die Neuen lassen es besonders hervortreten – besonders auch deswegen, weil nirgends die Lichteffecte feiner und lebendiger sind. Daher beschränken sich die neuen Maler gleich auch hiermit. Daß die Gestalt in ihrem Verhältniß nicht gleich trat, lag aber in dem Mangel der Sculptur. Dazu kam, daß die günstige Gelegenheit für das lebendige Gestaltstudium mehr fehlte. In der heiligen Geschichte, mit der man zum Heil der Kunst begann, hatte man nun noch nicht mit fremden Gewändern und Draperie zu thun, durch die die Gestalt durchdringen sollte. In dem aber, was am meisten von der Sculptur entfernt liegt, in der Farbengebung zeichnet sich gleich der Maler aus. Er trug eine Richtung der Spur einer beschränkten Dauer in sich. Zuerst wird auf das Ethische in der Figur gearbeitet, auf den Ausdruck im Gesicht – wozu auch wieder die Bedeutung der heiligen Geschichte führte. Hernach fing man an, nachdem eine Art von Zusammenhang eröffnet war zwischen Italien und Deutschland, mehr auf die Figur und Stellung zu sehen. Dabei war die Intensität der Färbung sehr zeitig gesehen(?). Hierauf wird man aufmerksam, auf die Localeinflüße | 150r der Farben aufeinander – auch mit weiser Berechnung. Später hat man mehr auf die Lichteffecte gearbeitet. Dadurch hat der Contrast gegen die Composition ein zu großes Uebergewicht bekommen und es trägt da sehr die Spur des Verfalls. Die Bologneser Schule unter Carravaccio hat besonders auf die Lichteffecte gearbeitet. Dadurch machen die Werke aus der Fremde besonders einen großen Eindruck, während die ganze Fülle der Kunst oft nicht in ihnen entwickelt ist. Es bringt eine große Wirkung hervor, auf das Auge, das nicht so tief in die Kunst eindringt. Dadurch ist die Weg zum Manirirten gebahnt. So in der französischen Schule. Je complicirter die Stellungen, desto mehr Gelegenheit zu solchen grellen Lichteffecten. Man findet es schon bei einzelnen Meistern. Vergleicht man die Gemälde von Raphael aus der ersten Zeit, z.B. die Verlobung der Maria mit der Transfiguration (aus der letzten Zeit), so ist jenen Einfachheit der Farben, in diesen grelle Lichteffecte. Wenn nun einzelne Meister ihre Eigenthümlichkeit besonders richtig ausbilden, so kann die Kunst nur in dem Blick bleiben, wenn diese Differenzen harmonisch neben einander oder nach einander ausgebildet werden. Hier sehen wir den natürlichen Gang wie die Kunst erst allmählich durch die lebendige Tradition der Schulen und wieder durch die Copien zur Vollkommenheit kommt, wie aber wieder durch die Schwierigkeit, in der einen Formel die verschiedenen Formen der Kunst zu fassen und zu erhalten, schon der Verfall vorbereitet ist. Es steht(?) die neue Zeit in dieser | 150v Rücksicht mißlich. Man könnte sagen, daß besonders die evangelische Kirche beitrage, dadurch daß sie zu sehr geistig sei. Die Legende kann in der evangelischen Kirche diese Bedeutung nicht haben. Dagegen liegt im Sinn des Protestantismus keine Art von Beschränkung in dem Cyclus aus der heiligen Schrift oder der Geschichte der Kirche, zumal da der Rigorismus in den Bildern, der in den ersten Jahrhunderten des Protestantismus Statt fand, sich mit Recht mehr und mehr verloren hat. Es ist auch deswegen schon der Satz nicht wahr, daß der katholischen Kirche die Malerei, der protestantischen die Poesie zufalle. Es könnte eine nationelle Ausbildung der Katholiken geben, die auch die Poesie wieder weckte. – Die Landschaftsmalerei hat so großes Schicksal nicht gehabt. Die Trennung von der geschichtlichen Malerei ist nicht ganz heilsam – wol aber zu einer künftigen Vereinigung nützlich. – Die Naturwahrheit in dem Gegenstand war in der alten Malerei nicht so vollendet wie die Naturwahrheit in den Figuren, beides in der italienischen und deutschen Schule. Dagegen hatten die Alten auch hier in der Farbe schon eine Kunst, die in den Pigmenten und ihrer Behandlung zum Theil verloren ist. –

Es heben sich noch einzelne Zweige hervor. Die Blumenmalerei geht parallel mit dem Portrait. Sie müssen Naturwahrheit im Einzelnen haben – wenn auch als Arabesken und Beiwerk der Typen geneigt. Das einzelne Exemplar ist in der vegetabilen Natur nicht das Eigenthümliche, aber die Species. | 151r Der Maler hat hier ein Gebiet der Erfindung in der Zusammenstellung. In dieser wie in Zeichnung und Colorit läßt sich große Kunst entwickeln. Seit die Anschauung der Gewächse aus fremden Klimaten zur Anschauung gekommen ist, hat die Kunst neue Bedeutung und Schwung erhalten. – Protraits vom Thier, die einzelne Individuen vorstellen sollen, haben Aehnlichkeit mit den portraitirten Prospecten und erscheinen als untergeordnet. Die Spinnengewebe – wie alles was man Genre-Gemälde nennt, sind mehr Studium (die Blumenmalerei ist auszunehmen), für die Kunst im Ganzen haben sie keinen anderen Werth. Haben solche Gemälde keine andere Tendenz, so ist wenig auf sie zu geben. Sieht man kleine Gefechtsstücke, ohne den historisch großen Charakter der Schlachtgemälde, und es ist kein bedeutender Moment in der Stellung der Figuren oder in der Wirkung der Geschütze auf die Lichteffecte oder gedehnte(?) Musculatur, so ist es etwas Untergeordnetes, wie die so genannte Stillmalerei. Durch solche bestimmten Tendenzen wird sie Studie, die gleichsam Kanon sei für die Vorkommen im Größeren. – Wie verhält sich der Kupferstich zum Gemälde? Die Vervielfältigung ist die Hauptsache. Der Kupferstich kann nur zwei Tendenzen wiedergeben, Zeichnung und Beleuchtung. Er ist beschränkt auf schwarze Linien auf einem einfachen Grund. Man muß ihm aber dieselbe Stelle einräumen, die wir dem Virtuosen im Verhältniß zum Componisten einräumen. Es muß Kunsttalent seyn. Es ist nicht blos Mechanik in den Linien und der Art, die ihm zu Gebote stehen, zu wählen und die Lichteffecte zu beherrschen. Die Art ist anders. Es ist bewunderungs | 151vwürdig, wie real die größten Meister mit dem geringen Mittel – selbst in dem Charakter der Färbung – wiedergegeben haben. Die Mittel sind nicht etwas Natürliches. Die Linien sind Mittel der Fläche das Körperliche zu leihen – er thut es durch ein unwahres Mittel. Das Auge muß sich erst gewöhnen daran, daß die Linie wirke, was sonst die Farbe. Es ist das ein eigenthümlicher(?) Kunstzweck. Ueber den Steindruck ist noch nichts Bestimmtes zu sagen. Der Kupferstich geht aus von der schattirten Zeichnung, so auch der Steindruck. Der Kupferstich arbeitet aber in ein farbiges Medium hinein und schattirte Zeichnung tritt erst durch den Abdruck wieder hervor. In dem Steindruck wird die schattirte Zeichnung wirklich gezeichnet. Hier wird der Kuperstich eine besondere Dignität behalten, so wie der Steindruck in der Leichtigkeit, die für immer bleibt.

Redende Künste.

Bei den redenden Künsten, die nicht von der Bildererzeugung, sondern von der Gedankenerzeugung ausgehen, kommen wir in Verlegenheit über die Grenze der schönen Künste. Man nimmt gewöhnlich sicher die Dichtkunst und Beredsamkeit. Ueber die Dichtkunst kann man Zweifel erheben. Man hat bei den Alten eine völlige Theorie über dieselbe und daher galt die Voraussetzung, daß sie eine Kunst sei, wie andere. – Wir können es nach dem Vorausgeschickten | 152r nicht zugeben. Es ist hier das gebundene Leben, in dem und zu dem durch die Gedankenerzeugung ein bestimmter Zweck erreicht werden soll. Es ist von vorn herein die Richtung im Entschluß: Die Sicherheit macht hier den Meister. Das Praktische herrscht also ganz vor und wir können eigentlich gar keine Analogie mit der schönen Kunst zugeben. Freilich stehen auch schon bei den Alten nicht alle Zweige dieser Beredsamkeit sich gleich. In den epitaphischen Reden z.B. war keine Richtung unmittelbar auf den Entschluß und diese Gattung nähert sich mehr der schönen Kunst. Die beratschlagende und gerichtliche Rede ist von den Alten aber immer der epitaphischen zur Seite gesetzt. Eine bestimmte Wirkung soll hier auch erreicht werden – nur nicht unmittelbar zur einzelnen That – es soll die Vaterlandsliebe angefacht werden. Es ist also auch eine Richtung auf den Willen; aber weil die That nicht unmittelbar folgen soll, weil ein Zwischenglied gegeben ist, so ist eine Näherung zur schönen Kunst. In der neuen Zeit fehlt bei manchen Völkern die politische Beredsamkeit, so wol die beratschlagende als die gerichtliche. Wo sie ist, ist die Abzweckung vollkommen dieselbe und man fordert von der Rede fast Einseitigkeiten für seinen Theil. Vergleicht man die Meisterwerke der neuen Zeit mit den alten, Reden von Pitt und Fox mit Demosthenes, so hat die alte Rede einen mehr excitirenden Charakter, die neue ergeht sich mehr in Ausführung. Es liegt in dem Zuhörer. Die neue Rede spricht nur zu einem Ausschuß, wo die Leidenschaft nicht so angeregt ist. Wir finden die Gegenstände der epitaphischen Rede am meisten wieder in der religiösen Beredsamkeit. | 152v Bei vielen unserer neuren Völker ist die Kanzelberedsamkeit das einzelne. Man hat Theorien entworfen. Was von der epitaphischen Rede galt, gilt auch von der Kanzelberedsamkeit. Sie hat keinen bestimmten einzelnen, aber doch einen allgemeinen praktischen Zweck. Sie gehört in die Psychagogie und zu den durch einen Zweck geleiteten gebundenen Lebensfunctionen. Die Absicht, für den Willen zu wirken, ist nicht zu leugnen, aber es ist kein einzelner Entschluß noch unmittelbar auszuführen, mehr eine Richtung des Willens. Wir haben also auch die Kanzelberedsamkeit überwiegend auszuscheiden, wie die politische. Hier also verwischen sich die Grenzen der Kunst. Wenn wir nun fragen, ist nun diese Ausführung, wenn wir sie auch von der praktischen Seite betrachten, gar nichts, was für sich betrachtet die Spur künstlerischer Production in sich trägt. Betrachten wir die Rede rein der Form nach, so verlangen wir von ihr einen besonderen Charakter, wie wenn man im gewöhnlichen Leben in starken(?) Pausen redet. Aber die Besinnung soll dazutreten und durch das Bewußtseyn die Besinnung ein Maß enthalten(?). Wir können es nicht leugnen, aber nicht isoliren. Es ist hier etwas Kunstmäßigeres, aber nicht productiv an und für sich. Das Predigen ist immer ein Geschäft, da es einen bestimmten Zweck hat, aber seiner Form nach wird es in der Weise der Kunst beurtheilt. Man setzt als voraus, daß sie auch als Kunst erzeugt wird. Weil man aber die Kunst nur an einem Geschäft fordert, so verschwindet die Kunst oft mehr bis in die Bewußtlosigkeit. Daher aber die zweifelhafte Stelle, die es einnimmt. Sollen wir deswegen diese ganz und gar ausschließen? | 153r Wir werden dadurch ebenso fehlen, als wenn wir die Architectur von den bildenden Künsten hätten ausschließen wollen. Wie dort einige meinten, es müsse nur das aus dem Gesichtspunct der Kunst beurtheilt werden, was mit dem Zweck des Gebäudes nicht in nothwendiger Verbindung steht: so könnte man auch hier den Zweck und was aus ihm hervorgeht trennen. Es ist aber dieses auch hier zu verwerfen. Wenn man in der Rede im Zusammenhang den gesammten Zweck zeigt, so ist es das Bewegende, das geschieht. Nun sagt man, was die Form betrifft, nicht dieser Inhalt, sei nach der Kunst zu beurtheilen. Es läßt sich aber beides nicht trennen. Denkt man zuerst sich die Gedankenglieder, so können sie nur in bestimmter Verbindung und Beziehung vorgetragen werden. Zu der Art und Weise der Verbindung gehört aber auch wieder, wie sie unter einander größere oder kleinere Theile bilden, die Gliederung. Gehört also diese Gliederung noch zum Geschäft, so gehört auch noch alles dasjenige dazu, was den rhetorischen Accent im Großen bildet. Hier haben wir schon viel, was zu der Form gehört und doch aus dem Gesichtspunct des Geschäfts muß betrachtet werden. Nehmen wir dieses alles weg, so würde für die Kunstbeurtheilung nichts übrig bleiben, als was in der Architectur Verzierung war, die flores orationis. Betrachten wir aber dieses wieder und wir finden sie in einer Fülle, so sind sie oft bei einem bestimmten Zweck mehr nachtheilig als förderlich. Ihr Gesetz ist aber die größte Sparsamkeit zur Harmonie des Ganzen: Gesetzt man könnte hier isoliren, so wäre es kaum der Mühe werth, eine eigenthümliche Theorie | 153v darüber aufzustellen. Man würde es vielmehr in einem anderen Gebiet suchen. – Als sich uns die Rede als bloße Darstellung zeigte und wir den Zweck wiederum bestimmten, schieden wir zwischen dem Praktischen und Theoretischen. Die Kanzelberedsamkeit schwankte zwischen beiden. Wenn aber auch eine Reihe der Gedanken die im Proceß des Erkennens liegt, in der Sprache erscheint, so daß Mittheilung vorhanden ist, nicht blos innere Production, so ist der Zweck ein rein theoretischer. So wie nur eine Reihe von Gedanken auf eine geschlossene Weise als Ganzes hervortritt, so sagt jeder, es ist nicht die ursprüngliche Erscheinung, es ist die Besinnung hinzugetreten, wodurch eine organische Gestalt hervorgerufen ist. Wo solche Darstellung ist, ist auch ein Anspruch auf Kunst. Was können wir aber auf die Kunst beziehen, wie wir sie bisher(?) bestimmten. Die lichtvolle Composition gehört doch nicht in das Gebiet der eigentlichen Kunst. Weil aber die Gedanken nicht anders als durch die Sprache dargestellt werden können, so muß etwas seyn, was hier in der Behandlung der Sprache die Kunst ausmacht. Was wir für das praktische Gebiet Verzierung nannten (Blumen oder Pointen), kann in dieser logischen Einheit gar nicht Statt finden, weil es unterbräche. Es hängt die Sprache dem logischen Theil nach mit dem Gedachten zusammen das wir ja auch innerlich für uns selbst haben und das nur äußerlich heraustritt. Wo die Rede mündlich hervortritt, wird sie nur nach den Regeln der Kunst zu beurtheilen seyn, | 154r aber es gehört dies in das Gebiet der Mimik. Man könnte noch den musikalischen Theil der Sprache nehmen, der ins Ohr fällt, angenehm oder unangenehm, das sein Maß in sich hat. So wie wir hier beurtheilen, so erwarten wir aber die vollendete Angemessenheit, die durch die Besinnung erreicht wird. – Es schließt sich dies alles an das an, was in dem gewöhnlichen Leben wir finden, es ist die Kunst an etwas Anderem und kann nur mehr einen negativen Charakter haben, zu vermeiden, daß nichts Unangenehme die logische Folgsamkeit der Zuhörer unterbräche. Das Uebrige wird nur logisch beurtheilt werden können. Es ist hier nicht mehr die Kunst an und für sich, nicht die reine Production, sondern sie ist nur per accidens da. Stellte man die Poesie auf die eine Seite und die Beredsamkeit auf die andere Seite – und fordert nun für die Poesie das Metrum, so würde sich doch fragen, ob es denn für die Prosa keine andere Kunst gebe, als eben diese die nur an einem Andren wäre. – Es giebt noch einen anderen Standpunct wenn man denkt, daß der Gegensatz zwischen Dichtkunst und Beredsamkeit involvire den Gegensatz zwischen Poesie und Prosa. Fällt alles was Poesie ist in das Gebiet der schönen Kunst und giebt es keine andere? Ein Mittelglied ist das Lehrgedicht und wir werden sagen müssen: es gibt auch Poesie, wo die Lehre die Hauptsache wäre, die also in ein anderes Feld gehört, und die Kunst gehe nur auf die Sprache, erstere Kunst an das Praktische. | 154v Ebenso im Gnomischen. Es fallen alle diese, wo die Erkenntniß die Hauptsache ist, mehr aus der Kunst heraus. Denken wir in der Poesie selbst herum, so wird jedem das Drama einfallen, das bei den Alten metrisch war, bei den Neuen häufig prosaisch. Soll hier nun Poesie und Prosa das Maß geben, ob es zur Kunst gehört oder nicht? Dann müssen wir zurückkommen und zugeben, es giebt es das zur schönen Kunst gehört, was in Rücksicht des Metrischen nicht zur Poesie gehört. Sehen wir auf die epische Poesie, so wird die weitschichtige Gattung der Romane zur epischen Poesie gewöhnlich gerechnet. Es ist hier eine Erzeugung rein von innen heraus, ohne praktischen Zweck. Wir würden hier verfolgen können das Anschließen an einen inneren Naturproceß bis zur organischen Hervorbringung. Der Begriff der Kunst wäre also hier vollkommen. – Ebenso wenn wir an die Fabel denken. Diese finden wir metrisch und prosaisch. Es tritt der Fall ein, wie bei dem Drama. Man könnte sagen, bei den Alten seyen Fabeln in Geschichtsreden verflochten, wie bei Livius. Es könnte auch eine metrische Fabel seyn. Es ist ein kleiner Kunstkörper, für sich eingefügt. Wir müssen sagen, wir können immer diese eingesprengten Massen herausnehmen, wie eine eingesprengte Kunstgestalt aus dem, worin es verwachsen ist. Der Redner, der die Fabel verwebt, kann sie erfunden haben, sie kann in der Art der Erfindung der Rede selbst vorgekommen seyn. Es ist ein homogenes Glied. | 155r Wie aber diese ihm einfiel, das verhält sich so, wie in der Beschäftigung des Lebens in der begleitenden Vorstellung eine künstlerische Conception vorgehen kann. Es wäre aber kein Unterschied, wenn der Redner die Fabel auch nicht erfunden hätte. Man muß also die Fabel von der Rede ausscheiden. Die prosaische Fabel gehört aber ebenso gut zu derselben Gattung wie die poetische. Das Gebiet der redenden Künste begreift also sowol poetische Compositionen im engeren Sinn (Metrik) als auch in ungebundener Rede. Wir hätten hier also eine Eintheilung [...]

Eine Reisebeschreibung wird niemand mehr in das Gebiet der Kunst im engeren Sinn stellen. Die Kunst hätte nichts damit zu thun als in der Verzierung oder in der Sprache. Aber man denke sich Yoriks sentimental journeys oder Themmels(?) Reise nach der südlichen Erdkugel(?) . Diese wird niemand in das theoretische Gebiet schieben. Es ist die Reisebeschreibung ein loser Faden an den sich einzelne Dichtungen wie ein Aggregat anreihen. So wie wir auf die innere Tendenz sehen und den Charakter, so werden wir sagen, jene Reisebeschreibung gehört in das Gebiet des Wissens, diese in das Gebiet der Productivität. Wollen wir sie aber in eine Kunstgattung stellen, so wird es neue Schwierigkeiten machen. Rechnet man sie zum Roman so kann es seyn, wenn sich eine gewisse Einheit findet, sonst nicht. Wollen wir eine eigentliche Gattung daraus machen, so fragt sich, welche Regeln | 155v wollen wir hier aufstellen, da eben das Ganze lose und regellos seyn will. Es ist also eine zweifelhafte Gattung. Sehen wir die Sache so an, daß die belehrenden Reisebeschreibungen früher(?) sind, und diese nur eine Umwandlung, so sähe man kein Ende, warum nicht alle theoretischen Gattungen sich auf eine ähnliche Weise in Kunst verwandeln können. – Stellen wir nun etwa an die Stelle von Beredsamkeit und Reichthum als integrirenden Theil der redenden Künste – die Einheit in gebundene und ungebundene Rede . Wir wollen, da die Metrik ursprünglich ist, übersehen, daß es auch prosaische Fabeln und Dramen giebt. Wir wollen das, was nicht metrisch vorkommt als eine zweite Gattung diesem gegenüberstellen. Wir werden damit nicht auskommen. Ein Roman ist freilich mehr prosaisch. Das moderne Epos im Oberon ließe sich auch ähnlich als prosaisch denken, wenn man auf Stoff und Behandlung sieht. Ein so wesentlicher Unterschied würde hier die Poesie und Prosa nicht machen, daß beide zu verschiedenen Gattungen gehören müssen. – Es ist diese Gattung ein versificirter Roman. – Es giebt Romane in Briefen, und Briefe sind schon bei den Alten metrisch. Warum kann es nun auch nicht Romane in poetischen Briefen geben, wie schon in [...] von Abaelard und Heloise. Es wäre ein Roman in antiker Gattung. Wollen wir hier auch diese Art nur als Ausnahme gelten lassen und zur Prosa rechnen? | 156r Was wäre dann aber der Grund, warum wir das Drama wesentlich zum poetischen, den Roman zum prosaischen Gebiet rechnen wollen? Ein innerer Grund ließe sich schwer finden. – Was sich an eine ursprüngliche Art der Naturprocesse anschließt, sich aus diesen durch die Besinnung organisch entwickelt, das wird seinem Typus nach ein Kunstwerk seyn. Kritisch für das Einzelne wird diese Norm hinreichen. Aber können wir aus diesem Begriff heraus die verschiedenen Gattungen systematisch construieren und uns sicher stellen, daß wir von den allgemeinen und wesentlichen Formen keine übergehen? Schwerlich. Woher sollen wir ein Classificationsprincip für die redenden Künste nehmen? In wie fern umschließt der Name Dichtkunst alles in diesem Gebiet oder nicht? – Wir gehen von Letzterem aus. Gebundene und ungebundene Rede können nicht die Dichtkunst bestimmen. Wo die ganze Composition nur aus diesem ursprünglichen Interesse der Gedankenerzeugung in einem abgeschlossenen Ganzen hervorgeht, da ist Dichtkunst. Alles andere ist nur partielle Anwendung auf einem anderen Gebiet, wie der Wohllaut in der Rede. – Alle Composition, die der Geschäftsthätigkeit angehört, wäre rhetorisch, die dem Lehrzweck sich anschließt, didaktisch. Diese schließen wir aus. Das andere wäre Dichtkunst. Es würde uns die Frage entstehen nach einem Classificationsprincip – wenn wir nun sicher wären, daß wir genau und scharf genug unterschieden haben. Die Geschichte ist dem Gegenstand nach Erfahrung. Aber wenn | 156v es bei der Geschichtsschreibung nicht so sehr auf das Material, als auf die Zusammenstellung und die Ordnung der Ideen nach der Idee ankommt: so wird es eine organische Darstellung geben, die auch von dem Princip der Person(?), von dem der inneren Gedankenerzeugung abhängt. Die Geschichte bildet hier doch wol eine eigene Klasse von Kunstwerken, im einzelnen Sinn. Es ließe sich fragen. Aber wir haben Grund genug, diese aus dem Gebiet auszuschließen. Diese Composition ist zwar nicht mit dem Material gegeben, aber sie geht doch auch nicht aus von der inneren freien Gedankenerzeugung, das würde die Geschichte subjectiviren, – sondern vielmehr aus der Differenz des politischen, ethischen oder speculativen Princips. Es ist also vielmehr eine Kunst auf der theoretischen Seite. Dieses Beispiel reicht hin, um zu finden, daß wir die theoretische und praktische Seite sondern müssen – während doch die Dichtkunst alles das umfassen kann, was in der Sprache selbstthätig erzeugt wird. Es kommt nur auf ein Princip des organischen Zusammenhangs an [...] .

Das ganze Feld läßt sich schwer construiren. Die ursprüngliche Dichtkunst eines Volkes geht selten in der eines anderen auf. Gewöhnlich theilt man nach der griechischen Poesie ein in Epos, Drama und Lyrik. Aber die Idylle oder Elegie paßt schon nicht hinein. Für die moderne Poesie entsteht durch diese Eintheilung eine falsche | 157r Unterordnung. Einmal müssen wir im Allgemeinen eintheilen, so daß alle Formen untergebracht werden. Hernach aber in die verschiedenen Gattungen dürfen wir das, was nicht geschichtlichen Zusammenhang hat, nicht zusammenbringen.

Wir fragen, ob die Poesie denn auch, wie alle Kunst, aus einer Naturproceß heraus sich entwickelt und aus welchem. Die bildenden Künste stützen sich auf die Bilderzeugung, die redenden Künste auf die Gedankenerzeugung. Wie verhält sich beides? Es reproduciren sich die Gestalten in uns, selbst wenn wir auch nicht sehen, was wir hören. Wenn dieser innere Proceß ein äußerer werden soll, so kann es auf vielerlei(?) Weise geschehen und was innerlich desselben ist, tritt als Verschiedenes auf. Ich kann die Gestalten dem Auge darstellen oder dem Anderen beschreiben. Diese Beschreibung wird Rede seyn. So kann von der Gestaltbildung etwas ausgehen, was zu der redenden Kunst gehört. Er scheint also nicht vollkommen richtig zu seyn, daß wir Gestalbildung und Gedankenbildung von einander sondern. Gehen wir einen Schritt weiter, und jener ist sich bei der Gestaltbildung des Unverständigen(?) der bildenden Darstellung bewußt, so muß er sie erst in Gedankenbildung umwandeln. Es kann aber auch eine ursprüngliche Gedankenbildung geben, die nicht von der Gestaltbildung abhängt (Ist in dieser ein Vielfältiges?) Bleiben wir bei der inneren Gestaltbilung in Zusammenhang mit der Gedankenbildung stehen, so ist diese diejenige, die von der Wahrnehmung ausgeht. | 157v Sehen wir die Gedankenerzeugungen als etwas Seiendes an, so haben wir sie von der einen Seite auf die Wahrnehmung, von der anderen auf die Empfindung zurückzuführen. Wie die Empfindung ihren unmittelbaren Ausdruck hat in Geberde und Ton, so hat die Darstellung eine gemeinschaftliche Wurzel auf der einen Seite mit der Mimik und Musik (unmittelbare Darstellung der Empfindung), auf der anderen Seite mit der Plastik und Malerei (fixirende Wahrnehmung). Es scheint dies erschöpfend zu seyn. Aber wir haben zu fragen, giebt es zu diesen beiden nicht noch ein Drittes, was in die Kunst eingehen könnte. Hier war der Gedanke ein Secondäres, ausgehend von einem Punct, wo das sich Entwickelnde auch(?) Bild hätte werden können oder Ton und Geberde. Giebt es nicht etwas, wo der Gedanke primitiv ist? – Wo die Gedankenerzeugung primitiv ist, hat sie eine bestimmte Richtung auf das Theoretische oder Praktische. Diese haben wir auf zwei verschiedene Seiten gestellt, die reine Darstellung in die Mitte. Die Vermittelung beider aber ist das Zurückführen des Einen auf das Andere. Die reine ursprüngliche Gedankenerzeugung als solche kann daher nur in dem Gebiet der Speculation und Wissenschaft gehören. Was sich dazu recht gestaltet, ist ein Durchgang – wie es auf dem Gebiete in jedem Moment unreife(?) Gedanken giebt, die auf der Linie liegen, daß sich aus ihnen die Wissenschaft entwickelt. Es geht alles auf das Eine von den beiden zurück, der Gedanke geht in der Poesie auf die Wahrnehmung oder Empfindung zurück. | 158r Das in sich selbst Ruhen des Gedankens ist Sache der Wissenschaft. Die eine Poesie, die mehr auf der Wahrnehmung beruht, können wir die objective, die andere, mehr persönliche, die subjective Poesie nennen. Jene wird die meiste Aehnlichkeit haben mit dem Plastischen – (Gestaltbildung), diese mehr mit dem Musikalischen. Das Epische und Dramatische geht auf die Gestaltbildung mehr zurück und zieht auch die bildende Kunst an sich. Es geht aber von dem Punct aus, wo die Gedankenbildung auch hätte Gestaltbildung werden können. Die subjective Poesie ist aber das Lyrische, sie zieht auch die Musik an, wie bei den Alten immer. Ein episches Gedicht componiren zu wollen, wird niemandem einfallen, so wie auch nicht das Bild im lyrischen Gemälde plastisch oder pittoresk darstellen zu wollen. Die Verwandtschaft ist nicht zu verkennen. Wenn wir nun die Griechen und Germanen oder Romanen vergleichen, so finden wir eine bedeutende Differenz. In der neuen Poesie findet sich eine Menge von Formen und wir wissen nicht, ob wir sie der objectiven oder subjectiven Poesie zuzählen sollten. Unsere Ballade und Roman behandeln eine Geschichte. Insofern müsste man sie zur objectiven Poesie zählen, betrachtet man die Behandlung, zur subjectiven Poesie. Dann das Gedicht ruht, wenn es einen bestimmten Empfindungszustand hervorgebracht hat. – Die Lyrik liegt auf der subjectiven Seite. Eine pindarsche Ode hat die ganze Richtung auf das Musikalische. Es ist aber zugleich ein Zurückgehen auf das Gestaltbilden des Geschichtsgebiets und | 158v daher Neigung zum Plastischen. – Das Epos der Alten ist frei von Einmischung des Dichters, bei den Neuen tritt er dazwischen – und wir haben also bei den Alten in dem Subjectiven eine Neigung zum Objectiven, bei den Neuen im Objectiven zum Subjectiven. In der alten Poesie ist beim Zusammenseyn der Plastik und Musik ein Uebergewicht zum Plastischen, in der Neuen beim Zusammenseyn beider ein Uebergewicht zum Musikalischen. – Was ist aber der Grund? Die antike Poesie hat mehr ihren Kreis im Oeffentlichen, die moderne geht mehr von dem persönlichen Leben aus. Bleibt man bei der Eintheilung in das epische, dramatische und lyrische stehen, so ist das Epische am frühesten, das Drama das Spätere in der Vollendung – im Dramatischen ging das Epische unter, im Epischen der Alexandriner wiederum das Drama. Das Epische wird freilich in den Privatversammlungen recitirt – das Drama und ein großer Theil der Lyrik hing am öffentlichen Volksleben. Das öffentliche Leben hat daher je länger je mehr ergriffen: Das Epische hat das öffentliche Leben einer früheren Zeit zum Gegenstand. Nun aber haftet die Empfindung am persönlichen und einzelnen Leben. Wo das persönliche und einzelne Leben dem öffentlichen untergeordnet ist, da muß auch die subjective Poesie der objectiven untergeordnet seyn, es wird sich das Objective ins Subjective einbilden. – In der neuen Zeit anders. Unser Drama verlangt auch eine gewisse Oeffentlichkeit. Aber wir | 159r können uns selbst ein Drama denken ohne Aufführung. Die Oeffentlichkeit selbst hängt weder mit der bürgerlichen noch mit der religiösen Seite des öffentlichen Lebens zusammen. Das Privatleben befruchtet sich hier vielmehr und das Drama geht ins einzelne Leben zurück. Die historische Gattung des Drama ist immer eine untergeordnete geblieben. Hier liegt der Grund des Uebergewichts des Subjectiven. Es fragt sich, ob alle Gattungen in diesen beiden aufgehen werden. Fassen wir den antiken Typus auf, so werden wir Epik und Drama auf die objective, Lyrik auf die subjective Seite stellen. Der antike Rhythmus hat die epische Form in dem Hymnus. Aber wir rechnen sie der lyrischen Poesie zu. Alle Götter sind zugleich epische und dramatische Personen und der Hymnus hat nur die Tendenz die Geschichte der Götter darzustellen. Hier – wie in dem homerischen Hymnus der(?) Hellenen(?) – ist das Objective. In den Bruchstücken des Orphischen wird das Historische mehr abgestreift wie überhaupt in Mythen und sie fallen auf die subjective Seite, dem Lyrischen angehörend. Der Name darf hier nicht irre führen, weil der Grund des Namens oft nicht ein wesentlicher ist. Es kann also Productionen geben die der Form nach ganz verwandt sind und doch zu verschiedenen Gattungen gehören, wie die epische Elegie und die erotische. Es zeigt sich beides auf dem Gebiet des Lebendigen, die Geschiedenheit im Gegensatz und dem in einander Ueberlaufen. So muß es auch in dem Poetischen(?) seyn. Sehen wir auf das In einander Ueberlaufen, so werden wir die Classification ausschließen wollen. Aber der Gegensatz fordert sie auch wieder. Sie werden aber nicht der strenge seyn können. | 159v Wollen wir zuerst das Gebiet der objectiven Poesie überschauen, so ist eine große Mannigfaltigkeit in Form und Umfang von Homer bis zum kleinsten dramatischen Werk, dem Possenspiel. Wie finden wir hier die Gattungen? Das Erste scheint der Unterschied des Epischen und Dramatischen. Um die Scheidewand zu ziehen, hat man, was nicht dramatisch ist, nicht mit Mimik verbunden, in dieser Hinsicht episch genannt. Wenn auch das Dramatische einen festeren Charakter hat und das übrige vorläufig nur negativ bezeichnet ist, so fragt sich doch, was macht den wesentlichen Charakter des Dramatischen aus. Allein die Mimik? – Plato in der Republik führt es als den Hauptunterschied auf. Aber die Verbindung mit mimischer Kunst kann doch nicht den Charakter selbst so sehr ändern, wenn sie nicht das untergeordnete ist. Im Homer sind oft homerische Scenen – und wir können uns denken, daß die Beschreibungen in Handlung gesetzt , und die Stimmen(?) gesprochen werden. Ist es dadurch dramatisch geworden? Man könnte auf diese Weise einen großen Theil der Ilias und Odyssee behandeln. – Wären sie dadurch eine Reihe dramatischer Scenen. Würden wir eine dargestellte homerische Scene als Drama halten(?)? Würden wir vielleicht, weil uns das Drama so vielschichtig geworden ist, die Griechen gewiß nicht. Ist die Dichtung nicht eher ein Drama, bis die Darstellung hinzugekommen ist? Dann müssten wir das neure Drama zerreißen. | 160r Wollten wir die Mimik gleichgültig nennen und das Drama in einer bestimmten Form, die noch nicht gefunden sei, setzen, so würde es auch nicht richtig. Ein dialogischer Roman ist noch kein Drama. Wir müssen eine andre Grenze suchen. Bei dem antiken Drama besteht der Gegensatz gegen das Epos immer in der Abgeschlossenheit der Handlung (Eine besondere Thatsache wird dargestellt und mit seiner Vollendung ist die Vollendung des Stücks gegeben) dann im hinzutretenden lyrischen Elemente, welches theils in der handelnden Person selbst liegt, theils im Chor. – Das liegt in der Dichtung allein. Betrachten wir dagegen das Epos als Repräsentation des Homer, so finden wir einen Gegensatz der Einheit und Unendlichkeit, eine Unendlichkeit der Personen und der Begebenheiten selbst. Eine Begebenheit entwickelt sich aus der andren ohne bestimmtes Ziel. Ein Moment giebt den andern. An die Ilias könnte sich unmittelbar die Eroberung anschließen, an die Eroberung die Vertheilung der Beute, an diese die νόστοι. Was das zweite Element, das Lyrische betrifft, so finden sich excitirte Stellen, wo man ins Objective eindringt, aber ohne veränderte Form und es ist dem Objectiven untergeordnet. Dagegen in dem Drama sind sehr bestimmt die excitirten Reden, die die Handlung fördern zu unterscheiden von denjenigen, die gleich den lyrischen Charakter im Anapaest an sich tragen, aber die Handlung nicht fördern, wie die Gesänge des Chors. Es ist das das Charakteristische des antiken Drama, wiewol dies doch nur erst mehr | 160v Beobachtung als Verständniß ist. Ist hierin eine Einheit zwischen dem antiken und modernen Drama? Die französischen Kunstrichter halten sich streng an das eine Element, die Einheit – was diese nicht trage, sei bei aller einzelnen Schönheit monströs. So haben die Franzosen aus ihrer klassischen Zeit den Shakspeare behandelt. Dagegen finden wir das andere Element im modernen Drama fast gar nicht. Wir haben freilich den Monolog, der insofern die Handlung nicht fördern kann, weil er keine Wirkung auf einen anderen hervorbringt. Es sind aber doch unmittelbare Fortschritte, wenn auch innere. Sie sind nicht das lyrische Element. Dieses ist dem Drama keineswegs wesentlich und unsere Vorstellung von der Abgeschlossenheit ist bei uns nicht so streng. Daraus folgt, daß der Gegensatz zwischen dem Epos und Drama bei den Neuen nicht so streng ist, daß in unserem Drama mehr Episches seyn kann, daß es an der Unendlichkeit der Handlung auf gewisse Weise Theil nehmen kann. Im modernen Drama ist es nicht selten, daß man Personen antrifft, die der Natur der Sache nach gar nicht zum Drama gehören, so daß die Zusammengehörigkeit erst später zur Anschauung kommt. Es giebt auch solche, die so gut wir gar keinen Antheil haben. Beides zusammengenommen ist gleichsam der Ersatz für das lyrische Element. Aber es hebt sich nicht als etwas Besonderes heraus, es ist der Form nach gleich gestellt. Es wird die Grenze schwankend, zumal wenn wir noch | 161r hinzunehmen, daß bei uns das Aufführen zufällig ist, bei den Alten nothwendig. – Das Epos wird parallel gestellt in so fern es nicht Drama ist. Vergleichen wir die neue Epopoe im engeren Sinn, so finden wir eine Abgeschlossenheit der Handlung, die strenger ist, wie bei den Alten und sich dem Drama in dieser Hinsicht annähert. Nehmen wir Miltons verlorenes Paradies und die Messiade, so finden wir eine bestimmte Handlung in sich abgeschlossen. Was sich daran schließen wollte als Forsetzung, wäre darum ein fremdes Element, weil es kein Ziel hätte. Was herausgenommen ist, ist abgeschnitten. Hier ist der reine Gegensatz gegen das antike Epos. Nehmen wir hinzu, welche große Rolle die Lyrik zum Beispiel in der Messiade spielt, so ist die Annäherung noch größer und das Ganze erscheint mehr als ein kolossales Drama, das, um die Darstellung gleichsam zu verhüllen, in die Form der Erzählung gesetzt ist. Wollte man ein antikes Drama in Erzählung umsetzen und die Lyrik weglassen, so würde es eine verfehlte Verwandlung ohne Leben seyn, nie aber ein Epos. – Wir werden die Sache also so stellen müssen, daß die Formen in der antiken Poesie viel strenger geschieden sind, als in der modernen. Wir finden einen anderen Gegensatz im Antiken zwischen dem Tragischen und Komischen. Dieser Gegensatz ist nicht blos dramatisch, sondern auch episch, wie in der Batrachomyomachie. Nur ist der Masse nach das Verhältniß nicht dasselbe. | 161v Der Gegensatz empfindet sich leicht; zu sagen worin er im Wesentlichen besteht, hat seine Schwierigkeit. Es giebt solche epischen Gedichte, – in Rücksicht auf unsren Gegensatz – die das Homerische ausschließen. Dagegen haben wir in der erzählenden Gattung rein komische Werke – also ein gewisses Gebiet wo sich der Gegensatz hält. So wie wir uns aber von dem Gebiet entfernen, so finden wir das Homerische untergeordnet. Auch das dramatische Gebiet ist bereits(?) als Gattung gesondert. Wir werden zweierlei unterscheiden müssen, was man unterschieden hat als bürgerliche und hohe Tragoedie . Diese letzte zeigt uns das Komische eingesprengt (Schakspeare und Kalderon). Hier findet das Homerische nicht statt, ist aber ganz vom Antiken verschieden. Bei den Alten zeigt sich die strenge Gattung, in der modernen Poesie die Tendenz zur Vermischung. – Wir betrachten die Sache von Seiten des Gegenstandes. Hier ist es übel, daß wir im Blinden sind über die ersten Anfänge des antiken Epos. Was hat Homer erfunden? Es läßt sich schwer etwas Festes darüber sagen. Unsere Unsicherheit ist so groß, daß wir weder bestimmt wissen, wie sich Homer zu seinem Gegenstand der Zeit nach verhält, noch viel weniger, in welchem Verhältniß sich in dieser Zwischenzeit der Gegenstand verhalten hat, wie die Tradition gewesen ist. Wir wissen nichts davon. Gehen wir auf das andere Element auf die eingemischte Götterwelt, so wissen wir nicht, wie weit das mythologische System ausge | 162rbildet war, noch weniger ob das Leben unter den Göttern, wie Homer es giebt, eine verbreitete Volksvorstellung gewesen ist oder nicht. Wir können uns nur dem Eindruck überlassen und dieser ist vielleicht auf uns anders, als auf Homer. Diese Fragen sind bedeutender, als die berechnende Frage über die persönliche Einheit des Homer. In seinem(?) humanistischen Werth bleibt nach der letzten Frage das Ganze unverändert. Es ist gleichgültig, ob sich eins aus dem andren entwickelt hat, oder ob Homer alles zusammen gedacht hat. Das wird ein jeder sagen, wenn wir uns das Werk hinweg denken – einmal das Miteinanderwirken der Götter und Menschen, oder aus der gewöhnlichen Natur herausgehend und wieder die Größe des Gegenstandes als einer Vereinigung sonst ganz getrennter Elemente zu einem bestimmten Zweck: So hat man nicht mehr das antike Epos. – Im wielandschen Oberon tritt an die Stelle der Götter noch etwas Uebernatürliches, aber dieses erscheint mehr als zufällige Einmischung – was freilich die Handlung gewöhnlich meistens hervorbringt, aber es bildet nicht so ein constantes Wirken, wie bei Homer. Aber der Gegenstand ist nicht ein großes Volksleben in der Verschiedenheit und persönlichen Charakteristik. Es ist nicht ein solches Bestreben, das Gedicht als Bild der Zeit zu geben, welches bei Homer das Bedeutende ist. Eben das Zusammenmischen des Göttlichen und Menschlichen, das die ganze Handlung bestimmt, nimmt den Schein des Didaktischen. Es gehört wesentlich zum Gedicht selbst. Anders in der Messiade. | 162v

In Bezug auf die objective Poesie ist auch die Aeußerung im Modernen und Antiken verschieden. Der Hexameter ist dem Epos charakteristisch und im Drama hat er fast keinen Raum. Bei den wenigen tragischen Hexametern ist die Frage, ob sie Hexameter sind und sie selber für jeden [...] . Der epische Hexameter ist in sich ewig wiederholbar, dem Dramatischen und Strophischen fremd. Der dramatische hat den Trimeter für den Dialog und freiere Zusammensetzungen für den Chor. – Vergleichen wir das Nibelungenlied, so ist es schon das Distichon, was wir einen strophischen Charakter nennen. Wir können beides nicht in eins ziehen. Die Caesur ist etwas anders, ein Entgegen und ineinander Streben. Die italienische Terzine ist noch mehr strophisch. Die ottava rime ist eine vollkommene Strophe, der sich die deutschen [...] angeschlossen. Die Franzosen haben den Alexandriner, ähnlich dem antiken Trimeter. Er ist ein epischer wie dramatischer Vers und die längere Einheit(?) fehlt in der Tragödie. Im Englischen ist dasselbe. Derselbe Vers ist der epische als auch der dialogisch dramatische. Die Abwechslung zwischen diesen Versen und der epischen Prosa bildet keinen großen Abstrich. Betrachten wir die Antiken als Eins und die Modernen als Eins so finden wir im Modernen eine Neigung zur Prosa (untermischte Prosa in den dramatischen Stücken) und geringere Sonderung des Epischen und Dra | 163rmatischen – die größere Neigung zur Musik läßt das Epische nicht so hervortreten. Im Antiken hat das Epische und Dramatische im Vers und in der Structur nichts gemein. Das Aeußere hat dasselbe Resultat als das streng Innere. Dies ist im Modernen nicht so. Das Epische und Dramatische hat auch der äußeren Form nach seinen Grund mehr in der Hinneigung des Objectiven ins Subjective. Betrachten wir den Stoff, so ist eine Aehnlichkeit zwischen der Ilias und Tasso's befreitem Jerusalem. In beiden ist es ein Zusammentreten zur Belagerung, ein Zusammentreten mehrerer Massen, in Verschlingung der bürgerlichen und göttlichen Interessen. Aber dennoch stellt sich im Einzelnen die Differenz viel größer. Der Griechendichter stellt die Erfahrung dar, wie er unbefangen angeschaut hat. Es ist dies das rein Objective. Die ganze Naturtendenz in dem antiken Epos ist das reine Schauen und Wiedergebenwollen, so daß der Mensch das Centrum bildet. Die Theilnahme des Dichters ercheint nirgends, ein Gemüthsbewegung nirgends, es ist ein reiner Spiegel und in dieser Hinsicht kein Unterschied zwischen der reinen Erzählung und dem Epos. – Der moderne historische Dichter erscheint in der Theilnahme – nicht als ob diese immer eine par | 163vtheiische wäre. Er ist mit ergriffen und das giebt eine andere Färbung und eine andere Gliederung. Daher das ganz ähnliche Verhältniß zum dramatischen. Das antike Epos ist ganz entfernt eine geschlossene Handlung darzustellen. Ein jeder Gesang ist ein Ganzes für sich. Die Gliederung geht bis in die kleinsten Theile. Jedes ist eine Darstellung und daher jedes für sich von demselben Werth. Wir nennen die Doloneide eine Episode, es ist ein nur hineingetragener Begriff. Ein Alexandriner möchte sich dem nähern. Den Alten wäre es nicht eingefallen. Eine jede Schlacht, ein jedes Abentheuer aus der Odyssee war für sich betrachtet. Einen Unterschied von größerer und geringerer Bedeutung giebt es gar nicht. Es ist ein reines Schauen, eins knüpft sich an das andere; Einheit ist nur darin, daß ich auf Einem Boden stehe und daß dadruch eine gewisse Continuität entsteht. Ueberall in dem modernen Epos ist dagegen eine daramtische Neigung, etwas abzuschließen, daraus entsteht eine verschiedene Werthschätzung der einzelnen Theile. Daher wird uns in einem modernen Epos die Scheidung und Behandlung der einzelnen Theile wie im Homer ungeduldig machen. Es ist kein Vorwärtsschreiten zum Ende bei den Griechen. Das römische Epos hat schon mehr Annäherung an das moderne Epos. Der Hexameter bindet noch mehr; sonst ist Virgil der Uebergang: aus dem Griechischen in das Italienische. Was hat hiernach das Epos für die Freiheit(?) | 164r erlangt für die griechische Bildung? Es hatte sich abgerissen [...]

Es läßt sich hieraus begreifen wie eine Unsicherheit entstehen konnte, über die Einheit des Gedichts selbst . Die διασκευάσις war Sache eines späteren Zeitalters. Die Kritik hatte dann schon dabei ein Werk zu vernichten – bei der Zusammenstellung. Man wird sich mehr darin finden, das Ganze für ein Werk des Zeitalters als eines Einzelnen zu halten. Auch tritt der Dichter als Einzelner ganz und gar zurück und es bleibt mehr gleichgültig. – Es scheint hiernach zweckmäßig in der objectiven Poesie zu sondern die Antike und Moderne.

Die Antike in der objectiven Seite der Dichtkunst.

Stellen wir Epos und Drama gegenüber, so fragt sich im Epos, was ist der ganze Gegenstand. Das Wesentliche wird seyn die homerische Poesie, die Poesie des Hesiod, die hymnische Poesie der Homeriden und die so genannte cyklische Dichtung, die sich an die epische und die orphische, die sich an die hymnische Poesie anschließt. Die cyclischen Dichter können wir leicht abfertigen. Sie verhalten sich, wie das Mittelmäßige zu dem Genialen. Es ist derselbe Typ, aber nicht mit derselben Kraft gehandhabt. Dabei ist uns die Frage mehr gleichgültig, ob sie Nachahmung sei oder nicht. Merkwürdig ist das Verhältniß zwischen Homer und Hesiod. Schon die Ilias und Odyssee ist wesentlich verschieden. Die Ilias hat einen festen geographischen Standpunct, an den sich alles knüpft; was nicht daran sich reiht, kommt theils nur in Rede vor als unmittelbare Darstellung des Moments, worin gesprochen wird, theils nur, daß in dem Gegenwärtigen die Vergangenheit unmittelbar geschaut wird, wie der κατάλογος. Im Homer ist nicht der geographische Standpunkt. Der Einzelne bildet den Mittelpunkt. | 164v Die Gleichschätzung der einzelnen Theile und einzelnen Momente bildet ab der epische Chor. In der Odyssee ist mehr Willkühr und Erfindung, nicht als ob in der Iliade auch keine Erfindung wäre. Darüber läßt sich nichts ausmitteln. Aber in einem Werk wie der Odyssee sind willkührlich fabelhafte Anklänge zu einem realen Stoff umgebildet und um es mit aufzunehmen, der den Einzelnen der den Faden bildet bald da bald dorthin brachte. Vergleichen wir, so ist in der Odysse (untergeordnet gesagt) eine Färbung, die sich etwas mehr dem Modernen annähert. Es war nichts, was der Welt des Dichters angehörte, was nicht auf diese Weise zur Anschauung gebracht werden konnte. Daher sind die homerischen Gedichte encyclopädischer Natur, aber in dieser objectiven Form und der vollkommenen Lebendigkeit, die sich im Schauen bei der Wiedergabe darlegt. Wollen wir den verschiedenen modernen Sinn durchschauen, so darf man nur vergleichen die Athenaeis von Goethe , die sich an den Homer anschließt. Im Wesentlichen ist hier das Epische ergriffen, aber die Neigung zum Musikalischen ist nicht null, wie im homerischen Epos. Wenn die Alten den Homer zugleich als Philosophen angesehen haben, so hat es seinen natürlichen Grund darin, daß diese Anschauung und Lebendigkeit der Maximen sich mit kund geben muß, nicht abgerissen wie ein Gnom aber innig verwebt. In der Dichtung sind auf diese Weise die nationellen Lebensansichten dargelegt. In der Hesiodischen Poesie ist schon Sonderung des Stoffs, den die ἒργα καὶ ἡμέραι behandelt, findet sich bei Homer auch, aber nicht für sich heraustretend. Ebenso ist es mit der Theogonie. Man kann sich die Theogonie wieder theilen in die Theogonie und Gigantomachie. Diese ist das Herrschende. Die Sonderung nimmt einen großen Theil des Lebendigen. Die unmittelbare Menschheit im natürlichen Lauf tritt mehr zurück – und das Göttliche wie im Lehrgedicht erscheint wie aus der Desorganisation des Epischen zusammen gefasst(?). Das Zerstreute ist zusammen gekommen – aber eben die Zerstreuung ist dem Epischen wesentlich. | 165r Die Homeridische Poesie der Hymnen hat auch gesondert, aber noch viel Episches, wie ein Hymnus auf den Hymnus. Die Götter erscheinen durch das Hineintreten menschlicher. – Der Dichter tritt dabei zurück. Dadurch gehört diese Dichtung ganz dem Epischen an. – Die orphischen Gedichte dagegen – obgleich schwierig ihrer Aechtheit nach zu scheiden – haben die Neigung gegen das Mystische vorherrschend. Das Epische ist mehr die äußere Form. Darin liegt ein Uebergang, der nur von dem mythologischen Punct aus so konnte gemacht werden. – Zu der dramatischen Poesie verhält sich diese epische Masse – wie eine Fülle von Stoff aber ohne dramatische Behandlung. In dieser strengen Form ist die Eigenthümlichkeit der Antike festgehalten. Im alexandrinischen Epos geht ein unendlicher Unterschied aus der Verschiedenheit des Motivs hervor. Die Form ist dieselbe und der Stoff oft glücklich ergriffen. Aber die Dichter wollen sich im Verhältniß zur alten Dichtkunst bespiegeln. Es erscheint vielmehr, äußerlich als dasselbe, innerlich total verschieden. Der formale Typ ist oft sehr getroffen, aber keine Spur von ursprünglicher Lebendigkeit; von dem Nachbildenwollen geht das Ganze erst hervor, nicht von der ursprünglichen Schau. Daher das bleiche Wesen im Vergleich mit dem Homers. Es ist ein Gebiet, das auf dem anderen ruht und eine untergeordnete Stufe einnimmt.

Es ist noch zu dieser objectiven Gattung hinzuzufügen das philosophische Epos oder das naturphilosophische. Auf der einen Seite haben wir hier angeknüpft an das hesiodische Gedicht. Das alte naturphilosophische Gedicht ist so von aller Anschauung entfernt, daß man es schwer | 165v begreift. Es führt von der Anschauung ab und sucht eben den Grund und Kräfte in verschiedenen Formen darzustellen. – Eine bloße Auffassung der Natur könnten wir leicht aus dem alten Epos und aus der hesiodischen Poesie ableiten. Aber die philosophischen Gedichte des Xenophanes, Parmenides enthalten die reine Speculation über das Sinnliche, nicht das Sinnliche selbst. Es sind in der hesiodischen Theogonie allerdings Anklänge enthalten. Das Chaos ist schon eine speculative Vorstellung, obgleich sinnlicher Art, dasselbe womit die spätere Philosophie begann. Das reine innere Naturleben ist zum Gegenstand gemacht. Ein Streben nach strenger dialektischer Form herrscht aber vor, namentlich im Parmenides. Hier muß die poetische Form sehr auffallen. Aber wir müssen auf den äußeren Zustand der Sprache Rücksicht nehmen. Die redenden Künste hatten das Metrum hervorgebracht und es war die einzige Form. Das philosophische Gedicht ist Mittheilung der Erkenntniß wie sie sich im tiefsten Innern gebildet hat. Der reinen Darstellung liegt es ob, eben wie in der Sprache das reine Maß und die reine Form mit dem Gegenstand hervorzubringen. Aber es ist die Sprache hier mehr Mittel und es ist schwer die Philosophie anders als in Prosa zu denken. Es ist immer eine noch unvollkommende Entwicklung der Griechen in diesen philosophischen Gedichten. Die fremde Form setzt sich dem | 166r geschichtlichen Zusammenhang nach länger fort, als es der Inhalt erlaubte. Daher auch in einigen Gegenden länger als in anderen. Sonst ist die Philosophie auch immer in Prosa aufgetreten, Lucrez ist nur Nachbildener. Daß sich die philosophische Composition dem Epos anschließen musste, nicht der Lyrik, ist begreiflich. Es handelte sich um den inneren Grund der Anschauung, es blieb immer im Objectiven. Die Gesetze der Entwicklung blieben immer auf dieser Seite. Selbst im Parmenides, wo die dialektische Form am sichersten auftritt, finden wir noch ein großes Vorherrschen des Bildes, von dem die Form des Begriffs sich nicht hat trennen können. Diese Vermischung des Bildes mit der dialektischen Form und der Uebergang aus dem einen zum anderen manifestirt aber den inneren Gegensatz der Entwicklung in der äußeren Form.

Drama.

Wir müssen hier auf die beiden Hauptpuncte achten, die Unendlichkeit des Epos, sowol nach außen, indem sich eines an das andere reiht, als nach innen, da das Einzelne fast ins Unendliche theilbar ist, dann das Zurücktreten des Dichters, so daß dieser nur schauendes Organ ist. Hier steht entgegen die strenge Abgeschlossenheit des Drama und die Theilnahme erringende Natur der so abgeschlossenen Handlung, welche Theilnahme hier sich besonders rein hinstellt im dramatischen Chor. Es gehört zu der wesentlichen Natur, daß außer den handelnden Personen noch schauende zugezogen sind. Herrschte auch in dem Einzelnen die Dichterische | 166v Freiheit, so war der Grundtypus doch gegeben. Wenn das Drama im Hause aufgeführt wird, so findet es nicht Statt. Die handelnden Personen repräsentieren das Objective, der Chor das Musikalische, die Wirkung auf die Schauenden. Von dieser Seite aus ist das Drama die Synthese von Epos und Melos – doch überwiegt jenes. Wenn man davon ausgeht, daß der eigentliche Dialog die reine Poesie darstellt, der Chor das Musikalische, dessen Thema die Handlung ist, die zu freier Behandlung [...] , so stellt sich uns das Ganze als natürliche Form dar und wir können sie begreifen als Harmonie. Von einem Drama, das nicht dargestellt werden sollte, von einer dramatischen Dichtung ohne dramatische Beziehung wußte man bei den Alten nichts. In der Verbindung war nicht ein solch freies unabhängiges Wirken, wie jetzt, wo wir die Mimik abtrennen. Mimik und die Musik fügten sich ganz dem Sinn des Dichters. Der Gegensatz zwischen der Tragödie und Komödie bleibt einer weiteren Betrachtung aufbehalten. Die antike Tragödie erscheint uns also als Ein Ganzes. Die Figuren aber bewegten sich, wie sie dem Dichter erschienen waren, ohne daß eine fremd reconstruirende Phantasie sich mit der seinigen vermischen konnte. Ein Hauptunterschied mit dem modernen Drama betrifft den Gegenstand. Hier ist Gebundenheit an die Sage, historische oder mythologische Personen treten auf. Ein ent | 167rscheidener Moment ist dasjenige was sich entwickelt. Es liegen freilich verschiedene Momente aus demselben Leben derselben Person, dramatisch entwickelt vor uns. Aber die wahre Einheit der Person ist für das einzelne Drama nie geschlossen und derselbe Dichter fühlte keine Nothwendigkeit wenn die Person eines anderen Drama wieder vorkäme, sie mit demselben Charakter wieder aufgefasst. Daraus geht hervor, wie die Charakterzeichnung im antiken Drama sich darstellt; die Handlung soll zur Anschauung gebracht werden, die Charakterzeichnung dient ganz der Handlung. Diese Subordination wurde allgemein zugegeben. Im antiken Drama wird nicht der geringste Werth gelegt auf die Ueberraschung. Diese, die selbst in der Tragödie oft bei den Modernen ein großes Motiv bildet, kommt gar nicht bei den Alten vor. Die Fabel war bekannt. Sie sollte näher poetisch bestimmt werden. Dies erscheint immer als etwas sehr Reines. Die Ueberraschung ist eigentlich doch etwas Fremdes, da man aus der Natur des Lebens zu Hülfe nimmt, die mit der Kunst nicht zusammenhängt. Die Erfindung geht nicht auf den Gegenstand, sondern nur auf eine bestimmte Art von Wahrheit, die die innere Eigenthümlichkeit der Composition im Einzelnen ausmacht. so wie hier auf der einen Seite entsagt wird, so ist auch aller Ueberraschung entsagt. Die Katastrophe liegt im Gebiet des Gegebenen. Wie der Künstler aber in jedem Moment das volle Leben Einer Person zur Anschauung bringt, das ist seine Erfindung. Wenn nothwendig in der Einheit ein Gegensatz seyn muß und zwei streitende Individuen überall auftreten, | 167v weil ohne diesen Gegensatz keine Einheit seyn könnte und der Dichter sich an das traditionelle hält: so ist ebenso wenig wie an die Ueberraschung an die so genannte poetische Gerechtigkeit bei den Alten zu denken. Wenn die Handlung als solche abgeschlossen ist und es wäre nicht zugleich das musikalische Spiel zur Ruhe gebracht in einem musikalischen Schluß: so wäre die Dichtung nicht geschlossen. Dieses Zusammentreffen ist eine nothwendige Forderung. Mit der Handlung muß die Seele der Zuschauer geschlossen seyn: Die Ruhe ist aber nicht immer in der Gerechtigkeit, von der unser allgemeines Urtheil immer sehr stark afficirt ist. Die Ruhe, die das antike Drama hervorbringt, hängt nicht immer zusammen mit dem Triumph des Rechts. Sie will oft nichts seyn als die Unterwerfung. So im Oedipus, dem König. Das Unrecht, das unwillkührliche des Oedipus, steht in Mißklang. So ist die geheimnisvolle Nemesis. Die Ruhe besteht in der Unterwerfung unter diese. Daher findet es sich, daß dieselbe Person die in einem Drama die Ordnung und Mäßigung, den herrschenden Verstand repräsentirt, im anderen Drama im Uebermuth der Gewalt sich befindet – wie Kreon. Nach unserem Standpunkt könnte man es als Widerspruch ansehen und als Verletzung der poetischen Gerechtigkeit. Aber daß jemand eben in einem Moment in | 168r Uebermuth der Gewalt sich befindet, ist auch etwas Geheimnisvolles und will nicht weiter begriffen seyn, da die Charakterschilderung untergeordnet ist. Was ist die Mannigfaltigkeit nun im antiken Drama? Hierbei haben wir wieder mehr auf das Außere, auf die Behandlung der Sprache selbst zu sehen. Ausgegangen vom Hauptpunct der Abgeschlossenheit und Einheit der Handlung, so ist sie stets im antiken Drama auf wenige Personen beschränkt – wogegen zu den handelnden Personen der Chor kommt, der aber auf eine bestimmte Zahl reducirt ist, damit der Luxus in dieser öffentlichen Leistung gesteuert würde. Die Zahl des Chors als Einheit auftretend ist ohne innere Verbindung mit dem Drama. Die Anzahl der Personen des Chors hat keinen bestimmten Einfluß auf den inneren Zusammenhang des Drama, wol aber die Anzahl der Personen in der Handlung. Diese bestimmen ja gerade in ihrer Wechselwirkung das Ganze. Es ist ein großer Unterschied zwischen dem Modernen und Antiken. Im Modernen ist eine größere Anzahl und die Auffassung wird schwerer. Es soll doch das Ganze vorschweben und das ist bei einer großen Anzahl nicht möglich. Der Zuschauer muß also die Leichtigkeit haben sich alles zurückzurufen. Die Alten, die kein Drama ohne Ausführung kannten, mußten sich einfacher hier einrichten – woraus aber eine größere Bestimmtheit der Verhältnisse hervortritt. Es ist wesentlich beim Drama, daß das Verhältniß mit Bedeutung successive vor die Augen trete. In der Beschränktheit der Zahl ist die Mannigfaltigkeit der Bewegungen. Der Ausgang selbst hat keine andere Nothwendigkeit als die Abge | 168vschlossenheit, und der Tod einer oder meherer Personen ist kein absolutes Postulat. Die Tragödie besteht gar nicht wesentlich darin sondern in der ernsten und gewichtigen(?) Entwicklung der gegen einander tretenden Kräfte und dem Bezogenseyn auf allgemeines Herrschendseyn von bedeutenden Lebensansichten. Es ist immer das ἧδος der Beziehung der Eigenthümlichkeit auf das Gemüth, in dem das Ganze ruht. Daß bestimmt dieses hervorgebracht und nicht blos in Gegensätzen sondern auch in Mischung, das ist Aufgabe des antiken Tragikers. – Die Alten kennen im Drama keine Prosa, nur Metrum. Im wirklichen Leben herrscht doch die Prosa; zu dieser Natürlichkeit wollten die Neuen das Drama zurückführen. Aber die Alten legen auf diese Natürlichkeit und Täuschung keinen Werth. Die Natürlichkeit ist ihnen hier die Natürlichkeit des Dichters. Was ist bei dem, der ein solches dichterisches Product heraustreten läßt, das Natürliche? Das Kunstwerk tritt erst dadurch dem wirklichen Leben entgegen und stellt sich erst dadurch fest, wenn es auch in der Sprache durch diesen Gegensatz der vollkommenen Gemessenheit bedingt und beherrscht wird. In der Prosa kann ein größerer Reichthum von ungemessenen Leidenschaften hervortreten. Durch das Silbenmaß selbst wird die Darstellung der inneren Bewegung schon gehemmt. Bei allen Leidenschaften die im Drama nothwendig sind, ist das Silbenmaß dasjenige, das am meisten das innere Maß bestimmt und das Vorherrschen von ganz pathematischen Zuständen gleichsam unmöglich macht. Die | 169r Gemessenheit der Zeilen bringt auch Gemessenheit der Perioden. Wo auch längere Reden vorkommen, da ist es die ganze Darstellungsweise, die durch das Silbenmaß selbst in eine gewisse Ordnung und Regel gebracht wird. – Dagegen wo in den einzelnen metrischen(?) Theilen der Dialog verlassen wird, da ist das Zügel weggenommen und es treten freiere Bewegungen auch im Maß ein. Es sind aber immer Theile, die auf die Handlung weniger Einfluß haben. Das dialogische Silbenmaß stellt gewissermaßen das in sich abgeschlossene Ganze dar; die Pentemimeris verhält sich wie der Auftact nach dem Jambus, mit dem sie beginnt; die Heptamimeris, wie der gute Tacttheil. Daher ist in beiden das Schauspiel(?) vollendet, insofern in beiden ein zwiefacher Puls gegeben ist. In dieser metrischen Behandlung ist offenbar der Schauspieler mehr in der Gewalt des Dichters. Er gewährt ihm eine Freiheit zur Erhebung der Stimme, aber die entgegengesetzten Theile der Silbenmaße variiren es zugleich. Eine wilde Declamation ist auf diesem Gebiet nicht möglich. Freilich in dem Anapaestischen und anderen ist diese Gebundenheit der Trimeter nicht zu finden. Wir können nicht leicht über die Wirkung solcher Silbenmaße urtheilen, weil wir eine ganze Strophe mit unserem Ohr schwer fassen. Die relativ größere Bewegtheit der Anapaeste ist freilich wol zu fassen in Gegensatz gegen den Trimeter. Für die Strophe fehlt uns aber das Musikalische und die Einheit der Bewegung zur vollendeten Anschauung. Denken wir uns das Musikalische und Orchestische zugleich(?), | 169v so lag auch hier wieder ein Maß für die Schauspieler. Dieses gegensätzliche Maß ist eben die Kunstmäßigkeit der Darstellung. – Wenn gleich überall in dem antiken Drama bedeutende Personen die handelnden Personen sind, so verpflanzt doch überall die Gegenwart des Chors die ganze Handlung in das öffentliche Leben. Der Einzelne kann leicht in die Versuchung kommen, seinen Widerstreit durch das Anmaßendseyn(?) zu besiegen. Im antiken aber steht der Einzelne unter der Potenz des Oeffentlichen, und was die Alten sagten, es sei das Wesen der Tragödie, die Leidenschaften zu reinigen, besteht nicht in der Maxime, sondern in der Mäßigung, die aber durch das Zusammenseyn mit dem Chor als Repräsentation des gemeinsamen Lebens hervorgebracht wird. Es folgt wie in der antiken Tragödie alles durch eine strenge Nothwendigkeit bestimmt ist. Das Zusammenseyn des Dialogischen mit dem Lyrischen, der Gegensatz der metrischen Behandlung in beiden, das Zusammenseyn des Einzelnen mit dem Chor, und die Anwendung des antiken Lebens auf jeden Einzelnen ist aus Einem Stück und wird postulirt. Diese Gattung konnte nun aber eben nur so lange ihre Wahrheit behalten, als das Ganze blieb. Als das antike Leben unterging, mußte sich der Gegensatz zwischen antiker Tragödie und Komoedie auflösen in der neuen Comoedie mit der todten Nachbildung der antiken Tragödie in der Tragödie.

Antike Comoedie.

Im Aeußeren ist hier dasselbe. Aber die Comoedie ließ einen größeren Reichthum im Einzelnen übrig. Eine geringere Abgeschlossenheit der Handlung scheint damit zusammen zu hängen, so | 170r wie die weniger gebundene Behandlung des Metrums. Wir haben hier das Zusammenseyn des Einzelnen und des Chors; aber in der Constitution des Chors nichts Gebundenes, und nichts Phantastisches war fremd (wie im Chor der Wolken, Vögel). Auf welche innere Differenz deutet es hin, da Tragoedie und Comoedie gleichzeitig waren. Die Formeln sind leicht, daß die Comoedie das Lächerliche zum Wesen haben, das Verhältniß wie Scherz zum Ernst. Es ist zum Theil wahr, aber es ist ein Wort – da der Begriff schwer aufzufassen ist, indem es eine subjective Einheit darstellt. Im gemeinen Leben lacht der eine über etwas, worüber der andere nicht lacht. In der Comoedie soll aber eine gemeinsame Nöthigung liegen. Es muß also hier ein objectiver Grund liegen. Daß die Tragoedie ernst ist, die Comoedie nicht, also Scherz, ist auch wohlfeil gesagt. Aber womit wird gescherzt? Sagt man, mit allem, selbst mit den Göttern, so giebt das doch auch noch keine klare Bestimmung des Wesens. Wir halten uns zunächst an die außere Aehnlichkeit mit der Tragoedie bei dem inneren Gegensatz. Nehmen wir alles zusammen, und ist das Resultat in der Comoedie gegen die Tragoedie immer mehr Null, und tritt alles mehr zusammen im Oeffentlichen, so ist in der Komoedie ein Gegensatz gegen das Gemeinsame. Es ist das Gemeine, ein scheinbares Daseyn, da sie keine Eigenthümlichkeit und Kraft haben gegen das Gemeinsame. Es haben die einzelnen Personen | 170v eine gewisse Nullität und ihr Spiel liegt nur in der Bewegung gegen das Gemeinsame. Es sind die Elemente der Masse, die dargestellt werden. Es erscheint also die Masse, als die Nullität immer hervorbringend – und doch wieder das Allgemeine constituirend. – Dies bildet den Hauptgegensatz. – Beide Formen sind in Athen entstanden und gepflegt. In Athen ist ein ewiges Gegenstreben zwischen Aristokratie und Demokratie, die Geschichte ist eine Oscillation zwischen beiden. Die Kunst ist immer in gewissem Bund mit der Aristokratie, weil sie Bildung und gewisse Hülfsmittel voraussetzt. So ist die Tragoedie die Verherrlichung der Aristokratie, die das Hedos darstellt. Die Komoedie ist die Parodie auf die Demokratie, der Chor darin besteht, immer(?) die Eigenthümlichkeit aber in gewisser Gehaltlosigkeit in Spiel zu setzen, so daß im Ende kein bedeutendes Resultat für das Oeffentliche sich ergeben hat. Diese Selbstvernichtung der Gemeinheit(?) ist eben das, worauf sich die Kraft des Lächerlichen in der Comoedie bezieht. In dieser Politik und in diem Aueßeren besteht die Zusammengehörigkeit beider und daher mußten beide zusammen entstehen und untergehen. Sowie das Substrat auffhörte, mußten auch diese Formen untergehen, da ihnen die Wahrheit gefehlt hätte.

Lyrische Poesie der Alten.

Der äußere Unterschied kündigt sich gleich an durch das Strophische. Es giebt auch längere Gedichte bei den Alten, welche nicht strophisch sind wie die Dithyramben | 171r die einen Vergleichspunct für die moderne Poesie geben. Es ist nachgebildet in einigen Oden von Klopstock, die mehr strophisch sind. Der Unterschied ist einleuchtend. Das Metrum würde sich bei uns nicht ergeben. Erst das Strophische durch den Vergleich der parallelen Stellen gleicht das Streitige im Metrum bei uns aus. Es schwankt sonst das Metrum und logischer und rhetorischer Accent. Bei den Alten fiel jede Quantität bestimmter in das Ohr. Das Metrum bekam durch die Musik einen großen Halt. – Eine Haupteintheilung schließt sich an das Frühere. Es giebt eine Masse Lyrischer Gedichte für die Oeffentlichkeit und öffentliche Aufführungen bestimmt, andere von der Persönlichkeit des Dichters ausgehend für ein unbestimmtes Publicum. Wir unterscheiden im Ersten was sich mehr auf das Politische und was mehr auf das Religiöse sich bezieht. Zu den ersten gehören die Siegesgesänge, zu den zweiten die Hymnen. Wenn wir zuerst die politische Seite betrachten, so finden wir nicht den Charakter, den wir von der lyrischen Poesie voraussetzen, daß der Grund ein in hohem Grade erregter Gemüthszustand ist. Denken wir uns das öffentliche Spiel und Dichter und Sieger: so könnte in der That keine so hohe persönliche Erregung Statt finden. Es fehlt diese allgemeine Voraussetzung. Wie ist die Sache anzusehen? Solche allgemeinen Feste waren geeignet einen erregten Zustand im Allgemeinen hervorzubringen. Der Eindruck geht nicht auf das einzelne Factum, sondern von der gesammten größeren Thatsache aus. Das ganze Volksleben in all seiner Mannigfaltigkeit stellt sich dar. Von einer allgemeinen Vergegenwärtigung des Ganzen führt der Einzelne [...] | 171v Daher finden wir, daß der Stoff ein historischer wird. Es ist daher eine Verwandtschaft mit dem Gegenstand. In der pindarschen Ode, worin ein Argonautenzug, ist ein historischer Stoff. Wir können uns ein Epos homerisch darüber denken. Aber es würde ein Gegensatz in der Behandlung seyn. Die unendliche Theilbarkeit im Epos tritt entgegen den ganzen und großen Zügen des Lyrischen, das Zurücktreten des Dichters im Epos dem Verflochtenseyn im Lyrischen, wo alles wie es dem Dichter erscheint, dargestellt wird. Dadurch zeigt sich die Eigenthümlichkeit. Ebenso in der Hymne. Die Hymne mit epischer Form – die Hymnen der Homeriden und die lyrischen Hymnen, wenn wir sie uns aus Bruchstücken construiren, stehen auf dieselbe Weise entgegen. Ein der Form nach lyrischer Stoff ist da und alles reiht sich um einen Punct. Es ist wie im Politischen. Halten wir uns an die Art, die von dem öffentlichen Leben geformt ist, so finden wir hier in aller Mannigfaltigkeit doch den Hauptcharakter, den gnomischen und erotischen. In der erotischen Poesie ist es reine Persönlichkeit, pathematisch erregt. Wie aber beim Gnomischen? Das Gnomische nehmen wir nicht im engsten Sinn als Sollenssprüche(?) , sondern im weiten, wohin ein großer Theil der simonidischen Poesie gehört. Es ist die Persönlichkeit, aber mehr die ethische Seite, mehr die Selbstthätigkeit, als der leidenschaftliche Zustand. Das ist in unserem Sinn; denn im Sinn der Alten gehört das ἧδος oft noch zu unserem Pathos. Es ist hier die Poesie | 172r nicht auf einen einzelnen Fall bezogen, sondern auf das ganze Leben und die Eigenthümlichkeit ist die Beziehung auf die allgemeine Gestaltung oder die einzelnen Thaten des Lebens. Hier kann etwas Individuelles hervortreten aber der Dichter kann auch Organ des allgemeinen sittlichen Charakters, der allgemeinen Ansicht seyn. Knüpfen wir an das letzte, so ist es der Uebergang von derjenigen Poesie, die im öffentlichen Leben ihren Sitz hat, wie in jener politischen und religiösen Gattung immer gnomische Elemente vorkommen, nur zurückgedrängt: so hier das umgekehrte Verhältniß derselben Verhältnisse, wo das Gnomische erregt und besondere Anschauung hervorruft. Denken wir uns in beiden Fällen den Dichter von einem gemeinsamen Gesicht ausgehend, also im ersten Punct der Masse gleich: was bestimmt ihn nun als repräsentirendes Organ des Ganzen herauszutreten? Wir können nur auf Zweierlei zurückkommen: auf ein mehr Innerliches und ein Aeußerliches. Das erste ist das Bewußtseyn der hervorragenden Leichtigkeit und Affection im Proceß der Mittheilung. Der unmittelbare Audruck der Stimmung ist Ton und Bewegung – aber von der Stimmung nimmt die Gedankenerzeugung eine andere Richtung und Färbung. Ist keine Richtung da, so entsteht dasjenige, das mit dem herrschenden Ton der Stimmung im Anklang steht. Nicht alle haben diese Lebendigkeit des Zwistes(?). Was sie hat, ist das natürliche Sprechen. Das zweite Außerliche ist was sich auf die Sprache bezieht. Hier müssen wir wieder bemerken, wie es ein so bedeutender Punct bei den Alten | 172v ist. Es ist eine hohe Meisterschaft in der Behandlung der Sprache, in der Benutzung aller Freiheit der lyrischen Formen in Ausdruck und Stellung, und eine Leichtigkeit, die erst durch die Reflexion bestimmt wahrgenommen werden kann, die Forderung, das Silbenmaß zu befriedigen ohne Zwang der Gedanken. Außer diesem – wobei der Wohlklang mit eine Forderung ist, die wir in das metrische einschließen, – entsteht das Lyrisch Orchestische was mehr oder weniger mit der Lyrik verbunden ist. Der gnomische Dichter befindet sich in einem weniger günstigen Fall. Weil seine Erregungen auf der Totatlität des Lebens beruht, so ist sie weniger an den Moment gebunden, er dichtet mehr für die Ungewissheit ohne Zuversicht der gleichen Erregung. Indem der Dichter sich bewußt ist, daß er immer Organ eines großen Theils ist vom Ganzen oder daß er immer eigenthümliche Stärken(?) zu bewegen hat: so wird das Mangelnde verfließen(?). Man muß unterscheiden das Arbeiten auf den Effect, das zu tadeln ist, und das nothwendige Bewußtseyn für den Dichter von der Wirkung seines Gedichts außer ihm. Ohne das letztere wäre die Poesie nur für den Dichter selbst, für keinen anderen. In dieser Beziehung ist der gnomische Dichter in einer ungünstigen Lage. Der lebendige(?) Dichter ruft dieselben Vorstellungen, die historisch gegeben sind, hervor. Je mehr er aber überzeugt ist, daß das Allgemeine was er anknüpft, Eingang findet, um so sicherer ist er seines Gelingens. Der Dichter muß allgemein auf die Zuhörer wirken. Aber die lyrischen Gedichte sind besonders auf einen bestimmten Moment berech | 173rnet. Der Dichter, der von dem Factum sich abgelöst hat, der mehr gnomische Dichter ist auch von diesem bestimmten Moment entbunden. Die lyrische Poesie ließe einen Vergleich mit der [...] zu. Die gnomische Dichtung schließt sich im weiten Sinn an die Philosophie an. Die Philosophie hat es freilich mit der Natur, die Gnomiker mit dem Gemüth zu thun. Aber die verschiedenen Seiten der Speculation hatten sich noch nicht gelöst. Schon im philosophischen Epos tritt ein ewiges Hinübertreten von der Natur auf das Gemüth im besonderen Parallelismus hervor. Die Mystik der Natur wird im philosophischen Epos mit einem gewissen lyrischen Anklang dargestellt, die Stimmungen der Natur im Anklang mit den inneren Stimmungen. Eben dieses bildet den Uebergang vom philosophischen Epos zur gnomischen Poesie. Das ist aber eine Verstecktheit des Dichters, hier nicht und die Musik, die sich dort kaum regen darf, tritt hier besonders hervor. – Die persönlichste Gattung ist die erotische Poesie. Im Ganzen genommen gehört auch diese dem Zeitalter an, wo das öffentliche Leben mehr zurückgedrängt ist. Diese Zustände wagen sich erst in die practische Darstellung des Lebens, nachdem die anderen Triebfedern es losgelassen haben. Wir haben freilich auch ältere erotische Gedichte, aber diese construiren sich auf besondere Art. Die verschiedenen erotischen Verhältnisse unter dem männlichen Geschlecht waren zum Theil Hebel des öffentlichen Lebens in weniger guten oder schlechten Verhältnissen. Daher traten auch diese früher hervor – aber immer mit Zurücksehen auf die schöneren Beziehungen dieser Zustände auf das öffentliche Leben. Die Ueberschreibung der erotischen Gedichte später [...] | 173v Die lyrische Poesie bewegt sich in großartigen Strophen, die mit unserem Ohr kaum zu umspannen sind. Die gnomische Poesie schließt sich an. Die erotische Poesie kann nur in kleinem Maß existiren, bewegt sich im Distichon. Der Pulsschlag des Silbenmaßes ist schnell und einzelnes(?) muß schneller in sich zurücktreten. Je größer ein Ganzes der Stimmung ist, desto freier muß sie sich auch in großen Zügen ausathmen können. Daher wird die kleine Strophe Eigenthum der letzten Gattung. Hier finden wir Analogie mit der Moderne, freilich auch schon in der gnomischen Poesie. Wie in der nachsokratischen Philosophie schon Anklänge vorkamen, die christlich erscheinen, wie auch in diesem Gebiet viele Interpolationen vorgekommen sind gerade angesichts(?) der Verwandtschaft, die sich darbot: dasselbe gilt von der mehr sinnlichen Lebensrichtung in der erotischen Poesie. Was die poetische Vollkommenheit in dieser letzteren betrifft, so liegt der Charakter der Alten darin, daß die innere Bewegung selbst, wie sie dargestellt wird, ein strenges Maß bewahrt und nicht heranreichen darf an die Stärke und das Maß im Politischen. Sie gehört der niederen Gattung an und darf sich nicht erheben. Die Dichtung zeigt sich in dem Zusammenstellen der Vorstellungen, die es als mittelbarer Ausdruck braucht. Daher für eine Verwandtschaft mit dem Epischen in dem Unendlichen, das dem Dichter vorliegt zum Gebrauch. Aus dem Unendlichen | 174r aber greift er gleichsam heraus ohne den Gegenstand ins Unendliche zu ziehen. Daher nimmt die Erotik im Hexameter einen episch unendlichen Ansatz und kehrt im Pentameter zurück. Das ist das Bild des Charakters. Das ist das Eigenthümliche der Antike. Finden wir negativ eine Analogie mit der Moderne, so finden wir positiv doch auch das Plastische in der Musik vorherrschend und es erinnert hier an die erste Grundlage der antiken Poesie, woran alles anknüpft, an das Epische. – Es giebt noch mehr Formen, die sich aber leicht als Uebergänge oder als angehörige einer der beiden Gattungen fassen lassen. Die hellenistische Poesie mußte einen Stoß erleiden durch die Zerstörung des öffentlichen Lebens auf dem sie basirt war. Es blieb das Subjective allein. Doch sind noch zwei Perioden übrig, die alexandrinische und römische. Dasjengie, was sie Eigenthümliches hervorgebracht hat, ist die Idylle. Es zeigt sich auch daran eine gewisse Verwiesenheit der Poesie von dem öffentlichen Leben in die engeren Kreise. Die neue Komoedie und das alexandrinische Epos verhalten sich gleichmäßig gegen die alte Komoedie und das homerische Epos. Das alte Epos verlirt an dieselben Gebiete, wie die homerische Poesie, wo das Historische aus dem Mythischen hervortritt. Dagegen faßt die neue Komoedie die Ruinen des alten und neuen Drama zusammen – und ihr nachgebildet ist das moderne Drama. | 174v Es gab keinen Stoff mehr, wie ursprünglich. das öffentliche Leben war nicht mehr da, von dem man eine Seite als nichtig hätte auffassen können. Zur Tragoedie fehlte der Aufwand. Daher schloß sich diese Gattung von dem mehr sittlichen Charakter der Gnome ab. Der gelehrte Charakter herrschte im Epos vor und auch im Gegenstand ist ein Streben, weniger allgemein bekannte Theile der Tradition zu verflechten. Dadurch geht der Charakter der ursprünglichen Lebendigkeit verloren. Die römische Poesie hat etwas Räthselhaftes. Auf der einen Seite hängt sie an der hellenischen und ist fast Wiederholung des alexandrinischen Zeitalters. Dagegen hat es noch andere Anfänge der römischen Poesie gegeben, an die sich ältere Dichter, von denen nur wenige Bruchstücke erhalten sind, angeschlossen haben. Dramatische Anfänge scheinen da gewesen zu seyn, weniger Bestimmtes läßt sich vom Epos sagen. Das römische Drama schließt sich an die neuere Komoedie an. Es wäre hier der Ort etwas zu sagen, von den Uebertragungen und Nachbildungen der Dichtwerke aus der einen Sprache in die andere. Die römische Sprache ist freilich für sich entstanden, aber durch die griechische gebildet. Um einen allgemeinen Rückblick zu machen und fragen wir nach dem Identischen in all diesen Gebieten, so knüpfen wir daran, daß in den ersten Anfängen die dichterische und speculative Richtung noch nicht ganz auseinander getreten waren. Gedankenerzeugung sind beide und in das Gebiet der Kunst, | 175r [...] Besinnung und Absichtlichkeit den Proceß leitet, fällt beides. Der Proceß des Erkennens ist zur Kunst erhoben. Sehen wir aber auf die ursprüngliche Differenz, so will die Speculation den reinen Gedanken hervorbringen, während die Poesie an dem Bilde hängt. Der Mensch und das menschliche Leben war bei diesem Bild freilich zum Centrum gemachtt. Wir haben noch einen anderen Anfang der Poesie gefunden, wo sie beginnt als Indifferenz zwischen Bild und Gedanke, als unmittelbarer Ausdruck. Es war eine Indifferenz zwischen Bild und Gedanke und diese müssen wir dem Begriff der Speculation entgegen setzen. In der Dichtkunst ist Spiel zwischen Bild und Gedanke, das Bild will Gedanke, der Gedanke Bild werden. Im Gegensatz zu den bildenden Künsten sprechen wir von Gedankenerzeugung. Das Bild wird in Rede verwandelt, aber die Rede stellt das Allgemeine dar, also ist hier ein Gedanke-werden des Bildes. Es ist eine Tendenz einer Zusammensetzung homogener Bilder, doch nie so, daß der Gedanke für sich seyn will. Im philosophischen Epos war dies, aber die von der Poesie noch nicht losgerissene Speculation. Später muß sich beides trennen, damit der dialektische Proceß in seiner Richtung sich die Prosa aneignen kann. Wenn also bei der Poesie die Gedankenerzeugung im Spiel immer auf der Seite des Bildes liegt, und wenn wir auf den Punct zurückgehen, wo noch die Richtung nach dem Bild der Kunst(?) weder nach der redenden Kunst möglich ist: | 175v so wird die ursprüngliche Richtung auf die Sprache entschieden. Erst die musikalische Richtung brachte die ganze Fülle von Tönen hervor. Alle verschiedenen Nuancen des Lichtes und der Gestalt sind gegeben, aber für die ganze Mannigfaltigkeit der Farbenwirkung verbirgt sich vieles in der Natur und der Künstler hat es nicht daher, sondern aus seiner eignen Anschauung. Auf der anderen Seite ist dieses Verhältniß des Dichters zur Sprache und der Dichter tritt als Schöpfer in der Sprache auf. Wir müssen sagen, daß das eigentliche Werk der Poesie auf redender Seite liegt, wo es nicht blos das Werk des Bedürfnisses(?) und der Geselligkeit ist. Der Gegensatz von Poesie und Prosa ist bei Griechen groß. Wenn wir in der epischen Poesie die Mannigfaltigkeit sehen und in der attischen Prosa die Gebundenheit der Formen, so erkennen wir, daß die Speculation hier schuf. Die Speculation ist frei und strebt nach dem logischen Element. Dies drükt sich in der Sprache ab – wir sehen aber immer, daß die Poesie das Ursprüngliche war, was bildete. Entgegengesetzt ist es in der französischen Sprache, die den ursprünglichen Typus der Prosa an sich trägt, so daß die Sprache sich wenig in der Poesie erhebt und die Silben mehr gezählt und gewogen werden. Wollte man die Einheit von der Speculation auf die Geschichtsschreibung und die Beredsamkeit wenden(?), so ist zu entgegnen, daß Herodot noch aufgelöstes | 176r Epos ist und die historische Composition ist bei Thucydides ganz anders gebunden. Herodot erscheint immer noch als Odyssee. Die Redner so bald sie fühlten, wie viel ihre Wirkung durch die Gewalt über die Sprache bedingt sei gingen in die Schule der Speculation. Die eigentliche materielle Bereicherung der Sprache und die Sicherstellung der Einheit in der Sprache bleibt aber immer Werk der Poesie. Sehen wir Epos und Lyrik zu beiden Seiten, so sehen wir, wie jede ihr Gebiet auf sich genommen. Die grandiose Freiheit in der Stellung und Verknüpfung ist Abbild der lyrischen Tendenz in der Sprache. Wenn uns gerade aus dieser Poesie noch vieles Unuebertragbare in der attischen Prosa vorkommt, so läßt sich der Einfluß der Poesie nicht verkennen. Wir opfern die logische Formalität nicht auf. Die innere [...] [...] ist der Typus der Anlage dessen, der Dichter ist. Wir waren an das Alterthum gewiesen – und uns war die Untersuchung über die Ursprünglichkeit der Sprache in dem Volk [...] . Von einem historischen Standpunkt aus müssen wir annehmen, daß bei diesen Bewohnen der engen Küste, wo Verkehr seyn muß, schwerlich sich eine streng eigenthümliche Sprache bildete. Die univerale historische Conjunctur weist zurück auf eine Verknüpfung. Uns aber muß hier das ganze Gebiet als eine Abgeschlossenheit erscheinen. | 176v

Moderne Poesie

In der neuen Poesie ist die Stellung verwickelter. Wir haben mehr Sprachen, die wir auf zwei relativ entgegengesetzte Sprachstämme zurückführen müssen. Wie erscheint hier das Volk, das das Gebiet der Bildung eigentlich ausmacht? Es sind die europäischen Völker. Die slawischen werden als minder bedeutend ausgeschlossen. Dann bleiben zwei Sprachen, die Sprache derjenigen Völker deren Sprache eine Analogie ihrer früheren Sprache und anderer Elemente sind (romanische Sprachen), dann die Sprachen, die sich mehr eigenthümlich aus sich entwickelt haben, wenn auch ein Zusammenhang mit dem Alterthum nicht zu leugnen ist (germanische Völker). Beides verhält sich, wie Südländisches zu Nördländischem, und es haben in beiden doch verschiedene Bildungsgesetze gewaltet. – Wie Homer zu seinem Stoff gekommen ist, konnten wir übergehen. Wenn aber ähnliche Erscheinungen in der historischen Zeit da sind, so kann man es nicht und muß man es so fängt man mit einer Lücke an. Dieses ist nun leider unser Fall.

Bei der modernen Poesie [...]

Bei aller Verschiedenheit müssen wir suchen dem Princip der neuen Poesie auf die Spur zu kommen. Die antike Eintheilung will nicht passen, da das Epische und Dramatische assimilirt werden von dem homerischen Princip. Es scheint zweckmäßig daß wir zuerst das Lyrische betrachten, weil es am reinsten gehalten ist. Was ist das strengste Lyrische? Diese Frage setzt voraus, daß die moderne Poesie als Eins angesehen wird. | 177r

Das Geschichtliche bildet hier Gegensätze. Große Völkergruppen sind der Sitz der modernen Poesie. Diese Völker sondern sich von der einen Seite aus einer bestimmten Vermischung heraus, und von der anderen Seite verbinden sie sich wieder. Unser Hauptansichtspunct ist die Sprache. Diese sind zum Theil erst allmählich sich bildend, andere Zweige allmählich sich umgestaltend. Das sich bildende ist das romanische, das sich umgestaltende das germanische Gebiet. In diesen ist eine gewisse Bildung an den Römern sichtbar aber in eigenthümlicher Structur. Wir sind von dem Gothischen pp. schon so weit entfernt, daß wir die letzten wie fremde Sprachen lernen müssen. Sehen wir diese verschiedenen richtungen in der Sprachbildung, die wenn auch quantitativ mehr gleich, doch qualitativ so sehr verschieden, so bieten uns die romanischen Sprachen besonders dar die italienische, die spanische, die französische – die germanische, die eigentlich deutsche und englische Sprache, welche letztere in der Mitte liegt zwischen dem Germanischen und Romanischen. Nachdem jedes Volk sich seine eigenthümliche Poesie gebildet hat, finden wir ein gewisses Bestreben in Verbindung zu treten und sich gegenseitig ihre Poesie anzueignen. Alle aber haben sich mehr oder weniger an den Alten gebildet. Daher dieser Stoff – die Poesie die sich mehr an die Antike anschließt und diejenige, die sich mehr aus den Volkselementen entwickelt. Als die Antike schon ganz ausgestorben war, erhob sich auch das Bestreben die Antike sich ganz anzueignen durch Uebersetzung und Imitation. Hier ist eine bedeutende Verzweigung in Bildung der Sprachen und im Zusammenhang der Formen. Die neuen Sprachen alle unterscheiden sich durch geringere metrische Bestimmtheit – woraus ein stärkeres Hervortreten des Accents sich bildet. | 177v Dieses an und für sich betrachtet ist der Gegensatz da. Als ergänzend diese Unbestimmtheit tritt das Neue hervor. Indem dieses das Ende des Liedes bestimmt und mit einem Anderen zusammenfaßt, so entsteht eine bestimmte Gemessenheit. Wenn wir den Reim festhalten, so sehen wir wie er wesentlich die Poesie strophisch bildet. Die eine Zeile tritt mit der anderen in bestimmte Verbindung. Denken wir uns die entsprechenden Zeilen gleichzeitig, so entsteht diese strophische Gliederung – ganz verschieden von der antiken Bildung. Denken wir nun, daß die Reime verschränkt werden, so entsteht die größere Strophe und dieses Princip kann uns unter den Händen gleichsam wachsen. Wo nimmt es ein Ende? Wenn wir gesagt haben, daß wir die großen tragischen Chöre und pindarsche Strophen schwer mit dem Ohr umfassen könnten: so hat es seinen Grund weil wir gewohnt sind in dieser Bestimmtheit durch den Reim, der sich leichter bezeichnet. Giebt es aber nich einen Ausgleich(?)? Wir finden große Differenzen. Je mehr die Dichter sich dem antiken Epos nähern, um so einfacher die Strophen, wie in der altdeutschen Heldenpoesie. Je mehr das Musikalische und Subjective eintritt, um so größer werden die Strophen. Hier haben wir einen Punct an der äußeren Form gefunden. Wir müssen allerdings noch auf ein mehr innerlich und höher liegendes Princip sehen. Die moderne Poesie tritt für uns nicht eher auf, als bis das Christenthum in ihr heimisch ist. Wir haben zwar noch die nordisch mythologische Dichtung – und man hat sie nicht erst in der christlichen Zeit zerschlagen(?). Aber diese gehört zu | 178r dem Ausgestorbenen. Wir fixiren diese am meisten in den Dialecten des Isländischen. Wir finden das Christenthum wirksam und lebendig, als die Poesie(?) beginnt und in alle Arten der Dichtung verschlungen. Wir kommen hier auf den eigenthümlichen Zweig, auf das rein Religiöse, von Hymnus an bis zu den verschiedenen Formen der [...] . Außerdem finden wir ganz eigentlich lyrisches bei den romanischen Völkern, die erotischen Elemente. Diese beiden müssen wir nun als am strengsten lyrisch herausheben. Die religöse Lyrik in ihrer Reinheit ist mehr den germanischen Völkern, die erotische den romanischen eigen. Die erotische germanische Poesie neigt sich immer zum Historischen, zur Romanze und Ballade. Rein subjectiv finden wir sie einheimisch in dem romanischen Sonnet und den Canzonen. – Was eine Analogie mit dem Ethischen hat, muß eine Richtung zum Subjectiven haben und dasselbe finden wir im Drama. Daher müssen wir das Eigenthümliche am stärksten da finden, wo das Subjective rein heraustritt. Das Erotische bildet den eigenthümlichen Charakter der modernen Poesie. Wenn wir eine andere Frage uns vorläufig aufstellen, wie es mit der Volksmäßigkeit der modernen Poesie steht, so wie bei den Alten das Epische fast pädagogisch und dadurch aber um so mehr volksmäßig. Das Drama wie der große Theil des Lyrischen gingen vom öffentlichen Leben aus. Wie steht es mit diesem Punct in der modernen Poesie? Wir finden dies hier gar nicht hervortretend. Was sich am meisten an epische Poesie anschließt, und sich ihm nähert: ist nie ganz in das Volk eingegangen. Wir können es nicht nachweisen von unseren alten Heldengedichten, daß sie ganz im Volk gelebt hätten und ein Element der Bildung geworden | 178v wären. Betrachten wir das religiöse Epos, so ist weder bei uns Klopstocks Messias, noch bei den Engländern Miltons verlorenes Paradies volksmäßig gewesen. Am meisten volksthümlich ist immer das Lyrische geworden erotisch und religiös. Das Historische ist am meisten populär geworden in dem, was sich dem Lyrischen anschließt. In den Ossianischen Gedichten haben wir ein Beispiel, wo die Gedanken im Volk fortlebten – aber doch immer so, wie sie sich lyrisch sonderten. Die Popularität der Romanze und Ballade ist immer größer. Das Religiöse und Erotische in ihrem wesentlichen Zusammenseyn, wenn auch nicht in ihrem wesentlichen Zusammenhang ist eben das Romantische. Wir müssen auf die Differenz vom Antiken sehen. Einmal ist es die Sprache. Ein zweiter Punct ist der Mangel des öffentlichen Lebens, worin wir die Analogie bei den modernen Völkern zu keiner Zeit nachrechnen(?) können. Daher ist die ganze moderne Poesie sich mehr an das Privatleben anschließend entstanden, und die Poesie war nicht das Fundament des öffentlichen Lebens, wie bei den Alten. Betrachten wir das Drama, so sollte man meinen, darin müsste ein wesentlich größerer Unterschied liegen, ob es aus einem großen historischen Stoff oder aus der Fiction herausgeht. Aber die Differenz verschwindet mehr, da kein Platz ist für das Historische, kein öffentliches Leben. Allerdings will der Dichter der Spiegel des Nationalcharakters seyn. Indeß dieser geht mehr von einer inneren Identität aus, als von einer öffentlichen Gemeinsamkeit. Diese ist wieder ein wesentlicher Grund von dem Hervortreten des Subjectiven und von der Neigung das Objective hineinzubilden. | 179r Die neuen Dichter haben es analog von dem antiken Cyclus. Aber eine solche Freiheit in der Umbildung finden wir bei den Alten nicht. Bei den Alten dominirt der Cyclus die Dichter, bei den Neuen die Dichter den Cyclus. Sie bringen ihn erst in das Volk hinein und haben daher eine größere Macht über dasselbe – Hierbei kommt ein Anderes in Betracht. Die Mythologie ist ausgestorben, bei den römischen Völkern ganz, bei den germanischen auch bis auf die todte Ueberlieferung durch die Schriften. Ein Mythisches fehlt. Das Homerische versirt auf der Grenze des Mythischen und Historischen. Die neuen Völker fallen gleich bei ihrer Entwicklung in das Historische, sie treten in Reibung mit historischen Völkern auf, was ihr Bewußtseyn aber entwickelt. Es ist eine Tendenz das Historische zu mythisiren. Es ist eine Aufgabe die jeder auf seine Weise löst und kein gemeinsames Princip beherrscht den Einzelnen. Auch hiedurch bestimmt sich das Princip der modernen Poesie und wir haben schon eine Menge Elemente. –

Es gilt dies von verschiedenen Standpuncten. Wir finden geschichtliche Personen in fabelhafte Umgebungen gesetzt, wie Roland, Artur von der Tafelrunde pp. Bald finden wir fremdartige Elemente in das Historische gemischt, Orientalisches, Magisches. So gestaltet sich aus der Bekanntschaft mit dem Orientalischen ein Geisterwahn, der nicht religiös ist. Dieses Willkührliche ist untergeordnet. Es zeigt sich aber diese Neigung im tiefsten Volksleben. Wir finden sie noch in der Zeit, wo die Poesie des Mittelalters in der Blüte stand, wie die Sage von dem fortgesetzen Leben für den Kaiser Friedrich. So noch in neuerer Zeit diese Neigung, wie die Sage, Scylla(?) sei nicht todt, lange umherging. Es | 179v ist alles dies dasselbige Element nur höher gesteigert. – Das unmittelbar Populärste ist das rein Lyrische im einfach Religiösen und Erotischen – im reinen Lied. So ist das Kirchenlied das einfachste volksthümliche Lied, ebenso auch das erotische Lied in der einfachen Form. Nehmen wir das Objective der Heldensage, so ist die Verbindung aber das Epische. Am meisten tritt das Religiöse heraus, wo der Kampf des Christlichen mit dem Unchristlichen dargestellt wird. So die Kämpfe mit den Mauren, die Kreuzzüge pp. Dies besonders in Italien. Da entwickelt sich auch das Erotische – das von Anfang an seinen Grund hat im Ueberwiegen des Häuslichen über das Oeffentliche. Ist das Erotische von dem Epischen getrennt, so ist es weniger volksmäßig, es ist die abgestorbene Seite der epischen Poesie. – Zu diesem Ganzen gehört das Nibelungenlied pp, wo in oft zweifelhafter Zeit, wohin man sie rechnen sollte im religiösen Gebiet. Daher sind sie aber auch im Volk mehr verschollen, nur jetzt wieder hervorgerufen.

Ein großes Gebiet ist noch das Prosaische in der Poesie. Wir finden diese Dichtungen in ungebundener Rede früher. Wir müssen zurück gehen auf die geringe Intensität der neuen Sprachen. Der Gegensatz zwischen Prosa und Metrum erscheint schon im Modernen verringert, daher die Leichtigkeit überzuspringen in die anderen Formen. Daher die Versuche, wahrhafte Chronik in Versen zu behandeln(?) und wieder die Dichtung in ungebundener Rede vorzutragen. Betrachten wir dieses sprachliche Gebiet seinem Inhalt nach und gehen auf den Vergleich | 180r schon meisterhafter Erzeugnisse zurück, wie die Decamerone des Bocaccio , so versirt es im gewöhnlichen Leben und doch treten oft Hauptpuncte auf. Die Kunst schloß sich einmal an das Privatleben an. Das Unbedeutende kann hier durch nichts gehoben werden, als durch die Composition und Darstellung selbst. Je mehr die Composition auf der epigrammatischen Spitze beruht, um so mehr muß die Sprache das Ganze heben. Daher auf der einen Seite die Zierlichkeit und Gewandtheit, auf der anderen Seite die Pracht und die Fertigkeit, das Unbedeutende zu einem schönen Bild zu erheben. Es ist die Novelle. Der Einzelne tritt dabei als Repräsentant des ganzen Lebens auf. Das Wahre der Dichkunst ist hier dasselbe, die sinnliche Vergegenwärtigung in der Naturwahrheit. Aber die Neigung zur epigrammatischen Spitze zeigt die Abgeneigtheit von dem Epos. So wie eine solche Scene nur einen Knoten hat, nur eine Intrigue, oft unbedeutend genug, so macht Bocaccio die schönste Erzählung daraus. Ursprünglich war diese prosaische Dichtung von geringem Umfang. Es muß ein Verhältniß Statt finden zwischen dem ursprünglichen Stoff und der Ausdehnung der Dichtung, die im Einzelnen das Allgemeine darstellen will. Das Mittel aus solchen vereinzelten Dichtungen ein Ganzes zu machen durch eine einhüllende Dichtung, oft freilich nur mechanisch, aber durch belebte Weise, bot sich leicht dar. So die Decamerone. Daraus hat sich in der Folge auf der einen Seite der Roman, auf der anderen das moderne Drama entwickelt. Die meisten Werke von dramatischer Form gehen auf solche Novellen zurück, wenn sie nicht im historischen Epos wurzeln. Da sich dies geschichtlich nachweisen läßt, daß der Roman und Drama ihren Ursprung haben in der Novelle, so fragt sich, | 180v was ist der Unterschied, wie verhalten sich beide zu ihrer gemeinsamen Quelle? Das Drama hat sich in seinem Gegensatz nicht rein gehalten wie bei den Alten. Es mischt sich in das Tragische und Komische. Im Spanischen sogar mischt sich in das Komische das Tragische, wenigstens im äußerlichen Sinn. Der Tod wird darin leicht gehalten. Nehmen wir hinzu, was von der Mimik gesagt ist, daß die mimische Darstellung nicht an die dramatische Darstellung haftet, sondern das Drama oft erst für die Bühne muß behandelt werden, so können wir freilich sehen, wie leicht der Uebergang ist aus der erweiterten Behandlung einer Novelle zu dem Dramatischen. Es giebt Novellen, wo die ganze Darstellung mehr auf den Gegenstand gerichtet, als auf das Persönliche. Das ethische Element tritt zurück und diese Arten(?) sind schwerer in das Drama umzubilden. Wo aber das Ethische waltet, da hat der Dichter sich nur zurückzuziehen und die Personen so zusammenzuführen, daß eine Erzählung nicht nötig ist. Doch finden wir auch Erzählungen im Prolog oder zwischen den Acten für das, was nicht gut in das Drama sich fügt. So oft bei den alten Dichtern das Drama.

Wir finden auch die mittlere Form, wo das Dramatische der minimalen Form widerstrebt, aber doch reine Dialoge dargestellt werden, den dialogischen Roman. Alles ist hier im Uebergang begriffen. Finden wir keine anderen Abtheilungen? Das Ganze bildet ein Gebiet, wo das Objective rein zurücktritt – von dem mehr lyrischen Theil der Poesie können wir es also sondern. Aber die Form will sich nicht zu bestimmten Gattungen gestalten. Es giebt etwa einen strengen Gegensatz in Bezug auf den Stoff. Es erscheint dieses Gebiet in der Novelle als eins für sich und das auf der Heldensage ruht, als ein | 181r Anderes. Worauf beruht der Unterschied? Die Heldensage geht doch immer auf das nationelle und öffentliche Leben hinaus, wenn auch weniger die Beziehung des Herrschers zum Volk darin vorkommt, sondern mehr das Leben der Helden unter sich. Aber es tritt die Verwandtschaft doch stark hervor, analog demjenigen, was bei den Alten das Tragische und Komische schied. Alles Heroische hat Analogie mit dem Tragischen der Alten, das Novellistische mit dem Komischen aber nur in dieser Beziehung. Sehen wir auf das ethische Element, so beruht in der Novelle alles auf der Spitze der Begebenheit. Hier ist ein Unterordnen der persönlichen Darstellung unter die Darstellung der Handlung. Sehen wir auf den Roman im engen Sinn, so soll es sich mit diesem umgekehrt verhalten, und das Charakteristische soll die Hauptsache seyn, die Begebenheit nur das, an dem sich das Charakteristische entwickelt. Sehen wir sich den Roman entwickeln, so ist eine Umbildung nach diesem Princip hier gegeben. Aber es ist dieses so schwer, daß man mit theoretischen Maximen stärker auftreten müßte, wollte man sagen, es sei aber der Unterschied, daß in dem Roman das Charakteristische über das Restliche(?) ein Uebergewicht hat, in der Novelle umgekehrt: Dann würde der Don Quichote unter die Novelle fallen. Die beiden Hauptpersonen treten zwar besonders hervor – aber das Uebrige hat mehr einen novellistischen Charakter. Das Ganze ist offenbar ein Kranz von Novellen und der Faden der Geschichte begünstigt, daß sie in verschiedene Gegenden verlegt werden können. Der eigentliche Roman ist hier erst ein Product der späteren Zeit und in der früheren Zeit ist die ganze Dichtung erschöpft in der Novelle und dem Drama. – Dieses Factische wird ein jeder zugeben müssen – so wie auch, daß wir an die Novelle eine andere Forderung | 181v machen als an den Roman. Es ist im Roman eine noch größere Vereinzelung im Leben, worauf der Roman beruht. Der Einzelne in der Novelle hat eine tiefe Gemeinschaft in der ursprünglichen Wurzel, als die Darstellung von rein einzelnen Personen, die nur durch eine Begebenheit an einander gereiht sind, und doch nicht dramatisch. Die Forderung das Innere darzustellen übersteigt eigentlich die Poesie, denn von der persönlichen Individualität giebt es nur eine subjective Auffassung. Es unterwirft sich dann das Objective dem Subjectiven. Das Subjective im Roman tritt im Lyrischen heraus. Da stellt sich der Dichter aber selbst dar. Doch ein einzelnes Wesen im Zusammenhang darzustellen, daß das ganze Leben zur Anschauung gebracht werden soll, als aus der inneren Einheit sich entwickelnd, ist eine Aufgabe, von der die Alten nichts wußten und sie hat sich erst in der neuen Zeit bestimmt gestaltet. Sie war nur möglich, wo der Einzelne auf solche Weise hervortrat und das Gemeinsame nicht mehr ein gemeinsamer Gegenstand war. Der Roman ist also als neue Wendung der Poesie zu würdigen, doch ist der reine Sinn für die dramatische und epische Dichtung getrübt, dadurch daß wir diese moderne Forderung der Charakter Zeichnung aus einer inneren Einheit auf das Epos und Drama übertragen. Aber welche Masse von Schreiberei ist nicht als Roman besonders bei uns Deutschen erschienen? und ist nicht die Gattung vielleicht selbst Schuld daran, daß selbst große Meister im Gebiet des Romans das Richtige so verfehlen, als wäre er ein unendliches antikes Epos, so daß man alles hineinschichten(?) konnte und abbrechen wo man wollte. – Jede Kunstform | 182r ist desto bedenklicher, je leichter sie das Mittelmäßige zulässt. Doch ist um die Bedeutung des Romans festzuhalten noch ein Anderes anzugeben.

Der Roman ist von der anderen Seite eine Erzeugung des Geschichtlichen – und als solche nimmt er eine bestimmte Stelle in der Kunst ein. Er unterscheidet sich durch die Prosa, – seine Form ist also mehr historisch. So wie die Geschichtsschreibung mit ihren Gegenständen uns etwas fern wird, so kann sie nicht mehr die rechte Lebendigkeit haben, so daß das Ganze klar vor Augen belibt. Das Maß der ganzen Form des Lebens entzieht sich leichter. Der Roman hat nicht nöthig, sich an wirklichen Begebenheiten oder geschichtlich bedeutende Personen zu halten. Aber während er sich in das gewöhnliche Leben zurückzieht, so ist es zugleich seine Obliegenheit, dieses der Localität und Zeit nach zur Anschauung zu bringen. Wir finden hier eine ununterbrochene Reihe nach der Geschichte hin. Man kann die romantische Behandlung der Geschichte und den historischen Roman sich sehr annähern. Das Erste ist eine fehlerhafte Gattung. Die Geschichte soll sich um keines Effectes der Darstellung wegen eine Alteration erlauben. Freilich liegt zu diesem Fehler schon in der Rede der Alten eine Annäherung . Aber im Allgemeinen ist hier doch Wahrheit. Sowie das Historische alterirt wird, sind wir im Gebiet des historischen Romans, der nun darauf geht, daß die Zeit und Raumverhältnisse der Handelnden ein klares Bild geben. Wir können die historischen Personen aufgeben. Aber indem der Romandichter für seine fingirten Personen eine bestimmte Zeit und einen bestimmten Ort wählt, so ist er doch an diese gebunden. Ist dabei noch ein Anklang an das Geschichtliche, so vermehrt sich das Bewußtseyn des Zusammenhangs mit dieser Forderung auf die Geschichte. Die Geschichte kann sich | 182v nicht so im Einzelnen ausbreiten. Wenn Zeit und Umstände im Ungewissen schwanken, so kann dies nicht mehr der Zweck seyn. Was ist es dann? Wenn der Roman sich darin von der Novelle unterscheidet, daß er die Charakterschilderung des gewöhnlichen Lebens ergreift: so stellt er im Einzelnen das Allgemeine dar. Wir müssen aber die Anknüpfung des Romans nicht vergessen. Eine Composition wie die Novelle trägt es an der Stirn, daß sie persönliche Verschiedenheiten in Contrast oder Uebergängen zur Anschauung bringen will. Das ist nicht der erste Zweck des Romans. Wenn der Roman nicht Erzeugung der Geschichtsschreibung ist auf die eben entwickelte Weise, so muß sie einen anderen Halt haben, damit sie sich nicht im gewöhnlichen Leben verliere. Der Einzelne ist in der Geschichte immer völlig unabhängig und frei gestaltend. Eine jede Gesellschaft wird durch allgemeine Grundsätze zusammengehalten. Was hervortritt, verliert seine geschichtliche Bedeutung. Es ist das innere Substrat der Geschichte. Auch dieses kommt selten bei der Geschichte zur Anschauung und der Roman kann dies(?) hier ergänzen. Wenn der Roman das Aeußerliche verschmäht(?) als ihn der Novelle zu nahe bringend: so kann er die Principien des Lebens so in einander wirken lassen, wie im großen Leben der Geschichte. Dies ist der ethische Roman, wo die Charakterschilderung am meisten hervortritt, aber national. Wenn wir die Aufgabe uns so stellen und nun bedenken, wie schwer es ist, in ein fremdes und geistiges Leben so einzudringen, | 183r daß dies zum constructiven Princip der Dichtung werden kann, so erfordert der Roman ein größeres Talent, ein um so größereres, je freier er liegt. Dasselbe Talent und derselbe Geist wird sich indeß auch an den Romanen der Gegenwart darstellen. In Goethe's Wahlverwandtschaften finden wir eine treffliche Charakterschilderung und es sind Gesinnungen und Principien darin entwickelt, die für unser Leben von großer Bedeutung sind – ohne gerade in das Politische einzugehen: Dagegen möchte der Wilhelm Meister keineswegs ein solch reiner Typus seyn. Der Held des Gedichts ist da zu negativ gehalten, er tritt zu hemmend auf. Freilich eignet sich ein Held, der mit der Entwicklung seines Lebens zum Schluß will, nicht für den Roman, mehr für das Drama. Aber die Negativität ist im Meister übertrieben – und man kann nicht sagen, daß das Schauspielerleben(?), würde es gegeben werden, dazu beiträgt, die Zeit zu verstehen. Nichts ist geringfügiger als ein Roman, der den Lesern nichts Fremdes vorführt, ganz aus dem bekannten Leben alles nimmt. Wenn die Zeit und das Räumliche in einer solchen Dichtung gar nicht hervortritt, da kann auch schwerlich etwas Bedeutendes hervorgehen.

Wir müssen noch auf einen anderen Anknüpfungspunct der modernen Poesie zurückgehen. Gehen wir geschichtlich dem zusammenhängenden Faden der neuen Dichtung nach, so können wir nicht gut weiter als das 15. Jahrhundert zurückgehen. Das Frühere, dem Mittelalter Angehörige, ist durchaus von keinem lebendigen Einfluß für die spätere Entwicklung. Hier | 183v fängt die neue Dichtung an, wo die Bekanntschaft mit dem Alterthum auch beginnt. Das Alterthum hat befruchtet, wenn gleich das Eigenthümliche bestimmt ist. Je mehr der Dichter einheimisch wurde in der eignen Sprache, je mehr die alten Sprachen wieder ins Bewußtseyn gerufen wurden, um so mehr mußten diese Differenzen wieder zu Bewußtseyn kommen und es mußte die Frage entstehen, wie weit es möglich sei, ganz im Sinn der Alten zu dichten. Die Uebersetzung und Imitation bildet einen Hauptzweig – in dem freilich die Deutschen am meisten geleistet haben. Soll hier von beiden die Rede seyn, so fragt sich, in wiefern auch die Uebertragung als Kunst angesehen werden kann. Ist die Sprachbildung ein so wesentliches Element in der redenden Kunst, so muß die Sprache eben organisch behandelt werden: so folgt, daß Versuche an der Sprache, wie weit sie sich ausdehnen lasse, ein Verschieben derselben, ohne den eigenthümlichen Charakter aufzugeben, eine Kunst sei. – Es ist eine Differenz zwischen den alten und neuen Sprachen, in wiefern sie den Gegensatz zwischen gebundener und ungebundener Rede in sich tragen. Wie weit läßt sich die Sprache dahin bringen, bestimmt gemessen zu erscheinen ohne Erzeugung des Reimes? Dieser Versuch kann nur ein Künstler machen. Es kommt hier freilich besonders auf die kunstgemäße musikalische Behandlung an. Aber es gehört mit zur Sprache. Aber es ist nicht mechanisch | 184r wie die Behandlung des Instruments in der Musik keineswegs blos mechanisch ist. Zugleich ist es Sache der Kritik, die sondern und vergleichen muß. Hier geht uns ein Gebiet auf, das wir zur Dichtkunst rechnen müssen, das aber in einem anderen Sinn zugleich ein kritisches und gelehrtes ist. In dem alexandrinischen Zeitalter der alten Poesie wurden Formen und Dialekte nachgebildet. Nun war es nicht blos die Form und Sprache, sondern auch der Gegenstand, der aus der Antike auf nationale Weise in das Moderne herübergezogen wird. Die Aufgabe ist die kleinste in Bezug auf die Thätigkeit des Künstlers, wenn ein Werk treu nachgebildet wird, es ist die Uebersetzung, die für die Kunst nur dann Werth haben kann, wenn die Aufgabe ganz und vollkommen gelöst wird – wozu dann allerdings ein künstlerisches Talent gehört. Wir haben mehrere Uebersetzungen des Sophocles. Die Solgersche hat sich die genaue Nachbildung des Silbenmaßes zur Pflicht gemacht, wobei allerdings nichts vorkommt, was das Maß unseres Ohrs überschreitet. Man könnte also sagen, die Aufgabe ist auf diese Weise zu groß und es ist dabei zu wenig auf unsere Sprache Rücksicht genommen. Es ist schon ein fremdes Hülfsmittel, Accent und quantität über die Worte zu setzen. Dagegen trug Stollberg den Chor in eigentlich lyrische Strophen vom engen Gebiet über. Da ist die Willkühr zu groß. Wie es schwierig ist, das Rechte hier zu finden, so erkennt man, daß man auf einem eigenthümlichen Kunstgebiet | 184v ist. Diese Kunst setzt die tiefste Kenntniß zweier Sprachen voraus, und daß sich beide Sprachen auf das treuste ganz einander abspiegeln. – Von der eigentlichen Uebersetzung gehen wir zur Nachbildung. Bleiben wir nun hier zu aeußerlich, so haben wir Deutschen die Nachbildung fast ausschließend. Die romanischen Sprachen haben auch versucht, die alte Form des Metrums in eigenen Compositionen nachzubilden. Doch bald hörten diese auf, und die germanischen Sprachen , vornehmlich die deutsche, blieben in Beziehung dieser Nachbildung. Man hielt sich an das, was auch die Römer nachbilden konnten, verzichtet anfangs wenigstens auf die Chöre und die pindarsche Strophe. Im epischen Versmaß und in der Elegie vornehmlich haben wir viele solche Gedichte, und eine Zeitlang schienen sie die Reime verdrängen zu wollen, den Reim sah man fast nur als etwas ausgestorbenes(?) an, vernachlässigte seinen Zusammenhang mit der ganzen Bildung, die Nachbildung der alten Silbenmaße hatte für die Sprache und ihre Ausbildung vortheilhaft gewirkt. Viel mehr wird nur nachgebildet für die metrischen Verhältnisse in unserer Sprache. Bedeutende Annäherung an die Antike hatte Statt, wenn dies in das Volk auch noch nicht gedrungen ist. So lange so wenig Anlaß zum öffentlichen Leben, wie bei uns ist, alles, was redende Kunst bei uns ist, mehr für das Auge als für das Ohr ist, kann es auch wol nicht anders seyn. Was Quantität und Accent in der Sprache wirken, bemerkt man erst recht, wenn man es lesen hört. Mit einer freien Stellung in der Sprache hängt die Nachbildung der alten Silbenmaße zusammen und seit dem sind wir nicht mehr so dominirt von den romanischen Sprachen. – Wenn freilich auch in der Prosa diese größte Freiheit übergegangen ist, so ist sie doch im eigentlich populären Gebiet noch nicht. Da wir nun doch die eigentliche Form der alten epischen | 185r Prosa ergründen konnten und unsere episirenden Formen nicht das alte Epos sind, wäre es nun recht, die Strophe hier mit der antiken Form zu vertauschen? Anfangs überschätzte man sie. Nachher schätzte man sie zu gering. Das Distichon und die einfachste Verschränkung des Reims ist die älteste Form des deutschen Epos. Die Stanze, die bei uns nur nachgebildet ist, und die anfangs viel freier als die italienische Stanze war, und nachher erst durch Uebertragung in strenge Form gebracht ist, ist bei uns nicht einheimisch. Wir würden also nur ein Fremdes mit dem Anderen vertauschen. Ist nun größere Verwandtschaft zwischen unserer und der romanischen, oder unserer und der antiken? Ferner zwischen der Form der Composition und der romanischen Form der Metrik, als zwischen unserer und der antiken? Beim Letzten ist anzufangen; Beim Ersten nämlich entscheidet sich leicht unterscheidend die Hauptdifferenz der Alten und Neuen und da wir mehr durch den Accent als die Quantität bestimmen, so ist das altdeutsche Distichon dem Romanischen näher.

Wenn wir die Hauptdifferenz in der nicht vollständigen Gemessenheit sehen, so nähert sich das altdeutsche Distichon mehr dem Romanischen als Antiken. Das alte Epos, in dem das alte Distichon waltet, nicht die romanische Stanze, nähert sich dem Antiken. In der Nachbildung der alten Maße haben wir an Ausdehnung gewonnen. Man vergleiche Voß' Luise und Wielands Oberon. Wir verdanken dies der Nachbildung, als die Dichter sich mit den Alten befreundeten. Man hat das nicht als Verwirrung, sondern als constant gewordenes Element anzusehen. Theilen wir ein in Nachbildung der antiken und Nachbildung der romanischen Formen, wo bleibt das ursprüngliche Distichon? Es liegt in dem ersten klarsten Element im Lied, wie es sich ohne Einfluß schon zur Zeit der Minnesänger bildete. Weil dies das ursprüngliche Fundament der modernen Poesie ist, so können wir wol sagen, daß | 185v das Nachahmung der Antike ist.

Wie werden hier besonders an Klopstock denken: Ein strenges Silbenmaß wird vorausgesetzt und dieses ist nicht heimisch, die große lyrische Kraft Klopstocks bleibt wegen der festen Form mehr ohne Wirkung. Diese schließt sich immer an ein Bekanntes an. Wer die Alten kennt, für den ist die Wirkung leichter. Wenn aber doch Zeile um Zeile vergeht(?) ohne bestimmte Form und ohne bestimmtes Maß, so ist man immer wieder mehr an den Inhalt gewiesen. Wie verhält sich dann in Beziehung auf die Gesammtwirkung das Silbenmaß als gemessne Strophe? Man hat jetzt die Kritik der poetischen Darstellung darauf gründen wollen, daß man die poetische Form müsse auflösen können und es müsse doch noch Probe halten – gar noch auf die Kopie einer Lexie(?) der Alten zurückführen. Aber es ist unrichtig, weil es ausgeht von der Getrenntheit des Stoffs und der Form, als mache der Dichter den Gedanken erst fertig. Es ist der Natur der Sache zuwider. Des Dichters Composition ist ohne die sinnliche Anschauung der Sprache nicht denkbar. Es ist verkehrt, als stände der Dichter nur im logischen Verfahren. Je mehr beides verwachsen ist, um so vollständiger ist das Ganze. So wie ein Typus der Fortschreitung gegeben ist, so ist ein Typus der Composition gegeben. Es ist keine solche Freiheit des Inhalts in Bezug auf die Darstellung in der Poesie zu denken. Es ist dies nur von der Prosa in der Thätigkeit des gebundenen Lebens abstrahiert, wo die Kunst ganz verschwunden ist. Hier ist ein solches Zufälliges Verhältniß. Nun kann | 186r man aber doch nicht das Kriterium von da entnehmen, wo die Kunst nur an einem Andern ist. So ist auch nicht möglich, daß der Inhalt des Gedichts in einer Anschauung klar eingehe, wenn die Form nicht eingehe. Wie man bei Kopstock oft auf das abgezeichnete Silbenmaß sehen muß, so machen diese Dichtungen immer nur einen halben Eindruck und ihre Wirkung ist so früh verloren gegangen. Auf diesem als innerstem Gebiet musste(?) nothwendig auf der einen Seite die ursprüngliche Form dominieren und eine Nachbildung der französischen Ode werden, uns hier eben so fremd seyn, wie(?) eine Nachbildung des griechischen Silbenmaßes, wie sich das Kirchenlied und das erotische Lied immer in dieser rein populären Form bewegt hat. So wie wir davon abgehen, ist größre Freiheit. Dann können wir uns auf der einen Seite dem Roman nähern, und mit ihm dem subjectiven(?) Charakter, oder auf der andren Seite dem Antiken und mit ihm dem mehr objectiven Charakter. Wie steht es in dieser Beziehung mit dem Dramatischen? Man kann hier die Grenze verschieden ziehen. Wollte man das Mimische zum Kriterium machen, so würde die Grenze enger werden, als wenn wir sagten, Dramatisches sei da, wo die Form des Dialogs sei. Im letzten könnte ein aufgelöstes Epos seyn. Wir finden Versuche die antike Form nachzubilden. Dergleichen haben zuerst die beiden Stolbergen geliefert, nachher in beschränktem Sinn auch Schiller. Ueberwiegend ist die Nachahmung des französischen Theater geblieben und der Uebergang in die Prosa. | 186v Es wäre zu erwarten, ob nicht die jetzt größere Bekanntschaft mit dem spanischen Theater in Nachbildung eine Annäherung an das Spanische wird zur Folge haben. Darin finden sich ganze Canzonen. Wenn wir denken, daß für unsere Bühne noch immer der Vers als Vers verwischt wird, so würde gerade die spanische Assonanz auf der einen Seite und das eingemischte Sonnet(?) auf der anderen Seite sich am meisten dem Verwischen und Zerstören des Verses widersetzen – wie man hingegen in unseren dreifüßigen englischen Jamben am meisten den Vers verwischen kann. Die eigentlich antike dramatische Form hängt zu sehr an der Behandlung des Gegenstands, der uns unerreichbar ist und am Chor, der Zuschauer muß uns fremd bleiben. Wenn wir auf der anderen Seite das französische Theater betrachten und sehen hier die Nachbildung des Antiken in Bezug auf die Einheit der Handlung und des Ortes, der im Antiken durch die Unwahrheit des Chors motivirt ist, ohne daß der Chor mit hinübergenommen ist, so ist das todt und wo sich ganze Seiten des Lebens verflüchtigen würden(?) ohne das Conventionelle, nur da konnte so etwas entstehen und bestehen. Wie steht es um das Verhältniß der Poesie und des Silbenmaßes? Sobald wir von dem Dramatischen abstrahiren [...] , so befinden wir uns in einer Indifferenz. Wenn man die Prosa ableitet von der Natürlichkeit , so ist es verkehrt. Wenn wir aber das Drama als in der Mitte stehend betrachten zwischen Epos und [...] , so | 187r wird man beide Formen anerkennen und in dem Zusammenseyn wird eine Art Analogie sich ergeben. Hier scheint ein allgemeines Gesetz durchaus nicht gegeben werden zu können; aber um so mehr muß ein richtiger Tact gefordert werden. Wir können wol sagen, daß wir hier verschiedene Dichtungen haben, wo sich das reinste und richtigste Gesicht(?) ausspricht. Dächten wir uns den Tasso in Prosa, den Götz in Versen, so wäre es das Unorganischste. Wollte man fragen, wäre es nicht für den Tasso ein Gewinn gewesen, wenn er den Trimeter statt des fünffüßigen Jambus aufnehmen könnte: so ist das nicht ganz zu verwerfen, da der Trimeter keineswegs so leicht zu zerstören ist wegen der Contraposition in der Caesur und da doch schon einige Dichtung in dieser Art gelungen scheinen, wie Schlegels [...] . Es müßte sich die Weise des Tasso eben so gut in diesem Versmaß darstellen lassen. – Was die Nachbildung der Antike in den kleinen Gattungen betrifft, so ist auch hier ein Gleichgewicht zwischen dem antiken und modernen Distichon, eine Elegie im antiken Distichon und eine Elegie in verschränkten Reimen. Beide sind an und für sich angemessen und es kommt auf den eigenthümlichen Ton und Färbung an. Ebenso im Epigrammatischen. Wie unsere Sprache überhaupt am meisten Uebertragungen aus anderen Sprachen aufgenommen hat, daß die Natur der übertragenen Sprachen durchschimmert: um so mehr hat unsere Sprache | 187v ein Recht sich jedes Maß zu sicherer Beziehung anzueignen. Es ist noch ein Punct der Nachbildung übrig – was den Stoff betrifft. – Die Behandlung antiker Stoffe in moderner Form. Ueber solche Fragen allgemeine Regeln a priori aufzustellen, zu deduciren, wo die Sache thunlich sei, ist unangemessen. Vielmehr ist auf die Historie zu sehen, was und wie die Sache behandelt ist. – Shakespeare nun hat die alte Geschichte behandelt. Es ist ein rein historischer Stoff. Vergleichen wir ihn mit Shakespeares anderen Gegenständen, so sind diese meistens aus dem Gebiet der Novelle – und diese sind so wie die wahre Geschichte dramatisch behandelt. Wo ein dramatisch bearbeitbarer Punct ist, ist ihm die Geschichte so gut, wie jeder andere Punct. Sein Stoff ist fremd und einheimisch. Das Aeußerliche, Zeit, Locales sind willkührlichen Charakters. Solcher Unterschied ist also hier nicht und die Wirkung ist auch dieselbe. Eine fremde Welt will er vorführen, dem damaligen Zustand des Drama angemessen. Keineswegs wäre es angemessen, sollte im Drama die Charakterschilderung herrschen. Aus dem gemeinsamen Leben wächst das einzelne doch hervor. Es ist also nicht ohne jenes zu verstehen. Die Charakterschilderung ist der Begebenheit untergeordnet.

Wenn wir uns die Charakterschilderung als untergeordnet denken der Begebenheit, so läßt sich es begreifen. Wenn man dazu auf die mimische Darstellung sieht, für die Shakespeare arbeitete, da er selbst Schauspieler war, so bekommt das noch durch Mimik und löste einen neuen Reiz. Die französische Tragoedie hatte wegen der ganzen Sprache und der Ableitung aus dem Alterthum einen nicht so fremden Stoff. Die französische Bühne hatte auch nie daran gedacht, das | 188r Nationale so hervortreten zu lassen. Die Personen sind behandelt, wie Franzosen in einer ähnlichen Situation. Wenn wir diese seiner eigenthümlichen Natur nach näher beleuchten, so müssen wir sagen, wo das Volk dem Alterthum fernsteht bei der Maxime, daß jeder Fortschritt, der Ueberraschung ist, der beste ist, so kann durch die fremde Gedankenzeichnung keine Störung hervorgehen, wie bei denen es seyn muß, die das Alterthum kennen. Anders ist es wenn nun der antike Stoff dramatisch behandelt wie Goethes Iphigenie und Schlegels Ion. Sehen wir auf das Volk, so ist allerdings die Dichtung gelehrter Natur. Sie setzen Kenntnisse voraus. Wo diese nicht sind, müssen sie sie sich selbst erst schaffen. Wir halten uns mehr an das Alterthum und sind in Bezug auf die Sprache freier. Es fällt uns nicht auf, wenn Personen aus dem Alterthum sich „du“ nennen, während es immer im französischen Drama mit „vous“, Monsieur, Madame vor sich geht. Wird es nun aber auch gelingen, die antike Denkweise ganz hervorrufen zu können? Je leichter es geschieht, desto mehr ist dieser Stoff zuzulassen. Sonst bleibt immer Störung für die die sich in das Alterthum hineingelebt haben. – Wenn wir uns andere Formen denken, wo die Darstellung noch mehr stetige Größe seyn muß, als das Drama. Da verliert man noch leichter das Maß. Es fragt sich, ob Goethe, wenn er die Achilleis weiter hätte fortgesetzt, würde es(?) haben halten können. Es ist ein anderer(?) Gebrauch nach dem Gebrauch der alten Mythologie in | 188v der Poesie. Die Mythologie war in einer Zeit bei uns für die schöne Darstellung unentbehrlich; sie waltete vorzüglich in der erotischen Poesie. – Es giebt nun auch Versuche unsere eigene Mythologie zu verweben, wie in den Klopstockschen Oden. Aber eben diese Oden sind weniger volksthümlich gewesen, als seine übrigen Werke. In der dänischen Literatur scheint die nordische Literatur mehr Glück gemacht zu haben. Aber bei einer kleinen Nation wird alles Einheimische mit mehr Vorliebe beurtheilt. Der Dichter erschwert das Auffassen. Je fremder der Gegenstand, um desto unvollständiger die Darstellung. Das Gedächtniß dieser Poesie ist aus dem Volk mehr verschwunden. Unser Alterthum gehört noch gar nicht in den Cyclus unseres Studiums. Daher sind solche Dichtungen selbst für den Gelehrten noch gelehrt. Dem Volk ist beides fremd. Die Bearbeitung eines alten mythologischen Stoffs könnte daher kein anderes Gesetz haben, als die Bearbeitung eines alten historischen Stoffs. Aber die Mythologie war lange nicht Stoff, sie gehörte zu den Darstellungsmitteln. Sie verstößt gegen die Regel. Wir sind nicht so in das Alterthum eingelebt, daß uns dies so beiläufig einfiel. Man ist daher mehr dahin gekommen, dies als Ziererei mit dem Alterthum zu verrechnen. Hier sind die Grenzen in welchen die Entwicklung des Alterthums in Bezug auf unsere redende Kunst muß eingeschränkt bleiben. – Da nun das Alterthum so großen Einfluß auf unser Kunstgebiet hat, | 189r so wird es immer ein zusammengesetztes bleiben.

Beredsamkeit: Aus dem Früheren folgt, daß wir hier überall wo nur der Gedankenprozeß im gebundenen oder freien Leben sich zeigt, in einem Geschäft nur gefunden wird. Was ist nun hier die Kunst an dem Geschäft? Es ist hier nichts anderes zu sagen, als die Musik in der Sprache, welche denselben Regeln unterworfen ist, damit kein Mißgefühl und keine Störung entsteht, dann von der anderen Seite der Darstellungsmittel. Die Sprache ist im Allgemeinen das Mittel. Will man aber Gedanken der Sprache einander gegenübersetzen, so geräth man in Verlegenheit. Alles was Bild ist, kann man als Zuthat nehmen. Was hiebei vorzüglich wichtig ist, das Verhältniß zum Ganzen, damit nicht Uebermaß schade oder unrichtige Wahl zerstreue, liegt schon nicht mehr in dem Gebiet der Kunst, sondern hat seinen Grund in der Beziehung auf den unmittelbaren Zweck. Ebenso was für dieses Gebiet Erfindung der Composition betrifft, sie folgt anderen Regeln als den künstlerischen, da eine bestimmte Wirkung beabsichtigt wird. Die Hülle ergiebt sich aus der Anschauung des Gegenstands und aus der Kenntniß der Zuhörer. Es könnten ihnen also nur höchste Ideale gegeben werden. Es würde nur das Musikalische der Sprache in Bezug auf die Perioden übrig bleiben. Aber auch hier spielt der Zweck herein. Es würde nur die Geschiklichkeit in der richtigen Vermischung und Behandlung des rein Organischen der Sprache und in der Sonderung und Verbindung des Gedankens. | 189v Die Periode hat nicht ein und denselben Charakter in der Prosa und Poesie. Wenn Silbenmaß und Periode bei uns in der Poesie teilweise mehr Selbstständiges ist in Bezug auf einander so hängt in der Prosa der Periodenbau ganz vom Gedanken ab. Die größre Periode hat einen größren Schwung und die Endpuncte, die Gipfel können entfernter liegen, wenn der Gedanke bedeutender ist. Es ist also Rücksicht auf den Wohllaut zu nehmen, um die Eintönigkeit zu vermeiden, als Rücksicht auf den logischen Zusammenhang für ununterbrochenen Fortlauf, mehr kleinre oder größre Perioden sind ineinander. Eine Mischung ist nöthig. Von diesem Musikalischen(?), was sich dem Mechanischen mehr nähert, würde die Frage seyn, giebt es ein bestimmtes Gebiet, wo eine Beziehung auf sich ohne Beziehung auf das praktische Leben wäre. Ganz nicht. Es giebt aber Gebiete mit größerer Verwandtschaft. So hat die geschichtliche Darstellung eine größre Verwandtschaft als die metaphysische Abhandlung. Das erste will auch belehren, aber kann es nur durch die Darstellung. Was am wenigsten unter uns als eigentliche Kunst pflegt behandelt zu werden, ist die Beredsamkeit im Gebiet der Kunst. Ein andres haben wir nicht. Es kommt hier auf die Ansicht an. Sieht man das Reden als Belehrung an und durch dasselbe als Wirkung auf die Kunst, so liegt es fern. Sieht man die Rede aber an, als blos aussprechend was schon im Gemüth der andren liegt, so sind wir ganz im Gebiet | 190r der reinen Darstellung. Aber es würde alles doch auf das Obige zurückkommen. Alles übrige wären leere Vorschriften. Die Erfindung geht doch ab von dem lebendigen Durchdrungenseyn von dem Gegenstand. Nur dies giebt Gedanken. Wer diese nicht hat, wird sie durch leere Regeln nicht bekommen. Alles geht also auf die Angemessenheit und auf die organische Behandlung zurück der Sprache wie der einzelnen Theile zu einander. Diese bildet wieder ein allgemeines Gebiet und es ist so einfach, daß eine Theorie unnöthig scheint. Was darüber ist, liegt im praktischen Gebiet. Die Kunst an dem Geschäftlichen kann nur eine Folge seyn von dem Leben der Kunst in ihrer Selbstständigkeit zu einer gewissen Zeit. Nehmen wir zusammen, was wir über die verschiedenen Gebiete der Kunst gesagt haben, so kommt alles auf einfache Principien zurück. So ist z.B. Contrast und Uebergang dasselbe in Malerei, Musik, Poesie. Es finden sich überall Parallelen. Ueberall sind wir von der Natur im Menschen ausgegangen, die nur gesteigert und vollendet wird. Die Vollkommenheit des Maßes giebt diese Vollendung.

Wenn man nun fragt, wie oft gefragt wird, was der eigentliche Nutzen der Kunst ist, und wir die ganze Bestimmung des Menschen auf Erden im Auge haben, so werden wir sagen, daß diejenigen die ihre Productivität zu freyem Gemeingut machen, daß das Maß | 190v zur Anschauung komme, würden gegen alles Unmaß und Uebermaß im Leben anstreben, und dahin wirken, daß das Maß lebe und herrsche. Das ist, was der Grieche in bestimmter Beziehung sagt: der Zweck der Kunst sei Reinigung der Leidenschaften. So wird besonders der pathematische Zustand dem eigenen Maß untergeordnet werden. – Die sittliche Veredelung eines Volks unter dem die Kunst blüht, ist mehr Werk des Gemeinlebens, als bei anderen Völkern, wo es nicht ist. Daß dies nicht immer der Fall ist, daß der beschleunigte sittliche Gang durch die Kunst nicht gegeben wird, das liegt mehr in der Ausartung der Kunst. Mag die Kunst unter unserem Volk auch dem höchsten und sittlichen Zweck mehr und mehr nachstreben! –

Berlin. September 9. 1825

Zitierhinweis

Ästhetik 1825, Nachschrift Trendelenburg, ediert von Holden Kelm. In: schleiermacher digital / Vorlesungen / Vorlesungen über die Ästhetik, hg. v. Holden Kelm. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0009315 (Stand: 26.7.2022)

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