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      [Ästhetik 1825]

      [Bildende Künste]

      [Architektur]

      | 1Was rechnen wir denn zu den Verzierungen? Die Säulenreihen können wir gewiß(?) nicht so nennen – denn sie sind wesentliche Theile eines Gebäudes und haben einen sehr bestimmten Zweck – wo es anders wäre müßte man sie tadeln. Sie einschließen zB den Vorhoff eines Tempels oder stützen die Decke – man kann sie als eine durchbrochene Wand betrachten – es ist nur eine andre Art ein Gebäude zu umschließen. Wenn die Architektur mathematisch gestaltete Räume bildet, die Sculptur dagegen organische Gestalten hervorbringt, so finden wir die Verzierungen immer vorzüglich dem Organischen nachgebildet – oder sie sind sogar vollkommene Werke der Sculptur – wie Statuen, Basreliefs usw. Es stellt sich also hier nur immer die Frage, ob sie da, wo sie sind, richtig angebracht sind. Andre architektonische Verzierungen, wie vegetabilische Formen an den Säulen usw. können aus diesem Gesichtspunkte nicht betrachtet werden – es liegt hier gewöhnlich das Bestreben zum Grunde mehr Gestaltung in die Masse zu bringen. Wo eine Fläche erscheint, wo die Architektur selbst keine Theilung hervorbringt, da ist die Verzierung an ihrer Stelle – zB an den großen Wänden der Bastionen  Seite 2 ist leer [Schließen] | 3

      Sind die Verzierungen in einem zu kleinen Maaße vorhanden in Beziehung auf das Ganze, so wird dies als das Trockene in der Architektur und die zu große Mannigfaltigkeit als die Ueberladung getadelt. Je mehr die Massen-Verhältnisse den richtigen Eindruck machen, um desto weniger wird ein Gebäude der Verzierungen bedürfen. Die Ueberladung hängt nicht allein von der Qualität der Verzierungen ab – sondern auch von den Verhältnissen derselben unter sich und für sich allein – wenn zB eine Verzierung so verwirrt ist, daß sie für sich allein betrachtet zu werden begehrt, desto mehr zieht sie die Aufmerksamkeit von dem Ganzen ab – desto mehr zeihen wir das Gebäude der Ueberladung.

      Wenn wir von dem ganz allgemeinen Kunsttriebe ausgehn, der hier Gestalten bildet, wodurch wird derselbe speciell auf die Architektur gerichtet. Wir müssen das  über der Zeilejenes Bedürfniß aus dem gebundenen Leben heraus, als die nächste Veranlassung setzen. Wir haben aber das gemeinsame Leben hier als einen wichtigen Moment gesetzt – dieses muß also eine Verwandtschaft mit unsrem Kunsttriebe haben – das gemeinsame Leben ist aber doch das gemeinsame Bestreben zum Proceß der Naturumbildung und Beherrschung. Der Mensch beherrscht hier die rohe Masse. Hieraus geht hervor, daß das Bestreben welches die Hauptsache in dem Quantitativen ist  über der Zeilesucht , noch eine Roheit ist – das Zusammenhäufen großer Massen ohne größere Sorgfaltung  über den ursprünglichen Text geschriebenSorgfalt auf die Bildung derselben. Die eigentliche Kunst-Tendenz wird aber nicht hervortreten können in einem Gebäude, wenn sich dieses nicht über das gewöhnliche Bedürfniß erhebt. Es muß dies den allgemeinen Kunstregeln untergeordnet werden, damit die Architektur den eigentlichen | 4 Kunst-Typus bekommt und in das Kunst-Gebiet hineintritt. Wenn wir in der ältesten Zeit große unverhältnißmäßige Massen aufgehäuft finden – und auf der andern Seite die spitzen ungeheuren Gewölbe der Pyramiden, welche sich die Festigkeit, die Ewigkeit der Dauer als Haupt-Zweck vorgezeichnet haben, so finden wir die Architektur in ihrer Kindheit. So in Indien und Egypten.

      In dem hellenischen Leben finden wir zwei Kunst-TypenDie gothischen Gebäude haben noch viel von der großen Masse, in so fern wir dieses als etwas Kindisches gesetzt haben und man hat deshalb dieselben aus dem Kunstgebiet ausschließen wollen, indem man den gothischen Gebäuden den  über der Zeileeinen wahren Kunst-Eindruck machen  über der Zeilezu können absprach, indem derselbe hier nur von der großen Masse und also von dem Mechanischen abhängig  über der Zeilegeleitet werden  über der Zeilewerde . Wir haben aber schon gesagt, daß die äußerliche Größe in der Architektur allerdings auch ein  über der Zeilewichtiges Element sei – aber es ist nicht die Größe an sich, die den Eindruck macht, sondern die Idee, welche sich darin ausspricht, die Gewalt des Menschen über die rohe Masse in ihrer größten Kraft. Bei einem Gebäude ist der Gedanke an die mechanische ArbeitUm den architektonischen Eindruck rein hervorzubringen trägt nemlich der Gedanke an das Heraufholen der rohen Masse zur Bearbeitung für die Bedürfnisse des gemeinsamen Lebens wesentlich bei und es ist eben, wie gesagt, nicht die Größe an sich, sondern diese Idee, welche als wirksam gedacht werden muß. Bei einem gegossenen plastischen Kunstwerke tadelt man es nicht, daß dasselbe nicht das unmittelbare Kunst | 5werk ist, sondern erst der Guß des Modells – dies möchten wir aber nicht bei einem architektonischen Kunstwerk warnehmen, ohne etwas Wesentliches von unsrem Genusse zu verlieren. Wir können also

      In der hellenischen Kunst war das bürgerliche und hellenische religiöse so genau verbunden, daß es auch in der Architektur gar nicht bestimmt auseinander tritt. Ganz anders ist dies in der gothischen Baukunst, welche ausschließlich dem Christenthum angehört. In einer gothischen Kirche und einer gothischen Burg haben wir den größten Gegensaz des Religiösen und des Bürgerlichen. Man wird aber keine Ueberbleibsel der gothischen Baukunst in dem bürgerlichen Style finden, welche in so hohem Grade ein Kunstwerk wären als die gothischen Dome – weil das religiöse zu jener Zeit so bedeutend über dem bürgerlichen stand. Die gothischen Dome gehen schon sehr merklich von dem unmittelbaren äußerlichen Zwecke ab in ihrer ganzen Anlage, so daß es kaum möglich ist alle Theile zugleich ihrem Gebrauche zu widmen

      Die bürgerlichen Gebäude, wie wir sie ja häufig in den alten Handel und Hanse-Städten finden, haben sich wieder zu wenig über das unmittelbare Bedürfniß erhoben. Die Symmetrie und Eurythmie ist oft zu Gunsten der letzteren sehr vernachlässigt.

      Schwierig möchte es sein, wenn man sich nun die Verschiedenheit der Typen in ihrem Entstehen ins Licht stellen wollte. Besonders, wenn man sie aus der Naturnachahmung erklären will, wie man die gothische Baukunst aus der höheren Schlankheit der | 6 nordischen Bäume erklärt hat, so können wir hiermit nicht übereinstimmen. Allerdings besteht eine Verbindung zwischen den Natur-Gestalten und den Kunstgestalten in den verschiedenen Gegenden der Erde, aber man möchte ja vorsichtig sein, sie in etwas so beschränkten zu suchen, wenn man auch das nicht verkennen kann, daß die Kunst den Typus des Klimatischen auch in sich trägt, wie ihn der Geist des Menschen an sich trägt. Das wird aber weniger statt finden in einem solchen Volke, das nicht immer gebunden war an einen bestimmten Ort, an eine Gegend der Erde – dies müssen wir aber sowohl von den Germanen als von den Griechen sagen, welche erst durch Auswanderung ihr Land kennen lernten und bei denen wir eine freiere Entwickelung annehmen müssen als daß sie sich blos an die gegenwärtig gegebenen Natur-Formen hätten halten sollen. Wir werden hier also gewiß nur ganz allgemeines feststellen können, wie sich zB ein großer Unterschied der hellenischen Baukunst und der gothischen daraus erklärt, daß die Griechen sich in der der Griechen das geringe Bedürfniß ausspricht sich gegen die Witterung  über der Zeiledas Clima zu schützen – sie lebten größtentheils im Freien. Daher finden wir  über der Zeiledie Räume nur ganz leicht umschlossen, was sich auch in der höheren Architektur überall offenbart. | 7

      Ueber die Principien  über der Zeileder Baukunst ist man völlig uneins und der Mangel an einer Schule, an der sich eine Tradition hätte entwickeln können hat gehindert, daß etwas Eigenthümliches in dieser Beziehung für uns entstände. Es ist eine lange Periode gewesen, wo man, wie die französische Bildung die ganze gebildete Welt beherrschte – auch in den Bauwerken den französischen Typus überall anwandte. Jetzt ist man davon abgekommen und erkannte das Ueberladene und Gesuchte in diesem Styl und nähert sich nun  über der Zeilebald mehr dem Griechischen – bald dem Gothischen.

      Die Erregung haben wir also hier vorherrschend gesetzt in dem Gedanken an die Herrschaft des Menschen über die rohe Masse[.] Symmetrie und Eurythmie als die beiden Hauptelemente – das Ganze politischen und religiösen Zwecken gewidmet dient dem Gemeingeist. Sie hängt aber so genau mit einem tüchtigen lebendigen öffentlichen Leben zusammen, daß wohl eine neue bedeutende geschichtliche Periode uns ferner liegen möchte in dieser Kunst als in jeder andern; wie denn jetzt der allgemeine Sinn für das Architektonische in dem Volke ganz fehlt. Die Schauspiel-Häuser, wo die Poesie und die mymischen Künste verbunden erscheinen könnten vielleicht diesen allgemeinen Sinn anregen, wenn ein Ausdruck der öffentlichen Meinung statt fände die mymische Darstellung der dramatischen Poesie überhaupt in dem politischen Sinn des Volkes wurzelte. Da dies aber ganz Privat-Sache bei uns ist in einem kleinen Kreis von Liebhabern, da an einen Ausdruck der öffentlichen Meinung in derselben, wie es in Griechenland war so wenig zu denken ist, daß vielmehr alle jede Anspielung auf etwas Politisches als ungehörig verbannt wird, so ist wohl eine architektonische Begeisterung von dieser Seite nicht zu erwarten. | 8

      Zwischen der Architektur  über der Zeileund der Musik ist allerdings eine gewisse innerliche Verbindung da. Das Vorherrschen des Arrithmetischen in beiden, analoge Zahlverhältnisse für das Auge und das Ohr – die Zusammenstimmung im Accord – und im Gegentheil die Dissonanzen – wenn wir es auch nicht soweit ausdehnen wollen, wie eine bekannte Bemerkung behauptet, daß die Architektur eigentlich gefrorne oder erstarrte  über der Zeileerstorbene Musik sei – denn wie könnten wir wohl alle Schönheit des Architektonischen in dem Arrythmetischen suchen, obwohl dieses in der Architektur viel sicherer und fester ist als in der Musik, wo wir uns des Arrythmetischen gar nicht so sicher bewußt werden als in der Architektur. Auf der andren Seite ist wieder der größte Gegensaz zwischen beiden Künsten. Wenn  über der ZeileErinnern wir uns des Verhältnisses des Componisten und Virtuosen, wie wir es erläuterten, so mußten wir auch dem letzteren den künstlerischen Charakter beilegen und wir setzten seine Thätigkeit keinesweges als eine blos mechanische. Der Architekt aber ist bei der Baukunst der einzige Künstler – in dem Entwurf desselben steckt alle Genialität – die Ausführung ist durchweg mechanisch. Ebendaraus sieht man aber auch, wie Unrecht man hätte sie aus dem Gebiet der schönen Künste zu bannen – eben diese Sonderung sichert ihr den Plaz – aber freihlich nur in der Beschränkung, in welcher wir die Architektur nur als schöne Kunst gefaßt haben.  am linken Rand [Schließen]Demungeachtet wird der Riß des Architekten ziemlich in demselben Verhältniß stehen zu der Ausführung, wie das Notenbuch für den Conponisten und beinahe ebensowenig den Kunst-Genuß geben – zu beidem gehört wesentlich die Ausführung damit das Kunstwerk sei, wenn auch bei der Musik diese selbst mehr eine Kunst-Fähigkeit und -Thätigkeit voraussetzt. So sind auch in der Musik die höchsten Organe des Menschen thätig, mögen wir auf den Gesaoder auf die Aufführung durch die Hand sehen – denn auch hier müssen wir auch diese als ein sehr geistiges Organ ansehn – in der Architektur finden wir dagegen | 9 das aller-Leiblichste. Wie verhält sich nun die Architektur zu den andren bildenden Künsten? Es läßt sich keine Bestimmung architektonischer Werke denken, die nicht auch die Werke der bildenden Künste postulirte. Zunächst an die Architektur schließt sich von den bildenden Künsten die Sculptur an, theils durch die Masse welche dieselbe ist, theils dadurch, daß sie wirklich körperliche Gestalten bildet – die Malereien dagegen nur Flächen. Doch darf man in dieser letzten Beziehung die Differenz zwischen der Sculptur und Malerei nicht zu stark auffassen – denn auch die Sculptur stellt doch nur die Oberfläche der körperlichen Gestalt dar, während das Eigentliche doch die innere Organisation ist. Ist nun dies der ganze Unterschied der Skulptur und der Architektur, daß die erstere anorganische  über der Zeileorganische , diese anorganische Wesen darstellt? und zwischen der Sculptur und Malerei, daß jene auf der körperlichen Masse, diese auf der Fläche bildet? Das wäre zu viel auf einer Seite und zu wenig auf der andern. Denn man kann nicht sagen, daß die Sculptur nur organische Wesen bilde – es giebt Uebergänge aus der Architektur zur Sculptur durch solche Gegenstände, die nur ein minimum von Leben haben – die Rosetten, und die vegetabilischen Formen gehen schon offenbar in einander über – ebenso die Hermen – eigentlich Säulen die sich aber oben in lebendige Gestalten verlaufen, eine Zwitterproduktion, die auf der einen Seite der Architektur, auf der andern Seite der Sculptur angehört – ähnlich den naturphilosophischen Fiktionen, wie sich die Natur allmählig aus der rohen Masse anfing | 10 zu bilden oder, wie uns die Versteinerungen lebendiger Wesen noch jetzt erscheinen. Wenn wir diesen Weg noch weiter verfolgen, so wird es uns scheinen, daß die Sculptur aus der Architektur entstehe – sehen wir eine egyptische Statue in einer Nische, so kommt es uns vor, als löse sich dieselbe erst allmählich aus der  über der Zeiletodten Wand lebendig ab. Man kann die Architekt Sculptur darstellen als die Entwicklung der Architektur, in der uns  über der Zeilewir das Hinstreben zur Bildung lebendiger Gestalten finden können.

      [Skulptur]

      In der Malerei finden wir hier eine  über der Zeiledie Arabesken, deren Gebiet jedoch ein bei weitem größeres ist, als in der Sculptur; die Thiergestalten kommen in der Sculptur eigentlich nur vor in Beziehung auf die Menschen, während sie in der Malerei zu dem großen Gebiete der Landschaftsmalerei gehören. Dieser große Unterschied in Beziehung auf den Umfang ist bedeutend. Man hat die vegetabilischen Formen in der Sculptur nicht einmal nachbilden  über der Zeilehaben wollen – da die mannigfaltige Beweglichkeit durch den Wind usw und vieles Andre hier nicht so wiedergegeben werden kann. Doch wir müssen auf mehr innerliche Gründe  über der Zeiledieser Differenz zurückgehn. Die Vertheilung des Lichtes und des Schattens ist der Malerei wesentlch – die Umrisse erscheinen nur als die Grundlage, worauf das Werk aufgetragen wird. Es scheint zwar als wäre dies bei den Alten nicht so gewesen, da wir hören, daß einzelne Theile wenigstens von plastischen Kunstwerken gemalt worden sind. Doch können wir das gewiß nur als eine Verirrung ansehn und in der größten Blüthe haben der Kunst haben es die Alten auch wieder fahren lassen und bei großen Meistern kommt es nur als ein Rest vor aus alter Zeit. Was also bei der Malerei nur die Grundlage ist, das ist bei der Sculptur das Ganze. | 11

      Auf diese allein muß sich die Sculptur beschränken. Wenn wir diesen Unterschied fest ins Auge setzen  über der Zeilefassen , so müssen wir uns allerdings fragen – können wir sagen, daß das Princip der Begeisterung in beiden Künsten dasselbe  korr. v. Hg. aus: seinseiin der Sculptur ist die  Unleserliche Stelle (1 Wort)[...] Bildung doch eigentlich auf das  Unleserliche Stelle (1 Wort)[...] in der Skulptur tritt uns viel bestimmter und lebendiger hervor die Begeisterung durch die lebendige Gestalt und da finden wir zugleich die Lösung und Befreiung von der Architektur – wogegen bei der Malerei vielmehr die Begeisterung aus des Lichtes  über der Zeiledurch das Licht stattfindet, welches freihlich nicht anders dargestellt werden kann, als in seinem mannigfaltigen Spiel. Dies tritt wieder  über der Zeilenur bei lebendigen Gestalten in seiner ganzen Fülle  über der Zeileund Schönheit hervor. Wir haben  über der Zeilealso gesehn, wie die Architektur wesentlich ausgeht von dem öffentlichen Leben und sich auf dieses bezieht wo wir zwei Elemente bemerkt haben, das Politische und das Religiöse, deren Scheidung erst in der neuen Zeit stattfindet. – Das Mechanische haben wir von der Kunst ausgeschlossen und sie ganz auf die intellectuelle Seite gesetzt – je mehr das Architektonische noch in der bloßen Masse versirt, desto mehr noch(?) die Skulptur daran in einer gleichsam abentheuerlichen Willkür. Wenn die ganze Richtung nach der inneren (?) Produktion die Oberhand gewonnen hat, wo | 12

      Was gehört in das Gebiet der Skulptur? In dieser Beziehung zeigt sich die antike etwas beschränkt – die moderne ist weniger gebunden.

      Jene älteren Bildungen, die ursprünglich dem Orientalischen wohl angehören aber auch mit dem Griechischen zusammenhängen, sind ganz  Unleserliche Stelle (1 Wort)[...] in Beziehung auf die Masse  über der Zeilefinden wir übrigens eine abnehmende Progression. Außer  über der Zeileden beiden ersten Abstufungen dem Kollossalen(?) und der Naturwahrheit finden wir auch Verkleinerung in sehr verschiedenen Maaßen. Wir kommen hier herunter bis zu den Verzierungen – bis zur Steinschneiderei. Daß diese nicht dieselben Ansprüche machen kann als das Kunstwerk des Bildhauers, wird niemand bezweifeln. Dennoch legt man auf Einzelnes dieser Miniatur-Sculptur oft einen großen Werth. Wir haben mit als einen Unterschied der Malerei und Skulptur gesetzt – daß die Werke der letzteren Kunst von allen Seiten gesehen werden, daß sie umgangen werden können. Bei einer Nischen-Statue ist dies freihlich nicht der Fall – aber diese ist für den Bildhauer auch nur ein halbes Kunstwerk. Daraus geht hervor, daß die kollossalischen Statuen gewissermaßen über die Kunst hinausgehn – sie stehen immer hoch und es ist immer ein anderer Sehwinkel  über der Zeileals bei anderen – von unten herauf – wo sie verkleinert erscheint und zwar so, daß ich die unteren Theile verhältnismäßig größer als die oberen sehe.

      Betrachten wir die Miniatur-Skulptur usw, so sehen wird, daß, was in der Statue der natürlichen Größe nach eine Fläche ist, wird in dieser Verkleinerung zum Punkt werden und die Aufgabe hier mit Klarheit und Deutlichkeit zu arbeiten ist schwierig. Hier finden wir wieder die Grenze des Epideiktischen – es muß hier vieles geben, was nur mit dem bewaffneten Auge gehörig kann gewürdigt werden | 13 und das ist die Darlegung einer blos mechanischen Fertigkeit. Die Alten wußten hiervon nichts, da sie die Bewaffnung des Auges nicht kannten. Das Kollossale und die Miniatur finden wir also beides an der Grenze und das Hauptgebiet für die Kunst finden wir also nur in der natürlichen Größe und in kleinem Raum herum. Das Kollossale kann nur aus besonderen Bestimmungen entschuldigt werden – die ursprüngliche Bestimmung der Miniatur-Sculptur ist als Schmuck gebraucht zu werden und die Kunst wie sie ursprünglich Gestalten bildet, so bildet sie hier für Gestalten. Es lebt (?) hier an (?) Je bedeutender hier ein kleiner Fehler wird um desto mehr zeigt sich, wie vollkommen dem Künstler der Typus vorschwebt, und wie genau ihm die Hand gehorcht. In Gemälden kann eine sehr große Menge von menschlichen Gestalten beisammen sein, so daß sie ganz da sind, so daß sie sich einander verdecken und unterbrechen, kurz Alles, was wir im weiteren Sinne des Worts die Gruppirung der Gestalten nennen. Wie ist dies bei der Sculptur? Ursprünglich erscheint sie auf einzelne Gestalten beschränkt – dann findet jedoch auch eine Verbindung der Gestalten statt – aber immer auf eine sehr geringe Anzahl beschränkt – über die sie nicht hinaus gehn kann, ohne pitoresk zu werden – das Relief bildet in dieser Hinsicht den Uebergang zur Malerei und ist fast ganz derselben Gruppirung fähig. Wir finden allerdings in Beschreibungen der Alten mehrere zusammengehörige Gestalten – doch ist dies nicht die eigentliche Gruppirung – in einer Reihe, oder in einem Halbkreise, wo der Beschauer mitten inne tritt und die Gestalten einzeln betrachten kann – das eigentliche Verschlingen der Gestalten kann nur in sehr geringem Maaße vorhanden sein und man sieht, daß die einzelne Gestalt eigentlich die Aufgabe der Sculptur sein  über der Zeilesei | 14 doch was stellt sie hier eigentlich dar? Wir haben eine Begeisterung durch die lebendigen Gestalten vorausgesetzt – das  über der Zeileder Typus des Lebens und die Entwickelung des Lebens wird also ein Haupt zweck  über der Zeilemoment sein. Nun haben wir sehr verschiedene Maaße, nach welchen wir das Leben beurtheilen. Das eine ist das sinnliche, wo wir die Gestalt als Organ nehmen. Die Kraft und Beweglichkeit in Beziehung auf alle den Menschen natürlichen Zwecke nehmen wir hier besonders wahr. Das andre ist das mehr Geistige, wo wir die Gemüthsbewegungen und geistigen Momente  über der Zeilebesonders die habituell geworden sind, auf in der Gestalt wieder finden wollen, wo allerdings das Gesicht der Mittelpunkt sein wird. Wie verhalten sich diese beiden Zwecke in Beziehung auf diese Kunst? Die persönliche sittliche Charakteristik tritt bei den Alten sehr zurück, wie wir auch bei  über der Zeileder mymischen Darstellung bemerkt haben. In der dramatischen Dichtkunst soll jedoch der Einzelne als handelnd dargestellt werden – die Thätigkeit des einen wird auf [die] des anderen bezogen und da ist recht eigentlich die Gruppirung zu suchen – wieviel mehr muß dies also bei der Sculptur statt finden, wo nicht die eine Gestalt auf die andre bezogen werden kann, da wir das  über der Zeiledie Gruppirung nicht haben.

      Wir sind in der  über der ZeileUnsre Thätigkeit ist so auf die Sculptur der Alten gepfropft, daß wir billig auch den ganzen Sinn  über der Zeiledes Alterthums darin aufnehmen müssen. – Den Sinn aber für die antike Sculptur finden wir erst ganz neuerlich wieder erwachen – die französische Sculptur hatte einen ganz andern Typus und wenn man ihnen ihr auch gar nicht allen Kunstwerth absprechen kann, so ist sie doch ganz pitoresk und trägt nicht eine Spur von dem Sinn des Antiken in sich. Wie ist dieser Mangel zu erklären? Die Neueren stehen in einem ganz andern Verhältniß zur menschlichen Gestalt wie wir schon gesehn haben – daher mußte auch diese Kunst sehr | 15 zurücktreten und viel schwieriger werden. Auch ruht die Daß die Griechen nicht der Plastik  über der Zeilein ihren plastischen Kunstwerken den sittlichen Charakter ausdrücken wollten, ist daraus zu ersehen, daß sie in der ältesten Zeit  über der Zeilegar keine bestimmte Stimmung ausdrückten – dies war erst in der späteren Römisch-Hellenischen Zeit der Fall. Die eigentliche Kunst ist dann (?) erst  über der Zeilebei den Griechen von da an zu datiren, wo die Bildung  über der Zeilerein menschlicher Gestalten gefunden wird – früher finden wir  korr. v. Hg. aus: wirkürlichewillkürliche Zusammensezungen von Centauren und dergleichen, was sich aus dem Orientalischen noch herschrieb – sie ist als Darstellung des menschlichen Lebens an und für sich an zu sehn – so kommen wir auf die Differenzen der Geschlechter, des verschiedenen Alters.

      Ist das Vollkommene in dieser Kunst eigentlich in der Schönheit oder im Charakteristischen? und  über der Zeilehierüber ist viel gestritten – doch ist dieser Streit ist eigentlich keiner – eine kräftige Gestalt wird, wenn sie schön ist diesen  über der Zeileeben diesen Charakter an sich tragen müssen. Beides geht Hand in Hand.  Unleserliche Stelle (1 Wort)[...] das Kunstgemäße ist das in sich selbst Gemessene. Daß man das Charakteristische ganz hat ausschließen wollen, kommt daher, daß  über der Zeileweil wir gewohnt sind dies in der Physiognomie zu suchen, wo es gerade bei den Alten sehr zurücktritt. – Alles Uebrige bei den Alten ist sehr entwickelt aber ohne besondere Differenzen im Charakter des Gesichts. Dies läßt sich besonders bei den Aegineten sehn. Falsch ist es, daß in dem Leben selbst der Alten weniger das Pathognomische vorgekommen sei  über der Zeilesich abgedrückt habe auf dem Gesicht der  am rechten Rand: man sieht es aus den poetischen Beschreibungen der Alten, daß ihnen dieses gar nicht fremd war [Schließen]Alten. Aber dieser Künstler hat  über der Zeilewill etwas Andres – er will durchaus nur das Momentane darstellen Charakteristische in dem Momentanen darstellen (in der epischen Art nemlich). Die Sculptur bildet aber vorzüglich isolirte Gestalten und nur sehr beschränkt sind die Gruppirungen – so viel als möglich muß also die Gestalt durch sich selbst verständlich sein, in eine bestimmte Handlung aber gesetzt kann sie für sich selbst selten verständlich sein, es müßte denn ein andrer Moment so deutlich hinzutreten, | 16 daß das  über der Zeiledie Verständlichkeit leicht ist. so die Attribute des Apoll, der im Begriff ist den Drachen zu erlegen – oder Diana im Begriff auf die Jagt zu gehn.

      Es ist also  über der Zeiledie Idee der Sculptur nichts anderes als die Darstellung des Lebens selbst in seinen wesentlichen Differenzen und zwar in und durch die Gestalt selbst.

      Die angegebene Differenz zwischen dem modernen und dem alten Geiste in dieser Hinsicht wird uns noch deutlicher, wenn wir uns vergegenwärtigen, daß wir, wenn uns von einem interessanten Menschen erzählt wird, diesen innerlich bildend, fast ausschließlich das Physiognomische, das Gesicht uns vorstellen – bei den Alten war es  über der Zeiledie Alten dachten sich gewiß das Ganze der Gestalt. Den Grund finden wir in der Differenz des ganzen Lebens – je öffentlicher dieses ist, desto mehr tritt das Individuelle zurück – und letzteres zeigt sich besonders im Gesichte – daher müssen wir uns erst den Sinn für die Gestalt erst recht erwecken, ehe wir die Alten und die Entwickelung ihrer Sculptur verstehen können. | 17 Die inneren Bildungen, Nachbildungen von menschlichen Gestalten, das geistige Leben in der Gestalt überhaupt darstellend, und nicht gebunden an einen einzelnen Moment, ist der ursprüngliche Proceß bei der Sculptur. Wie wir uns denken die Organisation, sich ausbildend von ihren Ansätzen im Mutterleibe, so ist das immer das geistige Leben im Mitwachsen, mögen wir nun sagen, daß das physische von dem geistigen oder das geistige Leben von dem physischen bestimmt werde. Wenn diese Kunst aber einen Moment darstellt, so ist dies nur ein Motiv um diesen Typus recht klar hervorzuheben  über der Zeileder sich darin ausspricht. Der Sinn für die menschliche Gestalt wird aber in sehr verschiedenem Grade geweckt sein. Wenn die menschliche Gestalt einem Menschen weniger  innerhalb der Zeilewenig zur Anschauung kommt, so kann wird der Sinn auch weniger geweckt sein – und dann dies andre – je geringer und korrumpirter das geistige Leben in einem Volke ist, je weniger wird auch die körperliche Gestalt sich schön entwickeln und schön sich darstellen, den wahren Typus der schönen Natur in sich tragend. In dieser Beziehung sind die Griechen ganz besonders die Repräsentanten  über der Zeiledes menschlichen Geschlechts gewesen. – Ihre Art und ihr Klima, ihre Staatsverfassung, ihre Lebensweise hat dies besonders begünstigt  über der Zeileund den Sinn hervorgerufen – und es ist daher wohl nicht zu bezweifeln, daß der Typus, welcher sich in ihren Statuen ausspricht, der ist, welcher immer wieder hervortreten muß, wo die Kunst in größerer Vollendung hervortritt. | 18

      Wenn wir alles in der Architektur als Vorbereitung zur Skulptur betrachten, welche dann in der menschlichen Gestalt hervortritt, so müssen wir In Beziehung auf die Verschiedenheit des Alters finden wir bei den Griechen überall die Vorstellung von der Zeit der akme der eigentlichen Blüthe – vorher sind die wesentlichen Verhältnisse der menschlichen Gestalt in ihrer vollendeten Gestalt noch nicht da – namentlich das Verhältniß des Kopfes zu den übrigen Theilen. Zwar ist die Zeit der Blüthe nicht der Punkt, wo die körperliche Gestalt vollkommen ausgewachsen ist, sie ist bei dem weiblichen Geschlecht in eine viel kürzere Zeit eingeschlossen. Stellen wir den Apoll neben den Jupiter, so ist ersterer im Anfang der Blüthe akme als jugendliche Schönheit und der Zeus am Ende der akme die männliche Schönheit, was darüber hinaus ist, darin finden wir schon den Zerstörungsprozeß; Hier finden wir schon einen Unterschied der Sculptur und Malerei – Kinder und kindliche Gestalten sind in der eigentlichen Sculptur selten, dagegen im Relief und in der Miniatur-Sculptur, der Steinschneiderei, können sie schon einen größeren Raum einnehmen. Die Malerei kann ihren eigentlichen Zweck vollkommen erreichen, wenn sie eine unvollkommene Gestalt darstellt, da sie dieselben nur zu einem bestimmten Zwecke will – die Sculptur kann dies gar nicht – sie will die vollkommenen Gestalten an und für sich – Zwerge und Krüppel sind daher der Malerei nicht fremd – denn es kann hier sogar auch komische Effekte geben – was in der reinen Skulptur durchaus nie der Fall ist – wir finden aber in der Malerei ein weit größeres Feld, und ebenso im Basrelief.

      Die Sculptur kann also ihren Zweck nur durch die Darstellung | 19 der Oberfläche erreichen – das innere kann sie nicht darstellen – wie muß sie aber jene darstellen? Daß in dieser das was sie eigentlich will, nicht liegt ist klar – Alle die Verhältnisse, auf welchen das Wesen der Gestalten beruht, sind Wirkungen des Knochenbaus – wird aber die Gestalt nicht dargestellt, wie ihr das Skelett zum Grunde liegt, so wird sie ein unvollkommenes Kunstwerk und ohne Studium des Skeletts können die Gestalten des plastischen Künstlers niemals Wahrheit haben. Die Muskulatur liegt zwischen dem Knochenbau und der Oberfläche ist eben so wesentlich. Dies alles ist nöthig zur Bildung des freien und wahren Naturgesetzes in der menschlichen Gestalt – nach diesen verschiedenen Abstufungen muß die Gestalt gebildet werden. Die menschliche Gestalt erscheint aber zum Theil bedeckt durch die Kleidung – es kann eine vollkommen verhüllte Gestalt ein ganz reines Werk der Sculptur sein – aber nur in so fern die Bedeckung von der Art ist, daß die Grundverhältnisse der Gestalt ohnerachtet der Bedeckung sichtbar sind. Hierin liegt das oft Gesagte, daß die moderne Bekleidung für die Sculptur unbrauchbar sei, weil sie eine Fläche für sich bildet, die keinesweges der Gestalt immer folgt, noch durch dieselbe bewegt wird. Die  über der ZeileBei der griechischen Bekleidung finden wir das Gegentheil  über der Zeilesie bestand nur aus einem ungetheilten Stück. – Bei unserer Kleidung z.B. dringt die Gestalt des Armes niemals durch – auch durch den Rumpf erscheint nur die gebrochene Gestalt – sie erscheint nach den gemachten Absetzungen des Kleides, die nicht einmal der natürlichen Theilung gemäß sind. Durch die griechische Bekleidung lebt durchaus die ganze Gestalt. | 20 Durch die Bekleidung muß aber die ganze Oberfläche, nach unsren(?) Regeln geformt, durchblicken wenn wir ein vollkommenes Kunstwerk haben wollen. Der Harnisch des Mittel-Alters war der Skulptur also noch verschiedener – und Gestalten  über der ZeileStatuen in dieser Bekleidung stellen eigentlich nur etwas Lebloses dar. Es wird daher für neuere Künstler der beste Werk  über den ursprünglichen Text geschriebenWeg sein sich so viel als möglich an die antike Bekleidung anzuschließen und also der Statue gleichsam eine ideale Bekleidung zu geben.

      Die geschichtliche Entwickelung der Sculptur führt uns zu den Anfängen, die sich mehr in das Architektonische verlieren und auf die Göttergestalten in menschlicher Form, welche gleich den egyptischen in der ältesten Zeit sehr unvollkommen waren, größtentheils mit an den Leib geschlossenen Gliedern und nur halb bearbeitet. Daß man die Fabel vom Dädalus, daß seine Statuen davon gelaufen seien, auf die Befreiung von dieser Leblosigkeit gedeutet hat, ist bekannt. Später wuchs jene feinere Auffassung, die eine genauere Kenntniß wenigstens eine ausdauernde Bearbeitung des Materials voraussetzt – aber auch an der Grenze des Epideiktischen liegt. Man hat zB oft gestritten, ob es ein ganz reiner Kunsteffekt sei, den die Gruppe des Laokoon erregt – ein großes Kunstwerk ist es offenbar – aber der Ausdruck der Bewegungen, welchen der Schmerz hervorbringt, und das Drücken der Schlange diese zusammengesetzten Effekte bringen allerdings eine Annäherung an das Epideiktische hervor – es ist außer einem Kunstwerke auch noch ein Kunststück. Als Grund zur Verbreitung der Kunst finden wir ursprünglich das religiöse Interesse – man sandte Göttergestalten in alle Tempel – in diesem Religiösen dürfen wir aber das Nationale gar nicht verkennen – denn von jenem Streite über die Ursprünglichkeit der griechischen Mythologie ganz abgesehen – war dieselbe doch den Griechen selbst gewiß in ihrem Bewußtsein als ihr Eigenthum und hatte ihnen nichts Fremdes. | 21

      Bedeutende nationale Bewegungen geben der Kunst neue Impulse – ein bedeutender Theil der Beute wurde immer als  über der Zeilezu Weihgeschenken für die Götter gebraucht und zwar gewöhnlich als plastische Kunstwerke – In dieser Anknüpf Verbindung mit großen geschichtlichen Momenten, in dieser Anknüpfung an den Gemeingeist finden wir wieder die Aehnlichkeit mit der Architektur. Hiernächst finden wir die öffentlichen Spiele, denen ja ein ganz gleiches(?) Interesse zum Grunde lag – die Kämpfer waren Künstler in der Darstellung der lebendigen sich bewegenden Gestalt – ganz abgelöst von den gebundenen Lebensthätigkeiten. Das zuschauende Volk war also für dieses Kunstinteresse grade geöffnet und von diesem Kunstsinn erfüllt. Daher gingen hiervon eine Menge von Kunstwerken aus – die Statuen der(?) Krieger(?) wurden aufgestellt – aus jedem solchen öffentlichen Moment ging neuer Stoff hervor – Hier sehen wir in einem ungetheilten Ganzen neben dem Mythologischen das rein Geschichtliche – denn diese Statuen stellten historische Personen dar. – Wenn gleich nur ausgezeichnete Gestalten auf diese Weise verherrlicht wurden, so haben wir demungeachtet  über der ZeileUrsache zu glauben, daß die Aehnlichkeit gar nicht so ganz genau berücksichtigt wurde – es war nicht eigentlich eine Verherrlichung dieses Einen, sondern zunächst seiner Vaterstadt und des ganzen Moments – Nach den Kriegern(?) wurden eben so auch die  über der Zeilesiegreichen Feldherren und die sich den Preis der Tapferkeit errungen hatten, dargestellt neben den Götterbildern zur Verherrlichung des nationalen Sieges. Es gab aber eine sehr bestimmte Schule und die Plastik – die Göttergestalten waren auch in bestimmte Formen eingeschlossen und einen bestimmten Typus finden wir in allen Heldengestalten, wo die persönliche Aehnlichkeit nicht | 22 ganz genau beobachtet wurde.

      In einem anderen Gebiete (Nymphen, Flußgötter(?), Faune, Satyrn(?)) hatte die Kunst die größte Freiheit. Dahin gehören auch menschliche Gestalten, die keine bestimmte Veranlassung hatten, sondern aus den Dichterwerken genommen wurden. Diese waren mehr Privat-Aufgaben – sie gehörten mehr zur Dekoration als daß sie unmittelbar aus dem Gemeingeist hervorgegangen wären. Dies führt uns auf die Zeit, wo von einem Gemeingeist eigentlich nicht mehr die Rede sein kann, als Griechenland vom Römischen Reich verschlungen war. Demungeachtet finden wir hier noch eine reiche Zeit für die Sculptur, indem sich in der Person des Kaisers und seiner Umgebung, der öffentliche Geist concentrirte. Viele der herrlichsten Bildsäulen sind als solche Zierden kaiserlicher Paläste aufgefunden worden. Da fiel die Wahl der Gegenstände aber freihlich(?) der Phantasie der Künstler anheim und war auf mancherlei Weise beschränkt. In diesem Sinne können wir das  Wohl Anspielung auf GoethesUeber Kunst und Althertum (in den Rhein und Mayn Gegenden)“, 1. Bd., Stuttgart 1816, S. 145–146 (WA I,34.1, S. 165): „Die höchste Aufgabe der bildenden Kunst ist, einen bestimmten Raum zu verzieren, oder eine Zierde in einen unbestimmten Raum zu setzen; aus dieser Forderung entspringt alles, was wir kunstgerechte Composition heißen. Hierin waren die Griechen und nach ihnen die Römer große Meister.“ [Schließen] Göthische Wort verstehen „daß jedes plastische Kunstwerk eine Verzierung eines gegebenen Raumes sei“ – hier findet es besonders statt – Trotz des großen Reichthums dieser Zeit war die Sculptur dennoch nur eine Nachahmung des Alten und nicht mehr das Ursprüngliche. So erhielt sich in der Kunst noch der Griechische Geist und in den plastischen Kunstwerken der griechische Typus, den der Römische nie verschlang.

      Von der eigentlichen Sculptur, in so fern sie in den gesetzten drei Größen darstellt, gelten die engen Grenzen, die wir der Kunst gesetzt haben – die Vereinzelung der Gestalten ist(?) das Verständniß an sich – Gruppirungen nur in sehr beschränktem(?) Sinne zugestehend. Zwei untergeordnete Gattungen finden wir daneben – das Basrelief und die Steinschnei | 23 derei (als Gemmen und Kammeen) Diese kleinere Kunst hing weniger vom öffentlichen Leben ab und war auch dem Einzelnen zugänglich – der Uebergang ergiebt sich aus den ganz kleinen Statuen, die als Verzierungen in Zimmern aufgestellt wurden – wir sehen darin den Uebergang der Kunst in das Privatleben. Als Uebergang zum Basrelief finden wir die Ausfüllung der Giebelflächen in den Tempeln durch plastische Kunstwerke, welche auf der einen Seite mit der Wand zusammenhingen – daß das Basrelief in seiner ganzen Behandlung, in seinem Reichthum von Gestalten den Uebergang bildet zur Malerei ist schon gesagt worden. Die Erfindung konnte sich in dieser Gattung offenbar sehr stark finden  über der Zeileäußern die man das Poetische in der bildenden Kunst genannt hat. – Das Basrelief konnte seiner ganzen Art und Weise nach dramatischer sein – den ganzen Typus des häuslichen Lebens – den ganzen Reichthum, den die Mythologie darbot, finden wir in dem Basrelief benutzt. In der Steinschneiderei haben wir noch jetzt solche Meisterwerke, daß alle Kenner darüber einig sind, daß derselben reine Anschauung der menschlichen Gestalt  Vom Hg. korrigiert. denselben zum Grunde lag. Dennoch ist es eine untergeordnete Gattung – es ist eigentlich und kann nur eine Skizze sein – wir finden sie aber in ihrer größten Vollkommenheit – die Kunst hat hier nur eine größere Freiheit – wir finden auch thierische Gestalten in Verbindung mit der menschlichen. Wir müssen fast das Uebergewicht des Reichthums auf dieser sonst untergeordneten Gattung finden.

       bricht ab [Schließen]Dies Verhältnis der Sculptur zur neueren Zeit Bei den Alten haben wir gefunden, daß alle Geburten der Mythologie größtentheils für architektonische Ornamentik | 24 gebildet  über der Zeilebenutzt werden. Daß dieses noch bei uns statt finden kann, wird niemand bezweifeln – aber es ist nichts Nationales, nichts Einheimisches mehr. Selbst wenn unsre Bildung mit dem Antiken so verwebt ist, daß es uns nichts mehr Fremdes ist, so bleibt es doch für das Volk fremd. Die Frage: in wie fern ist die Sculptur noch bei uns etwas lebendiges? knüpfen wir hier an – wie kann sie sich zu der antiken verhalten, wie zu den Gegenständen usw.? Schon früher war ein wesentlicher Theil der Kunst untergegangen, durch das Christenthum verdrängt – die Götterbilder. Dieses verbannte in Griechenland bald jedes Bild aus einem heiligen Orte. Im Mittelalter finden wir auf den Grabsteinen Basreliefs mit Figuren der Gestorbenen und in den Kirchen von Aposteln. Daß hier wenig von dem antiken Geist zu finden war, ist auch dem nicht schauenden klar. Auch verbarg die Kleidung jener Zeit die lebendige Gestalt und [die Darstellung] beschränkte sich auf das Gesicht, was verhältnißmäßig zurücktrat bei den Alten. Der französische Typus, der dann aufkam suchte die stärkste  über der Zeilemomentane Bewegung, die schwierigsten mymischen Situationen – dazu kam das Zwitterhafte der Kleidung, die man als ideal statt der modernen anwandte. Diese Kunst ist späterhin verfallen; das lag auch in den Gegenständen – sie bildete mythologische oder allegorische Gegenstände und konnte daher nie eine Volksverständlichkeit haben. In der neueren Zeit ist ein reinerer Geist für diese Kunst erwacht und Eifer für das Studium der Antike, so daß einzelne mit ausgezeichnetem Talente unter uns stehen – wie aber steht es um die Gegenstände? Hier kommt uns zuerst entgegen der eigenthümliche Kreis des Alterthums, als  über der Zeileder einmal als  über der Zeilefür Kabinetstücke, dann auch an gewißen öffentlichen Gebäuden – Schauspielhäusern usw. statt haben  über der Zeilebenutzt wird und die  über der Zeileden wie das Studium des Alterthums überhaupt, das Christenthum in diesem beschränkten Sinn | 25 zuläßt. Doch dies ist nur für Gebildete – etwas Volksmäßigeres kann diese Skulptur nie werden – sie steht nur gleichsam  über der Zeileals ein öffentlicher Luxus da und eigentlich als eine Unwahrheit liegt in der öffentlichen Ausstellung, welche hinzudeuten scheint, daß daß das Volk je eingeweiht werde in diese Gebiete – ist wohl nicht zu erwarten. das Ein wirkliches Leben des klaßischen Alterthums in der Phantasie des Haufens scheint durchaus der Wirklichkeit zu sehr zu widersprechen. Selbst wenn der Homer ein Volksbuch würde, so würde es dem Volke gehn wie den Franzosen, welche ihn ins französische travestirten, sie würden sich die Gestalten deutsch umwandeln. Selbst die Gebildeten beziehn diese Gestalten mehr auf die Phantasie der griechischen Dichter als daß das ganze Leben wie aus ihrer seiner tiefsten Wahrheit und Natürlichkeit nach ihnen sich mittheilte. Das öffentliche Aufstellen des Mythologischen setzt nur(?) Verachtung für das Volk heraus voraus, was die da es mit der größten Kostbarkeit, die aus der Kasse des Volkes bestritten wird, doch nur den Gebildeten verständlich ist – und so ist es zugleich eine gleichsam ein  über der ZeileArt Betrug an dem Volk, dem man gar nichts leistet – in so fern ist es  über der Zeiledie öffentliche Ausstellung gewiß zu tadeln von der sittlichen Seite – auf der andren Seite darf man freihlich die antiken Bildungen nach durchaus nicht vernachlässigen, z.B. für die Paläste der Großen – aber nicht um den reinen Sinn für die wahre Gestalt-Bildung zu erhalten.

      Wenn die Sculptur etwas wirklich Volksmäßiges sein soll, so muß sie sich entweder an unser religiöses System anschließen oder sie muß das Historische auf solche Weise behandeln, daß es in Gemeinschaft tritt mit der gegenwärtigen Zeit. Was das erste betrifft, so ist wieder die Unwissenheit des Volkes, das  über der Zeilebei dem die Geschichte des Christenthums gar nichts auf eine lebendige volksthümliche Weise lebendig ist, ja welche dasselbe gar nicht einmal leidlich kennt, ein schreckliches Hinderniß. Die  innerhalb der ZeileDen Protestanten verläßt  über der Zeilegewöhnlich das Ge | 26dächtniß vor der Reformation – den Katholiken vor der Errichtung ihrer  über der Zeileunsrer Reichsbisthümer. Ein Paulus Johannes und Petrus ist wohl zu unterscheiden – das übrige ist willkürlich. Die Legende hat kein Leben mehr in der evangelischen Kirche und wird auf dem Wege der Sculptur nie lebendig wirken. Alles spätere läßt sich mit dem Geschichtlichen zusammenfassen. Das Geschichtliche aber lebt auch nicht mehr in dem Volke. Der siebenjährige Krieg ist schon zu lange her. – Man müßte also bei dem Neuesten anfangen und damit ist ein guter Anfang gemacht worden – und wenn nicht andre gute Anfänge, welche auf diese Volkslebendigkeit hinwirken, wieder verlassen wären, so wäre in diesem Gebiet etwas zu  korr. v. Hg. aus: haffenschaffen, wenn nicht auch die Sache eine solche Volksbildung nur sehr langsam bei uns fortschreiten kann. Ueber die Treue und Wahrheit der Gestalten in Beziehung auf die Kleidung muß die Kunst sich nicht zu enge Grenzen ziehen, wenn nur die Wahrheit und Verständlichkeit für das Volk nicht verloren geht. Die geschichtliche Wahrheit liegt aber größtentheils in der Physiognomie des Gesichts in der neueren Zeit, da eben(?) der größte Theil des Körpers verhüllt ist – wir werden uns immer an das Gesicht wenden – wird nicht dadurch unsere Kunst einen anderen Charakter haben als die alte Kunst, Wir müßen dies bejahen wenn wir auch eine volksthümliche Sculptur bekommen? Wir müssen dies bejahen aber ohne Bedauern. Denn vollkommen zurückschrauben laßen läßt sich nicht einmal eine Zeit von wenigen Jahrhunderten, wie viel weniger von Jahrtausenden – wir finden diesen Charakter bei den Alten zunächst in den Hermen. Dann hatten sie auch wirklich Büsten – in den Schultern hermenmäßig abgeschnitten, die mit der Zeit immer mehr Portrait waren und man fing an das Gesicht in seinem eigenthümlichen Charakter aufzufassen. Wenn jedoch die Sculptur nichts hervorbringt als Büsten, so müssen wir gestehn, daß die Sculptur nie einen so | 27 großen Charakter haben wird als sie im Alterthum hatte. Doch möchten die Büsten in der Ausstellung für das Volk vielleicht das Nächste sein in dem nächsten geschichtlichen Kreise, während das andere aus  über den ursprünglichen Text geschriebendie Oeffentlichkeit  über der Zeilefür jezt verschmäht. Das Religiöse aber, so scheint es, wird in dem Gebiet dieser Kunst immer zurückstehen müssen.

      Die Malerei

      Um die Hauptdifferenz recht ins Licht zu sezen zwischen Malerei und Sculptur, müßen wir noch eine Bemerkung anreihen. Wir erfreuen uns der plastischen Kunstwerke allerdings zunächst durch das Auge; doch auch ein Blinder würde es  über der Zeiledieselben durch den Tastsinn zum Theil genießen können durch unendliche Uebung – während das Gemälde nur durch das Auge aufgefaßt werden kann – es zeigt uns die Gestalten – aber nicht blos diese, sondern es zeigt uns das ganze lebendige Spiel des Lichts mit den Gestalten. Anschaulich würde  über den ursprünglichen Text geschriebenwird uns das werden, wenn wir uns Gestalten in der Malerei ohne Licht denken. Das Gemälde wird auf der Fläche dargestellt; wenn diese ungleichmäßig wäre, so würde die Malerei nicht mehr vollkommen statt haben können – sie wird aber dargestellt durch die Umrisse. Ist aber die dargestellte Gestalt durchaus nichts anderes als eine irgend wie gestaltete Fläche, so ist gar kein Gegenstand für die Malerei da. So wird ein bloßer Schattenriß, ein bloßer Grundriß von niemand für ein Werk der Malerei gehalten werden. Die Malerei soll auf der Fläche etwas anderes als die Fläche darstellen. Dort ist bloße Fläche – bei bloßen Umrissen wird auch ein Körper nur ein sehr unvollkommenes Gemälde sein, zumal, wenn nicht einmal durch schärfer gezogene Linien das Lichtspiel angedeutet wird. Sobald der Gegenstand körperlich ist, so entstehen auch schon diese Lichtdifferenzen; eine bloße Kugel wird in Umrißen nur als ein Kreis erscheinen – erst die Zeichnung der Lichtdifferenzen  korr. v. Hg. aus: gebengibt ihr die Erkennbarkeit. Doch würde diese Kugel nur ein | 28 sehr untergeordnetes Kunstwerk sein können, weil wir die Darstellung der lebendigen Gestalt der Plastik und Malerei wesentlich gesezt haben. Aber auch eine dargestellte lebendige Gestalt, welche nur aus Zeichnung und Schattirung besteht, wird nur ein untergeordnetes Werk der Malerei sein – es gehört etwas drittes Wesentliches dazu – die Färbung. In der Schattirung, wo das Colorit fehlt, haben wir nur das Lichtspiel, insofern es von Außen die Gestalt berührt. Das Colorit ist der Lichtschein, der von Innen heraus sei es neu erzeugt wird oder modificirt wird. Betrachten wir das Auge des Menschen, so finden wir es als einen stralenden Körper, außerdem, daß es von außen beleuchtet wird. Allerdings hat die menschliche Haut ganz chemisch betrachtet, schon eine Farbe, aber diese wird modificirt durch den Strahl des Lebendigen, der von Innen herauswirkt, obgleich dies Licht nicht so stark ist, daß es der Mitwirkung des Lichts von Außen entbehren könnte. Denn im Dunklen scheint es nicht.  am rechten Rand [Schließen]Ebenso muß man die Farbe der Blumen betrachten. Es ist der innere Lebensproceß, der das(?) Licht von außen, herausleuchtend modificirt. Wo dieser am stärksten ist, da modificirt sich das Colorit am stärksten. Es läßt sich dies tausendfältig nachweisen. Ja auch in der leblosen Natur finden wir dasselbige. Wie wir in dem Stein den erstarrten Lebensproceß sehen, so ist in diesem auch das Colorit, was er hervorbrachte, miterstarrt. Der Kupferstich stellt uns diese Differenz vor Augen – er ist ein unvollkommenes Gemälde – der volle Eindruck des Kupferstiches ist eigentlich nur die Wirkung eines Studiums. Das Licht aber ist so wesentlich daß es zweifelhaft ist ob wir sagen sollen, der Maler läßt das Licht in der Gestalt spielen um letztere zu verschönern oder er will an den Gestalten das erhabene Spiel des Lichtes zeigen. Die Mannigfaltigkeit der Gestalten, die Gruppirung auf der einen Seite, die Gestaltenhervorbringung(?) der Sculptur von Gestalten mit Rücksicht auf einen bestimmten Raum auf der anderen – während die Malerei den Raum mit den Gestalten zugleich hervorbringt, haben wir schon als Differenzen dieser beiden Kunstzweige gesezt. Den Raum haben wir auf dem Gemälde selbst als den Hintergrund, der durch den Rahmen begränzt ist. Ist aber die Zeichnung einer Landschaft ohne Hintergrund nicht | 29 ein Kunstwerk? Gewiß ist es nur etwas Unvollständiges – die Lichtdifferenzen sind nur angegeben an den Gegenständen, aber nicht an dem Raum. Darin liegt eine Unvollständigkeit und ein wesentlicher Mangel. So wie wir uns denken, es werden Gestalten und der Raum für dieselben zugleich hervorgebracht, so muß die als Raum dargestellte Fläche selbst ein körperlicher Raum sein. Bei einer Mehrheit von Gestalten wird das am meisten hervortreten. Je größer auf diese Weise die Differenz ist zwischen dem körperlichen Raum und den Gestalten, desto mannigfaltiger auch die Beziehungen des Lichts. Wir müssen sagen, daß der Effekt, welchen die Sculptur macht, bei der Malerei in der Zeichnung liegt, obgleich dort der Körper wirklich – hier nur durch die Lichtdifferenzen hervorgebracht wird.

      Zu bemerken ist also: 1. Der Grad des Lichtes, das auf alle Figuren fällt, je nachdem sie dem Punkt, von welchem dasselbe ausgeht, zugeordnet sind. 2. wie der Lichtschein innerhalb der Figur selbst ihrer Gestalt gemäß statt findet und 3. der allgemeine Lichtschein, der das Ganze(?) bezeichnet z.B. die Helle des Mittags, das Mondscheinlicht, Morgenlicht usw. Jeder wird zugeben daß der Typus des Lichtscheins, der ihn umgiebt, einen Einfluß auf seine Stimmung hat – bei dem einen mehr, bei dem andren weniger. Von hier aus kann der Maler eine Art des Lichtes mehr lieben als die andre und sie lieber darstellen. Es ist rein der Wiederschein einer inneren Stimmung, der auch eben diese Stimmung wieder zurückruft. So finden wir in der Malerei zweierlei Seiten. Die eine können wir das Plastische nennen, welches in der reinen Darstellung der Oberfläche, in der Zeichnung, in der Local-Beleuchtung sein Wesen hat; die andere das musikalische, welches hiervon getrennt vorzüglich mit der Beleuchtung und der Färbung zu thun hat. Hiernach können wir zwei Gattungen voraussetzen, je nachdem das eine oder das andre dieser beiden Elemente stärker hervortritt. Das vollkommene Gleichgewicht giebt uns hier den Gipfel. Wenn dagegen das Subjektive so dominirt, daß die Zeichnung usw., das | 30 plastische Element, ganz vernachlässigt ist, so wird uns dies eine Einseitigkeit darstellen. Das Gegentheil wird uns mehr als untergeordnete Gattung erscheinen, wie der Kupferstich. Will aber das Gemälde beide Elemente darstellen und das Musikalische ist sehr schlecht, so haben wir wieder die Einseitigkeit auf der andren Seite.

      Die malerische Production geht schon beim Sehen an, schon hier muß sich das malerische Talent zeigen. Das gesunde Auge sieht alle Licht-Effekte. Die Gestalten sehen mit einem künstlerischen Auge, das ist dasselbe für den Maler und den plastischen Künstler. Wo ein Andrer vielleicht nur eine verwirrte Menge sieht, da sondert der Maler schon und bildet sich die verschiedenen Gruppen heraus. Die Differenz ist eine ursprüngliche; sie ist eine Richtung des Gemüthes, aus dieser entsteht die Kunst. In dieser Differenz aber manifestirt sich auch die Differenz der Kunst-Richtung – der eine wird mehr für die ruhigen Natur-Gegenstände, der andre für die Gruppen der Menschen aufgeschlossen sein. Der erste wird mehr eine Richtung auf das Musikalische, dieser auf das Plastische haben, und hierin haben wir auch schon den Unterschied in dieser Beziehung für den Maler und den plastischen Künstler. Der die plastische Richtung in der Malerei besonders cultivirt, wird sich besonders mit menschlichen Gestalten beschäftigen; der die musikalische, besonders mit Natur-Gegenständen zu thun haben – beides muß verbunden werden, wenn nicht eine Einseitigkeit in der Malerei stattfinden soll. Wenn in menschlichen Gestalten die Zeichnung untergeordnet wird dem allgemeinen Lichtschein, so muß nothwendig eine Undeutlichkeit in der Begrenzung der Gestalten hervortreten. Die Natur-Gegenstände dagegen sind gar nicht so strenge begrenzt, da stets | 31 die Grenzen viel willkürlicher zu verändern, und wir finden also die angegebene Erscheinung als natürlich, indem dieser sich auch für das Plastische in der That weniger qualificiren würde.

      Auf diese Weise sind wir also auf zwei Haupt-Gattungen der Malerei gekommen: die Historien-Malerei und die Landschafts-Malerei. Während wir doch die Möglichkeit eines vollständigen Gleichgewichts denken müssen, so daß das Landschaftliche wenigstens als eine musikalische Begleitung für das Plastische erscheint. Dies wird die vollkommenste Gattung sein, weil die Gegensätze harmonisch vereint sind – der Mensch neben die ruhende Natur gestellt. Je bedeutsamer die Figuren sind, desto bestimmter wird auch der Eindruck, während sich auch in dem Gleichgewicht die Dupplicität erkennen lassen muß.

      Haben wir nun in diesen beiden Hauptgattungen das ganze Gebiet der Malerei? Wenn wir es hätten, wie würden sich dann diese beiden Hauptformen gegeneinander verhalten? Man hat eine Zeit lang der Landschaftsmalerei den Preis zuerkannt, bis das erneute Studium der Antike das Entgegengesetzte so scharf herbeigeführt(?) hat, daß man die Landschaftsmalerei als tief unter der Historienmalerei betrachtet hat. Die Darstellung der menschlichen Gestalt galt als das Höchste, hier sah man den höchsten Sinn thätig, das Intellectuelle, das Moralische, das Religiöse.

      Dies allein hervorzuheben würde dennoch eine Einseitigkeit geben. Dies allein gehört in die Plastik – in der Malerei ist die Darstellung des Spieles des Lichtes wesentlich, welches sich in der Landschaftsmalerei eben so(?) schön darstellt als in der menschlichen Gestalt.

      Insofern in der Geschichtsmalerei Ideen angeregt werden und eine Art von Gedanken-Erzeugungsproceß statt hat, hat man sie so sehr der Natur-Malerei vorgesezt. Doch glaube ich muß man dieses nicht | 32 sowohl der Malerei als dem Gegenstande zuschreiben. Indem dieser aus einem großen politischen oder religiösen Kreis genommen ist, den wir kennen, so ist jener Eindruck doch wohl mehr dem [des] Geschichtsschreibers usw. als dem Gemälde an sich zuzuschreiben. Dies dürfen wir also eigentlich nicht in Anschlag bringen; wir müssen sie überhaupt in Hinsicht des Gehaltes der Gegenstände indifferent finden. Wenn wir in Hinsicht des zu niederen Gegenstandes ein Gemälde tadeln, so tadeln wir es nicht von dem reinen Standpunkt der Kunst, wir tadeln es nicht als Kunstwerk, noch den Maler als Künstler. Ist aber der Gegenstand unbedeutend, so ist oft die Deutung ungewiß und so kann das Gemälde nicht recht verstanden werden und in so fern werden wir auch die Wahl des Malers als Künstlers tadeln. Hiervon abgesehn hat der Gegenstand auf den Kunstwerth eines Gemäldes gar keinen Einfluß. Wenn Kunstrichter gesagt haben: daß Gebiet der geschichtlichen Begebenheiten sei für den Maler ganz gleichgültig, es gebe ihm nur eine Gelegenheit, eine Veranlassung schöne Gestalten darzustellen, so müssen wir den negativen Sinn des Satzes allerdings zugeben, nicht aber den positiven.

      Die Sculptur soll das Elastische des Lebens darstellen in reinen ungestörten Gestalten, weil dies eigentlich ihre Aufgabe ist; die Malerei ist in der Wahl der Gestalten viel freier, weil sie nicht diese an sich allein, sondern gruppirt und sich auf einander beziehend und wesentlich mit den Lichtdifferenzen darstellen soll. Dies führt uns auf die Beurtheilung der Erfindung in der Malerei. Ob eine Natur-Gegend erfunden sei oder nicht ist in Hinsicht des Kunstwerthes einerlei. Die Schönheit des Natur-Typus kann in beiden auf gleiche Weise dargestellt werden. Die Differenz liegt außer dem Gebiet der Kunst, ob wir auf die eine Art einen Nebenzweck gewinnen, und ob mehr Talent dazu gehöre. Eine lebendige Thätigkeit der Phantasie gehört sowohl zu der Natur-Nachahmung als zur Bildung aus der Idee. Auch zu dem richtigen Sehen und Auswählen der Natur-Schönheit gehört diese. Ohne diese wäre ihnen der Gegenstand so gut wie nicht gegeben, und der, welcher aus der Idee bildet, muß ebensowohl die Natur als Modell nehmen und die Landschaften aus | 33 der Natur studirt haben.

      Ebenso gleichgültig ist es bei der Historien-Malerei. Wenn wir eine Madonna sehen und an der Seite Heilige, die nie mit derselben zusammenlebten, so ist diese Erfindung des Malers für den Kunstwerth, für die Vortrefflichkeit des Bildes ganz gleichgültig – ob die Handlung keine wirkliche, keine wahre ist oder ob sich der Maler an eine wirkliche geschichtliche Handlung gehalten hat. Die eigentliche Erfindung des Malers geht auch nicht bei der Erfindung des Gegenstandes an – dieser ist kaum neu zu nennen –, sondern der Gestalten. Gesezt der Künstler wählt einen geschichtlichen Moment aus der Gegenwart – werden wir es loben, wenn er sich hier gar nicht an die Wirklichkeit der Gestalten hält? Das wird niemand zugeben, weil er die Deutung des Bildes verwirrt. Hat er aber deshalb nichts an demselben zu erfinden? Gewiß schon vieles. Nicht durch die Darstellung der wenigen Augenzeugen wird er den geschichtlichen Moment in seinem Wesen lebendig darstellen. So hat man auch häufig gesagt, die Portraitmalerei sei eine untergeordnete Gattung, weil hier die Erfindung nicht statt haben könne. Wenn wir zugeben, daß die Portrait-Malerei nur eine untergeordnete Art sei, so ist es deshalb, weil hier die Gruppe der Gestalten, die der historischen Malerei wesentlich ist, nicht statt haben kann – sondern wir vielmehr gewöhnlich nur eine halbe Gestalt sehen. Sonst hat der Künstler etwas(?) zu erfinden wie in der Landschaftsmalerei. Nur was dort im Raum ist, müssen wir hier in der Zeit suchen. Des Menschen Dasein besteht seiner äußeren Erscheinung nach aus einer Reihe von Augenblicken, und in jedem ist er ein anderer; ebenso ist er in einem bestimmten Alter und stellt eine bestimmte Lebensperiode dar. Das Gesicht ist der specifische Eindruck für die Einheit der | 34 Gemüths-Richtung oder des Charakters. Ueberall aber ist Eigenthümlichkeit; selbst die Färbung im Allgemeinen ist eigenthümlich, der Lebenstypus spricht sich in jedem anders aus. So finden wir überall hier Erfindung; ob diese außerhalb der Wirklichkeit liegt, ist einerlei. In der Natur-Wahrheit das Kunstgemäße darzustellen, das ist eigentlich die wahre Erfindung;  am linken Rand [Schließen]und in dieser einen Hinsicht scheint mir die historische Malerei einen höheren Platz einzunehmen als die LandschaftsMalerei, weil dort der Ort ist für das unmittelbare menschliche Ideal, was uns in der Wirklichkeit hier nie so erscheint, während die LandschaftsMalerei nur das reine schöne Natur-Leben, wie es ist, darstellen kann. Doch scheint mir auch diese Differenz ihren Grund nicht eigentlich in dem Gegenstande zu haben, sondern in dem beschränkten Vermögen des Menschen. Wir müssen uns nämlich so gut eine urbildliche, eine vergeistigte, eine ideale Natur denken können, glaube ich, und zwar als die Vollendung der uns hier erscheinenden Natur, als den idealen Menschen; aber jene kann uns nicht so zum klaren Begriff werden, als dieser; sie ist uns Form der unbekannten, wir müssen uns mit der Ahndung begnügen; und eine urbildliche Landschaft ist also als Vorwurf für die Malerei nicht denkbar.

      Denken wir uns ein historisches Gemälde mit einer großen Ausdehnung der Gruppirung, z.B. ein Schlacht-Stück. Wenn dies eine wirkliche Begebenheit darstellt, so ist sie doch nichts weniger als eine treue Natur-Nachzeichnung; denn von dieser kann hier nicht die Rede sein. Hier kann sich also die größte Freiheit des Gemäldes mit der größten Natur-Wahrheit vereinigen, wenn auch die Gegend so wie die Haupt-Figuren Portraits sind. Die Aufgabe des Künstlers ist, eine solche große Mannigfaltigkeit von Gestalten zu einer Einheit zu verbinden mit aller Entwickelung der Bewegungen, so daß der Charakter der Begebenheiten rein und wahr dargestellt wird.

      Der Maler soll nicht Dichter sein. Solange man sich mit der Deutung eines Kunstwerkes beschäftigt, ist ein eigentlich malerischer Genuß nicht möglich; man muß die dichterische Erfindung durchaus trennen von der Malerei und beides als ganz getrennt betrachten. Es muß ein bekannter Cyklus sein, aus dem der Maler seinen Stoff nimmt. Wenn man in Beziehung auf die Erfindung die Historien-Malerei und die Landschaftsmalerei vergleicht, so finden wir bei der ersten den Moment und die Position zu erfinden, bei der lezteren blos das Ganze zu einer Einheit zu gestalten. Der Landschaftsmaler ist aber durchaus nicht nur Compist  über den ursprünglichen Text geschriebenCopist . Wenn etwas sich ausgiebt für den Prospekt einer gewissen Gegend, so muß allerdings, wenn sie nur wenig bekannt ist, dieselbe dabei genannt werden. | 35 Können wir aber an solche Portraits, die gar nichts anderes sein wollen, dieselben Ansprüche machen, als an eine Ideen-Landschaft? Gewiß nicht! Im ersten Falle ist die Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die Zeichnung gerichtet. Auf die Färbung und Beleuchtung sind hier offenbar keine Ansprüche zu machen außer denen, die wir gleichsam mit zur Zeichnung gerechnet haben. Steht ein solcher Prospekt mit dem Portrait also auf einer Linie? Wenn er die Natur copiren will, so hat er nichts zu thun, als die Zeichnung mit der größten Vollständigkeit und Schönheit hervorzubringen, aber in Hinsicht der Beleuchtung können wir offenbar gar nichts fordern, weil er hier nur der Natur folgen kann, nur das hervorheben, das in Schatten stellen, was er vor sich hat. So betrachtet hat er aber die eigentliche Idee der Malerei aufgegeben, wenigstens ganz untergeordnet, um nur diesen ganz mechanischen Zweck zu erreichen. Dies wird aber am besten durch colorirte Zeichnungen erreicht, wo das ganze Leben der Beleuchtung fehlt, und nur die Local-Beleuchtung statt findet. Ein solcher Prospect ist also kaum ein Gemälde, kein Kunstwerk. Wenn nun ein guter Maler eine solche Gegend portraitiren will, so muß er zugleich den Kunstforderungen genügen. Und in der That ist es uns da immer gleichgültig, und wir fragen kaum danach, ob die Landschaft eine wirkliche sei. Dieser erfindende Künstler aber wird ohne Veränderungen diesen Kunstzweck nicht erreichen können. Wir haben es schon so ausgedrückt, daß die Natur ihm nur zum Modell dient. Den wahren Künstler und den Prospect-Maler müssen wir also scheiden. Wenn z.B. das Wasser die Haupttendenz eines Gemäldes ist, so muß der Einfluß und das Spiel des Lichts mit demselben und wieder die Rückwirkung desselben auf das Licht besonders gezeigt werden. Und das Uebrige wird dann gewöhnlich mehr oder weniger als Beiwerk erscheinen. | 36

      Wenn wir nun zurückkehren zur Geschichtsmalerei, so fragen wir: woher soll der Künstler denn seine Gegenstände nehmen? Wir haben als den allgemeinen Canon aufgestellt, daß er sie aus einem verständlichen Gebiet nehme. Wir haben z.B. dem Portrait allerdings einen wahren Kunstwerth zugesprochen; aber der Werth wird größtentheils verloren gehn, wo der Gegenstand nicht bekannt ist. Allerdings ist hier die größte Vollkommenheit, wenn man an einem Portrait die Aehnlichkeit, auch ohne die Gegenstände zu kennen, dennoch(?) zu sehen glaubt. Doch liegt dies schon darin, daß uns der Gegenstand nicht ganz unbekannt ist; denn wir kennen den Typus, gleichsam das ganze Schema(?); die Physiognomie ist uns geläufig. Mit einem chinesischen Portrait wird es uns nicht so gehen. Mehr oder weniger jedoch wird sich unsre Bewunderung auf die Virtuosität beschränken müssen. Fragen wir, was ist der größte Gegenstand auf dem historischen Gebiete, so werden wir auf unsre heilige Geschichte kommen. Wie steht es nun in dieser Beziehung auf den Gegenstand? Die Geschichte ist freilich allgemein bekannt; aber die Gestalten sind uns nicht einmal aus der Tradition bekannt. Darum ist hier niemals ein Streit um die Deutung; wir haben hier ein wunderbares Mittelding zwischen Dichtung und Wahrheit. Es ist das rein Gewordene durch die Kunst selbst auf eine unbegreifliche Weise. Die Kunst hat sich erst rein durch die Kunst gebildet, sie hat sich diese Tradition erst selbst gebaut und vermöge dieser ist eine allgemeine Sicherheit in der Deutung. Wenn wir nun den Kreis etwas mehr erweitern, so kommen wir in das Gebiet der Legende, wo die Personen selbst oft sogar geschichtlich sehr zweifelhaft sind. Es giebt also eine gewisse Art., wie(?) sich die Malerei die | 37 Wahrheit selbst bildet. Wir verstehen sogar eine Menge Gemälde, ohne einmal die Legende genau zu kennen. Das ist das Gebiet also, wo die Kunst auf der einen Seite mit der allergrößten Freiheit gehen kann.

      Wenn nur die Legende erhalten würde um der Malerei willen, so hätten wir daran schon einen schönen Cyklus; und es würde allerdings dies die höchste Darstellung sein, wenn nicht hier alles Landschaftliche fehlte, welches daher kommt, weil diese Darstellungen selten einen wirklichen geschichtlichen Moment darstellen. Zugleich ist der Gegenstand ein unerschöpflicher. Wenn wir nun auf die Verbindung der Geschichtsmalerei und der Natur-Malerei sehen, so finden wir, daß lezteres dem ersteren sehr zu Hülfe kommt und die Verständlichkeit unterstüzt. Doch ist bei der rein historischen Malerei die Kunde der Geschichte immer für das Verständniß Bedingung.

      Was für uns die heilige Geschichte ist in Verbindung mit der Legende, das war für die Alten die Mythologie und die heroische Tradition, beides auf ähnliche Weise mit Dichtung vermischt. In die Stelle der griechischen Mythologie in der Geschichtsmalerei ist eine gewisse allegorische Malerei getreten von Bildern, welche jedoch nicht so klar in sich sind, daß nicht Mißverständnisse stattfinden müßten. Wir finden das bei fast allen; hier scheint also die Grenze überschritten zu sein, die wir der Malerei zusprechen müssen. Denn es ist offenbar eine Dichtungsart und zwar nur eine untergeordnete, wohin sie sich auch jetzt immer mehr verliert. Die Geschichtsmalerei scheint ein weit größeres Gebiet zu sein als die Natur-Malerei, welches sich jedoch verliert, wenn man beide Gattungen etwas genauer betrachtet. Und in der möglichst gleichmäßigen Verbindung und in der Mannigfaltigkeit, womit diese wieder statt findet, ist eigentlich der Reichthum der Kunst zu suchen.

      Wenn wir also auf diesen Punkt zurückkehren und nach der | 38 eigentlichen Vollkommenheit der malerischen Produktion fragen, so kommen wir auf unsere zwei Momente zurück: Zeichnung und Lichtbehandlung. Die Vollkommenheit aber finden wir in der Mannigfaltigkeit des Ganzen und in dem Verhältniß Alles Einzelnen unter einander. Die Malerei verlangt es nicht, daß eine einzelne Gestalt vollkommen durch sich verständlich sei, eine einzelne Figur ist immer nur eine unvollkommene malerische Aufgabe. Daß Alles, was nicht reine Fläche an der Figur ist, durch die Beleuchtung verstanden wird, können wir ebenso sogar in der wirklichen Welt nachweisen. Denn wir sehen überhaupt auch in der Wirklichkeit gar nicht anderes als auf einer Fläche und unterscheiden nur durch die Beleuchtung, abgesehen von dem Tastsinn. Auf der andern Seite ist die Ueberladung der Figuren auch nicht zubilligen. Denn da verliert wieder die Erkennbarkeit des Einzelnen. Nächstdem ist das richtige Verhältniß der Handlung und des Beiwerkes zu bemerken. Die Häufung des lezteren wird die Verständlichkeit vermindern namentlich, wenn es menschliche Figuren darstellt. Wenn wir uns eine Handlung denken, die eine große Menge von Personen erfordert, so wird es unmöglich sein, für das Beiwerk eine Stelle zu finden. Es wird aber auch die Veranlassung für dasselbe fehlen.

      Die Einheit der Handlung vermissen wir oft in alten Bildern, z.B. die Transfiguration von Rafael, die jedoch, wenn auch nicht so, doch gleichzeitig sind. Oft finden wir aber mehrere Momente ganz ungleichzeitig(?) zugleich dargestellt, dieselbige Geschichte fortgesetzt auf demselbigen Bilde, indem nur ein Moment schärfer hervortritt. Ist dieses Verhältnis nur beobachtet, so ist es als eine malerische Licenz anzunehmen und das Untergeordnete gleichfals als Beiwerk zu betrachten.

      In der Natur-Malerei haben wir diese Einheit in die Beleuchtung gesetzt. Man findet jedoch nicht selten eine zwiefache Beleuchtung, z.B. eine Kerze in einem Gebäude, während das Freie uns Mondschein zeigt. Gewiß hat dies eine große Neigung zum | 39 Epideiktischen. Wenn wir von der Erfindung des Malers ausgehen in dem Act des Sehens, so bietet letzteres eine große Verschiedenheit dar. Der eine sieht die Ferne schärfer, der andre schwächer. Würde der Künstler von dem lezteren das Maaß nehmen, so würde sein Bild etwas Unbestimmtes, Dunkles, Verwischtes bekommen, und es wäre das also nicht zu rühmen. In das Entgegengesetzte sind die Holländer gerathen (das Mikroskopische), indem sie jedes Härlein der Haut, jeden Porus, jede Erhöhung der Haut darstellen. Offenbar hat diese Manier einen ganz epideiktischen Charakter. Das Bild verliert sich ins Kleinliche, und wir können dem Maler in seiner Virtuosität nicht folgen; durch die abgeforderte(?) Aufmerksamkeit auf das Einzelne zerstört die Einheit, das eigentlich Künstlerische.

      Je mehr die Beleuchtung ungleich von einem Punkte offenbar ausgeht, um so mehr wird das Werk erscheinen auf den Effekt berechnet zu sein und etwa Fehler der Zeichnung dahinter zu verstecken. Große Meister haben daher diese Manier verschmäht, da die Zeichnung zu sehr darunter leidet, indem man mit Gewalt auf die Differenz der Beleuchtung gezogen wird. Es müssen die Differenzen der Beleuchtung in einem solchen Maaße gehalten sein, daß die Kraft der Zeichnung nicht darunter leidet und das Maaß der Färbung, so daß nicht durch die zu große Aufmerksamkeit auf das Einzelne die Einheit zerstört wird.

      Wenn der Maler die Contraste ganz vermeiden wollte, so würde das sogar gegen die Natur-Wahrheit sein; z.B. Contraste der Farben bei verschiedenen Gestalten. Auf der andren Seite findet man jedoch in der Häufung der Contraste auch bei der Färbung wie bei der Beleuchtung das Epideiktische. Allmähliche Uebergänge und dazwischengestellte Contraste, das ist das, was man die Harmonie in der Färbung und Beleuchtung nennt. Daß sich aber dies in keine bestimmte Formel zwingen läßt, ist offenbar.

      Was hat denn der Künstler eigentlich für Mittel um sein Werk überhaupt hervorzubringen? | 40

      Er muß eine Fläche haben und auf dieser wiederum Umrisse, zweitens Pigmente. Die Begrenzung aber der Fläche durch die Färbung hebt die einzelnen Figuren heraus und stellt sie dar. Außerdem sind ihm nur nöthig die Werkzeuge, mit denen er die Pigmente behandelt. Diese sind wiederum manigfaltig; so unterscheiden wir jetzt besonders Oelgemälde und mit Wasserfarben ausgeführte. Wenn wir nun die Frage aufwerfen: bedarf denn der Künstler zu jeder Nüance von Farbe immer ein neues Pigment, so wird dies auch der Nicht-Künstler gleich zu verneinen wissen, da hier die Pigmente in einer flüssigen Gestalt angewendet werden, und die Mischung von wenigen Farben also die verschiedensten hervorbringen kann. Daher ist die Malerei mit trockenen Farben etwas Unvollkommeneres, was allgemein anerkannt ist.

      Es ist hier aber eine große Verschiedenheit der Stoffe und der Pinsel-Führung nöthig.

      Das führt uns auf die Bestimmung der Copien in der Malerei. Diese sind der Erfindung entgegengesezt; die Erfindung aber muß der erste Punkt sein, von dem das Ganze ausgegangen ist in Werken vom ersten Range. Ein großes Werk bedarf der Tradition, wenn es sich erhalten soll; das ist dasselbe in der Kunst und in der Wissenschaft. Es ist besonders diese fortlaufende Tradition, was uns den Begriff der Schulen giebt: wenn der Meister seine ganze Art und Weise der Behandlung auf seine Schüler fortpflanzt und diese wieder weiter. Individuell ist ein jeder großer Meister, und das constante Fortgehn an diesem ist das, was den Begriff einer Schule bildet. Dies darf aber nicht bei der Behandlung der Pigmente stehen bleiben; sondern vielmehr das Maaß der Beleuchtung und Färbung, der Charakter usw. ist die Hauptsache. Zunächst ist aber freihlich die Behandlung der Pigmente und Werkzeuge das am leichtesten zu Erlernende.

      Daher unterscheidet man auch „Schulen“ an dem Maaße der Färbung, der Beleuchtung, in der Art der Zeichnung und an einer hervorstechenden Virtuosität hierin. | 41

      Wenn die Geschichte der Malerei aber Lücken hat und Zeiten höchst mittelmäßiger und unvollkommener Uebertragungen, da ist es besonders an der Zeit, durch Copien hinter die Geheimnisse der Meister zu kommen und die Kunst wieder hervorzurufen.

      Die antike Malerei kennen wir nicht genug, um ein Urtheil darüber zu fällen. Doch geht sie so mit der Skulptur Hand in Hand, daß sie unmöglich schlecht gewesen sein kann. Man hat gesagt, daß die einzelnen Figuren zu steif und isolirt gewesen sein und namentlich die Perspektive ganz von ihnen vernachlässigt sein [soll]. Doch gründet sich dieses Urtheil größtentheils auf Vasengemälde, die rund um dieselben herumgehen, wo also keine Einheit gefunden werden kann. Es sollen neuerlich antike Wandgemälde gefunden sein, welche dies Urtheil gänzlich widerlegen. Auch ist es schon deshalb nicht zu glauben, weil die Vorzüge des Basreliefs auch in die Gemälde übergehen mußten. Daß die Alten aber die Gemälde den plastischen Figuren zu nahe brachten, ist sehr glaublich(?), da die Malerei erst begann, als die Sculptur schon lange blühete.

      Wie im Alterthum die Sculptur überwog, so überwiegt in der neueren christlichen Zeit die Malerei, so wie der Character derselben angemessener wird(?), als der der Plastik. Das Pathognomische trat hervor und das allgemeine Leben der Gestalt wurde mehr vernachlässigt, als es in der Sculptur hätte [sein] dürfen. Es wurde zuerst auf das Ethische gearbeitet, wozu das Gesicht besonders aufforderte, wie denn die heilige Geschichte gleich anfangs der vorzüglichste Vorwurf war. Nachher fing man an, mehr auf die Richtigkeit der Zeichnung in der ganzen Figur zu sehn.

      Wenn wir die Italienische Malerei als ein Ganzes betrachten, so finden wir in der späteren Schule besonders die Lichteffekte gesucht – z.B. von Caravaccio, eine Hauptrichtung darauf –, | 42 während sich in anderer Hinsicht Mängel nicht verbergen. Hier finden wir nurnoch einen Schritt zum Manierirten und Gezierten, was uns die französische Schule darbietet.

      Es ist natürlich, daß die Kunst Perioden hat – doch ist es gewiß nicht vorauszusehen, daß die Malerei nicht wieder die Höhe erreichen wird, welche sie in den Zeiten der Italienischen und deutschen Malerei wirklich erreicht hat, wenn auch die Trennung der protestantischen Kirche der Kunst nachtheilig gewesen zu sein scheint – denn der Geist der protestantischen Kirche ist der Kunst ebenso wenig zuwider, wenn auch die Verehrung der Heiligen nicht statt findet – es lag dies in andren Verhältnissen.

      Die Landschaftsmalerei hat sich im Anfang weniger als eine freie Gattung entwickelt, indem wir sie in der ältesten Zeit bei den historischen Gemälden begleitend finden, welches erst dann mehr aufhörte, als sie als unabhängige Gattung auftrat. Die Verbindung haben wir freilich als das Höchste gesetzt. Aber die große Vollendung, welche die Malerei auf diese Weise erlangt hat, kann auf eine künftige Vereinigung nur die schönste Wirkung haben.

      Bei der Blumenmalerei liegt durchaus die Naturwahrheit zum Grunde. Von erfundenen Blumen kann nicht die Rede sein, wo sie der eigentliche Gegenstand sind. Aber wie der Portrait-Maler hat der Maler auch hier ein Gebiet für die Erfindung, nur auf andre Weise, in der Zusammenstellung, in Zeichnung und Colorit. Denn die einzelne Pflanze dient nur zum Modell, die Wahrheit der Species muß nur beobachtet werden.

      Auf eine ähnliche Weise finden wir auch die Thiermalerei, doch mit einer bestimmten Tendenz, das Einzelne wiederzugeben und einzelne Individuen darzustellen, welches wohl | 43daran liegt, daß man schon in den einzelnen Thieren einen bestimmteren Charakter hervortreten sieht als bei den Blumen.

      Diese und andere Gattungen sind für die Kunst im Ganzen eigentlich nur Studien – die Blumenmalerei höchstens ausgenommen – und ihnen, für sich geübt, ein untergeordneter Plaz  korr. v. Hg. aus: anzuwendenanzuweisen.

      Ebenso in allem, was Stilleben ist. Wir müssen hier den allgemeinen Saz annehmen, daß hier bestimmte Tendenzen da sein müssen, wo hier gleichsam ein Canon für die Behandlung im größeren aufgestellt werden kann; etwa auf bestimmte Reflexe usw. Ohne diese Tendenz werden sie noch unbedeutender sein.

      Der Kupferstich hat die Haupttendenz der Vervielfältigung. Der Kupferstecher wird zu dem Maler in einem ähnlichen Verhältniße stehen als der Virtuose zu dem Componisten. Die mechanischen Mittel sind so gering, daß man ihm etwas wahrhaft Künstlerisches zuschreiben muß. Es ist auch in der That bewunderungswürdig, wie viel große Meister mit diesen einfachen Mitteln geleistet haben. Die Rundung(?) des Fleisches, die Lichteffekte, ja selbst der Character des Colorits ist merkwürdig angedeutet. Man muß sich daher hüten, sie zu niedrig zu zu stellen auf dem Gebiet der Kunst.

      Ueber die neuere Form der Kunst des Steindrucks ist noch nicht genugsam zu sagen, wie weit sie es noch bringen wird. Doch wird er den Kupferstich an Schönheit schwerlich erreichen, während der Vorzug der Leichtigkeit ihm bleibt.

      Die redenden Künste

      Leicht kommen wir hier in Verlegenheit in Beziehung auf die Grenzen der Schönheit. Wenn man Dichtkunst und Beredsamkeit als die beiden Haupt-Gattungen aufgestellt hat, so ist erstere freihlich | 44 unbezweifelt – die Beredsamkeit erscheint uns bei den Alten schon sehr früh mit einer sehr künstlich und vollkommen ausgebildeten Theorie. Indem die Beredsamkeit aber ganz unmittelbar eingreift in die gebundenen Lebensthätigkeiten und die Richtung hat auf einen unmittelbaren Beschluß für die gemeinsamen Lebensverhältnisse, so müssen wir das Praktische vorherrschend finden und können also nach unserem Saze sie nicht anerkennen als eine schöne Kunst. Wenn wir eine Vergleichung anstellen mit dem was die neuere Zeit darbeut, so finden wir die praktische Beredsamkeit bei einigen Völkern und bei anderen nicht, welches auf der Verschiedenheit der Verfassungen beruht. Wo wir sie finden, hat die politische Beredsamkeit einen den Alten ähnlichen, wenn auch nicht ganz denselben Charakter, da die neueren Redner vor einem Ausschuß von Gebildeten und nicht vor dem ganzen Volke sprechen. Es(?) liegt viel mehr Leidenschaftlichkeit in Reden von Demosthenes als von Pitt und Fox. Daneben finden wir die Kanzel-Beredsamkeit, welches bei vielen neueren Völkern die einzige Art ist. Auch für sie finden wir etwas Aehnliches bei den Alten. Sie hat freihlich auch einen praktischen Zweck, ihre Wirksamkeit gehört zur Seelenleitung. Sie hat die Absicht, auf den Willen zu wirken, aber nicht zu einem einzelnen und unmittelbar auszuführenden Beschluß, sondern die Richtung ist eine allgemeine. Die Kanzel-Beredsamkeit steht daher der schönen Kunst näher, und wir sind unschlüssig, ob wir sie als solche anerkennen sollen. Wir finden die Grenzen hier verwischt. Wenn wir solche Reden, von dem Gegenstand und dem Zweck abgehend, betrachten, so verlangen wir allerdings, daß sie sich von der Art, im gewöhnlichen Leben zu sprechen, unterscheidet. Es soll die Besinnung dazwischen treten, und wir finden, daß in so fern diese Thätigkeit als Kunst sich von der gewöhnlichen Rede unterscheidet. | 45 Wir finden also das Kunstmäßige an etwas Andrem, an einem Geschäft – dennoch  über den ursprünglichen Text geschriebendann ist das Ganze eigentlich ein Geschäft – was man als Erbauung bezeichnet, und diese wird bezweckt, sei es nun durch bestimmtere Richtung auf den Willen, auf das Gefühl oder auf den Verstand. Der Form nach aber können wir es nach dem Sinne der Kunst betrachten. Wenn wir nun die Kanzel-Beredsamkeit ausschließen, das würde(?) derselbe Fehler sein, als wenn wir die Architektur aus dem Gebiet der bildenden Künste hätten ausschließen wollen. Wir finden hier sogar dasselbe Verhältniß in Beziehung auf die Vereinigung des Künstlerischen und hier des Geschäftes, dort des Zweckes – beides ist gar nicht zu trennen. In beiden Fällen hängt wieder die Erfüllung des Zweckes mit von dem Kunstmäßigen ab, von der Bedeutung, von der schönen Folge und Verbindung der Gedanken in der Kanzelberedsamkeit. Will man dies auf jene Seite des Zweckes weisen? Ebenso der Accent, der auf die Haupt-Theile und Gedanken gerichtet wird, der dagegen die Uebergänge zurück stellt. Wollte man das Alles wegnehmen, so würde nichts übrig bleiben, als was in der Architektur die Verzierungen sind; so in der Kanzelberedsamkeit die sogenannten flores orationis, deren Ueberladung eben so wohl wie die der Verzierungen die wahre Schönheit zerstört. Die größte Sparsamkeit ist auch hier Gesez. Wollte man also isoliren, so würde man auf die unbedeutendsten Einzelheiten kommen, die auf den wahren Werth der Rede wenig Beziehung haben. Wir können also das Ganze der Kanzel-Beredsamkeit nicht zerreißen; sowohl das Künstlerische als das Praktische finden wir in dem Ganzen. | 46

      Die organische Produktion und der musikalische Theil der Sprache, der rein sein Maaß in sich selbst haben kann, sind die beiden Elemente, welche bei der Rede im Allgemeinen zu beobachten sind. Was hier künstlerisch beurtheilt werden kann, das schließt sich wiederum an das Tägliche des gewöhnlichen Lebens an, wo diese Kunst den Gebildeten durch Gewohnheit zur Natur geworden sein soll; überall wo die Rede hervortritt. Es scheint also, daß wir hier eine künstlerische Ansicht aufstellen können, aber es ist durchaus nicht durch (?) Produktion, sondern nur per accidens da, durchaus an einem Andern.

      Poesie.

      Fällt Alles, was Poesie ist, in das Gebiet der schönen Kunst? Es kommt uns hier allerlei entgegen, was dies zweifelhaft machen kann; z.B. die Lehrgedichte, wie schon der Name zu bezeichnen scheint; und auch von andren Seiten finden wir zweifelhafte Seiten. In der Prosa schließt sich die Rede, die sich auf das Geschäftsleben bezieht und auf die Erkenntniß, selbst aus. Da, werden wir sagen müssen, kann die Kunst nur so daran sein, wie wir es vorher schon gesehen haben. Aber wir finden ja auch prosaische Dramas. Sind diese ganz anderer Art als die poetischen? Die Alten dichteten sie nur in Versen, aber es wird keiner leugnen, daß auch ein prosaisches Drama Dichtkunst sei. Daneben finden wir den Roman, auf den der Begriff der Kunst vollkommen anwendbar ist. Wenn wir an eine kleinere Gattung von Gedichten denken, die Fabel, so finden wir sie auch ebensowohl prosaisch als metrisch, und es tritt hier derselbe Fall ein, wie bei dem Drama: ein ganzer kleiner organisirter Kunstkörper, auch wenn sie, wie wir es im Livius häufig finden, in Geschäfts-Reden eingeschoben ist. Der Redner, der die Fabel in seine Rede verwebt, kann sie erfunden haben. Diese Erfindung kann in dem Moment der Rede statt gefunden haben. Aber immer ist sie ein so von der Rede sich abtrennender Theil; und durch andre homogenere Mittel hätte der Redner den | 47 selben Zweck erreichen können. Wir finden, daß sich dies anschließt an die Erklärung des begleitenden Processes der Vorstellungs-Erzeugung, worüber früher gesprochen ist. Die Fabel aber sowohl als das Drama, sei es poetisch oder prosaisch, gehören zur Dichtkunst. Wir müssen also sagen, daß Dichtkunst sowohl im engeren Sinne auf gebundene Rede als auf ungebundene angewendet werden kann. Aber wie sollen wir jetzt eine Grenze finden, wenn wir die heutige Litteratur betrachten? So z.B. bei der Reisebeschreibung, welche aus zwei Gattungen zu bestehen scheint, einmal in das Gebiet des Wissens, dann der Kunst gehörend. Denn nicht selten finden wir eigentliche Gedichte in Form einer Reise-Beschreibung. Sehen wir es aber so an, daß doch die eigentlich lehrenden Reisebeschreibungen das Ursprüngliche waren, und später nur die Form verändert und gleichsam gemisbraucht wurde, so können wir dies von allen Formen erwarten, und dann sind wir noch mehr in Verlegenheit um unsre Grenze.

      Wenn wir das Prosaische nur als eine Ausnahme ansehen, bei dem Drama und der Fabel, übrigens aber die Metrik als Zeichen der Dichtkunst betrachten, so werden wir dies auch nicht ausführen können. Z.B. ein Gedicht wie der Wieland'sche  korr. v. Hg. aus: AberonOberon, welche Gattung man das moderne Epos genannt hat, soll man dies bestimmt zu der einen oder der andren Gattung rechnen, kann man nicht auch versificirte Romane annehmen? So die Geschichte des Abälard und der Heloise in poetischen Briefen; wie wollte man also den Roman als eine wesentlich prosaische Gattung ansehen, während wir das Drama wesentlich auf die poetische Seite stellen? Wir können keinen bestimmten Grund hiezu angeben.

      Wir müssen wieder aus das Ursprüngliche zurückgehn, indem wir das betrachten, was sich an das unwillkürliche freie Spiel der Phantasie anschließt, mit dem wesentlichen Moment der Besinnung. Dies hilft aber nur für die | 48 kritische, nicht für die systematische Verfahrungsweise. Letztere wollen wir aber nicht gerne aufgeben. Können wir uns nun nach dieser Bestimmung die verschiedenen Gattungen construiren? Woher also sollen wir eine Classifikations-Princip finden für das ganze Gebiet der redenden Künste, eine genaue Bestimmung für das Gebiet der Dichtkunst? Gebundene oder ungebundene Rede kann also nicht das eigentliche Gebiet der Dichtkunst bestimmen. Wo aber das ganz Interesse aus nichts Anderem als dem Kunsttriebe hervorgegangen ist, wo, wenn wir ein abgeschlossenes Ganze von Gedankenerzeugung finden, können wir dies nicht als Poesie sehen und nichts Andres? Alle Compositionen also, die ursprünglich der Geschäftsthätigkeit angehören und die eigentlich didaktisch sind, also dem theoretischen Erkennen angehören, wollen wir ausschließen, und Alles Andere muß Dichtkunst sein.

      Wie ist es aber mit der Geschichtsschreibung? Wenn wir da rein auf die Materie sehn, so haben wir es mit nichts zu thun, was aus dem inneren Gedankenproceß genommen ist, sondern Alles von äußerlich Gegebenem und Wahrgenommenem. Dem Stoffe nach also kann hier kein Zweifel sein. Sehen wir aber auf die Art und Weise der Zusammenstellung, auf die Principien derselben und die Ideen, wie nun das Einzelne aufeinander bezogen wird, so müssen wir finden, daß es zwei ganz verschiedene Arten giebt, die von der persönlichen Eigenthümlichkeit und dem inneren Gedankenproceß herrühren. So wie die Geschichte aber eine solche Organisation hat, so bildet sie eine eigene Kunstgattung. Können wir dies nicht annehmen? Ich glaube, wir haben Grund genug, dieses aus unserm Gebiet auszuschließen. Denn worin hat die Verschiedenheit der Geschichtsschreibung ihren Grund? Kann man sie wohl eigentlich so subjectiviren? Das Princip in der Differenz wird doch nur auf der theoretischen Seite liegen der Speculation. Sie wäre also | 49 doch nur eine wissenschaftliche Kunst, welche wir aus unserem engeren Kreise ausschließen. Denn diese wissenschaftliche Kunst haben wir von Anfang an nicht geläugnet, wie bei dem mathematischen Lehrsaz.

      Man theilt die Dichtkunst gewöhnlich in epische, dramatische und lyrische, nach den drei Hauptgattungen der antiken Poesie. Für die moderne jedoch würde sie so wenig passen, als sie für die antike unvollständig wäre.

      Wir haben nun schon die redende Kunst und die bildende im Allgemeinen so unterschieden, daß diese ausgeht von der natürlichen Bilder- und Vorstellungs-Erzeugung(?) des Menschen, jene von dem Gedankenerzeugungsproceß, jedoch nicht von dem für die gebundenen Lebensthätigkeiten. Wir sehen Gestalten und reproduciren dies innerlich manigfaltig nach.  am linken Rand [Schließen]Bilden wir dieselben nun auch äußerlich ab, so entstehen Werke der bildenden Kunst. Als den zweiten Weg finden wir, daß wir diese Gestalten, wie sie uns vorschweben, beschreiben, und so würde auch von dem Bilder-Erzeugungs-Proceß redende Kunst ausgehen können. Es scheint also, daß wir Unrecht haben, hier so genau zu scheiden. Aber einen Schritt weiter finden wir freihlich die Scheidung offenbar. Es kann aber auch ebenso, müssen wir sagen, einen ursprünglichen Gedankenerzeugungsproceß geben. Es ist die ursprüngliche Gedankenerzeugung, welche auf der Wahrnehmung ruht. Dies schließt uns also schon eine Menge von Gegenständen und Formen ein. Sehen wir die Gedankenerzeugung schon als etwas Secundäres an, so müssen wir sie von der Wahrnehmung ableiten, während die ursprüngliche von der Empfindung ausgeht. Wie wir von dieser gesehen haben, daß sie sich unmittelbar durch die Geberde und den Ton äußert, so äußert sie sich mittelbar durch die Rede. Poesie vs. Philosophie
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      Die redende Kunst hat also auf der einen Seite eine gemeinschaftliche Wurzel mit der Mymik und Musik, auf der | 50 andern mit der bildenden Kunst. Giebt es nun nichts für diese Kunst, wo die Gedankenerzeugung das eigentlich primitive ist? Ich glaube, daß wir es leugnen müssen. Denn wo dieselbe eine primitive ist, da hat sie entweder eine Richtung auf das Erkennen oder auf das Praktische. Ein anderes drittes giebt es hier nicht als ein Zurückführen des einen auf das andere. Dort haben wir nur das Gebiet der Spekulation und der Wissenschaft, was an sich mit dem Kunstgebiet nichts gemein hat. Auf das eine von beiden wird der Gedanke in der Dichtkunst immer zurückgehn. Wir könnten die eine Art mit dem Namen der objektiven Poesie bezeichnen, weil sie von der Wahrnehmung ausgeht, während wir die von der Empfindung ausgehende die subjektive nennen können. In jener finden wir gleichsam das plastische, hier das musikalische Gebiet. Das epische und dramatische würde also beides dem objektiven Gebiete angehören; es geht von der Wahrnehmung von Gestalten aus und läßt sich auf diese zurückführen; und es ist auch dasjenige Gebiet, was die bildende Kunst zunächst an sich zieht und benuzt. Zur subjektiven Seite würde das Lyrische vorzüglich gehören und Alles, was wir dahin rechnen. Und dies ist auch das Gebiet, was die Musik vorzüglich an sich zieht, während ein episches Gedicht zu componiren niemand einfallen wird, so wenig als ein lyrisches plastisch darzustellen. Bei den Alten waren die lyrischen Gedichte nie ohne Musik. Poesie vs. Philosophie
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      Es giebt jedoch in der neueren Poesie eine Menge von Formen, von denen wir nicht recht wissen, ob wir sie der subjek | 51 tiven oder der objektiven Poesie zuschreiben sollen, z.B. die Ballade und die Romanze. Dem Gehalte nach scheint sie der objektiven, der Form nach der subjektiven anzugehören. Ebenso bei dem Lyrischen der Alten, z.B. einer Pindarischen Ode, finden wir wieder historisches Gebiet, eine Menge von Gestalten, die uns beschrieben werden, und also ein Zurückgehen auf das Plastische. Nicht weniger finden wir bei der objektiven Seite in der neueren Poesie häufig eine Richtung auf das subjektive.

      In der alten Poesie ist aber jenes Zusammensein beider mit einem Uebergewicht nach dem Plastischen hin, in der modernen nach dem Musikalischen hin. Die antike Poesie hat vielmehr ihr ganzes Wesen in dem Oeffentlichen gebildet, während die moderne mehr von dem Einzelnen, von dem Privat-Leben ausgeht. So fixirt sich auch die alte Poesie ganz und gar in ihrer Blüthe in dem Oeffentlichen. Das älteste ist das Epische, das späteste das Dramatische. In dem Dramatischen ging das Epische unter, bis es in veränderter Gestalt in der alexandrinischen Periode wieder hervortritt, wo wieder das dramatische unterging. Das Epische wurde von Rhapsoden recitirt in allen Kreisen der Gesellschaft; das Dramatische schloß sich dagegen an die großen Feste an. So sehen wir, daß das öffentliche Leben mehr und mehr die Kunst ergriffen hat; ja auch, wenn wir das Epische betrachten, so ist es nichts andres als die Darstellung des öffentlichen Lebens früherer Zeit. Das Subjektive daher bildete sich in das Objektive hinein, und das ist eben der Charakter der antiken Poesie, den wir vorher andeuteten. | 52 In der modernen Zeit finden wir gerade das Entgegengesetzte. Das Dramatische kann freihlich nur in dem Oeffentlichen hervortreten. Dieses hängt aber weder mit der bürgerlichen noch der religiösen Seite des Lebens zusammen und hat durchaus keinen anderen Charakter als den eine PrivatCirkels. Außerdem finden wir eine Menge dramatischer Werke, auch ohne zu dieser Oeffentlichkeit zu gelangen. Es fragt sich, ob alle Gattungen der Poesie in diese beiden Seiten aufgehen werden? Der antike Hymnus hat die epische Form, aber der Inhalt deutet auf das Lyrische. Wenn wir dagegen erwägen, daß der Hymnus gewöhnlich die Tendenz hat, die Geschichte der Götter darzustellen und nichts anderes behandelt, als was in den epischen und dramatischen Gedichten dargestellt wurde, so finden wir sie entschieden der epischen Poesie angehörend. Daneben finden wir den sogenannten Orpheischen Hymnus, bei dem wieder die subjektive Seite so hervortritt, daß kein Zweifel statt finden kann. Der Name muß nicht irre leiten –, er bezieht sich hier nur auf den Gegenstand, nicht auf die Form, und wir müssen in der That zwei Gattungen annehmen. Aehnlich finden wir es bei der Elegie. Eine ganz strenge Verschiedenheit können wir hier so wenig als bei irgend etwas Lebendigem, wie die Kunst ist, erwarten; wenn wir nur auf bestimmte Principien zurückkommen und die Uebergänge wahrnehmen.

      Was macht denn eigentlich das Wesen in dem Dramatischen aus? Die Verbindung mit der Mymik kann der Hauptunterschied nicht sein, obgleich es Platos Meinung ist (Republik ). Wenn wir z.B. an Homer denken, wie viel Gespräche haben wir nicht dort ausgeführt in der epischen Form. Warum könnte nicht eine solche Scene eben so gut mymisch dargestellt werden? | 53 Aber ist es deshalb ein Drama geworden? Am wenigsten hätten es die Griechen dafür anerkannt, bei denen die dramatische Form viel strenger war als bei uns. Und ist ferner die mymische Darstellung durchaus nothwendig? Dann würden wir das neuere Drama zerreißen. Ist auch der dramatisierte Roman, der bei uns so häufig ist, ein Drama? Gewiß hat er nicht die geringste Aehnlichkeit mit dem antiken Drama seinem Wesen nach. Im antiken Drama besteht der Gegensaz zum Epos in zweierlei: einmal in der Abgeschlossenheit der Handlung – es ist die Darstellung einer bestimmten Handlung, und eine Fortsezung ist unmöglich –; das zweite ist das Hinzutreten des lyrischen Elements, theils in den Handelnden selbst, theils in dem Chor. Im Epos finden wir im Gegentheil gleichsam die Unendlichkeit. Was das lyrische Element betrift, so finden wir allerdings auch in dem Epos sehr exitirte Reden, aber durchaus niemals mit Veränderung der Form und daher der objektiven Erzählung untergeordnet. In dem Drama sind dagegen die exitirten Reden, welche zur Handlung gehören, durchaus zu unterscheiden von denen, welche die Handlung nicht fördern. Die ersteren behalten den Trimeter, die gewohnte Dialogs-Weise, diese dagegen haben ein eignes Versmaaß.

      Ist denn nun eine Einheit des antiken Drama und des modernen? Die Franzosen halten sich genau an das Eine, das rein abgeschlossene Ganze zu geben, und haben daher auch Chakspear getadelt. Das andre Element haben wir dagegen in dem modernen Drama gar nicht. Wir haben zwar die Monologen, von denen man aber gar nicht sagen kann, daß sie das lyrische Element repräsentiren. Denn gewöhnlich folgt unmittelbar eine Handlung daraus, und sie stehen in der genausten Verbindung mit der Handlung. Was wird daraus folgen? Daß der Gegensatz zwischen dem Dramatischen und dem Epischen gar nicht so streng ist in dem Modernen, daß das Drama bei uns viel von dem Epischen haben kann, von | 54 der Unendlichkeit der Handlung. So finden wir zufällige Personen nicht selten; manche haben so gut wie gar keinen Antheil an der Handlung, und es ist kein ursprünglicher Grund für das Zusammensein der handelnden Personen da. Wenn wir nun noch dazu nehmen, wie bei den Alten ein Drama anders als in Beziehung auf die Aufführung gar nicht vorkam, so wird uns auch dies einen großen Unterschied zeigen, indem es hier etwas ganz Zufälliges und fast Gleichgültiges ist. Wenn man das Epos der Alten vergleicht mit dem, was bei uns in dieser Gattung gedichtet worden, so finden wir bei den Neueren dagegen eine viel größere Abgeschlossenheit und Einheit der Handlung; so Miltons verlorenes Paradies, so die Messiade. So finden wir auch das Lyrische z.B. in der Messiade eine große Rolle spielen, und es erscheint gleichsam als ein collossales Drama. Wir müssen also sagen, daß im antiken Drama die Formen viel strenger geschieden sind als im modernen.

      Wir kommen nun auf einen andren Unterschied, auf den des Tragischen und des Komischen. Er ist nicht blos dramatisch, sondern findet auch im Epos seine Anwendung. Wie steht es mit diesem Gegensaz in der modernen Poesie? Es giebt solche epische Gedichte, die das Komische ganz ausschließen, dagegen andre, wo das Komische wiederum dominirt. Im Dramatischen haben wir ebenfals Tragödie und Komödie. Aber wie ist es mit diesem Gegensatz? Die Tragödie hat man mit Recht geschieden in bürgerliche Tragödie und hohe Tragödie. Die erstere ist des Komischen nicht fähig, nur die hohe, wie Chakspear und Calderon in vielen Werken, läßt es zu. Also auch hier finden wir den Gegensaz nicht ganz rein. Sehen wir die Sache jezt von Seiten des Gegenstandes an. Da sind wir durchaus im Dunklen über die Entstehung des antiken Epos. Die Frage, was Homer denn eigentlich erfunden habe, ist nicht | 55 zu beantworten. Ja auch über die einheimische(?) Götterwelt sind wir ungewiß, wie weit das mythologische System ausgebildet war vor Homer; ob dieses Leben der Götter ganz so, wie es Homer schildert, im Volksleben schon als Glaube bestanden habe. Dennoch sind diese Fragen für den HumanitätsWerth des antiken Epos sehr wichtig, viel wichtiger als, ob Homer der Verfasser sämtlicher Gedichte ist, und ähnliche, nur für die Critik wichtige, für die Theorie der Kunst sehr unbedeutende Fragen. Wennn wir uns dies wegdenken, das Miteinanderleben der Götter und Menschen auf der einen Seite, auf der andern die Größe des Gegenstandes als einer Vereinigung sonst ganz getrennter Elemente zu einem bestimmten Zweck, doch ohne daß eine Einheit der Handlung entstünde, so haben wir auch nicht mehr den Charakter des antiken Epos. Sehen wir dagegen auf das moderne Epos, z.B. den Wielandschen Oberon, den man so genannt hat, so haben wir hier an der Stelle der Götter zauberische, übernatürliche Wesen, die aber immer als etwas Zufälliges erscheinen, ohne daß eine Lebendigkeit des Lebens oder eine constante Vorstellung dabei denkbar ist. Das Bestreben, in den Homerischen Gedichten das Leben der Zeit lebendig darzustellen, darin(?) das Zusammenmischen des Göttlichen und des Menschlichen, woraus die Entwicklungen der Handlungen hervorgehen, fehlt in dem modernen ganz und muß fehlen. Der didaktische Charakter, der so sehr wichtig ist, der eine wesentliche Tendenz des antiken Epos ist, ist ganz verloren gegangen. Daher läßt sich bei Homer Alles malen bis in die kleinsten Details, Costüme, Oertlichkeit usw. und wir finden also die bestimmteste Richtung auf die Wirklichkeit, wovon die neuere Poesie garnichts weiß. Zu einer solchen genauen Vorstellung würde es in der Messiade von allen Seiten fehlen. | 56

      Sehen wir auf die antike Form, so hat der Hexameter, der für das Epische eigenthümlich ist, in dem Dramatischen fast gar keinen Platz; er ist allem Strophischen völlig fremd, in sich selbst ins Unendliche wiederholbar, während das Dramatische den trimetrischen Jambus vorzüglich hat, und das Lyrische sich alle Strophen aneignet.

      In dem Niebellungen-Lied haben wir  korr. v. Hg. aus: dendas Distichon, das dem Strophischen schon sehr nahe kommt. Die Franzosen haben den Alexandriner sowohl für das Epische als für den dramatischen Dialog, der mit dem antiken Trimeter Aehnlichkeit hat. Aehnlich bei den Engländern. So finden wir in dem Modernen eine Neigung zur Prosa, welches im Dramatischen sogar ganz und gar vorkommt, und eine Aehnlichkeit der epischen und dramatischen Form im Gegensaz zum Antiken. Wir finden eine strenge Sonderung im Antiken, die wir im Modernen gar nicht finden. So ist z.B. zwischen Tassos befreitem Jerusalem und der Iliade im Allgemeinen eine große Aehnlichkeit; in beiden ein Krieg als die Hauptsache, zu welchem die Helden zusammentreten. Zeitliches und menschliches Interesse ist gemischt. Sowie wir aber ins Einzelne gehn, finden wir diesen großen Unterschied: Homer, wie er unbefangen angeschaut hat, so stellt er auch unbefangen dar. Es scheint sein Werk ein reiner Spiegel der wirklich wahrgenommenen Thatsachen zu sein. Und das möchten wir das rein Objektive nennen, während im Tasso sich überall subjektives einmischt und wir keinen rechten Grund sehen können, warum der Dichter den Gegenstand gerade so und nicht anders dargestellt habe.

      In der Iliade haben wir ebensowenig eine Einheit als beim reinen Schauen. Es wird dargestellt, wie sich dem Schauenden eines nach dem anderen natürlich anreiht, während | 57 im modernen Epos eine dramatische Neigung ist, abzuschließen. Das Römische Epos hat schon viel mehr eine Richtung zum Modernen hin, wie es sich nachher in der Italienischen Poesie entwickelt hat. Von diesem Standpunkt aus werden wir sehr leicht begreifen können, welchen Einfluß das Epos bei den Griechen ausüben mußte. Denn es war wirklich die reine Anschauung einer Zeit darin niedergelegt, welche nun gleichsam abgeschlossen war durch große nationale Begebenheiten. Lange sind diese epischen Gedichte nur rhapsodienweise vorgetragen [worden], und man wird es daher wahrscheinlicher für das Produkt eines Zeitalters, nicht eines Einzelnen halten, welches aber beinahe gleichgültig erscheint, da gerade hier der Dichter als Einzelner so sehr zurücktritt.

      Die homerische Poesie, die Poseie des Hesiodos, die hymnische Poesie der Homeriden und die cyclischen Gedichte, die sich an die homerischen Gedichte anschließen und die Orphischen, welche sich an die hymnische Poesie anschließen, werden hier das wesentlich bemerkenswerthe sein. Die cyklischen Gedichte werden wir wohl leicht abfertigen können, denn sie verhalten sich zu den Homerischen wie das Mittelmäßige zu dem Genialen, indem sie sich in demselben Cyklus bewegen.

      Die Iliade und Odyssee ist allerdings auch schon verschieden. Die Hauptdifferenz ist wohl die, daß in der Iliade Alles von einem bestimmten geographischen Punkt gebunden ist. In der Odyssee dagegen ist kein geographischer Standpunkt; gerade der ewige Wechsel der Verhältnisse ist der Faden, an welchem sich das Ganze fortspinnt, und doch ist hier vermöge dieser Differenz vielmehr Willkür und Erfindung – nicht als ob in der Iliade nicht auch erfunden wäre –, aber offenbar konnte doch in der Odyssee eine Menge von fabelhaften Anklängen | 58 zu einem realen Stoff bearbeitet werden. Wenn wir solche Differenzen in eine Vergleichung stellen, so kann man wohl sagen, daß die Odyssee sich mehr dem Modernen nähert, doch so, daß nur gleichsam ein Tropfen davon dem Gedichte eine etwas andere Färbung gebe. Die homerischen Gedichte sind encyclopädisch, sie sind zugleich die Fundgrube alles damals Vorhandenen. In der Achilläis von Goethe finden wir sehr viel Homerisches und wahrhaft Episches – aber von der Neigung zum Musikalischen hat er sich doch nicht ganz frei machen können, und dieses ist im Homer wirklich völlig Null.

      Wenn wir die Hesiodische Poesie mit dem Homer vergleichen, so finden wir allerdings schon eine Sonderung(?). Der Stoff ist eigentlich keiner im Hesiodos z.B. in der Theogonie, wie er auch im Homer vorkommen kann und vorkommt, nur dort in Verbindung mit dem Leben und dem Menschlichen; und diese Sonderung(?) ist gerade dem Hesiodus nicht günstig. Das Homeridische hat ebenfals diese Sonderung(?) größtentheils. Von der Orphischen Poesie ist es schwer, etwas Bestimmtes zu sagen – man kann die Zeit größtentheils nicht einmal angeben. Hier ist die Neigung zu dem Mystischen das Vorherrschende, und das Epische ist eigentlich nur die Form. Wir finden hier den Uebergang von dem Epischen zu dem Lyrischen. In dem strengen Gegensaz aber des Epischen und des Dramatischen finden wir eine besondere Eigenthümlichkeit der Alten.

      Die Alexandrinischen Gedichte sind eine Bildung, die auf der homerischen ruht. Wir haben die Nachahmung des Homerischen darin. Da aber die Fülle des wirklichen Lebens in dieser Beziehung damals fehlte, so tragen sie auch im Wesentlichen mit jenem eine bleiche Farbe und stellen sich von selbst auf eine untergeordnete Stufe. | 59

      Poesie vs. Philosophie
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      Das philosophische Naturgedicht enthält reine(?) Spekulation über das was, dem sinnlichen Schauen zum Grunde liegt (Parmenides, Xenophanes); sie führen durchaus von dem unmittelbar Sinnlichen ab. Hier ist zu betrachten, wie allerdings Anklänge von der Spekulation über die Natur vorkommen, wie wir es bei Hesiod bemerkt haben. Die Götter sind die aus dem Chaos bildenden und gestaltenden Wesen, obgleich selbst aus demselben hervorgegangen; also das reine innere Naturleben, was dem Sinnlichen überall zum Grunde liegt. Daher findet man besonders bis Parmenides ein großes Streben nach streng dialektischen Formen, so daß wir uns wundern könnten, wie er die poetischen Formen beibehalten habe. Dies(?) muß sich uns aus dem Verhältniß der Sprache erklären. Das philosophische Gedicht liegt rein auf der Seite des Erkennens, wie sich dieses in der Tiefe des Gemüthes gebildet hat. Der Zweck ist, diese bestimmte Ueberzeugung mitzutheilen. Die Sprache ist hier nur Mittel. Dennoch müssen wir es für eine noch unvollendete Form halten. Die höhere prosaische Sprache hatte sich noch nicht ausgebildet, so daß sich das Philosophische hiebei noch an die Kunst anschloß. Warum sich aber die Philosophie dem Epischen, nicht dem Lyrischen anschloß, das ist klar, wenn man bedenkt, daß es sich um die reine Darstellung der Anschauung handelte; daß man sich also in einem objektiven, nicht subjektiven Gebiete bewegte. Als solches wollten jene Philosophen selbst es keineswegs angesehn haben. Es war die Form des Begriffs von der des Bildes noch nicht streng geschieden, besonders im Parmenides, wo wir überall Vermischung des Bildes mit der dialektischen Form finden. Diese bildet sich gleichsam aus jenem heraus. Poesie vs. Philosophie
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      Das Drama

      Wenn wir von dem Epos herübersehen, müssen wir auf die schon genannten zwei Hauptpunkte sehen: zuerst die streng abgeschlossene Handlung im Drama, nach welcher wesentlich nichts mehr hinzugesezt werden kann, und die nothwendig die Theilnahme erregende Natur dieser Handlung, im Gegensaz zu der Unendlichkeit des Epos. Daß außer den handelnden Personen Schauende da sind im Chor, deren Theilnahme an der Handlung beinahe Null ist, das ist ein Unterschied des antiken Dramas von dem modernen, welchen wir wieder aus dem öffentlichen Leben erklären müssen, dem das antike Drama durchaus angehört; während bei uns, wo es dem Privat-Leben angehört und z.B. im Zimmer eingeschlossen ist, der Chor gar nicht zugelassen wird. Der Chor repräsentirt das lyrische, das musikalische Element,  am rechten Rand [Schließen]ja die Musik gleichsam in poetischer Form, phantasirend über die Handlung, frei und nur lose an dieselbe gebunden, welches als die Begleitung zur Handlung erscheint. Die Personen, können wir sagen, sind die reine Poesie. So angesehn stellt sich uns das Ganze als eine natürliche Form dar.

      Von einem Drama, was nicht dargestellt werden sollte, ohne Beziehung auf die Darstellung, wußte man bei den Alten nichts. In der Verbindung der Künste unter einander war überhaupt gar nicht ein so freies Zusammenwirken als bei uns. Der Dichter gab die Musik an und auch die Mymik. Der Mymiker war gar kein unabhängiger Künstler, sondern lediglich von dem Dichter eingeübt(?); und ebenso abhängig war die Musik. So erscheint uns die antike Tragödie durchaus als ein Ganzes, in welcher alle Arten von Kunst-Darstellungen mitwirkten zu dem einen Zwecke des Dichters.

      Ein anderer Punkt, der uns einen Unterschied mit dem Modernen | 61 giebt, ist der Gegenstand. Die Tragödie schloß sich durchaus, wie das Epos, an die Sage(?) an. Mythische Personen treten auf, und bedeutende Momente ihres Lebens werden entwickelt. Es war jedoch gar keine Nothwendigkeit, daß die Charaktere immer dieselbigen waren, oft nicht einmal bei demselben Dichter in verschiedenen Tragödien. Daraus ergiebt sich, wie die CharakterZeichnung der Alten anzusehn ist. Sie diente durchaus der Handlung, diese war der eigentliche Zweck. Es sollte nicht in dem dargestellten Moment ein Spiegel gegeben sein für das ganze Leben des Helden, wie dies im modernen Drama oft die Tendenz ist, vielmehr kam auf die historische Wahrheit und Genauigkeit gar nichts an, wie dies schon oben gesagt worden ist.

      Diese Auseinandersezung macht uns klar, daß die Ueberraschung aus der antiken Tragödie ganz ausgeschlossen war, denn die Sage war bekannt. Dieses müssen wir allerdings als etwas sehr Vollkommenes und rein Künstlerisches ansehen, da die Ueberraschung durchaus etwas Fremdes ist. Hiermit hängt zusammen, daß die Erfindung bei den Alten einen andren Plaz hatte als bei uns – sie brachte nur die eigenthümliche Composition in dem Einzelnen hervor, der Gegenstand war aus der historischen und mythischen Welt genommen und wurde nie erfunden. Wenn nun in einer jeden solchen Einheit einer Handlung nothwendig ein Gegensaz sein muß und zwei Widerstreitende, sei es Partheien, Maximen, Lebensansichten, weil ohne diesen Gegensaz die Einheit in der Mannigfaltigkeit fehlen würde, so giebt uns auch dieser Gesichtspunkt die Wahrscheinlichkeit an, daß an constante Maximen usw. hier nicht zu denken ist  am linken Rand [Schließen]da die Gegenstände nur aus der gegebenen und bekannten Welt genommen werden konnten(?), und eine solche Genauigkeit den freien Spielraum der Dichtung gänzlich beschränkt hätte. Mit der Handlung zugleich muß auch das lyrische(?) Spiel der Gegensätze(?), gleichsam als Musik, einen Schluß haben; es muß beruhigt sein in der Seele des Zuschauers. Die Ruhe, welche das antike Drama hervorbringt, hängt durchaus nicht mit dem Triumph der Gerechtigkeit zusammen; es ist oft nur die Ruhe des Unterwerfens unter das unbegreifliche und dem Recht gleichsam hohnsprechende Schicksal. Es ist gleich | 62 sam die geheimnißvolle Nemesis, der man sich unterwirft. Wenn wir nun auf der andren Seite fragen, was das Gesez der Mannigfaltigkeit ist in der Tragödie, so müssen wir wieder auf das Aeußere mehr sehen, nemlich auf die Behandlungsweise der Sprache in dem antiken Drama.

      Der Chor wurde bald auf eine gewisse Anzahl reducirt, die er nicht übersteigen durfte – inneren Zusammenhang mit dem Drama hat er nicht – aber wohl die Anzahl der handelnden Personen. Wir finden hier im antiken und modernen Drama verschiedene Ansichten. Im Modernen haben wir oft eine sehr große Anzahl handelnder Personen, alle mehr oder weniger zur Handlung gehörig. Dadurch wird das Ganze schwierig zu übersehn, da doch dem Zuschauer immer das Ganze in jedem Augenblick vorschweben soll. Die Alten, die gar kein Drama unabhängig von der Ausführung kannten, hatten auch hierin einen Grund, alles(?) einfach zu halten. Daher tritt bei ihnen die größte Bestimmtheit der Handlung hervor. Je größer hierbei doch die Mannigfaltigkeit des Lebens sich darstellte, desto vortrefflicher war das Kunstwerk. Der Ausgang hat nur die Abgeschlossenheit, die gar nicht nothwendig der Tod in der Tragödie ist. Nur die gewichtige Entwickelung ist wesentlich. Es ist immer nur das ethos, die individuelle Beweglichkeit des Gemüthes, worauf sich die Darstellung bezieht. Je bestimmter die Einzelnen gegeneinander sich abscheiden, ohne grelle Contraste zu bewirken, desto vortrefflicher ist das Kunstwerk. Hierzu müssen wir noch mehreres sagen in Beziehung auf die Sprache. Prosa kennen die Alten nicht im Drama, wogegen die Neueren glauben, daß sie zur Darstellung des Natürlichen beitrüge. Wenn wir davon ausgehn, daß überall das Kunstmäßige sein Maaß in sich selbst haben soll, so ist das Kunstmäßige erst dadurch aus dem wirklichen Leben herausgetreten, wenn es auch in der Sprache durch die vollkommene Gemessenheit bedingt und beherrscht wird. In der Prosa können weitmehr ungemessene rein(?) leidenschaftliche Bewegungen hervortreten, wogegen durch das Sylbenmaaß schon die Darstellung der inneren Bewegung gehemmt  Nachfolgend fehlt mindestens ein Blatt im Manuskript (Überlieferungslücke); die Seitenzählung ist trotzdem fortlaufend, offenbar weil der Seitenverlust bereits bei der Nummerierung bestand. [Schließen]wird. | 63

       leer (1 Seite) [...]

      [Doch soll nicht bestritten werden,] daß geistreiche Romane nicht auch in der Gegenwart spielen könnten  am linken Rand [Schließen]sie müßen nur dasselbe hier beobachten, z.B. Göthes Wahlverwandtschaften, wo Ansichten und Grundsäze entwickelt sind mit dem tiefsten Geist, die von dem größten Einfluß, von der größten Bedeutung für das gegenwärtige Leben sind. Wilhelm Meister dagegen möchten wir nicht diesem neuen Typus zuschreiben – erstens ist die Negativität in dem Helden, in den Subjekten offenbar zu groß. Die ganze Darstellung ist zu sehr für eine gewisse Klasse berechnet, zwar von dem größten Einfluß auf das Leben des Dichters, aber nicht für die Zeit, wogegen das Allgemeine, was darin ist, durchaus an Willkürlichkeit leidet.

      Nichts ist aber gemeiner als ein Roman, der dem Leser nichts Fremdes vor Augen bringt, nichts als was das gemeine, gewöhnliche Leben baut [bietet], und wo dazu noch die Unbestimmtheit der Zeit und der Meinungen hinzutritt.

      Wenn wir geschichtlich zurückgehn und die Poesie an einem zusammenhängenden Faden festhalten wollen, so können wir nicht weiter zurückgehen als in das 15te Jahrhundert, als in die Zeit, wo überhaupt eine neue Zeit begann, und der Geist des Mittelalters wich. Je mehr die Dichter einheimisch wurden in ihrer eignen Sprache und zu ihrer Bildung beitrugen, dabei aber eine unmittelbare Bekanntschaft mit den alten Kunstwerken hervorriefen, desto mehr mußte dies auch zum Bewußtsein kommen und die Frage erregen, in wie weit es möglich sei, in der Art der Alten genau zu dichten, worin ohne Zweifel wir das meiste gethan haben. Hieran grenzt die Uebersezung. Das Versuchen, wie weit sich die Sprache ausdehnen und verschieben lasse, ohne ihren eigenthümlichen Charakter zu verlieren, ist allerdings ein Gegenstand der Kunst, und es kommt dabei gar nicht an auf die Genauigkeit, womit Werke | 64 wiedergegeben werden können. Sondern es kommt besonders an auf die musikalische Behandlung der kunstgemäßen Sprache und damit zusammenhängend die Lösung(?) von dem Reim, und wir müssen von dem musikalischen Theil der Sprache in noch höherem Grade zugeben, was wir bei der Musik gesagt haben, daß die Behandlung der Instrumente auch wahren Kunstsinn und Kunsttalent voraussetze. Wir haben hier also ein Gebiet, welches auch der Kunst angehört; ist aber seinem ganzen Charakter nach ein kritisches und gelehrtes. Wir können es vergleichen mit einem großen Theile der Alexandrinischen Poesie, wo die alten Formen und Dialekte, die erstorben waren, nachgebildet wurden. Es war aber nicht allein Sprache und Form sondern auch die Gegenstände, welche man nachbildete, und zwar auf eine natürliche Weise, wegen des ganzen natürlichen Zusammenhanges unsrer Bildung mit dem klassischen Alterthum.

      Solgers Uebersetzung des Sophokles hat sich die genaue Nachbildung des Versmaaßes zur Pflicht gemacht, und (?) wir haben schon gesagt, daß Manches für unser Ohr nicht zu fassen sei, und die Aufgabe ist vielleicht zu groß. Accente und Quantitätszeichen mußten(?) hinzugefügt werden, was schon etwas Unnatürliches ist und lezteres bestätigt.

      Die Art, wie die Stolberge die Aufgabe gelöst haben, indem sie ganz andre lyrische Strophen usw. nehmen aus bestimmten andern Gebieten, z.B. aus dem Horaz, um die Chöre zu übertragen, hat wieder zuviel Willkür angewendet. Aber dies bestätigt nur die Schwierigkeit der Aufgabe und daß die Uebersetzung das tiefste Eindringen in die fremde Sprache fordert, das bestimmteste Gefühl, wie sich die eine Sprache in der andern abspiegeln lasse und also keinen geringen Grad von Kunsttalent heischt. | 65

      Gehen wir von der Uebersezung über auf die Nachbildung, so finden wir diese bei uns auf eine ausschließende Weise. Die Romanischen Völker haben einen kurzen Versuch gemacht, die alten Sylbenmaaße nachzubilden, bald aber wieder aufgegeben. Auch die nordischen Sprachen haben nichts Bedeutendes in dieser Hinsicht. Vorzüglich haben wir in dem epischen Versmaaße und in dem der Elegie Gedichte, und es schien, daß dieses die alte deutsche Art des Reims ganz verdrängen würde. Die Nachbildung hat offenbar einen sehr vortheilhaften Einfluß auf unsre Sprachbildung gehabt. Man hat nachgedacht über die metrischen Verhältnisse und den logischen Accent usw. Es hing die Nachbildung der alten Sylbenmaaße auch zusammen mit einer freieren Stellung der Sprache, und wir haben uns hierdurch aus den Fesseln gerissen, welche die Romanischen Sprachen binden und welche besonders die französische uns mitzutheilen drohte. Mehr oder weniger aber sind diese Verbesserungen noch nicht populär, und man muß daher sehr behutsam damit sein.

      Ist es aber nicht doch ein eitles Bemühn, die alten Formen zu übertragen, da wir schon gestehn, daß wir sie doch nicht vollständig erreichen können. Wie man anfangs diese Versuche überschäzte, so hat man sie jezt ungerecht zurückgesezt. Das Dystichon zwar ist die eigenthümliche ursprüngliche epische Form und der sehr wenig verschränkte Reim; die Stanze ist uns doch nicht ganz einheimisch. Das altdeutsche Dystichon nähert sich mehr der Romanischen Form als  korr. v. Hg. aus: dendem Antiken. Die den Alten nachgebildeten Formen haben aber unläugbar eine größere Annäherung an das antike Epos hervorgebracht – z.B. verglichen: Göthes Hermann und Dorothea und Louise von Voß mit Wielands Oberon, welches in Stanzen geschrieben ist. Wir haben also an eigentlich poetischer Ausdehnung gewonnen durch diese Veränderungen, welches wir dem gründlicheren Studium der antiken Poesie verdanken. Wir glauben daher nicht, daß man dies rein als eine | 66 Verirrung ansehen muß, sondern als ein jezt unsrer Dichtung constant gewordenes Element. Wenn wir nun auf einer Seite die antiken, auf der andren Seite die Romanischen Formen nachbilden, was bleibt dann das Ursprüngliche? Dieses haben wir im Lied, was sich die Form selbständig schon in den Zeiten der Minnesänger bildete. Die Nachbildung antiker Sylbenmaaße in demlyrischen Gedichte hat jedoch nicht so gelingen wollen als im epischen Gedichte – z.B. Klopstock. Diese Art der Ode, wo theils antike Sylbenmaaße nachgebildet, theils neu  korr. v. Hg. aus: erfundenenerfunden wurden, hat nicht recht einheimisch bei uns werden wollen – so bei Klopstocks Oden. Wir fühlen uns immer fremd und müssen bedauern, daß eine so große lyrische Kraft eine so ungenießbare Form gefunden hat. Unsre Messung ist zu wenig streng für diese Maaße.

      Wie verhält sich eigentlich das Silbenmaaß als gemessene Sprache. Man hat diese Form darauf begründen wollen, daß man die ganze Poesie auflösen könne, ohne daß sie ihre Kraft auf das Gemüth verlöre. Dies hat man sogar bis auf die Einkleidung zurückgeführt. Das Princip geht davon aus, daß es gar keinen natürlichen Zusammenhang gebe für Inhalt und Form, als ob der Dichter erst den Gedanken machte, dann die poetische Einkleidung und dann erst das Metrum. Die dichterische Composition ist aber gar nicht ohne die sinnliche Kraft der Sprache denkbar. Je mehr beides durchaus in einander verwachsen ist, um desto vollkommener ist das Ganze, desto mehr muß man es auch gleichsam auf einen Schlag entstanden denken, indem die Poesie selbst ihrem Inhalte nach angedeutet ist in der Seele; und so ist sie auch schon mit dem ihr angemessenen Typus der Form angedeutet. So wie dieses Verhältniß wirklich ist in dem Dichter, so wiederholt | 67 es sich auch in dem Aufnehmenden. Es ist nicht möglich, daß der Inhalt des Gedichtes auf eine lebendige Weise aufgehe, wenn nicht auch die klare Form sich damit einprägt. Wenn wir eine Strophe nicht gleich verstehn, so verlieren wir vieles von der Wirkung des Ganzen(?); wie man z.B. in den Klopstockschen Oden oft des übergezeichneten Versmaaßes bedarf.  am linken Rand [Schließen]Daher ist auch die Popularität der Klopstockschen Oden so bald verschwunden. Die Form der französischen Ode, welche auch ziemlich willkürlich ist, würde uns eben so fremd sein. Wir können uns also auf der einen Seite nähern dem Romanischen, wo sich dann auch dem Inhalt etwas von dem südlichen Himmel mittheilen wird; auf der andern Seite dem Antiken, wie wir schon gesehen haben, mit großem Gewinn.  am linken Rand [Schließen]Ganz möchte ich die antike Form doch nicht verwerfen; nur kann es kein häufig angewandtes populäres Versmaaß sein. Für den hohen erhabensten Styl aber der Ode ist für mein Gefühl keine Form angemessener, (siehe die Ode an den Unendlichen, an den Allgegenwärtigen usw.) gleichsam collossal, und so muß auch der Gedankengang sein. Für alles Andre bin ich ganz der ausgesprochenen Meinung, für alles Scherzhafte(?) und Leichte und was daran grenzt, ist die Form drückend, beschwerlich, ungenießbar, und Klopstock hat sie offenbar viel, viel zu allgemein angewandt. Wie steht es in dieser Beziehung mit dem Dramatischen? Wo sollen wir aber hier anfangen und die Grenzen ziehn? Wenn wir auf die Form sehn, so finden wir Versuche, die antike Form nachzubilden. Dergleichen haben die beiden Stolberge zuerst geliefert, später ist uns dergleichen auch von Schiller in beschränkterem Sinn gegeben. Bei weitem überwiegender ist aber die Nachahmung der französischen Form gewesen, welche auch auf das Italienische Drama übergegangen ist; und auf der andern Seite die Prosa. Die neuen vortrefflichen spanischen Uebersezungen lassen uns vielleicht für die Nachbildung der schönen spanischen Formen auch vieles erwarten. Die Nachbildung des Antiken müssen wir hier schon als verschollen ansehn. Sie hängt auch so sehr an der Art des Gegenstandes und ist uns so unerreichbar, daß uns dergleichen immer etwas Fremdes und Gezwungenes bleiben muß.

      Betrachten wir auf der andern Seite das Französische, so muß uns dies eigentlich als das allertodteste erscheinen und nur bei | 68 einem Volke, wo das Conventionelle ein so großes Gewicht hat, hat auch dergleichen nur bestehen können, woher wir uns sehr bald von dieser Beschränkung frei gemacht haben.

      Wie steht es mit der Prosa? Wir befinden uns hier in einer Indifferenz. Wenn man die prosaische Form ableitet von dem Grundsaze der Natürlichkeit, so ist dies etwas ganz Verkehrtes(?). Hier scheint jedoch ein allgemeines Gesez gar nicht gegeben werden zu können. Es muß ein richtiger Tact in dem Dichter obwalten, wie sich sein Gegenstand zu der großen Freiheit der Form, die wir hier haben, verhalte. Einige(?) Dichtungen haben wir auch, wo sich dieser Tact des Dichters ausspricht. Wenn wir uns z.B. wollten den Göthischen Tasso in Prosa und den Götz von Berlichingen in Versen denken, so scheint uns dies ganz verwirrt.

      Was die Nachbildung des Antiken in den kleineren Gattungen betrifft, so kennen wir diese nicht genau; es scheint jedoch auch hier eine gewisse Gleichmäßigkeit unsrer Sprache zu sein zu dem Antiken und den modernen Formen; und beide muß man im Allgemeinen unsrer Sprache angemessen finden, und nur der Inhalt würde bestimmen. Das gilt auch von Allem, was sich dem Epigrammatischen nähert: so möchte ich wohl glauben, daß, wie unsre Sprache überhaupt Uebersezungen zu Wege gebracht hat, so, daß die Originalsprache in ihrer ganzen Natur immer durchtritt(?) und durchschimmert, um so mehr auch wir unsrer Sprache das Recht zusprechen müssen, sich in antiker und fremder Form natürlich und ohne Schaden zu bewegen.

      Die Behandlung antiker Stoffe für die moderne Poesie

      Hierüber gleichsam a priori feste Regeln aufzustellen, scheint sehr unangemessen; wir müssen uns mehr am Historischen halten. Cheakspear z.B. hat die alte Geschichte bearbeitet auf der einen Seite, auf der | 69 andern Seite die Novelle ohne einen bestimmten Unterschied beider Arten. Hier ist ein bestimmter Unterschied gar nicht wahr zu nehmen, und auch die Wirkung ist ganz dieselbige. Wenn wir auf demselben Gebiet die französische Tragödie betrachten, die größtentheils antike Stoffe behandelt, so müssen wir daran denken, daß das Verhältniß der antiken und modernen Sprache wegen des Zusammenhanges nicht so fremd ist als bei den germanischen Völkern. Und dann haben sie immer alle Personen behandelt wie Franzosen in fremden Situationen. Wo das Volk einer solchen Bühne gegenübersteht, das von dem Alterthum nichts weiß, wenn zugleich der Grundsaz ist, zu modernisiren oder eigentlich zu französisiren, so ist für das Volk gar keine Störung da; nur für die, welche das Alterthum kennen, wird nichts wirklich Antikes geleistet.

      Ganz anders ist es, wenn bei uns der antike Stoff bearbeitet wird, wie Iphigenie von Göthe, Ion von Schlegel. Sehen wir auch hier auf das Volk, so müssen wir sie immer gelehrter Natur halten, welche sich dem Volk nicht mittheilen. Sehen wir aber auf ein Publikum, für welches der Stoff geeignet ist, so ist da schon viel größeres, unmittelbares Verständniß. Das „du“ der Alten fällt uns gar nicht mehr auf, während die Franzosen sie sich mit monsieur und madame anreden lassen. Gehn wir aber etwas tiefer, so werden wir freihlich in der ganzen Denkweise doch große Differenzen finden. Aber nun ist auch eine Seite zu betrachten, das ist der Gebrauch der antiken Poesie in der Kunst. Dieser war früher auch in der Prosa ein unentbehrlicher Gegenstand, und in den Gedichten spielte er eine große Rolle, vorzüglich in den erotischen. Es giebt nun auch Versuche, unsre eigne volksthümliche Mythologie in die Poesie zu verweben. | 70 Klopstocks Oden sind hier besonders zu merken; diese aber sind grade am wenigsten volksthümlich geworden; etwas mehr Eindruck sollen sie freihlich auf die nordischen Völker gemacht haben; doch scheint dies auch nicht von(?) Erheb(?) zu sein, sondern natürlich macht in einem so kleinen Volke ein eigenthümliches Product ihres Landes Effekt, ohne daß wir den reinen Eindruck vorauszusezen brauchten.

      Nun können wir die Parallele mit dem Antiken ziehn. Dem Volk ist das eine so fremd als das andre –, den Gebildeten ist der Cyclus freihlich bekannt –; und so wäre die Mythologie als Stoff nur zu loben. Aber als beständige Ausdrucksweise und die einzige Form, die Gedanken darzustellen, muß man sie allerdings sehr tadeln. Denn so nahe sind wir dem Geiste des Alterthums nicht, es hat und muß uns und unserer Denkungsweise etwas Fremdes haben, woher man auch diesen Misbrauch bald wieder aus unsrer Poesie verbannt hat. Wir sehen aber, daß unser Kunstgebiet immer ein Zusammengeseztes sein wird aus mehreren Elementen, welches aber ganz der Wahrheit gemäß ist. Denn dies ist das Verhältniß mit unserer ganzen Bildung.

      Es ist nun noch von der Beredsamkeit zu sprechen, in so fern diese hierher gehört. Wo der Gedankenerzeugensstoff im Gebiet des Erkennens ist oder die gebundene Thätigkeit, da ist die Beredsamkeit, haben wir gesagt, als Kunst an einem Andren. Die Kunst ist an einem Geschäft, d.h. es ist auf der einen Seite das Musikalische in der Sprache, was denselben Regeln unterworfen ist, die auch den mechanischen Theil, wenn man es so nennen will, der Dichtkunst ausmachen und diejenigen Zuthaten, welche nicht zu dem Gegenstande | 71 genau gehören, sondern gleichsam als Darstellungsmittel, als Ausdruck dastehn, so gehört dies auch hierher. So Alles, was Beispiel, Alles, was Bild ist, wie wir dies denn auch im Gebiet der Dichtkunst finden. Wir sehen leicht, daß dies aber nichts ist, worüber es lohnen könnte, eine Theorie aufzustellen – denn was eigentlich wichtig ist, daß dergleichen im richtigen Verhältniß zum Ganzen stehe, daß es seinen eigentlichen Zweck auch gehörig erreiche, daß es nicht in überladenem Maaße statt finde, das ist nicht allgemein zu bestimmen. Die Composition muß berechnet sein auf die Wirkung, welche sie hervorbringen soll, und folgt also ganz andren Gesezen als die eigentliche Kunstproduktion, hat nicht den Zweck der Kunst unmittelbar. Dasselbe gilt vom Periodenbau usw. Die Geschicklichkeit in der Hervorbringung des Wohllautes durch die richtige Behandlung des rein Organischen in der Sprache und die Richtigkeit des Maaßes in den einzelnen logisch und grammatisch geschiedenen Massen ist das, was man hier allein feststellen kann. Eine größere Periode hat auch einen größeren Schwung. Die Entfernung der Enden zu der Mitte, wo der eigentliche höchste Gipfel liegt, kann natürlich viel größer sein, wenn der Gegenstand ein bedeutender ist, als wenn unwichtige Sachen zum Thema dienen, und so müssen wir auch dieses auf den logischen Zusammenhang zurückführen. Giebt es bei uns irgend ein Gebiet, wo die Sprache reine Darstellung ist ohne einen Zweck, ohne eine Behandlung eines bestimmten Stoffes, ohne zu belehren usw.? Bei uns giebt es jezt dergleichen nicht, jedoch Annäherungen, wie z.B. die Geschichtsdarstellung offenbar viel näher daran ist durch die viel größere Freiheit als eine metaphysische Abhandlung. Gewöhnlich rechnet man hierher die Beredsam | 72 keit in der Kirche. Sieht man sie so an, als auf bestimmte Wirkung arbeitend, also belehrend, so ist sie offenbar ferner von der Kunst. Ganz in dem Gebiet der Darstellung aber ist sie, wenn der Redner nichts anderes aussprechen will, als was er schon in dem Gemüthe seiner Zuhörer voraussezt, und dies nur(?) aussprechen. Doch was sollte uns hier eine Theorie nüzen? Es würde dies nur ein lahmes Hülfsmittel sein, um die Armuth des Stoffes zu verbergen. Die unmittelbare Anregung erfindet sich den Ausdruck, und es kann nichts Matteres gedacht werden als eine Regel, wie der Mensch Gedanken produciren soll. Wem hier nicht der Augenblick eine Regel giebt, dem wird eine solche Theorie nichts helfen.

      Es ist aber offenbar, daß die Kunst an dem Geschäft immer nur eine Folge sein kann von einer gewissen Selbstständigkeit der Kunst, wie sie ihr Leben zu jeder Zeit in dem Volke hat.

      Nehmen wir zusammen, was wir von der Kunst gesagt haben, so finden wir die genauesten Parallelen, dieselben einfachen Principien, ausgehend von dem Unmittelbaren, was in dem Menschen geschieht, dessen Vollendung und Wiederholung eigentlich die Kunst ist. Wenn man nun eine Frage: „Was denn der eigentliche Nuzen der Kunst ist?“ aufwirft und nichts andres dabei im Auge hat als das Ganze des Lebens auf Erden und dessen Ausbildung, so antworten wir, daß die Kunst die Vollkommenheit des Maaßes recht zur Anschauung kommen und das Unmäßige aus dem Leben immer mehr verschwinden lasse, damit das Maaß Alles immer mehr durchdringe. Es ist dasselbe, was die Griechen sagen: Die Reinigung der Leidenschaften solle die Kunst bewirken.

      Zitierhinweis

      Ästhetik 1825, Nachschrift Anonymos (Fragment), ediert von Holden Kelm. In: schleiermacher digital / Vorlesungen / Vorlesungen über die Ästhetik, hg. v. Holden Kelm. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0009234 (Stand: 26.7.2022)

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