Januar 1806

Erscheinen der „Weihnachtsfeier“ bei Schimmelpfennig in Halle;Vgl. KGA I/5, S. XLII [Schließen] das Buch konnte nicht mehr zu Weihnachten fertiggestellt werden. Ein Teil der Auflage erschien ohne Verfasserangabe, da Schleiermacher die Schrift in Halle und Berlin anonym ausgeben wollte; eine Verlagsanzeige erschien daher auch erst im März 1806.Vgl. KGA I/5, S. XLIII [Schließen]

Sommer 1806

Gespräch mit Varnhagen von Ense über die epochale Bedeutung der gegenwärtigen Wissenschaft und Literatur in Deutschland.Vgl. Varnhagen von Ense an Karl Rosenkranz, 1.5.1836, in: Karl Rosenkranz und Varnhagen von Ense: Briefwechsel, S. 28–30: „Im Sommer 1806 traf ich mit Schleiermacher eines Nachmittags auf einsamem Spazirgange bei den Felsen gegenüber von Gibichenstein zusammen, wir setzten uns und sprachen. Ich war nicht heiter gestimmt, ich hatte über Deutschlands Lage nachgedacht, Staat und Volk ließen wenig hoffen, die Litteratur war mir zweifelhaft. Die Trümmer der Schlegel’schen Verwüstung rauchten noch, eine ganze vermeinte Herrlichkeit lag vernichtet; des Stehengebliebenen war wenig, das Neugebaute schien mir schwach begründet; ich nahm die Möglichkeit an, daß wir Alle in einer großen Täuschung lebten, und unsere Sprache, Litteratur und Wissenschaft wohl gar keine wesentliche Rolle in dem Weltgange haben, sondern rasch der Vergänglichkeit heimfallen könnten; selbst Goethe schien mir keine Bürgschaft mehr. Diese Zweifel theilte ich Schleiermacher mit. Er verwies sie mir. ,Also haben Sie wirklich die feste Überzeugung − fragte ich ihn voll Zutrauen − daß wir Deutsche in der Reihe der Völker litterarisch fortbestehen, daß unsre Geistesblüthe in der Geschichte unvergänglich sein wird, wie es uns jetzt der Griechen ist?’ Diese Überzeugung, sagte er, habe ich gewiß; und − fügte er entschlossen hinzu − wenn ich die nicht hätte, so schösse ich mir lieber noch heute eine Kugel durch den Kopf! − Ich war erschrocken, so knallten seine Worte mir in’s Ohr. Die Überzeugung ließ ich mir sehr gern gefallen, und ich nahm sie höchst gewichtig. Seltsam aber dünkte mich der Ausdruck, der in seiner Stärke grade nur Schwäche verrieth, und ich mußte oft darüber denken, wie der Philosoph und der Prediger sein Leben so eitel und stolz an etwas knüpfen mochte, das doch im angenommenen Falle nur ein Götzenbild wäre. Da mußte ich mir selber ja schon einen Vorzug über ihn einräumen, der ich wohl mit Betrübniß die Sache dachte, aber darum noch nicht verzweifelte. Aber so heftig und persönlichen Herrscherwegs bedürftig war damals Schleiermacher, so ungemäßigt und scharf in seinen Worten. Auch den Lucindischen Sachen hatte er sich noch nicht entrückt. Der Roman und seine eignen Briefe darüber wurden oft besprochen, und nicht selten verfiel er auch noch in den Ton von jenem. Mit seinem höhnischen Lachen bekannte er (gegen uns Studenten), es sei nichts natürlicher, als daß einem der Schw... sich aufrichte, wenn man ein schönes Weib sehe; und mit behaglichem Wohlgefallen trug er (uns Studenten) das eilf-wortige Kunstgedicht seines Freundes Friedrich Schlegel auf eine der vielen Geliebten desselben vor: ,O, o! Kleine Mereau, Mach doch so, so! Mit dem Popo!’ Dergleichen galt für so genial und vortrefflich, daß ich in der nächsten Folgezeit nur meine Schuldigkeit und ein Werk der Pietät auszuüben wähnte, indem ich eine flüchtige Liebschaft mit ähnlichen Reimkünsten abschließen wollte!“ − Mit der „kleinen Mereau“ ist keine Geliebte Schlegels gemeint, sondern Hulda Mereau, die kleine Tochter der Schriftstellerin Sophie Mereau, die in den 1790er Jahren in Jena mit den Brüdern Schlegel befreundet war. Vgl. Patsch: Der Popo der Mereau, S. 165: „Schleiermachers und Varnhagens anzügliche Phantasien dazu gingen in die Irre.“ [Schließen]

31. Dezember 1806

In einem langen Brief widerspricht Karl Georg von Raumer Schleiermachers Einschätzung der Preußischen Niederlage. Raumer verteidigt Napoleon als Vollstrecker einer historischen Notwendigkeit und sieht in Preußen einen abgelebten Militär- und Raubstaat auf Kosten der deutschen Nation.Vgl. Brief 2378 [Schließen]

Zitierhinweis

Chronologie - 1806, erarbeitet von Andreas Arndt, Simon Gerber und Johann Gartlinger (Elektronische Erfassung). In: schleiermacher digital / Chronologie, hg. v. den Schleiermacher-Forschungsprojekten. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S9939867 (Stand: 26.7.2022)

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Chronologie

Die Chronologie erschließt und kommentiert das Leben und Werk Schleiermachers und ist derzeit für die Jahre 1768 bis 1816 verfügbar. Neben den nach Datum sortierten Chronologien einzelner Jahre können kurze Jahresüberblicke über die obere Menüleiste aufgerufen werden. Die Jahrgänge 1768–1795 und 1796–1807 sind als zusammenhängende Überblicke gegeben, ab dem Jahr 1808 bis zum Jahr 1816 existiert für jedes Jahr ein separater Jahresüberblick.


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