Januar bis Februar 1799

In den beiden ersten Heften des „Berlinischen Archivs der Zeit und Ihres Geschmacks“ erscheint anonym der erste Teil von Schleiermachers Aufsatz „Versuch einer Theorie des geselligen Betragens“.S. 48–66 und 111–123; KGA I/2, S. 165–184; den veröffentlichten Teil der Abhandlung hatte Schleiermacher vermutlich schon Ende 1798 ausgearbeitet. Zur Entstehungsgeschichte dieser Arbeit und den überlieferten Hinweisen auf die geplante Fortsetzung vgl. die Historische Einführung in KGA I/2, S. L–LIII [Schließen] Eine geplante Fortsetzung unterblieb durch die zeitweilige Versetzung nach Potsdam.Vgl. Brief 559, 22f: „ich habe alles versucht außer die gute Lebensart, und was soll ich mit der ohne Gesellschaft?" Vgl. hierzu die Historische Einführung in KGA I/2, S. LII [Schließen]

01. März 1799

Besuch in Zehlendorf, wo Schleiermacher den Verleger Spener und Alexander Dohna trifft.Das Treffen hatte Schleiermacher Spener in Brief 565, 46–54 vorgeschlagen; zum Ablauf des Besuches vgl. Brief 572, 2–20 [Schließen]

Wohl 1. März 1799

Friedrich Schlegel spricht erstmals Schleiermachers literarisches Projekt „Visionen“ an.Vgl. Brief 573, 73. Das Projekt der Visionen, das im folgenden Briefwechsel noch öfters angesprochen wird, wurde nicht verwirklicht, obwohl Schleiermacher auf den Plan zurückkam, als er – wohl 1803 – die Möglichkeit erwog, für F. Schlegels Zeitschrift „Europa“ Beiträge zu liefern; vgl. Gedanken V (KGA I/3, S. 332), Nr. 197: „Visionen kosmisch in Hexametern, Satyren eben so ethisch. Beides vielleicht für die Europa.“ [Schließen]

Anfang März 1799

Schleiermacher teilt Friedrich Schlegel mit, er habe die dritte der „Reden“ „Über die Religion“ in einer ersten Niederschrift vollendet.Vgl. Brief *578 [Schließen]

Anfang April 1799

Schleiermacher studiert für seine geplante Stellungnahme die rechtliche Stellung der Juden in Preußen.Vgl. Brief 616, 7–10 [Schließen] – In einem Brief an den Onkel S. Ε. T. Stubenrauch beklagt er sich über seine Lage in Potsdam und berichtet von Schwierigkeiten im Verhältnis des dortigen (reformierten) Hofpredigers zu seinem Kollegen an der Garnisonkirche, dem (lutherischen) FeldprobstVgl. Brief *617 und Brief 622, 11–27 [Schließen]

Anfang bis Mitte April 1799

Schleiermachers erste Predigtpublikation. In der „Auswahl noch ungedruckter Predigten von Ammon, Bartels, Diterich, Löffler, Marezoll, Sack, Schleiermacher, Spalding, Teller, Zöllner, Zollikofer“ (Predigten von protestantischen Gottesgelehrten. Siebente Sammlung) erscheint als 13. Predigt auf S. 231–256 Schleiermachers Predigt „Die Gerechtigkeit ist die unentbehrliche Grundlage des allgemeinen Wohlergehens. An einem allgemeinen Bettage“.Predigttext war Sprüche Salomonis 14, 34 (vom Bettag am 20.4.1796; vgl. W. von Meding: Schleiermachers erstgedruckte Predigt, S. 304). In der nicht unterzeichneten Vorrede heißt es, Schleiermacher sei durch seine „von dem Herrn Hofprediger Sack empfohlene Uebersetzung der Predigten von J. Fawcett rühmlichst bekannt, und in Berlin wegen seiner Talente und Einsichten so geschätzt, daß er auch in einer solchen Gesellschaft, von ihr selbst wie vom Publikum, nicht ungern wird gesehen werden.“ – In ähnlichem Ton ist eine Anzeige in den Berlinischen Nachrichten Nr. 50 vom 25.4.1799 gehalten, wo es auf S. 6 heißt: „Die auf dem Titel genannten Namen, welche größtenteils in ganz Deutschland gekannt, und wo sie gekannt, auch verehrt und bewundert sind, machen alle Anpreisung überflüssig. Herr Schleiermacher, von welchem hier auch eine geistvolle Rede erscheint, ist derselbe, der durch seine treffliche Uebersetzung von Fawcetts Predigten dem Publikum schon vortheilhaft bekannt ist, und der in Berlin als denkender Kopf und einnehmender Kanzelredner geschätzt ist.“ [Schließen]

Anfang Mai 1799

Eine geplante Reise von H. Herz am Ende des Monats nötigt Schleiermacher, bei der Übersetzung von Mungo Parks „Travels“ einzuspringen, um den vom Verleger vorgesehenen Publikationstermin einhalten zu können.Vgl. Briefe 646 und 647; ursprünglich sollte Ludwig Tieck wegen der geplanten Reise einen Teil übersetzen; vgl. Brief 638. An einem raschen Abschluss der Übersetzungsarbeiten musste Spener aus geschäftlichen Gründen gelegen sein, da der Markt für das derzeit beliebte Genre der Reisebeschreibungen hart umkämpft war und von gewinnträchtigen Titeln oft mehrere konkurrierende Übersetzungen erschienen. Dieses Schicksal erlitt auch die von Henriette Herz und Schleiermacher veranstalte Übersetzung der „Travels“, zu der parallel eine andere Verdeutschung bei Hoffmann und Campe in Hamburg erschienen war (vgl. Brief 689, 10–21) [Schließen] Die Übersetzung, von der Schleiermacher bereits am 11. Mai mehrere Bogen gefertigt hatte, erschien im Sommer 1799 bei Haude & Spener in Berlin. Vgl. zu Schleiermachers Anteil Brief 651, 9–13; demnach hatte er Bogen Z-Hh übersetzt (S. 149–214 der deutschen Ausgabe); ob er darüberhinaus noch Partien verdeutscht hat, ist ebenso ungewiß wie eine mögliche Beteiligung L. Tiecks am Beginn des Projekts. Das Buch erschien unter dem Titel: „Reisen im Innern von Afrika auf Veranstaltung der Afrikanischen Gesellschaft in den jahren 1795 bis 1797, aus dem Englischen übersetzt“ [Schließen]

Wohl Mai bis Juni 1799

Erste persönliche Bekanntschaft mit Henrich Steffens, der auf der Durchreise nach Freiberg vier Wochen in Berlin Station machte.Vgl. A. W. Schlegels Brief an J. D. Gries vom 10.5.1799: „Steffens muß nun in Berlin seyn, ich bin begierig auf seine Bekanntschaft mit Fr. Schlegel und Schleyermacher“ (A. W. Schlegel: Briefe, Bd. 1, S. 93, Nr. 76). Im Mai 1799, schon nach Schleiermachers Rückkehr aus Potsdam, berichtet F. Schlegel an Caroline Schlegel in Jena: „Ihr Steffens ist bey uns gewesen und gefällt mir sehr wohl“ (F. Schlegel: Werke, Bd. 24, S. 286, Nr. 174). Zur Dauer des Aufenthalts in Berlin vgl. A. W. Schlegel: Briefe, Bd. 2, S. 38, Anm. zu Nr. 79. Rückblickend schreibt Steffens an A. W. Schlegel aus Freiberg unter dem 26.7.1799: „Gefreuet hat mich in Berlin: die Bekanntschaft mit Ihren geistvollen Bruder [...] Gefreuet hat mich ferner die Bekanntschaft mit Tieck [...] Ferner hat mich die Bekanntschaft mit der geistvollen Madam Veit gefreuet, und mit den [!] guten Schleyermacher, desen Reden über die Religion wohl noch nicht heraus sind?“ (A. W. Schlegel: Briefe, Bd. 1, S. 95, Nr. 79). – Heinrich Steffens wurde später Schleiermachers Kollege an der Hallenser Universität und war mit ihm eng befreundet. [Schließen] August Wilhelm Schlegel billigt in einem Schreiben an seinen Bruder Friedrich „Schl.‘s Einfall, die ins Burleske gehenden Stücke von den Notizen zu trennen, und unter dem Namen Intelligenzblatt zusammenzubringen […]. Nur wäre vielleicht Literarischer Anzeiger noch lustiger“. F. Schlegel: Werke, Bd. 24, S. 291, Nr. 180 [Schließen] Der „Literarische Reichsanzeiger“ im 2. Stück des Athenaeum 1799 geht demnach konzeptionell auf Schleiermacher zurück.

Juni bis Juli 1799

Spannungen im Verhältnis zwischen Schleiermacher und Friedrich Schlegel.Solche Spannungen deuten sich in den im vorliegenden Band veröffentlichten Briefen erstmals in Brief 631, 29–31 an, wo Schlegel die fehlende menschliche Gemeinschaft zwischen ihnen beklagt, was wohl kaum auf die räumliche Trennung bezogen werden kann (zu früheren Spannungen – bereits Anfang 1798 – vgl. die Historische Einführung in KGA V/2, S. XXXVIII). Am 19.6. berichtet Schleiermacher an Henriette Herz, Schlegel und er haben sich bei einem Gespräch über sein Wesen nicht verständigen können (Brief 663, 5–12). Nachdem Friedrich Schlegel in seinem Roman „Lucinde“ mit deutlicher Kritik an Schleiermacher seine Auffassungen von Freundschaft auch literarisch gestaltet hatte (vgl. unten die Anmerkung zu Brief 668, 17f), bekannte dieser, er wisse nicht, wie er mit Schlegel stehe, „es drükt mich gewaltig“ (Brief 668, 2–22). Zwei Billets von Friedrich Schlegel von Ende Juni/Anfang Juli (Briefe 669 und 670) lassen aufgrund des äußerst gereizten Tones auf eine Zuspitzung der Auseinandersetzung schließen. [Schließen]Friedrich Schlegel möchte Schleiermacher dazu anregen, einen Roman zu verfassen.Vgl. Brief 672, 37–46 [Schließen]

Juli 1799

Bei Friedrich Franke in Berlin erscheint, ebenfalls anonym, Schleiermachers Schrift „Briefe bei Gelegenheit der politisch-theologischen Aufgabe und des Sendschreibens jüdischer Hausväter. Von einem Prediger außerhalb Berlin“.KGA I/2, S. 331–361; vgl. dort die Historische Einführung S. LXXVIII–LXXXV [Schließen]

August 1799

Schleiermacher denkt an eine Rezension von C. L. Reinholds „Sendschreiben an J. C. Lavater und J. G. Fichte über den Glauben an Gott“ (1799);Vgl. F. Schlegel an A. W. Schlegel, August 1799: „Bernhardi möchte gern sein Meisterstück an der Metakritik machen. Ich habe zu so etwas gar keine Geduld mehr. Schleiermacher will auch nicht anbeißen, dagegen möchte er wohl den Reinhold vornehmen“ (F. Schlegel: Werke, Bd. 24, S. 309, Nr. 196). [Schließen] von diesem Vorhaben tritt er bereits wenig später wieder zurück.Vgl. Briefe *693. 694, 4–7. 698, 12f [Schließen]

Anfang September 1799

Friedrich Schlegel siedelt nach Jena über, wo er zwischen dem 3. und 5. September eintrifft.Vgl. F. Schlegel: Werke, Bd. 24, S. 474 (Anm. 6) [Schließen] Damit wird Schleiermacher zur Kontaktperson zwischen den Brüdern August Wilhelm und Friedrich Schlegel in Jena einerseits und dem Berliner Verleger des „Athenaeum“, Heinrich Frölich, andererseits; in der Folge wird Schleiermacher vielfach mit Redaktionsarbeiten für die Zeitschrift der Brüder Schlegel betraut.Ein erstes Dokument hierfür ist Brief 692 [Schließen]

September 1799

Schleiermacher vermittelt dem Verleger J.C.P. Spener Henriette Herz als Übersetzerin von Isaac Welds „Travels throught the states of North America, and the provinces of Upper and Lower Canada during the Years 1795, 1796, and 1797“.Das Buch war erst 1799 in London erschienen; die deutsche Übersetzung erschien zum Herbst 1800 bei Haude & Spener in Berlin unter dem Titel: „Reise durch die nordamerikanischen Freistaaten und durch Ober- und Unter-Canada in den Jahren 1795, 1796 und 1797, aus dem englichen frei übersetzt.“ [Schließen] Da die Übersetzerin unerkannt bleiben will, fungiert Schleiermacher in der Folge als Mittelsmann und wohl auch als Berater.Vgl. Briefe 717, 15f. 733, 5–8. 742, 5–7. In dem an die Schwester gerichteten Brief 798 (Zeilen 74–80) berichtet Schleiermacher über eine gemeinsame Lektüre des englischen Reiseberichts mit Henriette Herz; am 27.2.1800 bittet er Spener um die Erlaubnis, eine Passage über die Niagara-Fälle in der „Mittwochgesellschaft“ vortragen zu drüfen (Brief 801, 4f). Diese Briefstellen deuten auf eine starke Anteilnahme an dem Projekt, so dass auch an eine gewisse Mitarbeit an der Übersetzung bis hin zur Übernahme einzelner Textteile gedacht werden kann, obwohl sich dies nicht einduetig belegen lässt; vgl. hierzu die Historische Einführung in KGA I/2, S. XVII. [Schließen]

September 1799

Schleiermacher tritt in brieflichen Kontakt mit August Ludwig Hülsen und bekennt sich ihm gegenüber als Verfasser der „Reden“ „Über die Religion“.Vgl. Brief *701 [Schließen]

September/Oktober 1799

Schleiermachers Reaktion auf die Lektüre von Friedrich Schlegels Fragmentsammlung „Ideen“, die im Athenaeum erscheienn soll, führt zu einer brieflichen Kontroverse zwischen beiden.Vgl. Briefe *691. 692, 17–26. *708, 8–51; die „Ideen“ erschienen 1800 im Athenaeum 3, 1, S. 4–33 (F. Schlegel: Werke, Bd. 2, S. 256–272) [Schließen] Anlass war Schleiermachers Nichtverstehen der Schlegleschen Stellungnahmen zur Religion im allgemeinen sowie besonders auch zu Schleiermachers „Reden“ „Über die Religion“.

Anfang Oktober 1799

Dorothea Veit siedelt von Berlin nach Jena über, wo sie am 6.10. eintrifft.Vgl. die Anmerkung zu Brief 710, 43 [Schließen] – Mit ihrem Weggang kommt Schleiermachers regelmäßiger Umgang mit J.G. Fichte zum Erliegen.Vgl. Brief *705 [Schließen]

01. November 1799

Von August Wilhelm Schlegel erhält Schleiermacher 40 Exemplare des Privatdrucks eines „Sonetto à la burchielleska“ gegen Garlieb Merkel, weil dieser in Berlin das Gerücht verbreitet hatte, den Brüdern Schlegel sei vom Weimarer Hof eine Fortsetzung des „Literarischen Reichsanzeigers“ im Athenaeum verboten worden; zusammen mit Bernhardi und Fichte soll Schleiermacher das von A. W. Schlegel und Tieck verfasste Gedicht gezielt in Berlin verbreiten.Vgl. Brief 715, 3–30; zum Gerücht Brief 710, 32–37 [Schließen]A. W. Schlegel schlägt Schleiermacher vor, Friedrich Heinrich Jacobis Schrift „Jacobi an Fichte“ für das Athenaeum zu rezensieren;Vgl. Brief 715, 47–52 [Schließen] dieser Plan wird nicht realisiert.

Anfang November 1799

Schleiermacher beginnt mit der Niederschrift der „Monologen“;Vgl. Brief 717; über die Entstehung dieser Schrift, die Anfang Januar 1800 ohne Nennung des Autors erschien (KGA I/3, S. 5–61), gibt Schleiermacher rückblickend in einem Brief an Henriette Herz vom 16. September 1802 Auskunft: „Nichts ist mir so unvermuthet entstanden. Als ich die Idee faßte, wollte ich eigentlich etwas ganz objektives machen, nicht ohne viel Polemik, und das subjektive sollte nur die Einkleidung sein. Aber im Entwerfen des Plans wuchs mir das subjektive so über den Kopf, daß auf einmal die Sache, wie sie jezt ist, vor mir stand“ (Briefe, Bd. 1, S. 338). – Zur Entstehung vgl. auch die Historische Einführung in KGA I/3, S. XV–XXI. [Schließen] bereits zum 21. November – seinem Geburtstag – hoffte er, das Manuskript abschließen zu können.Vgl. Brief 719 [Schließen]

Wohl November 1799

Schleiermacher berichtet seiner Schwester Charlotte, er habe Unannehmlichkeiten, die Eleonore Grunow betroffen haben, „durch eine mit dem besten Willen und im reinsten Eifer begangene Unvorsichtigkeit vielleicht vermehrt und verlängert“.Vgl. Brief 726, 27–29 [Schließen] Dabei handelt es sich möglicherweise um den Heiratsantrag, von dem Schleiermacher der Schwester unter dem Datum des 1. Juli 1801 rückblickend, aber ohne nähere Zeitbestimmung berichtet.Vgl. W.Dilthey: Leben Schleiermachers, Berlin 1870, S. 483–485; Dilthey setzt den Vorfall aufgrund des Datums des schriftlichen Bekenntnisses Schleiermachers in 1801, wobei er für 1799 ohne nähere Angaben über die „leidenschaftliche Aeußerung eines Moments“ zu berichten weiß, die Schleiermacher selbst lebhaft getadelt habe. – Unter dem 1.7.1801 schreibt Schleiermacher, er habe von einer romantischen Begebenheit (die er eventuell als Stoff für seinen Roman verwenden wollte) zu berichten, „ob ich gleich weiß daß Du mich tadeln wirst wie ich mich selbst getadelt habe; wenn ich Dir nur auch meine Bewunderung der Grunow so mittheilen könnte, wie sie es verdient. Es war bei einer Gelegenheit, wo sich G. sehr unanständig gegen sie betragen hatte, ich unaufgefordert mit ihr davon sprach, und sie mich, ohne daß sie es merkte, in manche Theile ihres Verhältnisses zu ihm tiefer hineinblicken ließ, die ich vorher noch nicht so gekannt hatte, daß ich ihr den Rath gab, und zwar mit sehr vieler Wärme, sich ja, je eher je lieber, von ihm zu trennen, nicht länger für nichts und wieder nichts ihr ganzes Gemüth aufzuopfern und ihre schönsten Kräfte ungenutzt zu lassen. Sie versicherte mich, daß sie die Wichtigkeit dieser Gründe sehr gut fühle, ihr Leben wäre verloren und für ihn wäre nichts dabei zu gewinnen, sie könnte mit allem Rath und Beispiel seine Gesinnung nicht ändern, und auch mit aller äußeren Anstrengung und Sorgfalt sein Unglück nicht abwenden. Sie hatte tausend von der äußeren Welt und den Verhältnissen darin hergenommene Bedenklichkeiten, die ich ihr denn aus unseren gemeinschaftlichen Grundsätzen widerlegte. Endlich sagte sie: aber was würde ich denn gewinnen, wenn ich ihn aufgäbe? Er würde, wenigstens auf lange Zeit, noch unglücklicher sein; ich würde zu meiner Mutter aus tausend Gründen, die Sie wohl fühlen, nicht zurückkehren; ich würde allein leben von meiner Hände Arbeit und dabei würden meine Kräfte sich auch nicht besser entwickeln können und mein inneres Leben würde auch nicht mehr gewinnen, als daß ich des beständigen Widerspruchs zwischen dem inneren und äußeren nun endlich los wäre. ,Ach,' sagte ich, ,Sie könnten meine Frau werden und wir würden sehr glücklich sein.' Ich erschrak mich als ich es gesagt hatte und sie auch. Es war der unwillkürliche Ausbruch eines Wunsches, der sich erst mit diesen Worten zugleich gebildet hatte. Nach einer kleinen Pause sagte ich zu ihr: ,liebe Freundin, verzeihen Sie, das war eine entsetzliche Uebereilung, die uns beide in die peinlichste Lage setzen kann. Sie glauben mir, daß ich, als ich das Gespräch begann, mit keinem Gedanken an eine solche Aeußerung angefangen habe, und wenn wir auch nicht vergessen können, daß sie mir entfuhr, so muß es doch auf unser Handeln auch nicht den geringsten Einfluß haben, das ist das einzige Mittel, wie Sie sich Ihre innere Ruhe und, wo möglich, Ihre Unbefangenheit erhalten können.' ,Ja wohl, wo möglich,' sagte sie, ,um die Unbefangenheit möchte es nun wohl geschehen sein. Werde ich nicht bei jeder Gelegenheit, auch bei dem entschiedensten Recht auf meiner Seite, mich vor mir selbst fürchten müssen, daß nicht Ihr Wunsch von heute Einfluß auf mein Betragen hat?' Und so ist es auch seitdem ergangen. Sie quält sich mit diesem Verdacht gegen sich selbst und sie duldet, was sie sonst nicht würde geduldet haben.“ (S. 484f) [Schließen]

01. Dezember 1799

Schleiermacher kündigt seinem Verleger J. C. P. Spener an, er werde morgen den Rest des Manuskripts der „Monologen“ erhalten; er denkt zugleich schon wieder an die Weiterarbeitan der projektierten Siedlungsgeschichte Neuhollands (Australiens).Vgl. Brief 742; tatsächlich schickte Schleiermacher am folgenden Tag mit Brief 744 „das Ende“ der „Monologen“ [Schließen] In den nächsten Tagen wendet sich Schleiermacher wieder diesem Projekt zu und erbittet dafür Stellungnahmen und Materialien von Spener.Vgl. Briefe 746 und 747 [Schließen]

Anfang Dezember 1799

Schleiermacher spricht sich gegen die Aufnahme von Friedrich von Hardenbergs (Novalis) Aufsatz „Die Christenheit oder Europa“ ins „Athenaeum“ aus und kritisiert besonders die darin vorgetragene Apologie des Papsttums.Vgl. Brief 751, 10–19; tatsächlich wurde, wie aus dieser Briefstelle hervorgeht, der Aufsatz – ebenso wie F. W. J. Schellings „Epikurisch Glaubensbekenntnis Heinz Widerborsts“ – auf Anraten Goethes nicht gedruckt und erschien erst postum. [Schließen]

Zitierhinweis

Chronologie - 1799, erarbeitet von Andreas Arndt, Wolfgang Virmond und Johann Gartlinger (Elektronische Erfassung). In: schleiermacher digital / Chronologie, hg. v. den Schleiermacher-Forschungsprojekten. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S9939860 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.

Chronologie

Die Chronologie erschließt und kommentiert das Leben und Werk Schleiermachers und ist derzeit für die Jahre 1768 bis 1816 verfügbar. Neben den nach Datum sortierten Chronologien einzelner Jahre können kurze Jahresüberblicke über die obere Menüleiste aufgerufen werden. Die Jahrgänge 1768–1795 und 1796–1807 sind als zusammenhängende Überblicke gegeben, ab dem Jahr 1808 bis zum Jahr 1816 existiert für jedes Jahr ein separater Jahresüberblick.


Nach Monat filtern


Nach Tag filtern