Nach dem ereignisreichen Jahr 1813 wird das Jahr 1814 politisch ruhiger, auch wenn es nach wie vor viele unerwartete Ereignisse gibt und Schleiermacher wissenschaftlich wie auch privat sehr eingespannt ist.
Politisch steht das Jahr immer noch im Zeichen der kriegerischen Auseinandersetzung mit Napoleon. Ende März rücken preußische Truppen in Frankreich und schließlich in Paris ein. Schleiermachers Freund Ludwig Gottfried Blanc nimmt als Feldgeistlicher am Feldzug teil und berichtet Schleiermacher immer wieder aus Frankreich.So zum Beispiel in Brief 4017, KGA V/13 und Brief 4018, KGA V/13. [Schließen] Schon am 6. April dankt Napoleon in Fontainebleau bei Paris als Kaiser der Franzosen ab. Am 30. Mai beendet der erste Pariser Frieden mit Preußen, Österreich, Russland und Großbritannien den Kriegszustand. Auch Schweden, Portugal und Spanien treten dem Abkommen bei. Frankreich wird in seinen Grenzen vom 1. Januar 1792 bestätigt.Vgl. Büsch (Hg.): Handbuch der preussischen Geschichte, 1992, S. 72f. [Schließen] Im September beginnt in Wien der Wiener Kongress, auf dem die europäischen Herrscher und Diplomaten sich versammeln, um die politische Ordnung in Europa zu verhandeln.
An der Berliner Universität eröffnet Schleiermacher am 20. April das Sommersemester 1814 mit zwei Vorlesungen, einer theologischen und einer philosophischen: „Die Apostelgeschichte und die Briefe an die Thessalonicher“ sowie „Die allgemeinen Grundsätze der Auslegungskunst“.Vgl. Arndt / Virmond: Schleiermachers Briefwechsel, 1992, S. 310. [Schließen] Letztgenannte Vorlesung geht Mitte Juni über in die Vorlesung „Hermeneutik des N[euen] Testaments“.Vgl. Arndt / Virmond: Schleiermachers Briefwechsel, 1992, S. 309. [Schließen]
Auch im Wintersemester ist Schleiermacher mit Vorlesungen präsent. So beginnt er am 24. Oktober an der Berliner Universität das Wintersemester 1814/15 mit drei Vorlesungen, zwei theologischen und einer philosophischen: „Die theologische Encyclopädie“, „Die Paulinischen Briefe an die Thessalonicher, Galater, Korinther“ und „Dialektik“.Vgl. Arndt / Virmond: Schleiermachers Briefwechsel, 1992, S. 310–311. [Schließen] Am 28. Oktober beginnt er außerdem die nicht angekündigte Vorlesung zu „Liturgik“ an der Theologischen Fakultät.Vgl. Arndt / Virmond: Schleiermachers Briefwechsel, 1992, S. 310. [Schließen] Wissenschaftlich von Bedeutung sind außerdem seine Vorträge an der Akademie der Wissenschaften, so hält er die Akademierede „Über die Begriffe der verschiedenen Staatsformen“Vgl. KGA I/11, S. XXIII [Schließen] sowie „Über den Beruf des Staates zur Erziehung“.Vgl. KGA I/11, S. XLII. [Schließen]
Privat ist das Jahr von einigen Todesfällen im persönlichen Umfeld Schleiermachers geprägt. Am 19. Januar stirbt Graf Ludwig Moritz Achatius zu Dohna. Er war der älteste von Schleiermachers Schülern während seiner Hauslehrerzeit bei dem Grafen Friedrich Alexander zu Dohna-Schlobitten (Oktober 1790 bis Mai 1793). Schleiermacher verfasst einen Nachruf, der im Preußischen Correspondenten veröffentlicht wird.Erstdruck des Nachrufes in: Der Preußische Correspondent 2 (1814), Nr. 23 (11.2.), Sp. 7 f.; 26 (16.2.), Beilage, Sp. 1–3, hier offenbar als Separatdruck bei Reimer, von dem es aber keine Exemplare mehr gibt, siehe auch KGA I/14, S. 111–117. [Schließen] Am 11. Februar stirbt außerdem Alexander von der Marwitz in der Schlacht bei Montmirail. Auf unerwartete Weise wird so die Affäre von Schleiermachers Frau Henriette mit Alexander von der Marwitz beendet. Henriette Schleiermacher schreibt darüber an ihre Vertraute Rahel Varnhagen: „So ist es denn nun ganz gewiß, liebe Rahel, der zuckende Gedankenstrahl an ein Wunder, ein Wunder Gottes, daß er doch noch lebte – findet nun auch nicht mehr seine Stelle – des Toten Antlitz herunterhängend an seinem Pferde – was habe ich für ein Felsenherz, daß ich es hinzuschreiben vermag – o über den Jammer! So jung! So schön!“Zit. nach Wild (Hg.): Nachrichten aus dem Kösel-Verlag, 1967, S. 13. [Schließen]
Im Sommer unternimmt Schleiermacher zusammen mit seiner Frau Henriette eine lange Reise zu einer Badekur nach Schwalbach. Über Potsdam, Beelitz, Leipzig und weitere Stationen reisen sie zunächst nach Weimar. Dort treffen sie Johann Wolfgang von Goethe und Johanna Schopenhauer.Vgl. Brief 4049, 30–33, KGA V/13. [Schließen] Auch Großfürstin Maria Pawlowna und Fürst Radziwill trifft er.Vgl. Brief *4049a, KGA V/13. [Schließen] In einem Brief an Luise von Willich berichtet er von den nächsten Stationen der Reise: Frankfurt am Main und einer Rheinfahrt. „Nach Frankfurt, wo wir auch einige ziemlich leere Tage verweilten; es ist aber eine viel schönere und anmutigere Stadt als ich geglaubt hatte. Müllers aus Bremen, von denen du ja wohl weißt, waren mit uns da und machten nun auch mit uns die herrliche Wasserfahrt auf dem Rhein durch das Rheingau bis Koblenz hinunter. Zwei Tage dauerte diese Fahrt mit eingerechnet das Aussteigen an den schönsten Stellen, diese waren Rüdesheim und Bacharach, bezaubert muß man sein von der Pracht dieser Gegend“.Brief 4071, 16–23, KGA V/13. [Schließen] Ab dem 6. August hält er sich für drei Wochen in Schwalbach für die Badekur auf. Auf der Rückreise bleibt er einige Tage in Heidelberg und berichtet an Luise von Willich: „Der Neckar hat ein Wasser wie Smaragd und so klar, daß man jeden Kiesel durchsieht. Auf der halben Höhe des Berges hinter der Stadt die schöne Ruine des alten Schlosses; oben Wälder von unsern Kastanienbäumen, kurz Natur Kunst (denn es ist dort jetzt eine herrliche Sammlung von altdeutschen Gemälden) und Geselligkeit vereinigten sich, die fünf Tage zu den schönsten der Reise zu machen, die wir an diesem liebenswürdigen Orte zubrachten.“Brief 4071, 50–57, KGA V/13. [Schließen] Nach weiteren Stationen in Würzburg, Bamberg, Coburg, dem Thüringer Waldgebirge, Rudolstadt, Schwarzburg, Jena, Halle und Dessau kehrt Schleiermacher nach Berlin zurück.Vgl. Brief 4083, 45–76, KGA V/13. [Schließen]
Schleiermachers Schwester Lotte zieht im September, während Schleiermachers noch verreist sind, nach Potsdam zur Familie Block, um deren Kinder im Französischen zu unterrichten.Vgl. Brief 4063, 92f, KGA V/13. [Schließen]
Auch im Jahr 1814 ist Schleiermacher als Prediger tätig, zudem veröffentlicht er seine dritte Predigtsammlung, zu der ihm Blanc schreibt: „Meine erste Lectüre hier sind Ihre Predigten gewesen von deren Erscheinung ich nicht eine Sylbe gehört hatte. Es ist mir nur fatal darüber zu schreiben, ich möchte Ihnen bloß um den Hals fallen und Ihnen meine herzliche Liebe und meinen Dank dafür sagen. Sie gefallen mir weit besser noch als die beyden ersten Sammlungen.“Brief 4103, 11–15, KGA V/13, die Predigten erscheinen als: „Predigten von F. Schleiermacher D.G.G.D. u. O.O. Prof. an der Universität zu Berlin, Mitglied der Königl. Akademie der Wissenschaften und evang. ref. Prediger an der Dreifaltigkeitskirche. Dritte Sammlung. Berlin 1814, im Verlage der Realschulbuchhandlung. [Schließen]
Am 7. Juni fragt Wilhelm Christian Müller Schleiermacher brieflich, ob er eine Predigerstelle in Bremen annehmen wolle. Er bietet ihm eine „feste Besoldung“ von 1000 Rth und „ein hübsches neues Haus“.Brief 4033, 56–58, KGA V/13. [Schließen] Schleiermacher nimmt die Stelle allerdings nicht an (ebensowenig wie frühere Angebote, die Müller ihm seit 1805 gemacht hatte).Vgl. Gerber: Die Familien Müller und Schleiermacher – Geschichte einer Freundschaft, S. 121–129. [Schließen] Nach dem Tod von Gottfried Bach, dem Organisten an der Dreifaltigkeitskirche, korrespondiert Schleiermacher außerdem mit Karl Friedrich Zelter und bittet ihn um Vorschläge für die Nachfolge des Verstorbenen.Vgl. Brief 4030, KGA V/13. [Schließen]
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Zitierhinweis

Überblick zu Leben und Werk Schleiermachers von 1814, erarbeitet von Johann Gartlinger. In: schleiermacher digital / Begleittexte, hg. v. den Schleiermacher-Forschungsprojekten. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S9939917 (Stand: 26.7.2022)

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