den 28ten July

Gestern bekam ich von Rahel diese Zeilen die ich dir hir schikke, leider ist eß ja aber zu spät, sie jammert mich, denn nur bekömt sie doch keinen Bogen. Ehrenfried ist gestern abgereist, mit einem neuen Turnanzug den ich ihm noch habe machen laßen, und einem stok für 4 gewogen Münzen, wenn ihr nichts dagegen habt so laße ich ihn gern noch etwas länger bei Plamans, als die 10 Tage Ferien, denn eß ist gar nichts mit ihm anzufan gen, er hat alle tage regelmäßig eine hand voll Blumen abgepflükt, sie am Zaun hinter einem Baum verstekt und beim übersteigen mit genommen. Mit seinen stiefeln weiß ich gar nichts mehr zu machen, er hat beide pare so unmenschlich krum getreten daß sie fast nicht zu brauchen sind. Die kleinen kinder sind sehr wohl, Lischen hat ihren Zitronsamen sehr Braf eingenommen, zwar mit vielem Zukker und Himberen Saft. Von Wür mern ist aber gar nichts zu merken. Um diese par Tage wo Julchen noch hir ist zu benutzen, wolte ich am Dienstag mit Lotte H zu Schedens gehen, damit sie doch nicht immer zuhause sitzt, da kam zum Mittag aber ganz unvermuthet die Herz, die den Sontag Abend angekom men war, sie hatte sich Twesten bestelt und blieb den Abend, nachmittag kam die Garven auch noch dazu, Lotte war entzükt über alle diese be suche, ich aber die ich immer an meinen Geldbeutel denken muß, bin sehr betrübt daß wir nicht einsamer sind, besonders ist die Herz immer ein theurer Gast, sie braucht zwar wie sie sagt nicht viel, eß muß aber doch allerlei um ihretwillen da sein, und dan läst sie sich noch die Bardeleben holen, sie hat sich den tag gleich zu meiner großen Belustigung als die unveränderte bewiesen, erst war sie außer sich über Lene,  korr. v. Hg. aus: dasdaß die so Schmutzig und unordlich außähe, sie könte doch unmöglich das The waßer hereinbringen, ich versicherte dan eß geschähe doch, und ihre üb rigen Tugenden ließen uns das Aeußere vergeßen, dan kam ihre fixe Idee über das alle Abende The trinken auch wieder zum Vorschein. Uebrigens Schleiermacher muß ich dir nun sagen  korr. v. Hg. aus: dasdaß ich die 10 Tahler die ich für Julchen bekommen habe, in die WirtschaftsKaße gebraucht habe, denn wie hätte ich wohl 14 tage mit 10 Tahlern außkommen können, denn obgleich wir nach aller geschmak sehr einfach von Milch Sallat und Eiern Leben, so wird doch viel gebraucht. Lotte fängt jetzt auch an orndlichen Apetit zu bekommen, und bei der Hitze und den weiten wegen muß ich ihr und Lina doch manche erquikkung zukommen laßen, wozu oft Zuk ker gehört, unsere Lotte jammert auch immer um etwas kühlendes, wel ches ich doch zuweilen erhören muß. Wenn du bedenkst  korr. v. Hg. aus: dasdaß mir früher, wie von Lotte und Lina noch nicht die rede war, für diesen Monat 20 Tahler bestimt waren, so wirst du eß nicht viel finden. Miene Reimer die heute früh einen Augenblik hir war läst auch grüßen, und wundert sich sehr  korr. v. Hg. aus: dasdaß ihr noch nicht geschrieben habt, ich habe auch alle Tage auf einen Brief gehoft. Sage doch Ludchen, ich fände | 7v  korr. v. Hg. aus: dasdaß die Braut Aehn liches von Heinrich hätte. Jettchen sage mir doch in deinem nächsten Briefe ob ich auf jeden fall ein Hausmädchen zu Michaeli Miethen soll. Uebrigens haben wir einen Husaren Oficir mit 2 Bedinten zur Einquar tirung, der Her hat sich Früstük ausgebeten, und eß ist bekant gemacht, wer Rußen bekömt solle sie so beköstigen  korr. v. Hg. aus: dasdaß sie nicht zu klagen hätten. Lotte läst sehr Grüßen und sie würde mit Marheinike eine große Epistel schreiben, Lotte H und die Herz grüßen auch. Die Kinder sprechen oft von euch, sind aber ganz Lustig. Dienstag Abend entstand ein großer Lerm, Blücher würde um 10 uhr mit Fakkeln ankommen, vor dem Podsdammer und Brandenburger Thor, und unter den Linden hatten sich eine unendliche menge Menschen orndlich gelagert und blieben so die ganze Nacht, wir trieben uns auch biß halb 12 uhr herum, als wir aber hörten eß seien weder Fakkeln noch Garden die ihn holen solten heraus, gingen wir ruhig zu Bett, und er ist auch biß jezt noch nicht angekommen. Lebt nun wohl und schreibt bald.

Nanny

Pischon hat uns zweimal besucht. Von der Regierung ist dir bekant ge macht, du und der Küster solt heraus geben was ihr von der Bülow be kommen habt.

Zitierhinweis

4056: Von Anne (Nanny) Schleiermacher. Berlin, Donnerstag, 28.7.1814, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007742 (Stand: 26.7.2022)

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