13t Juni Sonntag Vormittag.
Der stille liebe geschäftslose Morgen der mir schon von der Kindheit her so lieb war, soll mir so lange wir getrennt sind nicht vergehen ohne daß ich Dir schreibe mein Guter. Ich wollte erst in die Kirche gehen aber der Prediger zu dem ich will predigt heut nicht, ich habe mir Mühe gegeben auszurechnen wie ich mir Dich heute denken muß, bin aber einmal verwirrt darüber und kann es nun nicht herausfinden. Es ist einige Tage ein Himmelswetter gewesen Regen in Ströhmen und Sturm so daß der kleine fast ausgetrocknete Bach zum rauschenden Strom angewachsen ist, wie überrascht war ich heute Morgen beim Erwachen das Zimmer mit Sonnenglanz übergossen zu sehn, ich stand nach 6 auf, schrieb an den Postdirektor nach Hirschberg wegen der fehlenden Briefe und ging hinaus in den kleinen Garten, diese warme frische paradiesische Luft kann ich Dir nicht beschreiben es war mir als hätte ich sie noch nie so gefühlt. Wie ganz herrlich ist es hier es ist als ob dem Sommer ein ewiger Frühling mitgegeben wäre, nichts schmachtendes daraus bietet sich den Blicken dar, ohngeachtet der langen sonnenhellen warmen Tage, alles steht so saftig | 1v frisch und jung da, daß es eine Wonne ist. Du weißt wie man hier vom Hause grade aus kann gleich ins Freie kommen, das ist mein täglicher Spaziergang mit den Kindern, man hat das hohe Gebirge grade vor sich zu beiden Seiten Wiesen in nicht großer Entfernung einen mit kleinem Gebüsch bewachsenen Hügel, unser gewöhnlicher Lagerungsplatz. Ganz besonders herrlich ist die Stunde des Sonnenuntergangs, ich lasse es mir fast nie nehmen dann draußen zu sein, wie das lezte Licht noch so leise um die Gipfel der Berge herumzieht, bald hier einen Punkt auf das schönste verklärend, dann sanft erloschen, überraschend auf einmal uns einen andern im hellsten Glanz zeigend bis es ganz verschwunden nur noch den fertigen Duft zurükgelassen hat, das mein lieber ist meine Freude meine Erhohlungsstunde.
später.
Jette und Friede unterbrachen mich, ich behielt sie da um eine kleine Andachtsstunde mit ihnen zu haben, las ihnen einige Verse von Lavater und erzählte ihnen die Leidensgeschichte Jesu ich konnte meine Freude an ihnen haben, Jetten | 2 liefen die hellen Thränen aus den Augen, der Friede der sonst dergleichen nicht leicht an sich kommen läßt, sondern lieber über das Schicksal und die Schönheit einer Blume poetisirt, stand ganz betroffen da, und blieb ganz ernst und feierlich bis ich sie wieder entließ. Auch könnten doch in diesem wichtigen Geschäfte der ersten Einführung in die heiligen Güter der Menschheit, der heiße Wunsch und die tiefe Demuth mich recht leiten daß ich von allem verkehrten fern bleibe
Der wirklich poetische Zug in Friede der hier in dem Naturleben sich oft so lieblich ausspricht macht mir doch herzinnigliche Freude, überhaupt habe ich mir die Last mit ihm größer gedacht, ich regiere ihn sehr gut, bin sehr strenge, habe ihn aber allein schon durch seine Liebe zu mir sehr in Gewalt, mit Jette wäre ich sehr zufrieden hätte ich nur nicht immer und ewig mit dem abscheulichen Fehler des gegenredens zu kämpfen. Ich muß es wohl früher schon versehen haben, denn ohne Schuld der Erziehung kann doch ein solcher Fehler wohl nicht sich festsetzen. Jezt muß ich mich rasch anziehen denn hier wird um 12 gegessen – | 2v
d 16t
Heute erhalte ich wieder 2 Zettelchens von dir eines vom 1ten das andre Du böser ohne Datum, um die verlohrnen Briefe traure ich unendlich, daß ich auch Deine Briefe noch jezt missen muß! Ach meine Sehnsucht nach Hause und nach Dir wächst mit jedem Tage und ich will nun ernstlich versuchen ob es nicht kürzlich möglich ist zu reisen, welch ein Glück daß ich grade noch Geld genug haben werde. Gottlob daß ich wenigstens um Dich jezt außer Sorgen bin das einzige Gute woran ich mich in dieser lezten schlechten Zeit habe freuen können. Jezt sind wir förmlich eingesperrt, das einzige von Truppen unberührte Plätzchen im Umkreis von einigen Meilen rings von Feinden umgeben denn die Russen sind nicht anders anzusehn, so eben erst war uns der neue Postenlauf über Neisse angekündigt als auch heute schon die Nachricht komt daß ferner keine Post mehr kommen könne weil die Russen keine passieren lassen. Ich halte dies Gefängnißleben nicht länger aus, es ist meine einzige Seelennahrung dies tägliche und stündliche Harren auf Briefe, und können diese kleinen Zettelchen von Dir freilich keine ganze volle Befriedigung gewähren so haben Schadhafte Stelle [...]
Emma.
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