Berlin d 11t Aug 1814

Als ich am 5ten dieses Vormittag meine Epistel die Maheinike mitnimt zu Reimers – trug – – war der König eben ganz still in Berlin angekom men – doch davon wißt Ihr wohl schon durch Nanny – dort – sahe ich einen Augenblik Herrn Tiek der Eure Abwesenheit sehr bedauert – diesen Mittag kam die Herz zu Uns und blieb bis gegen Abend – ich begleitete sie mit den Kindern bis ans Thor alwo ich die schönen Saaten betrachtete – Friede hatte uns noch den Tag besuchen wollen erschien aber nicht und kam erst Vorgestern nach geendigten Feyerlichkeiten er ist am 5ten mit Plamans in Strahlau gewesen. Am 6ten Vormittag glaubte ich immer die trefliche Voss würde mich beim Pletten überraschen sie kam nicht – statt deßen erhielten wir ein billet daß sie Uns Alle zwischen 8–9 Sontag er wartete um den Einzug des Königes anzusehen – leider kamen wir so wie Viele Andre zu spät – da sehr pünktlich um 8 schon der König auf dem Plaz war – die Herz und Bardeleben haben sich aber früher eingestelt – und durch erstere werdet Ihr wohl hören wie es dabei so gar stille zuge gangen ist – um mir doch irgend eine Liebe zu erzeigen – bot mir die Gräfin einen Plaz in ihrem Wagen an – die Erleuchtung anzusehen – gern nahm ich dies ann obschon ich mich, mit der Herz und ihren Begleitern entschloßen hatte zu gehen – – gegen eilf solte mich einer zu Hause brin gen und Nany abholen – – nun aber da statt meiner, Lotchen mit der Herz gieng – und diese dem Zettel der Gräfin so wörtlich glaubten ich würde um 10 bey der Raider abgesezt werden – entstanden lauter un zwekmäßiges Hin und herlaufen – – Wir fuhren dort spät ab konten in dem schreklichen Gedränge nur sehr langsam oft gar nicht fahren – ka men auch nicht an alle Orte und doch erst halb 1 uhr zur Raider – die Niemand hatte | 15v mich heraus zu begleiten – ich muste dort couschiren, that aber kein Auge zu – – und die arme Nany, hat, weil sie Niemand abholte und ablöste gar nichts gesehn – – welches mir gar herzlich leid thut – wenn schon mehrere Iluminationen während ihres Hierseins wa ren, so ist doch diese nach aller Aussage wohl einzig gewesen – erlebe ich es noch – daß dieses Schauspiel wieder los geht – dann gehe ich mit 2 Männern an die Orte wo ich nicht war – Post – – Börse – Münze – und die erleuchtete Brükke habe ich nicht gesehen; wäre ich nur irgend furcht sam ich hätte laut aufgeschrien oder wäre ausgestiegen so sehr kamen wir ins Gedränge mit den Pferden – auch sind einige Personen den Abend übergefahren worden p; Twesten und Herz wolten mich noch ausschelten daß ich nicht zu Hause gekomen und daß ich überhaupt Schuld sey daß auch sie nichts ordentliches gesehen – ich will nur erleben wie dis ablau fen wird noch war Keiner hier – Heut über 8 Tage will ich diese Epistel auf die Post geben.   Vorgestern kam EhrenFried zu Hause – der Jubel unter den Kindern soll groß gewesen sein und lange gedauert haben, ich war in der GemeinStunde und blieb bey Garves zum The – welche freund lich und ungezwungen grüßen (Garve ist auch zu den religioesen Feyer lichkeiten im Lustgarten eingeladen worden und hat nicht ermangelt zu gehen) Gestern waren wir mit den Kindern bey Albertys die Frau hat uns schon eingemahl gegrüßt und auch Betty hergesandt die Kinder waren sehr vergnügt als wir gegen 9 uhr zu Hause kamen war Lenchen schon zu Bett die den Abend gebadet hatte – Hier will ich aufhören in diesen Tagen werden wir doch wohl von Euch hören! –! – | 16

[Henriette Herz:] Gruß und Kuß Jette auf dem Kopf stehend am unteren Rand von Bl. 15 Jette

[Charlotte Schleiermacher] d 12 Aug

Es ist Heute ein ganz köstlicher Tag! Ob Ihr meine Lieben nun badet – so könt Ihr Euch recht erquikken – ich war Heute von unserm kleinen Haus gemeinlein zuerst im Freien – dh die Andern schliefen einmahl lange – – wir frühstükten draußen was wir lange nicht gethan da es immer sehr kühle war – ich muß Euch doch sagen wie ich mir gestern Abend ein kleines Fest gemacht. Mine Schede die sehr grüßt war gegen 7 ein Stünd chen hier – die Andern begleiteten sie – unterdeß kam Ehrenfried – nach dem er alle seine Butterbrodte erhalten – die Suppe vor sich stehen sah muste er sich zu mir sezen und mir während seines soupers erzählen von allen seinen Begebenheiten – welches er mit angenehmer Lebhaftigkeit that – sowohl von der Ilumination – was ihm besonders gefallen als von seinen Reisen und Auffenthalt bey einem Prediger einem Freund von Pla man deßen Nahmen er aber vergeßen hat – wie er immer am wachsam sten gewesen auch in der Nacht auf dem Stroh fast gar nicht geschlafen – – weißt du sagte er was mir auf der Reise immer sehr lieb war! daß man wählen konte Brodt mit Butter – Käse – Mus oder mit Fleisch – – er hat sich die beiden leztern gewählt – – denn sagte er – den Käse kann ich gar nicht besonders finden – – daß er den Kronprinzen und Bluecher meh reremahle gesehen machte ihm viel Freude – der liebe Junge will am Sontag an Dich schreiben liebe Jette – ich habe ihn recht abgeküßt für dich und mich –! Daß ich unaussprechlich oft an Euch denke – mit und ohne die Kinder – – mich oft recht sehr nach Euch schweigsamen Men schenKindern sehne – versteht sich daß Ihrs ahndet und glaubt wenn’s auch nicht hier stünde | 16v

d 15t

Wenn Ihr meine Lieben – meine Blätter so hinter einander erhieltet wie ich sie schreibe: denn ich glaube kaum daß jene Epistel vor dieser anlan gen wird: so würdet Ihr ein ordentliches Ganzes darinnen finden – von alle dem was uns begegnet – und wie wirs treiben – – Heute ist der 16 ich will also nachholen von den vorigen Tagen – die mir vorzüglich merk würdig waren – Wir erwarteten am 12 Mittags vergebens die Hertz – da am bekanten 13ten der MorgenSeegen um halb 9 uhr an gieng wurde ausgemacht daß ich den 12ten gegen Abend nach der WilhelmsStraße wandern der Liturgie beiwohnen und bey Garvens schlafen – den Tag dort bleiben – das Abendmahl abwarten welches man wegen der ange sagten Rußen nicht wohl bestimmen konte – – den Sontag Vormittag den Gottesdienst auch noch – – und dann zu Schedens gehen die mich schon oft eingeladen und Abends mit ihnen (weil es ihr Sontag) hierhergehen. Nun hört meine Lieben was und wie sichs begeben hat. Ich hatte recht gut geschlafen – den MorgenSeegen zum wahren Seegen und Ermunte rung angehört – – als Frl Forestier die hier ihre Freunde Langsaisons besucht und mit ihnen in wenig Tagen ins Bad geht – – mich bey der Hand nimt – allein mit mir geht – – und mich frägt ob ich wohl ihr Zutrauen nicht beschämen würde – wenn sie mir eine condition bey ih rem neveu dem Obersten Blok – der mit seiner Frau und 4 Kindern in Potsdam wohnt antrüge. | 3 Er hätte sich an sie gewendet um eine ältliche gesezte Person von der er nur den Unterricht in der französischen Sprache verlangte und gute moralische Christliche Grundsäze alles übrige wird ihnen durch Männer beigebracht – – Sie hatte mich nur 2 mahl im Saale gegrüßt – – und von mir gehört daß ich wahrscheinlich den Winter noch hier bleiben würde – – – ich war ihr gleich eingefallen ob ich es nicht versuchen möchte da ich doch gerne thätig wäre – nur mit den 2 Töch tern für jezt zu thun hätte. Die älteste 10 die andere 8 Jahr alt – der Knabe 5 – und ein kleines Mädchen was noch bey der Kinder Frau ist – – für freundtschaftliche Behandlung – und gute condition wolte sie stehen – da die Leute so in der Nähe und Er als Oberste der Garden ein Apendix des Königs entweder dort oder hier wohnt – – in Potsdam auch eine kleine Societät – – und ich doch gar zu gerne so lang ich mich noch bey Kräften fühle – nüzlich sein möchte – – konte ich diesen Antrag nicht von mir weisen wir sprachen mit der Garven – der es auch so vorkam und wir waren darin überein daß ich die Leute erst sehen – und wir einander kenen lernen müßten es wurde also verabredet – daß der Oberst mit seiner Gemahlin zur Frl Forstier beschieden – er bestimte Sontag 3 uhr Autorfußnote (am linken Rand)hetten wir irgend über meine Verhältniße vorher gesprochen – so wäre mir die ­­ Geschichte nicht so ganz ungesucht – – aber – so – konte ich es ganz anders ­­ ansehen – – ich gieng also in einer von der Garve geborgten Haube (da ihnen leider unsre GemeinMüze ganz unbekant ist) zu Schedes aß dort – und wan derte dann im Regen auf die lezte Straße zu Langsaison wo ich die | 3v Frau Obersten eine recht artige liebenswürdige Frau fand aber Er der das gro ße Diner was die Stände den Officiren geben woselbst der König und alle Prinzen zugegen nicht ablehnen konte – erschien erst um 6 uhr. Beide Leutchens gefallen mir recht gut – scheinen viel Vertrauen auf der Fore stier Wort zu mir zu haben da sie sich aber doch irren könten – war ihnen mein Vorschlag auch recht lieb – erst einen Besuch zu machen welcher aber da sie sich in diesen Ergerlichkeiten noch hier aufhalten müßen – erst auf den 1 September festgesezt ist. Da werde ich es wohl in einem Auf enthalt von einigen Wochen ine werden – ob wir uns einigen könen – – auch wegen dem hiesigen Gottesdienst. Komt es zum Entschluß dan muß es an die Gnadenfreyer Conferenz gemeldet werden – ob sie es eingehen mit dem Vorbehalt daß mir dort mein Plaz offen bleibt – – ich sehe dich ein ganz besondres Gesicht machen lieber Bruder – – daß ich durchaus das conditioniren und civilisiren nicht laßen kann – ich glaube aber es ist Pflicht so lange als möglich sich was zu verdienen – – und da ich, wie aus der Unterredung zu schließen doch auch Bequemlichkeit dabei haben kann – so ist nur das ablegen meiner Mütze mir unangenehm – doch nicht Grund genug es abzulehnen – wenn es nur die Conferenz eingeht

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Heute den 17ten schließe ich diesen Brief. Gott gebe wenn Nany aus der Stadt komt daß sie welche von Euch Lieben mitbringt wir sind gar zu weit zurük in den Nachrichten von Euch – ich hoffe und bitte darum mir bald nach Empfang dieses einige Worte zu schreiben – die mich wahrscheinlich in Potsdam treffen werden von dort aus, werde ich, wenn wir im gegen seitigen Vertrauen befestiget werden – in Gemeinschaft mit Garves nach Gnadenfrey schreiben – Du weißt mein Bester wie viele dergleichen Dinge ich schon von mir gewiesen und mehr noch als ich erzählt habe – ich habe recht kindlich die Sache meinem götlichen Freund empfohlen – daß wenn es für mich nicht gut – er alle Umstände so lenken möge – daß es durch irgend eine Kleinigkeit oder Schwierigkeit nichts wird | 18v

Die Garven und Er, meinen da es scheint als wenn man in den Ge meinen – mit gar keinem Geschäft an mich dächte mann auch hier mit Recht nichts einwenden könte – da ich am Sontag der Hertz ihren Besuch versäumt – und sie noch gar nicht gesprochen schikke ich diese Epistel offen zur weitern Besorgung – damit sie erfahre, was mir begegnet – Gestern als den 16ten schikte Madame Bock zur Garve und bat um unsern Besuch – weil sie ganz ruhig mit ihren kleinen Herschaften ihn genießen könte – – ich war also dort und kam gegen 9 uhr wieder – Eben war Karl Sack hier der Uns Eichhorns Ankunft meldete und gar herzlich grüßt lebt wohl und schreibt recht bald

der alten Lotte

Zitierhinweis

4063: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher und Henriette Herz (auch an Henriette Schleiermacher). Berlin, Donnerstag, 11.8. bis Mittwoch, 17.8.1814, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007666 (Stand: 26.7.2022)

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