Berlin d 12t. Jun 13.

Du forderst mir kurz und gut mein politisches Glaubensbekenntniß ab lieber Freund. Ich kann Dir das allgemeine davon in wenig Worten mittheilen, nur fürchte ich du wirst wenig eigenthümliches darin finden, vielleicht auch manches was Dir nicht behagt. Ich bin gar nicht so ganz dagegen daß es Sachsen und Brandenburger Oestreicher und Baiern geben soll. Die Stammesverschiedenheiten sowol als die Spuren der alten einzelnen politischen Concrescenzen, die freilich mit jenen nicht immer genau zusammen hängen über den ursprünglichen Text geschriebenfallen sind den Deutschen zu stark aufgedrükt, als daß man sie sollte vernichten wollen dürfen. Nur sollen sie nicht über die größere NationalEinheit dominiren und das Volk ihnen zu Liebe nicht wieder in eine lose πολυκοιρανιη gerathen und an den Rand des Abgrundes kommen. Darum ist nach der Befreiung mein höchster Wunsch auf Ein wahres Deutsches Kaiserthum, kräftig und nach außen hin allein das ganze Deutsche Volk und Land repräsentirend, das aber wieder nach innen den einzelnen Ländern und ihren Fürsten recht viele Freiheit laße sich nach ihrer Eigenthümlichkeit auszubilden und zu regieren. Aber jenes ist nur möglich | 27v wenn kein dem Kaiserthum zugehöriger Fürst Länder hat die demselben nicht angehören, und dieses ist nur möglich wenn in die innern (nicht militärischen und diplomatischen) Angelegenheiten der einzelnen Staaten der Kaiser sich gar nicht mischt und hiefür kann es wieder außer einer sehr weise eingerichteten Militärverfassung keine andere Garantie geben als die Unmöglichkeit eigennüziger FamilienAbsichten und Rüksichten und der gänzliche Mangel aller despotischen Neigung auf dem Kaiserthron. Da liegen nun die ungeheuren Schwierigkeiten, und ich fürchte daß jener Wunsch bei der gegenwärtigen Lage der Dinge nicht unmittelbar zu erreichen ist. Sobald von Einem Kaiserthum die Rede ist kann wol niemand anders als an Oestreich denken. Ob dieses aber eine solche Garantie in sich hat, ob es sich bei der so scharfen Trennung der Norddeutschen und Süddeutschen der Katholiken und Protestanten ein so allgemeines Vertrauen erwerben würde weiß ich nicht.   Ob Preußen den Anfang damit würde machen wollen auch Schlesien und Preußen dem deutschen Reich einzuverleiben und sich mit seiner ganzen Macht in die Stellung eines deutschen Reichsfürsten hinein zu begeben, ob Oestreich liberal genug wäre um ein solches Kaiserthum zu gründen wie wir es in der gegenwärtigen Zeit brauchen, das alles weiß ich nicht, und kann es nach meiner beschränkten Kenntniß nur bezweifeln. Ob also nicht, wenn der Kampf mit vereinten | 28 Kräften (denn wir hoffen immer noch auf Oestreich wie man sagt) und dann gewiß glüklich fortgesezt wird irgend eine andere auf jeden Fall nur interimistische Gestalt von Deutschland das Resultat sein wird, und wie diese aussehn wird und woher uns kommen, darüber begebe ich mich nicht ins Profezeihen – Vom Kriegführen verstehe ich wenig, aber diesen Waffenstillstand halte ich für einen ungeheuren Verlust mehr als eine verlorene Schlacht, wodurch der böse Feind sie wieder recht überlistet. Mir gereicht es zur großen Beruhigung daß gewiß die Annahme desselben von Preußen nicht ausgegangen ist. Nur Oestreichs Beitritt kann nun die Sache noch retten; und wenn die Verhältnisse mit über den ursprünglichen Text geschriebender Alliirten mit England und Schweden dadurch getrübt werden so bleibt es doch schlimm genug. Viel Lehrgeld werden wir noch geben müssen und viel Köpfe werden noch von ihrer Stelle müssen weggeschüttelt werden ehe die rechten an die rechte über den ursprünglichen Text geschriebenRechte kommen. An der Sache selbst aber soll kein frommes deutsches Gemüth verzweifeln.

Keine Proclamation ist von mir, ich habe überhaupt in dieser Sache nichts geschrieben, sondern nur geredet soviel die Natur der Kanzel erlaubt. Daß ich überhaupt lange nichts geschrieben habe weißt Du, nichts seit der kleinen theologischen Encyclopädie, an der ich gelernt habe wie ungeheuer schwer ein Compendium ist. Doch hatte ich eben angefangen eines über meine Ethik auszuarbeiten, als das Landsturmedikt erschien und mich in eine große Thätigkeit sezte in der seither alles andere untergegangen ist. So lange der Gang der Dinge diesen Cha | 28vrakter behält kann ich auch wol nichts schreiben denn dazu gehört bei mir große Ruhe; in einem sehr aufgeregten Zustande kann ich nur reden, schreiben gar nicht. Und so kann ich Dir auch leider fürs erste nicht viel Hofnung geben für Dein Museum an dessen Fortgang ich übrigens den aufrichtigsten Antheil nehme. Nur glaube ich immer noch nicht daß Du Dich auf Journale einlassen solltest; Du weißt das ist meine alte Meinung. Dagegen habe ich eine andere Bitte an dich. Ich bin im Begriff (als eine große Aufopferung sehe ich es freilich an) auf eine Zeitlang die Redaction des preußischen Correspondenten unter meine Leitung zu nehmen. Kannst über den ursprünglichen Text geschriebenWeißt du mir nun Mittheilungen zu verschaffen die dahin gehören und die man in euren öffentlichen Blättern später oder gar nicht findet so wirst Du mich sehr verbinden. Nur mußt Du es immer darauf wagen ob sie passiren; denn bei unserer principienlosen albernen Censur können wir für nichts stehn. Trage doch auch Genz dies als meine Bitte vor, und grüße ihn von mir aus alter wiewohl sehr entfernter Bekanntschaft.

Ich muß abbrechen wiewol nun ich einmal angefangen ich noch gar viel von vielerlei schreiben möchte. Vielleicht geschieht es nun öfter und dann mühen wir doch allmählich alles ab. Grüße mir Dorotheen auf das herzlichste. Veit schreibt mir eben daß Philipp auf kurze Zeit hier gewesen sehr gesund munter und martialisch es thut mir sehr leid daß ich ihn nicht gesehn habe.

Schleier

Zitierhinweis

3909: An Friedrich Schlegel. Berlin, Sonnabend, 12.6.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007640 (Stand: 26.7.2022)

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