Mein lieber Karl schon ehe ich Ihren lieben Brief erhielt wollte ich Ihnen schreiben, wieviel mehr noch seitdem! und immer ist nichts draus ge worden bis nun meine Worte Sie nicht mehr in Ihrem ruhigen Quartier finden, sondern Sie zum lang ersehnten Wiederausbruch der kriegerischen Thätigkeit begrüßen, vielleicht nachdem Sie den Feind schon wieder ge sehen haben. Dafür schicke ich Ihnen nun diese Zeilen durch unsern Eich horn, der nun auch der Stimme seines Herzens folgt, und zwar nicht eben unter den günstigsten Aussichten für das persönliche Verhältniß was er sucht. Ich kann nichts dazu sagen als daß sein innerer Beruf sehr stark sein mußte um alles zu überwinden was ihm entgegenstand und so kann ich ihm nur meine herzlichsten Wünsche mitgeben. Möchte er bald eine Thätigkeit finden die ihm recht angemessen ist, und möchten Sie die An nehmlichkeit haben einander nahe zu sein, denn es ist etwas herrliches immer zwar zumal aber in solchen Zeiten um einen Gefährten der dem Herzen recht nahe steht. Es kommt noch hinzu daß Eichhorn seinen Freunden doch Besorgniß erregen kann wegen seiner Gesundheit, wie wohl mancher schwache Körper sich durch den Feldzug wunderbar ge stärkt und befestiget hat.

Wo soll ich Sie nun suchen mein Lieber? Ich weiß | so wenig von der Dislocation der Truppen, und zu welchem Korps Sie gehören daß ich schwanke zwischen Böhmen und der Oder. Denn daß Sie zu denen ge hören welche bestimmt sind Schlesien zu hüten ist mir ja nicht wahr scheinlich, und ich wollte es Ihnen auch nicht eben wünschen weil es da so bald wol nichts zu handeln geben würde – indeß Sie würden auch das mit dem rechten Sinne hinnehmen, wenn es sein müßte.

Viel Schönes habe ich zu meiner Freude gehört von dem guten Einfluß den Sie von Anfang an auf Ihr Detachement gehabt haben, und gewiß jezt als Officier noch mehr haben. Zwar klingt es mir im Ganzen sehr wahr was neulich Dreist (der seit einiger Zeit hier in Cantonirung steht) be hauptete es sei besonders schwierig bei demselben Detachement als Of ficier zu agiren in dem man anfänglich gestanden aber ich denke grade weil Sie zugleich von religiöser Seite Ihre Kameraden ergriffen wird es Ihnen leichter werden. Gar sehr hat es mich gefreut daß Ihr eigentlicher Beruf so mächtig in Ihnen ist daß es Sie getrieben hat ihn auch dort fortzusezen, und wenn ich gleich nicht gewagt hätte Ihnen gradehin und ohne nähere Kenntniß der Umstände die Frage zu bejahen ob es rathsam sei ordentliche Erbauungsstunden einzurichten so freut es mich um so mehr daß Sie es mit Erfolg versucht haben. Ein Paar Menschen, die der Sache entschieden entgegen gewesen wären, so schien es mir, konnten sie leicht völlig verderben. Mir fiel dabei, sans comparaison müßte ich frei lich hinzusezen der wakre Primrose im Gefängniß ein, und ich dachte eben weil Sie nicht ordentlich und ganz dort Geistlicher sind könnten Sie | Sich nichts analoges gefallen lassen dem was ihm begegnete – Sie haben den Waffenstillstand auch zur Gemüthserquikung durch kleine Wanderungen in meinem schönen Vaterlande benüzt, und das wie Nie ­buhrs Nähe den Sie doch gewiß öfter gesehn haben, und überhaupt die Nähe von Reichenbach was so sehr interessant gewesen ist habe ich Ihnen wohl gegönnt. Meine Schwester hat geschrieben sie habe Sie einmal ge sehen aber nur in größerer Gesellschaft und sie hätte gern etwas mehr mit Ihnen gehabt. Daß die Meinigen auch in Ihrer Nähe gewesen sind und daß sie sich durch eine wahrhaft heldenmüthige Reise quer durch die französische Armee wieder zu mir gerettet haben, das wissen Sie vielleicht durch die Briefe der Ihrigen. Es war eine ganz eigene Zeit diese Stroh wittwerschaft; der Erfolg hat die Reise als überflüßig gestraft allein ich konnte nach meiner persönlichen Lage doch nicht füglich anders. Der Himmel gebe, daß wir nie wieder in den Fall kommen uns zu trennen. Ich habe dabei keine andere Probe als die der Passivität bestehen können; meine Frau hat sich durch ihre Entschlossenheit und durch die große Sicherheit ihres Betragens auf das herrlichste bewährt.   Wie wir Alle hier, die wir es gut und redlich meinten, durch die Aufhebung des Land sturms aus dem Sattel gehoben sind wissen Sie wol auch daß mir zu gleicher Zeit noch eine andre Unannehmlichkeit geworden ist mögen Sie wol ebenfalls erfahren haben und vielleicht vergrößert wie es zu gehen pflegt. Ich war dabei, daß über den ursprünglichen Text geschriebendas können Sie Sich denken wie vom Himmel ge fallen. Es giebt gewisse Dinge | im Leben bei denen man nichts thun kann als großmüthig darüber hinwegsehen, und dahin habe ich dies gleich auch rangirt. Uebrigens ist mir freilich die Redaction des Correspondenten eine Last die ich gern sobald als möglich wieder von mir würfe; sie hindert mich an dem meisten von dem was ich mir diesen Sommer vorgenommen hatte aber die Sache lag so daß ich es gar nicht gut umhin konnte ohne unsern Reimer in die größte Verlegenheit zu sezen.   Sonst leben wir nun recht angenehm in unserm Garten ich genieße Frau und Kinder mehr als seit langer Zeit möglich war; meine Vorlesungen denke ich nun bald zu schließen um mich dem Eindruk leider ruhig hinzugeben, den die Bege benheiten machen werden. – Zu diesen und Ihrem Antheil daran um den ich Sie und alle die Glüklichen beneiden möchte nehmen Sie denn meine besten Wünsche mit. Es ist ja nun im Großen und Ganzen nur vortrefli ches zu erwarten. Möchten wir nur eben so wie wir von außen gewiß werden befreit werden auch innerlich genesen und die nothwendige po litische Wiedergeburt nicht ganz warten müssen auf die Zeit wenn die Generation walten wird welche jezt die herrliche Bildungsschule durch macht in der Sie auch begriffen sind, und die eine Reife und Vollendung hervorbringen muß die nicht leicht auf einem anderen Wege zu erreichen ist. Ich habe auch das mit ein Paar Worten anzudeuten gesucht in dem was ich über Ihre kleine Gedächtnißschrift gesagt habe aber auch damit, wie es mir wol begegnet auf mancherlei Art in das Wespennest gestochen.

Die Meinigen grüßen herzlich; Sie sind unser aller Theilnahme versi chert, und so bitte ich  über den ursprünglichen Text geschriebenauch ich Sie nicht, unser nicht zu vergessen. Gott sei mit Ihnen mein lieber und bewahre Sie auf dem Wege den er Sie führt.

Schleiermacher

d 15 Aug. 13

Zitierhinweis

3956: An Karl Heinrich Sack. Berlin, Sonntag, 15.8.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007630 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.