Rostock den 3ten May 1814.

Mein lieber Schleiermacher,

Morgen reist ein Sohn unsers Professors Karsten nach Berlin, und ich benutze diese Gelegenheit, Ihnen hier zu sagen, daß ich noch lebe, und daß es also sehr unrecht von Ihnen sey, zu thun, als sey ich todt. Sie verstehen mich schon. Am liebsten stellte ich mich selbst vor Sie hin, theils um Sie auch mit Ton und Miene zu schelten wegen Ihres Schwei gens, theils und hauptsächlich, um über die großen Angelegenheiten des Tags | 82v mit Ihnen zu sprechen und zu vernehmen, wie Sie über dieß und jenes denken, was sich alles brieflich nicht wohl abthun läßt. Mir mißfällt Manches, Altes und Neues: das Stückchen mit Norwegen, und die Folge davon, Hamburgs unheilbare Verwundung unter der Herrschaft des elen den Eckmühl, der Vertrag mit dem Könige von Neapel, den man vielleicht sich nothgedrungen sah zu schließen; das Hätscheln des russischen Kai sers mit den Parisern, was bey aller Humanität sehr wohl unterbleiben könnte, und dgl mehr – Sie können | 83 mir vielleicht einige Nachricht über unsern wackern Blücher geben? Woher das gleichgültige Schweigen über ihn? Kaum hat man uns beyläufig einmahl gesagt, er liege krank in Paris. Warum hören wir denn nicht, daß der König den kranken Helden be sucht? Und wenn der Kaiser die la Harpe besucht, und sich in Artigkeiten gegen sie erschöpft, warum nicht diesen Greis, der so entscheidend in dem glücklich beendigten Kriege gewirkt hat? Es schmerzt mich, daß ich ihn, der mir vorzüglich ausgezeichnet werden zu müssen scheint, behan delt sehe, wie wenn er ein unbedeutender Mensch wäre, und ich fürchte, es ist irgend etwas vorgefallen, was ihn in Ungnade ge | 83vbracht hat. Schrei ben Sie mir doch, was Sie darüber wissen oder vermuthen.

Nun bekommt Ihr bald Euren Siegeswagen vom Brandenburger Thor wieder. Ich möchte wohl dabey seyn, wenn er wieder aufgestellt wird. Man wird wohl warten damit, bis der König zurück ist.

Der junge Karsten reist in wenigen Tagen zurück nach Rostock, und ich zweifle nicht, daß er mir einen Brief von Ihnen mitbringt. – Viele Grüße an alle Ihrigen.

Vale Konopak

Zitierhinweis

4028: Von Christian Gottlieb Konopak. Rostock, Dienstag, 3.5.1814, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007554 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.