Gieb. den 8ten Apr.

Wie sehr dankbar ich Ihnen bin lieber Schleiermacher, werden Sie glauben wenn Sie hören daß ich leider schon am Tage Ihrer Abreise alle Sayten die ich durch Lehmann erhielt, nach einander sprengte, weil sie nicht fein genug waren. Mein Eiffer ließ mich zwar bald die Möglichkeit finden auch ohne die fehlende Sayte zuüben, doch vermiste ich sie deshalb nicht weniger. Diese sind nun endlich ganz wie sie sein sollen. Darff ich Sie daher bitten mir von den feinsten, welche Quinten genannt werden 1 Dutzend und von den andern etwa halb so viel mitzubringen, ich lege wieder von beyden Proben bey. Sollten noch feinere Quinten zuhaben sein so nehme auch davon einige; Sie sollen dafür herrliche Sache hören wenn Sie wiederkommen, nicht allein auf der Laute auch viel neue Chöre haben wir unterdess gelernt. Teo ist entweder die Kurzform des Vornamens eines nicht weiter zu identifizierenden italienischen Komponisten, möglicherweise ist „Teo“ auch verschrieben und steht für „Leo“ und könnte der Komponist Leonardo Leo sein. [Schließen] Ein Sanctus dominus und agnus dei von Teo wird Ihnen besondere freude machen. Sie sehn ich habe | 18v das herzliche Vertrauen, das Sie ohngeachtet Sie jetzt Finkensteins schönes Chor hören doch auch gern mit unserm schwächren wieder vorlieb nehmen werden. Alle Stunden wo Clärchen schläft haben wir zum Singen bestimt so daß wir manchen halben Tag ganz damit zubringen. Ueberhaupt sind wir so froh zusammen und haben auch den Garten schon recht genossen der anfängt wunderschön zuwerden. Zwischen ein habe ich bey den   Wilhelm Heinrich Wackenroder (mit Ludwig Tieck ): „Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders“ (1796) [Schließen] HerzensErgiessungen sehr glückliche Stunden gehabt; bey einigen Stellen glaubte ich Aehnlichkeit mit Ihrer Sprache zufinden und diese waren mir die liebsten. Im ganzen hat mir das Buch aber doch einen mehr traurigen als frohen Eindruck gemacht, es ist wohl nicht möglich wenn mann sich einige Augenblicke lebhaft in jene goldnen Zeiten versetzt fühlte, ohne Schmerz auf die jetzigen zublicken. –   Es handelt sich um Luise Reichardts Vertonung eines Liedes aus „Leben und Tod der heiligen Genoveva“ (1800) von Ludwig Tieck . „Zwischen Busch und Thal“ bezieht sich auf den Text des Liedes: „Dicht von Felsen eingeschlossen / Wo die stillen Bächlein gehn, / Wo die dunkeln Weiden sprossen -- / Wünsch ich bald mein Grab zu sehn. / Dort im kühlen abgelegnen Thal / Such ich Ruh für meines Herzens Quaal. // Hat sie dich ja doch verstossen / Und sie war so süß und schön, / Tausend Tränen sind geflossen / Und sie durfte dich verschmähn. / Suche Ruh für deines Herzens Quaal / Hier ein Grab im einsam grünen Thal. // Hoffend und ich ward verstossen / Bitten zeugten nur Verschmähn. / Dicht von Felsen eingeschlossen,/ Wo die stillen Bächlein gehn, / Hier im stillen einsam grünen Thal / Such zum Troste dir ein Grab zumal.“ [Schließen]Vorgestern habe ich auch endlich die Umrisse zur Genovefa zusehn bekommen, die mir gröstentheils sehr gefallen; besonders rührend war es mir durch Busch und Thal immer meine einfache schwermüthige Melodie | 19 durchkommen zuhören, die Zeichnungen scheinen so ganz in demselben Sinne gemacht zu sein daß ich recht herzlich Freude daran gehabt habe.

Lassen Sie es sich bey dem schönen Wetter recht wohl sein, wir hoffen daß dies wenigsten zu Ihrer Erholung beytragen soll. Es ist hier so warm daß wir gestern Nachmittag schon im Garten Kaffee getrunken haben, wir suchen überhaupt unsre Zeit so gut als möglich hinzubringen, aber glauben Sie deswegen nicht lieber Schleiermacher daß wir weniger an Sie denken, ich mag kaum sagen wie sehr wir Sie vermissen, wir sind so sehr daran gewöhnt jede kleine Freude mit Ihnen zu theilen, daß uns jetzt bey allem etwas zu wünschen übrig bleibt. Auf Rechnung dieser lieben Gewohnheit wird auch mein Brief Entschuldigung bey Ihnen finden. Grüßen Sie   Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nanny herzlich, sie hat uns einen so hübschen Brief geschrieben. Alles was mich umgiebt empfiehlt sich Ihrem freundlichen Andenken. Clärchen will besonders genannt sein.

Louise R.

Zitierhinweis

2681: Von Luise Reichardt. Giebichenstein, Freitag, 8. 4. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006510 (Stand: 26.7.2022)

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