Halle den 16 Febr. 1810
Ich danke recht sehr für Vgl. Brief 3394. [Schließen]deinen lezten Briesf, der mir viele Freude gemacht hat. Heute kann ich mir nur auf das Nothwendigste in der Antwort einschræncken, denn meine Zeit ist kurz. Der Brief gilt für dich und Reimer zugleich.
Das erste und wichtigste also. Als Humboldt hier war, war ich bei Reil mit ihm zusammen. Reil hatte ihm gefragt, ob er mich einladen sollte. Humboldt antwortete: Es wære ihm lieb, weil er mich doch sonst aufgesucht hätte. Gegen mich wiederholte er die nehmliche Versicherung. Er fing von selbst an von Berlin zu sprechen. Ich ließ ihm, ohne zu thun als merkte ich etwas, immer næher treten. Es ward immer deutlicher, dass er darauf anlegte, mich zu sondiren. Endlich, als ich Abschied nahm sagte er ausdrücklich: man wünsche mich in Berlin zu besizen, besonders wære es sein Wunsch. Eine Vocation könnte er mir zwar nicht geben, überhaupt nichts gewisses sagen. Indessen hoffte [er], dass es gelingen würde – In May käme er wieder nach Halle. Ich möchte mich nicht verstecken. Ich gestand ihm, dass meine hiesigen Verhæltnisse mir zuwieder wæren, dass ich selbst mit Aufopferung nach Berlin gienge, wenn man damit gedient sein könnte, dass ein armer Teufel, wie ich etwas aufopferte – Dass die alte Verbindung mit Dir mir das Wünschenswertheste in der Welt schiene, dass ein Naturforscher, vor allem der, der in der allgemeinen Combination lebte, nur in einer grossen Stadt gedeihen könnte, wo ein grösserer Verkehr der Untersuchungen, und ein lebhafterer Austausch von Dinge und Gedanken stattfand. Er schien zufrieden, und äusserte es gegen Reil später. Reil geht nun auf allen Fall. Man hat ihm zugestanden, was er forderte, er hat ohne Bedingung, um seinen Abschied | 45v angehalten, und seine Vorschläge über die Einrichtung einer Naturwissenschaftlichen Facultæt vorläufig eingereicht. Nach diesen sieht er mich für die allgemeine Physik, Horkel für die allgemeine Zoologie für unentbehrlich an, und wir müssen das übrige erwarten. Ich weiss nicht, wieviel Du von diesem Allem wissen darfst. Aber ich glaubte es wære nüzlich, wenn du mit der Lage der Sachen ganz bekannt wærst. Wenn du Humboldt nun über dieses alles sprechen solltest, so bitte ich dich, dass du ihm, sofern es nicht schädlich ist, mit meiner oekonomischen Lage bekannt machst, damit ich nicht etwa, durch ein zu kleines Anerbieten in Verlegenheit gesezt werde. Ich würde es nehmlich, meinem Versprechen gemæss, ohne Umstænde zwar annehmen, aber mich doch sehr übel dabei befinden. Dann würde meine Trennung von Halle auch mit Schwierigkeiten verbunden sein, meiner Gläubiger wegen, die doch, wenigstens zum Theil befriedigt sein wollten. Doch muss dieses alles wohl mit Vorsicht berührt werden, um nicht abzuschrecken. Ich denke und hoffe aber, dass wenn man erst fest entschlossen ist, und ich die Vocation habe, man nicht so sehr viele Schwierigkeiten machen wird mir einige hundert Thaler zuzugestehen. Du siehst, dass ich recht ernsthaft an den Fall des Gelingens der Unterhandlungen denke. Doch weiss ich sehr wohl, dass noch nichts gewiss ist, und denke mirs auch so. Aber die Hofnung mit Dir zu leben will sich bei mir und meine Frau gar nicht unterdrücken lassen. Mag ich Vorsehung walten.
Sachanmerkung:
Was ... nehmen .] Steffens spielt hier wohl auf sein Buch
„Geognostisch-geologische Aufsätze als Vorbereitung einer inneren
Naturgeschichte der Erde“ (1810) an, in dem es auch einen Aufsatz über
die Gipsberge bei Segeberg gibt und das bei Hoffmann in Hamburg
erschien. Offenbar hatte sich Steffens über den Buchdrucker in Hamburg
beklagt und Reimer hatte diese Klage auf sich bezogen; zu Steffens
Bemerkungen über sein Buch vgl. Brief
3386.
Schwetske] Carl August Schwetschke
[Schließen]
Was die Schrift betrifft, die bei Reimer
zu Irrungen Anlass gegeben hat, so
wundere ich mich fast, dass Du sie nicht hast haben können.
Ich habe nehmlich
mit der Schrift über Segeberg etc. eine Abhandlung über die
Möglichkeit einer innern
Naturgeschichte der Erde in Verbindung
gebracht. Sie ist durchaus empirisch,
enthælt Schwierigkeiten, in welche die gegenwærtige
Behandlung uns verwickeln, und Blicke, die vorbereitend
sind für meine künftige Unternehmung.
Stuhr hat Reimer
mit Hofmann
in
Hamburg und mit den Buchdrucker
verwechselt.
Über diese habe ich
geklagt. Besonders aber über den Buchdrucker in dem
lezten | 46 halben Jahre.
An der innern Naturgeschichte
arbeite [ich] sehr
fleissig, und sehne darnach bald etwas zu liefern.
Was ich über das Buch schrieb lezthin muss du cum korr. v. Hg. aus: granugrano
salis verstehen.Es ist
wahrlich nicht so schlecht. Ich schicke dirs mit
der næchsten Buchhändlergelegenheit, und werde mit
Schwetske
heute desswegen Rücksprache nehmen
.
Heinrich Steffens: „Über die Bedeutung der Farben
in der Natur“, in: Runge, „Farben-Kugel oder Construction des
Verhältnisses aller Mischungen der Farben zueinander, und ihrer
vollständigen Affinität“ (1810) [Schließen]Mein Aufsaz über die
Farben ist noch nicht in der
Buchhandlung, und ich begreife nicht, was die
Bekanntmachung aufhält. Sie sollte schon zum Neuenjahre fertig sein,
und kommt mit
Runge
’s Aufsaz
als eigene Schrift bei Perthes
aus.
Sobald sie da ist erhäls du sie. Dieser Hinweis konnte leider mit keiner
Publikation von Steffens in Verbindung gebracht werden. [Schließen]Ich stecke in Untersuchungen über den
Wahnsinn bis zum wahnsinnig werden. Aber
sie interessieren mich sehr, und sollen in diesen
Tagen fertig werden.
Ich muss schliessen, lieber Freund! wie erquickend ist uns die Hofnung mit euch, Ihr Guten zu leben! – Geboren wurde ein Sohn, der bereits wenige Monate später verstarb. [Schließen] Meine Frau erwartet ihre Niederkunft in der næchsten Monaht – Wäre es nur überstanden und ein Junge da – Das Erziehen in Compangnie denke ich mir reizend. Grüss deine Frau , die wir, auch unbekannt herzlich lieben. Möchte ein guter Genius über mein nächstes Schicksahl waltet – Es wird ja eben gewürfelt – Blanc – Reichardts grüssen. Aideu
dein HSteffensWillst du Reimer sagen, dass er mir ein drei–vier Explare von der Schrift „Über die Idee der Universitæten“ zukommen læsst. Reichardt hat kein Explar auch ich besize keins.
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