Sonntag d 16. April 9.

25.

Unmöglich kann ich es ganz unterlaßen Dir zu schreiben meine theure geliebte Seele. Komme ich doch nicht längst aus der Kirche von der Communion, freilich seitdem schon wieder zwischen manchen irdischen Dingen durchgegangen aber indem ich mir zu Dir seze ist mir der ganze heilige Eindruck frisch im Gemüth. Im Gebet habe ich unsere Ehe geheiliget zu einer christlichen daß unser ganzes Leben von frommem Sinn und von heiliger göttlicher Liebe erfüllt sei und unser Thun und Tichten auf das himmlische hingewendet für uns und für unsere  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kinder . So habe ich uns Gott empfohlen und dargebracht, und es als einen herrlichen Segen gefühlt daß du zu gleichen Gesinnungen Dich mir vereint hast in derselben Stunde. Ein schöner Friede und eine heitere Zuversicht für das ganze Leben hat ist über mich gekommen, und so innig wohl ist gewiß Dir auch. O wie wollen wir auch immer unsere frommen Rührungen mit einander theilen, und am wenigsten soll ein heiliger Augenblik dessen der eine sich erfreut jemals verloren sein für den andern. Süße Jette und so bald geht nun dieses schöne Glük an daß ich glaube heut über 14 Tagen bin ich schon bei dir! Das Selbstaufgebot ist mir sehr gut von statten gegangen.  Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny sagte aber sie hätte eine schreckliche Angst dabei gehabt – Wir sind hernach zusammen im Gärtchen gewesen wo die Rosenstökke eben anfangen auszuschlagen, und haben da den Grasplaz für die Kinder bestellt wo sie sich tummeln können. Es wird sich freilich sehr halten lassen mit dem tummeln denn der ganze Garten ist halb so groß als das Poserizer Haus etwa und davon  | 59v haben wir nun vorläufig das eine Viertel zu Grase bestimmt das andere zu Erdbeeren das dritte zu Blumen das vierte zu Suppenkräutern und dergleichen[.] Außerdem sind noch zwei Obstbäume darin und anderhalb Acacien die eine Art von Laube bilden sie kommen mir aber verdächtig vor denn noch spüre ich nichts daß sie grün werden wollen.   Vgl. Brief 3184. [Schließen]Meine Stube ist nun gemahlt, die andern beiden sind wenigstens für den Mahler vorgearbeitet und von dieser Seite wird alles fertig sein ehe wir abreisen.  Vgl. Brief 3194. [Schließen]Mit Gardinen und Rouleaus hat Nanny auch schon allerlei Wirthschaft getrieben wie ich gesehn habe; also weiß ich nicht was uns hindern soll den 25ten oder 26ten zu reisen. Süße Jette dies ist der einzige Bonbon den ich Dir heute schikke ganz für Dich allein aber wenn er Dir auch nur halb so gut schmekt wie mir so bin ich ganz zufrieden. Wenn ich nicht wäre dumm und nachläßig gewesen so könnte ich auch schon wissen ob der Wagen schon wieder hier ist auf  lies: den ich Speculation [Schließen]den Speculation gemacht habe oder ob ich mich nach einem andern umsehn muß. Die künftige Woche wird auf eine schrekliche Weise vergehn; ich werde meine Bücher herüber kramen, werde sehr viel ins Plamannsche Institut gehn wo öffentlicher Unterricht ist (laß Dir das von  Henriette Herz [Schließen] Jette erklären) des Abends werden wir wol gar nicht mehr allein zu Hause sein – kurz eine Buschelei von der ersten Größe. Dafür will ich mir aber auch hernach recht gütlich thun.

 Ehrenfried von Willich, vgl. Brief 3160 und Brief 3184. [Schließen]Daß die Bonbons wirklich angekommen sind ist mir ein rechter Trost aber fatal ist es doch daß sie Friedchens Geburtstag verfehlt haben. Du wirst  | 60 aber gesehn haben wie zeitig ich sie abgeschikt habe und wie gar nicht es meine Schuld ist. Friedchen wird gewiß ganz frisch sein zumal wenn bald Frühlingsluft kommt die ich doch gewiß vor mir her zu euch schikken will. Verwöhne nur den Jungen nicht mit tragen und wenn ihr Mittagssonne habt ohne kalten Wind so laß sich ihn recht aussonnen draußen.  Johann Karl Heinrich Meyer, vgl. Brief 3184. [Schließen] Uebrigens hat Jette sehr Unrecht zu behaupten daß Meier ein Brownianer ist. Diese einseitige und tölpische Art mit dem menschlichen Körper umzugehn ist mir eben so fatal als sie dir nur sein kann, und meine Frau und Kinder möchte ich wenigstens nie so behandeln lassen. Meier aber ist nichts weniger als das – ich habe schon soviel von seinen Kuren beobachtet daß ich gewiß ein richtiges Urtheil darüber habe. Ich habe Dich schon seiner ärztlichen Fürsorge empfohlen. In dem Augenblik wo ich es gethan hatte fühlte ich daß es eine Uebereilung wäre; aber wenigstens der Brownianism braucht Dich nicht ängstlich zu machen, und sonst denke ich wird der Mann Dir allmählig gefallen

 Vgl. Brief 3184 und Brief 3191. [Schließen]Ich habe am Freitag zwei herrliche Briefe von Dir auf einmal bekommen zu meiner Erquikung und Entschädigung aber antworten kann ich gar nicht sondern muß aufs schleunigste abbrechen und  Vgl. Brief 3184. [Schließen]sage Dir nur noch daß ich sehr wohl bin und daß du mir das Inachtnehmen ein für allemal erlassen mußt. Es ist mein Tod, und wenn du sehn wi [...]  über den ursprünglichen Text geschriebenwirst wie widernatürlich es mich kleidet wenn ich mich einmal so anstelle so wirst du es  | 60v selbst aufgeben.

Zwei Briefe kann ich Dir nur noch schreiben. Mit welcher Freude kündige ich dir das an! und so werden es auch bald die lezten Küsse sein die du geschikt bekommst.

  Der Krieg zwischen Österreich und Frankreich (5. Koalitionskrieg), vgl. Brief 3212.  [Schließen]Der Krieg ist nun ausgebrochen Gott sei Dank aber bei uns wird leider alles ruhiger bleiben als zu wünschen wäre und an eine Störung in unserer Reise ist wol gar nicht zu denken. Hernach komme dann alles wie es wolle wenn ich Dich nur erst habe meine herrliche einzig geliebte. Grüße mir alles und sei mir ganz unmen(?)schlich gut und auch eben so ungeduldig als ich in dieser lezten Zeit[.] Ganz und ewig Dein

Ernst.

Zitierhinweis

3216: An Henriette von Willich. Berlin, Sonntag, 16.4.1809, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007045 (Stand: 26.7.2022)

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