Gdfr d 31 Merz 1 uhr nach Tische – 1809

 Schleiermacher fand die Herrnhutische Weise, Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern zu begehen, besonders schön. [Schließen]Daß du mein Bester in diesen Tagen schon viel mit deinem Geiste in der Gemeine warst – natürlich auch Gnadenfrei – kann ich mir sehr lebhaft denken da du ja erst  Am 9. April 1805 feiert Schleiermacher das Osterfest in der Brüdergemeinde in Barby .  [Schließen]vor wenig Jahren diese heiligen Tage in ihrer Mitte feiertest daß du aber Heute vorzüglich meiner gedenkest – ist mir eben so gewiß – ich glaube es trift sich Heute zum 2ten mahle so – wiewohl ich keine rechte Rükerinnerung von dem damahligen Geburtstage habe – ich glaube es war damals als ich ganz bei  Juliane Elisabeth (Lisette) von Prittwitz [Schließen] Lisetten war – O Lieber ich muß es dir sagen – noch nie habe ich mich in solchen Zeiten unsrer innigsten Vereinigung so freuen können als eben jezt – und auch an diesem so wichtigen Tage – ich hätte es vielleicht weit eher so gut haben können – wenn du mein Einziger dich nicht immer so ausgeschwiegen – gleich bei deiner Näherung an  Henriette von Willich [Schließen] Jetchen – hatte ich schon so ein tröstendes Gefühl – welches durch die Mittheilung einiger Briefe nur immer klärer wurde – und  Friedrich Schleiermacher: „Predigten. Zweite Sammlung“ (1808), vgl. auch Brief.  [Schließen]nun durch das lesen deiner Predigten , eine weit hellere Ansicht von Deinem Innren bekomen –: Wie beruhigend war mir schon seit einigen Jahren in Hinsicht deiner folgendes:

Jeder Mensch hat seine Seite, seinen LichtPfad ins VaterHerz Gottes hinauf; wenn mein Flehen für das Heil meiner Brüder, und aller meiner Lieben auf diesem Pfade hinaufsteigt; so, denke ich im Glauben wandelt es Gott in Seegen und gießt es auf denjenigen LichtWeg herunter, an den meine Lieben grenzen; auf diese Art wird mir begreiflich wie 2 liebende Herzen, in der weitesten Entfernung, zu gleicher Zeit, in gleichem Augenblike, in himlisch süßen Mittgefühlen; einander entgegen klopfen könen; denn Seufzer und Erhörung ist oft ein Bliz, der hier aufsteigt – droben seine Richtung bekomt und dort entzündet!!! Dis alles ist mir nun weit gewißer und ich freu mich innig, daß unser aufschaun auf den  Hebr 12,2 [Schließen]Anfänger und Vollender unsres Heils ein und dasselbe ist – und wir durchaus überzeugt sind daß unser bestes Thun ohne seinen Einfluß gleichsam bedeutungslos und fruchtlos ist –! mit allem was mann Thun und treiben heißt – will es mir nicht mehr viel heißen – da  | 9v ich seit vorigen Herbst gar nicht aus dem Kränkeln herauskomme und überhaupt gewahr werde daß meine Kräfte abnehmen – in diesem Gefühl – habe lezt an  Anne (Nanny) Schleiermacher  [Schließen] Nany und auch an die Herz wegen dem baldigen Herkommen geschrieben – mein Zustand ist deshalb auch nicht ängstlich – jedoch mag mir die gichtische materie – auf die Brust gezogen – da ich einen hartnäkigen Husten habe – und Engigkeit habe auch deshalb SenfPflaster gehabt – und werde es wiederholen müßen – weil mir der Husten doch oft den Schlaf raubt – und auch angreifend ist. – Lisette die eben da war grüßt herzlich

D 1 Aprill   Zu den Rezensionen der 2. Sammlung vgl. KGA III/1, S. XCV-CXVIII. [Schließen]Bruder Dober der ich weiß nicht wo – eine schöne recension über deine Predigten gelesen, kamm auch vor einigen Tagen her – gern hätte ich ihm die ungebundenen auf lange Zeit für ihn und Reichel geborgt – da ich aber unvorsichtig genug war, von jenen zu sprechen, mußte ich sie hergeben – er grüßt herzlich mit der Versicherung er werde sie mit vielem Vergnügen durchlesen – vielleicht bekome ich Heute Briefe

D 7t  Vor einer Stunde erhielt ich endlich  Vgl. Brief 3189. [Schließen]deinen Brief den ich auch Heute für gewiß erwartet hatte – über welchen ich große Freude hatte, und dir inigst dafür danke – nur nicht daß Du mir die Hofnung benommen noch dis Jahr Dich hier zu sehn – – für das künftige soll ich nicht bange sein – da ließe sich viel drüber sagen – doch ich will mit ruhiger Ergebenheit zu sehn – kann jezt ins Ganze noch nicht so weit hinaus denken – will mir so viel möglich und meine Lieben dazu willig sind – alles durch Briefwechsel ersezen – Du hast mir ja einen schönen Cranz von Freunden geschenkt – die mir ja mehr als ich ahndete und erwarten kan meine Liebe herzlich erwiedern – Gott lohne Dir dafür | 10  Sachanmerkung:

mit ... Weg ergriffen;] 
Vgl. Brief 3166.

KriegsGeücht]  lies: KriegsGerücht
 [Schließen]
mit meinem überraschenden Besuch – wozu nur ein augenbliklicher Anschein war – da die Schwestern wegen dem KriegsGeücht sich schnell entschloßen über Berlin zu gehen, nun aber doch den gewöhnlichen Weg ergriffen;
und alle vorhabenden Reisen gleich nach dem 4 May losgehen – möchte – es wohl auch dis Jahr nichts werden – und solche die in Berlin Verwandte haben, komen nicht so schnell wieder als ichs wünsche; wir wollen also alles ruhen laßen, und wenn unerwartet sich Mittel finden solten unsern liebsten Wunsch auszuführen, mit innigem dank und Frohgefühl ergreifen – nächst diesem Glük was ich in solcher wahrer Freundschaft genieße – ist nichts mehr was mich so recht ergreifen könte – als die Sehnsucht mit welcher ich ins Jahr 1809 übergieng, und welcher ich oft den Zügel halten muß damit der liebste Gedanke nicht in ungestümes Bitten entarte – und ich mit kindlichem Vertrauen und zarter Sehnsucht und Hingabe die Zeit erwarten, lerne, wenn es meinem Schöpfer und Erlöser gefallen wird, mich dorthin kommen zu laßen wo Er selbst Joh 14,2 [Schließen] die Städte mir bereitet – Er weiß allein am besten – warum mich der Wunsch nach Entfeßelung – der mir immer nicht fern oder schreklich war – jezt vorzüglich ergreift. –!  Schleiermacher schickte den Brief als Einlage in seinem Brief 3189 mit. [Schließen] Daß der gute Wedeke mir wirklich noch antworten würde – hatte ich nicht mehr erwartet – ich glaubte eigentlich der meine wäre nicht in seine Hände gekommen – ich habe ein wahres Seelenfest damit – von Deiner Verbindung hat er zwar gar nichts erwähnt – ich weiß aber doch daß er sich warhaft drüber freut – werde also auch mein Gefühl nicht zurük halten; sein Brief ist äußerst interressant; wenn schon keine Antwort auf den meinen – welches auch alles alt genug ist – ich werde dein Anerbieten benuzen und in diesen Tagen schreiben – damit dieses den 14ten abgehen kann – vielleicht erhält er dann unsre Briefe an seinem TrauungsTage welches recht lieblich wäre – ohnedies haben beide genante viel Werth für mich weil an beiden Freunde ihren Geburtstag begehen – schreibe mir nur gewiß noch ehe Du abreisest – auch von Jetchen hoffe ich noch Briefe – ehe du hinkomst! so wie ich es Eurer Liebe gewiß zutraue Autorfußnote (am unteren Rand von Blatt 9v, überlaufend auf den linken Rand von Bl. 10) daß mir Eins von Euch – oder die Herz – bald nach Eurem HochzeitsTag schreibt –! wer alles dabei war – und wie es war! ach daß die sich liebenden so sehr entfernt sein müßen – aber ich Thor! wer weiß – wird man mich bei näherer Bekantschaft auch so lieben | 10v

d 16ten

Gestern und Heute mein Bester habe ich schon recht viel an dich gedacht und an die liebliche Jette, an welche ich Heute einen neuen Brief anfangen will – Gott segne Euch und stärke Euer Inres jedes nach seinem Bedürfniß und Glauben, und Empfänglichkeit – meine Seele nimmt nähren Theil als Worte es ausdrükken können – merkwürdig sind in diesem Betracht die Loosung und Texte des heutigen Tages! Psalm 42,12  aus der zweiten Strophe des Liedes „Mein Freund ist mein“ von A. Hübner [Schließen] Choral. Ein Blik von Ihm der mich versöhnt kann allen Kummer stillen. Text 1 Corinther 10 – v 16 – die schönen Worte die der selge Vater immer bey der Austheilung sagte .

 Lied des Herrnhuter Kirchenmusikers Christian Gregor (1723-1801)  [Schließen] Choral. O Jesu, welche Gnad ist das, mit dir vereint zu sein! Wir solten eigentlich auch das Abendmahl haben – weil es aber erst in der Char-Woche war – und die verschiednen Chöre jezt ihre Feste haben, fällt es diesesmahl aus – ob die Nany mit comunicirt – oder sich nicht zur reformirten Kirche hält – hätte ich gerne gewust. Ich komme eben aus der Predigt die Reichel gehalten von welchem ich dir schon einigemahl geschrieben, er ließ eins meiner Lieblingslieder singen – welches wohl seit Jahren nicht vorgekommen –   Der Text stammt von Christian Friedrich Richter.  [Schließen] Mein Salomo dein freundliches Regiern stillt alles Weh das meinen Geist beschwert – ich weiß nicht ob es dir noch erinerlich ist; bei diesem fällt mir auch ein dir etwas zu sagen was dich vielleicht interressirt, Bruder Huffel den du ja kenst hat einen Ruf bekomen die Stelle des Heimgegangnen Bruder Duvernoy, in der Unitäts-AeltestenConferenz zu besezen ;

in diesen Tagen werden auch die Berichte der Prediger Conferenz gelesen, die mir immer vorzüglich angenehm sind – weil mann so verschiedenartige Menschen – die oft eben so verschiedenartige Erfahrungen und Ansichten haben – und doch Alle zu einem wichtigen Zweck verbunden sind – in einer Geschwindigkeit kennen lernt – mir fält dabey manchmahl ein, ob nicht einstens noch ein solcher Bericht von dir erscheinen wird!  Schon vorigen Posttag wäre

 Sachanmerkung:

 Schadhafte ... Stelle [...]] 
Das fehlende Ende konnte mittlerweile zugeordnet werden, eine kritische Transkription findet sich im nächsten Briefband KGA V/12.

Fortsetzung nicht überliefert.
 [Schließen]
 Schadhafte Stelle [...]

 am linken Rand von Bl. 9 [Schließen]beim Abgang dieses Briefes kann ich noch zur Theilnahme Beherzigung schreiben – daß es mit meiner Gesundheit wieder beßer geht – und die Gicht wieder herunter gezogen ist.

Zitierhinweis

3181: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Freitag 31.3. bis Sonntag, 16.4.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007010 (Stand: 26.7.2022)

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