Sonntag d 12t. Merz. 9.

16.

Es ist ganz herrlich liebste Jette daß ich, wenn die Post keine dummen Streiche macht mit solcher Sicherheit darauf rechnen kann heute wieder von dir zu hören  Ehrenfried von Willch (d.J.), vgl. Brief . [Schließen]da du ausdrüklich versprochen hast Nachrichten zu geben von Friedchens Gesundheit. Du würdest aber auch ohne das wol geschrieben haben denn es kann Dir wol kaum anders sein als mir. Je näher die Zeit des Wiedersehens und der schönen Vereinigung heranrükt, um desto schwerer wäre es mir einen Posttag ganz vorbei gehn zu lassen ohne Dir wenigstens einige Worte zu sagen, die Sehnsucht nach dem ganz Zusammensein kann gar nicht anders. Viel meine süße wird es heute auch nicht werden ich habe den größten Theil des Vormittags zugebracht um in meinem Kopf mit einer platonischen Einleitung zu Stande zu kommen. Ich hätte sie gern im Stich gelassen und mit Dir geplaudert; aber das darf ich nicht. Die L meisten Leute halten mich für einen ganz außerordentlichen Menschen der alles kann was er will und wann er will. Wenn ich wirklich ein solcher wäre wollte ich noch zehnmal so viel und ganz andere Sachen hervorbringen als ich nun leider kann. Es steht aber ganz anders mit mir; ich kann nichts gar nichts sobald ich nur will sondern ich muß warten bis der günstige Augenblik kommt, ist er also da, dann halte ich es auch für schlecht ihn vorbei gehn zu lassen. Nun erwarte ich noch einen Besuch.

Eben indem ich es schrieb kam er, nemlich Friz Dohna der jüngste meiner ehemaligen Zöglinge der auf einer  | 37v Durchreise auf ein Paar Tage hier ist. Sage das unserer großen  Henriette Herz [Schließen] Jette und daß er sehr herzlich nach ihr gefragt hat. Er erinnerte mich zuerst an  Vgl. Brief . [Schließen]deine Besorgnisse wegen Krieges. Diese scheinen sehr gegründet zu sein, und es ist einige wiewol leider nur unsichere Hofnung da daß die Sache so allgemein wird wie wir wünschen. Das sage ich aber nur Dir und unserer großen Jette. Indeß hoffe ich daß nichts mich hindern soll zur bestimmten Zeit zu Dir zu kommen und Dich zu holen, ja ich werde es nur desto ernster und ohne weit in die Zukunft zu sehn betreiben eben weil es unaushaltbar wäre in solchem Zustande der Dinge getrennt zu sein und durchaus nothwendig daß wir nun alles zusammen erleben. Nimmt die Sache die Wendung welche sie soll so ist auch durchaus nicht zu fürchten daß wir nicht in der größten Ruhe sollten reisen können. Dazwischen soll denke ich für uns nichts liegen. Das schöne Glük soll wirklich angehn, und so wenig sollen äußere Dinge das wesentliche desselben stören als an Deiner Seite das  über den ursprünglichen Text geschriebenund (?) in Deinem Besiz mir irgend etwas unbefriedigtes zurükbleiben wird.  Sachanmerkung:

Nun ... nicht weiß.] 
Vgl. Brief .

dagen] lies: sagen
 [Schließen]
Nun liebste Jette auch nicht vorübergehend kann mir das einfallen sondern ich habe die größte Sicherheit des Gegentheils, und selbst was Du Deine Unsicherheit nennst giebt mir nicht den leisesten Zweifel denn ich weiß zu gut wie das eigentlich in dir ist und kenne Dich zu gründlich. Ich gestehe es Dir auch nicht  über der Zeile ⎡ zu daß ich damals mehr ein selbstgemachtes Bild von Dir als Tochter, als dich  | 38 selbst wie Du warest geliebt hätte. Es war gar nichts unrechtes in meinem Bilde von Dir, sondern nur gewissermaßen in meinem Bilde von deinem Zustande. Und Du wirst ganz gewiß ganz ins Reine kommen mit Dir und zufrieden werden mit deiner Natur das glaube ich mit der größten Sicherheit vorhersagen zu können; dies wenigstens wird gewiß aus mir in Dich übergehen. Du wunderliche daß Du noch manchmal Besorgnisse haben kannst eben indem Du Deine Natur Dein inneres Wesen Dein reines Gefühl recht frei aussprichst daß mir etwas darin unlieb sein oder daß ich es einseitig verstehn könnte. Du beruhigst mich  über den ursprünglichen Text geschriebenDich wol immer darüber aber es fällt dir doch ein. Ich möchte dir dagen daß ich Dich so durch und durch kenne wie Du es gar nicht weißt, und daß grade etwas ausgesprochenes einseitig zu verstehn mir nicht möglich ist. Auf der andern Seite will ich es nicht sagen um dir nicht eine falsche Erwartung zu erregen. Denn etwas fehlt mir bei allen Menschen bisweilen, was man sonst zu einem ganz genauen Kennen mitrechnet nemlich, die Fertigkeit dein  über den ursprünglichen Text geschriebenden (?) eigentlichen Gehalt einzelner Bewegungen zu errathen auch wenn sie sich auf etwas beziehn was man nicht weiß.
Ihr Weiber  korr. v. Hg. aus: seitseid stark darin solche Momente zu haben aber auch sie bei andern zu errathen. Nun bin ich neugierig, ob mir das bei meiner Frau leichter sein wird als wol bei Freundinnen.

 Vgl. Brief . [Schließen]Als ich Dir schrieb ich fürchtete wenn Du auf einen Brief über die Gebühr warten müßtest, könnte er dich dann leicht am wenigsten ansprechen dachte ich auch nur  | 38v daran wie man nach einer langen Trennung und Verlangen immer auch einen besonders schönen Augenblik des Wiedersehns erwartet aber keine Erfahrung die ich mit Deinen Briefen gemacht hätte lag mir dabei zum Grunde. Nein, kleine, da hast Du wieder ganz unnüz besorgt. Ich wäre eigentlich in der Stimmung dich noch etwas zu nekken über diesen Artikel; aber das n  über den ursprünglichen Text geschriebenNekken ist besser mündlich als schriftlich denn es muß sich immer mit süßen Küssen endigen, und das mündliche ist ja so nahe! Denke nur gewiß süße Jette, daß an dem Tage wo wir zugleich communiciren ich uns auch aufgeboten habe wahrscheinlich zum zweiten Mal

Höre laß Dich von den  Kinder der Henriette von Willich aus erster Ehe [Schließen] Kindern nicht tyrannisiren auch nicht wenn sie krank sind.  Vgl. Brief . [Schließen]Ich finde das nun eine grausame Verwöhnung daß Friedchen Deine Hand haben muß wenn er  über den ursprünglichen Text geschriebenDu auch schreibst. Er muß nun doch leicht einsehn können daß das nicht möglich ist, und wenn er sich nun gewöhnt in Kleinigkeiten solche Foderungen zu machen, wie soll das weiter werden. Ich werde schon müssen der Vertheidiger Deiner Freiheit gegen die Kinder werden aber dafür sollen sie sich auch einer ganz rasenden Freiheit erfreuen. Ach es soll eine Wirthschaft werden an der alle Engel im Himmel ihre Freude haben und über die die meisten verständigen Menschen den Kopf schütteln. Ich freue mich ganz rasend darauf und umarme Dich und die süßen Kinder auf das innigste

Lebe wohl ich muß nun fort zu Reimers. Nach Tisch bekomme ich Deinen Brief.

Ernst

Zitierhinweis

3136: An Henriette von Willich. Berlin, Sonntag, 12.3.1809, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006965 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.