Den 12. Jan. 1809. Nächst dem Umgang mit Kindern ist wol gewiß am schwersten der mit Sterbenden;  Vgl. Brief. [Schließen]es sind die beiden Extreme, die einander gegenüberstehen, und ich weiß nicht, ob Du Dir, wenn Du wünschest bei mir zu sterben, etwas recht Gutes wünschest. Ich traue mir selbst nicht über den Weg, wo ich mich selbst noch nicht kenne, und es ist mir noch nicht geworden, bei den letzten Stunden eines Menschen zu sein, der meinem Herzen ganz unmittelbar nahe stand; ich weiß nicht, ob ich nicht würde zu hart sein oder zu weich, zu stark oder zu schwach. Aber Du wünschest es, und   Henriette (Jette) Herz  [Schließen] große Jette wünscht es, und so müßt Ihr Lieben doch ein starkes Gefühl davon haben, daß meine Nähe würde wohlthätig sein. Es ist gewiß mit das Größte, was man einem geliebten Menschen thun kann, ihn leicht dem Tode in die Arme zu führen; allein kann man viel thun dabei in diesen Stunden selbst? Kommt nicht so viel darauf an, wie der Körper den Geist gerade dann afficirt? und nicht vielmehr vielleicht darauf, was für eine Ansicht vom Tode sich das ganze Leben hindurch festgesetzt hat? Aber freilich auf der anderen Seite: die Liebe kann ja alles und sie muß auch können sterben helfen. Und so sollte ich mir das auflegen, Euch alle zu geleiten und selbst zuletzt hinüberzugehen? Kinder, das alles, wie es Gott ordnet! Wer weiß, wie wunderbar es kommt und wann …

Über beängstigende Träume.

Zitierhinweis

3036: An Luise von Willich. Berlin, Donnerstag, 12.1.1809, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006865 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.