Donnerstag, den 6. Oktober.  Vgl. Brief 2834. [Schließen]Mir ist wunderlich zu Muthe gewesen bei Deinem letzten Briefe, liebe Schwester. Er ist so lieb und gut überall, und doch ist mir wieder, ohne daß ich recht zeigen kann, wo es säße, als ob hier und da etwas Empfindliches durchblickte, was nicht lieb und gut ist. Ich bin sonst nicht geneigt, dergleichen zu sehen, und es pflegt eher auch, wo es wirklich ist, unbemerkt an mir vorüberzugehen, als daß ich es mir einbilden sollte, wo es nicht ist. Darum fürchte ich wirklich, daß ich recht habe diesmal. Sag mir, ist es wohl so? Thue das nicht, liebe Luise, sei nicht empfindlich gegen mich, auch wenn ich manchmal etwas vernachlässige. Vergleiche mich darin nicht zu genau mit unserem Ehrenfried , dem es seine Lage weit mehr gestattete, auch im einzelnen immer ganz für die da zu sein, die er liebte, als mir die meinige. Es ist mir dabei nicht allein von der Zeit die Rede, sondern von der Stimmung, über die man bei einem Gewirr der ungleichartigsten Beschäftigungen nicht so Herr sein kann wie bei einem schlichten, einfachen Leben. An die Herz und  Henriette von Willich [Schließen] Jettchen könnte ich immer schreiben, und, die erste kennt das schon und weiß es recht zu nehmen, wenn sie auch einmal entsetzlich trocken abgefertigt wird, wie ihr heute z.B. widerfahren ist, und mit Jettchen ist es nun wieder eine ganz aparte Sache. Wenn ich aber mit Dir rede, liebe Luise, so möchte ich immer, daß mir so recht frei zu Muthe wäre, recht offen auch für das Kleinste, Leiseste des Lebens und des Gemüthes, ja ich möchte sagen, daß ich ordentlich etwas übrig haben möchte immer an Wohlsein und Frohsinn.

Zitierhinweis

2857: An Luise von Willich. Berlin, Donnerstag, 6. 10. 1808, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006686 (Stand: 26.7.2022)

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