Kb. d. 6t. Sept. 8

Mir war schon ganz bange um Nachrichten von dir lieber Freund. Nun habe ich sie zwar, aber manches besonders Bökler betreffend hätte ich doch genauer erfahren wenn du selbst geschrieben hättest da du doch wahrscheinlich mit ihm zu thun hattest. Es thut mir leid daß grade die Geschäfte die wir beide eingeleitet haben vor der Hand so schlecht gehn, und ich wünschte nur ich könnte während meines hiesigen Aufenthaltes etwas tüchtiges thun um die Scharte auszuwezen. Mit Katt geht es mir schlecht, indem ich ihn fast immer verfehle. Mit Christ bin ich Morgen Abend zusammen und will sehn ob ich dann noch eine vertraute Zusamenkunft mit ihm verabreden könnte. Manches ließe sich dann ganz gewiß aufs Reine bringen. Bis jezt habe ich mit Neubaur am meisten zu thun gehabt; mancherlei habe ich ihm mit gutem Erfolg auseinander gesezt, anderes wieder nicht, und das läßt sich vielleicht mit Christ besser machen.  Das „Hauptgeschäft“ ist das Bestreben, einen Krieg mit Frankreich foranzutreiben, wobei jedoch die Kriegsgegner in der preußischen Regierung („Unkraut“) eine Gefahr für dieses Unternehmen darstellen.  [Schließen]Ueber die Nothwendigkeit unseres Hauptgeschäftes sind aber Alle wie es scheint ganz einig; nur für den Fall daß das Amt im Unkraut liegen bleibt ist man bange, und mit Recht. Auf den Kohlgarten wird auch hier gar keine Rüksicht genommen.   Prinz Wilhelm von Preußen (der „dortige Freund“) war seit Anfang des Jahres in diplomatischer Mission in Paris, um dort bessere Bedingungen für die Kontributionszahlungen zu erwirken, wurde jedoch von Napoleon etliche Monate hingehalten. Der am 15.8. abgefangene Brief Steins machte dieser Mission schließlich einen Strich durch die Rechnung, in dem am 8. September 1808 unterzeichneten Vertrag hatten sich die Bedingungen für Preußen kaum verbessert. [Schließen] Einer von dorther hat ausgesagt daß am 20ten vorigen Monats eine entscheidende Unterredung zwischen dem lieben Manne und unserm dortigen Freunde habe vorfallen sollen. Von dieser erwartet Christ stündlich Nachricht, und diese, so wie Christs Conte courante welches nächstens abgeschlossen werden soll, möchte ich noch warten. Vielleicht auch auf Vinkes Ankunft den Christ täglich erwartet.

Bökler möchte uns gern mit unsern Geschäften | 98v in seiner Hand haben; ich glaube aber es wird umgekehrt gehn und er wird uns zur rechten Zeit doch gern dienen. Nun ist wesentlich daß er jezt noch nichts  über der Zeileweiter erfährt; vielleicht kann man gar bei meiner Zurükkunft Veranlassung nehmen ihn glauben zu machen wir hätten es aufgegeben. Daß Fouqué die Gastfreundschaft zu unserm Schaden so weit ausdehnen würde hätte ich nicht geglaubt. Der Mann ist doch verrükt durch seine Poesie. Es ist nun freilich übel daß wir auf dieser Seite keine feste Verbindung haben, da sie so sehr interessant ist. Ich bin mit dem hiesigen Amtsverweser in Gesellschaft gewesen, und auch aus seinen Reden habe ich merken können daß man auf dem Amte gern noch das Unkraut hegen will und  Anspielung auf die Austeilung von Waffen [Schließen]daß man sich scheut den Anfang damit zu machen der Heerde Brodt zu geben.  Anspielung auf die immer schwieriger werdende Lage für Napoleon in Spanien [Schließen]Die guten Nachrichten von dem Schulzengut weißt Du nun schon. Neuere sind noch vortreflicher aber mir nicht glaubwürdig genug.

Ich bin den ganzen Morgen durch Besuche aufgehalten worden und nun ist es so spät daß ich nicht einmal mehr an  Anne (Nanny) Schleiermacher [Schließen] Nanny schreiben kann das muß also bleiben bis zur nächsten Gelegenheit. Länger indeß als fünf bis Sechs Tage noch hoffe ich nicht hierbleiben zu müssen. Der Himmel fahre fort mich gute Geschäfte machen zu lassen. | 99 Quednow und seine Frau habe ich noch gar nicht gesprochen und nur in der Kirche gesehn; seine Kinder aber sehe ich oft und diesen Mittag esse ich bei seiner  Prinzessin Marianne von Preußen; Schleiermacher notiert am 6.9.1808 in seinem Tageskalender: „Mittags bei Prinzeß Wilhelm“. [Schließen] Schwiegerin

Von Lübeck (?) rechne ich wol nicht eher etwas zu erfahren als bei seiner  über der Zeilemeiner Rükkunft.

Adio grüße alle Freunde und Dein ganzes Haus und nimm dich meiner guten Nanny an.

Schl.

Zitierhinweis

2821: An Georg Andreas Reimer. Königsberg, Dienstag, 6. 9. 1808 , ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006650 (Stand: 26.7.2022)

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