Königsberg Freitag d. 26t. Aug. 8

Gestern Abend gegen Acht Uhr bin ich hier angekommen nach einer so schnellen Fahrt von Landsberg aus daß ich glaubte in England zu sein: aber auch nach einer so eiligen von meiner Seite daß ich nur einmal warm zu Mittag gegessen habe und einmal zu Abend wo ich es zufällig fertig fand so daß die Pferde nicht zu warten brauchten. Auch gefrühstükt habe ich nicht einmal täglich warm sondern nur wo ich Ahndung hätte sehr guten Kaffe zu bekommen und die Theebüchse ist gar nicht angebrochen und nichts aus dem Keller ganz aufgegessen; und so kunstreich bin ich gewesen daß ich mitten im stärksten Trabe mir die zartsten Butterbrode gestrichen habe.  Miguel de Cervantes: „Los trabajos de Persiles y Sigismunda. Historia setentrional“ (1617), (dt.: „Abentheuer des Persiles und der Sigismunde: eine nordische Geschichte“ (1782)) sowie Friedrich Schlegel: „Über die Sprache und Weisheit der Inder“ (1808)  [Schließen]Den Persilas aber und das indische Buch habe ich aber ganz verzehrt und viel weniger geschlafen als sonst. Dies ist meine Reisegeschichte. In Marienwerder habe ich eine Stunde bei Alexander Dohna zugebracht der ganz erstaunt war und mir gleich am Wagen mit der Frage kam es gäbe doch kein Unglük, ich wäre doch nicht etwa transportirt.   Vgl Brief 2804. [Schließen] Von ihm muß ein Brief angekommen sein mit einer Einlage. Hast Du ihn noch nicht her expedirt so laß ihn nur dort die Einlage aber sende mit allernächstem an die Herz [.]    Im Bischofshof in Königsberg hatte Johann Christoph Wedeke seinen Amtssitz. Wedeke hatte drei Töchter, es sind wohl die zwei ältesten gemeint, sein Patenkind war Kornelia Wedeke. [Schließen] Erstaunt war man dann hier nicht weniger als ich auf dem Bischofshofe vorfuhr, und erfreut aufs herzlichste. Die beiden Mädchen sind sehr gut und lieb geworden und auch recht hübsch zumal meine Pathe Nele , die jezt doch auch manchmal Kornele genannt wird. Noch eine Reisegeschichte ist daß ich in der Nacht ganz zufällig mit Fabian Dohna zusammentraf. Erst sprachen wir zusammen ohne uns zu erkennen dann fanden wir uns wieder und ich erfuhr daß er es wäre und nahm ihn eine Station weit mit in den Wagen. Tausendmal hat es mir schon leid gethan daß Du nicht mit bist mein Liebchen und mit lumpigen 40 R höchstens  über der Zeilemehr wäre die Herreise zu machen gewesen. Aber da ich noch gar nicht weiß wie es mit der Rükreise wird so kann ich mir doch keine Vorwürfe machen. Schreibst Du nach Rügen ehe ich so melde doch meine glükliche Ankunft. Ich schreibe von hier aus wol lieber nächsten Posttag gradezu. Grüße alles herzlich. Reimer wird einsehn daß ich heute noch nicht schreiben kann denn die Post geht schon diesen Morgen um 9 Uhr.   Du weißt doch daß Du adressirst abzugeben bei dem Oberhofprediger Wedeke . Adio laß Dirs unendlich wohl gehen.

Schl.

Zitierhinweis

2805: An Anne (Nanny) Schleiermacher. Königsberg, Freitag, 26. 8. 1808, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0006634 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.