Berlin den 18ten

Am Dinstag bekam ich Euren Brief erst spät nachmittag, konte den Tag also nicht mehr schreiben. Ich hatte es wohl gedacht  korr. v. Hg. aus: dasdaß Ihr länger als einen Tag in Magdeburg bleiben würdet, was mögt Ihr dort nur für Wet ter haben? ich denke mir Jettchen in Verzweiflung darüber, zum gehen finde ich es aber doch gut, es Regnet hir nur noch sehr wenig, und ist auch nicht so ganz Kalt, den Tag über ist es sehr Windig, gegen abend wird es gewöhnlich sehr Schön, so  korr. v. Hg. aus: dasdaß wir vor einigen Tagen um 7 uhr draußen The tranken, weil Caroline Dümmler kam. Die Kinder sind frisch und munter, und waren beide ganz außer sich vor Lachen, als ich ihnen sagte Vater und Mutter schikken ihnen einen Kuß, Elsbett ist auch recht fleißig, im Strikken Lesen und Rechnen, auch Näht sie ein bißchen, Trude zupelt auch alle Tage einige Lappen, rechnen und Buchstaben ler nen will sie gerne auch, beim rechnen stützt sie aber ihren dikken Arm immer auf den Tisch, und drükt den Mund in die flache Hand,  korr. v. Hg. aus: dasdaß kein wort aus ihr heraus zu bringen ist. Es hatt sich hir allerlei begeben, er stens ist die Buttman plözlich gestorben, sie war sehr wohl aus dem Bade zurük gekommen, und sagte Heim,  korr. v. Hg. aus: dasdaß ihr dikker hals sich fast ganz verlohren hatte | 76v dies fand Heim bedenklich, sie bekam auch bald heftige Kopfschmerzen, und Starb, nachdem sie den 11ten noch in der Probe gewesen war, die Nacht vom 15ten zum 16ten an einer Hirnentzündung. Die Spalding ist (ich glaube in Warmbrunn) krank geworden, wie die dortigen Aerzte sagen ist es ein Nervenfieber, Heim hat hir gesagt, wenn man die Krankheit, wie ein Gewöhnliches Nervenfieber behandelte, so könte es sehr schlimm werden, denn es wäre bei ihr eigentlich ein Ent zündungs-Fieber. Etwas besonders Erfreuliches weiß ich Euch nach die sen Trauer nachrichten nicht zu sagen. Die Herz habe ich nur am Montag nachmittag bei Schedens gesehen, den Sontag war ihre Mutter wieder sehr krank. Lotte war beinahe 4. Tage hir, wie ihr aus ihrem Briefe wohl sehen werdet. Was machen denn Jette und Fride?

Sonabend den 19ten Von der Spalding kan ich Leider nur Betrübtes sa gen, Sie ist den 14 des morgens gestorben. Ich ging heute zu Müllers, die hatten aber seit dem ersten Briefe von ihrer Krankheit noch nichts wieder gehört, Sie erwarteten indeß Briefe, und meinten die | 77 Briefe würden wohl an Göschen kommen, ich ging dorthin, weil ich dir gern etwas bestimtes sagen wolte, Göschen war aber nach der Post, und kam mit der nachricht von ihrem Tode zurük, näheres weiß ich noch nichts denn Göschen ging gleich zu Müllers denen er es sagen muß, die Arme Göschen war recht betrübt. Sie hatten aber von Warmbrunn weg und nach Fleisberg gehen wollen als die Spalding krank wurde, 10 Tage ist sie es gewesen.

Bei der Herz wo ich heute auch war, siht es auch betrübt aus, mit der Mutter scheint es zu Ende zu gehen, aber sehr langsam, sie hat etwas Schlag artiges gehabt, wodurch ihr die Zunge gelähmt ist, so  korr. v. Hg. aus: dasdaß sie nur sehr schwer sprechen kann, die arme Herz siht ganz elend aus, den Diens tag wil sie an Dich schreiben. Nun lebt wohl der Brif muß fort.

Nanny | 77v

[wohl nach Diktat von Elisabeth Schleiermacher:] Ich laße alle Grüßen, ob ihr auch noch alle recht wohl seid, Lebt alle wohl und komt bald wider zu euer

Lischen

ist es denn in Magdeburg hübsch gewesen

Zitierhinweis

4165: Von Anne (Nanny) und Elisabeth Schleiermacher (auch an Henriette Schleiermacher). Berlin, Freitag, 18.8. bis Sonnabend, 19.8.1815, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0009182 (Stand: 26.7.2022)

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