Herrn / Professor Schleyermacher [Bl. 2v]

Mit tiefem Schmerz, theurer Freund, habe ich Ihr Billet gelesen, und so bald meine Kräfte es vermögen, eile ich Ihnen einige Worte aus meinem Herzen zu sagen, ehe ich weiß was Sie gesagt und gethan, und ehe mein Gefühl, meine Liebe vielleicht so verwundet ist, daß ich es nicht könte, nicht dürfte. Schrecklich wäre es wenn es mich aus der schönen heiligen Gemeinschaft entfernte, die mir so lieb, so theuer war, und unser Ver hältniß (wie Sie es vorraussehn) aufhöbe. Daran, ich wage das kühne Wort, handelten Sie nicht Recht, nicht im Geiste Ihres hohen heiligen Berufs. Was zerstörten Sie in mir und meinen Kindern; es war nicht klein was Sie uns waren, und in uns wirkten; Sie trieben die liebevollsten Jün ger aus dem Reiche, wofür Sie arbeiten – Wir gehörten zu den Wenigen, die mehr fanden und verstanden, als Ihren Verstand, Ihren hohen Gei stesgaben und der Schmerz wird herbe und tief seyn, wenn wir von Ihnen weichen müßen, mir wäre denn das Heiligste getrübt, gestört! | 1v

Jene frühere Verletzung, wie tief sie mich auch schmerzte, ich be kämpfte sie, und überwand sie und kehrte zurück dahin, wo ich seit vielen Jahren nun allen Kummer der Erde vergaß und zu Höherm mich erheben konnte. Aber es giebt auch sehr heilige sehr zarte Gefühle der Gattin, die ihr nicht dürfen gekränkt werden, die sie nicht verschmerzen darf. Der innre Geist der sie abhalten wollte, warum hörten Sie ihn nicht, er sprach für mich, aber eben so gewiß für Sie. Wie konnten Sie Pflichten hiezu haben – Ihr höherer Beruf erhebt Sie über politische Strei tigkeiten Übereifer selbst um Äusseres MenschenGlück. Wenn Schmalz Unrecht hatte so irrte er und es zerstörte sich wohl von selbst. Waren Sie nicht freundlich bey uns noch nach jener Schrifft? muß ich nicht die Ueberzeugung haben (und sie ist mir lieb) daß erst ein Böser von Aussen kam und Sie erhitzte? | 2

Ich schweige, aber einen Trost will ich noch haben, den Ihnen mein volles Herz auszusprechen, den Dank für alles was Sie mir waren, der mir so oft Bedürfniß war Ihnen ganz zu sagen, und den ich nun mit dem Schmerz ausspreche, daß ichs verlohr.

Aber die Erinnerung soll mir ewig bleiben wenn auch mit Wemuth und Thränen.

Luise Schmalz

Zitierhinweis

4232: Von Luise Schmalz. Berlin, zweite Januarhälfte 1816, ediert von Simon Gerber und Sarah Schmidt. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0008496 (Stand: 26.7.2022)

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