Putzar den 20t Dec. –15

Nun willst Du mir auch noch Angst ein jagen mit dem alt werden? o hör mal lieber Schleiermacher, mit dem frieren soll sichs wohl wieder ge ben, dafür bin ich gar nicht bange –

Im Ernst lieber Schleier, ich kann Dir gar nicht sagen wie angenehm jugendlich ich erfreut ward wie ich Deinen lieben Worten bei meiner Heimkehr von Friedland, – wo mein Herz so recht erwärmt war – in Putzar vor fand. Es war überhaupt ein so hübscher Abend, ich ward nach ein par Tagen Abwesenheit, so recht freundlich von Alt und jung emp fangen auch das Kleine 1jährige Kind hatten sie meinen Namen gelehrt.

Und nun dazu die Addreße von Deiner Hand. Wie ich den Brief las hab ich halb lachen halb weinen müßen warum das lezte weiß ich nicht recht klar, ich glaube weil ich Euch nun doch so viel näher bin, und Ihr mir nun immer lebendiger wurdet, Alle ein mit ein Andern.

Liebe Jette ja wirklich ordentlich laut habe ich lachen müßen. Du schreibst „ich kann Dir auch nicht ein einziges kleines eignes Plätzchen anweisen“ und doch sagst Du wieder ich soll nur kommen? – ja aber ohne ein einziges eignes Pläzchen weiß ich doch wirklich nicht was dar aus werden soll – ich hoffe zwar nicht ganz ohne Geist zu kommen, aber ganz ohne Körper? nein, das kann ich nicht versprechen

Ich habe schon recht viel darüber nachgedacht – wenn ich auch wirk lich gerne in Trudchens Bette kriechen wollte, wie Nanny genötigt ist in Friedchens Bette zu kriechen, wenn Lotte ein par Nächte da ist – wo soll denn Trude bleiben?

Einen Rath mögte ich Dir geben wenn ich noch kommen sollte – mir die Erlaubniß zu geben, mir selbst | 134v eine Schlafstelle zu suchen, und hat nicht das kleine liebe Haus die Schwindsucht gehabt seit ich da war, so soll mirs nicht fehlen. Sieh, da Du mir die freundliche Versicherung giebst daß ich Dir sonst willkommen sein soll, so bin ich ruhig. Unter kommen finde ich woll – Du weist noch wohl Jettchen wie das in Stral sund, in der ganz kleinen Wohnung ging wenn jemand zu Nacht kom men wollte? es ging immer noch, wenn es Dir auch ganz unmöglich vor kam. Habe also nur Muth, das Haus erweitert sich, wie das Oelkrüglein der armen Wittwe nicht versiegte, wenn man nur den Glauben hat. Mei nen Brief, den ich Dir von Friedland aus schrieb wirst Du wohl erhalten haben. Und wie soll es werden daß Du gar keine Zeit zur schriftlichen Unterhaltung mehr behältst, es ist doch ein so schönes Vereinigungsmit tel? – Und was sagst denn Du zu Bodes Weissagung, daß um 6 Jahre ein Komet unsrer Erde so nahe trit, und sie zerstöhren wird? – fang also doch nicht mehr an für eine so kurze Zeit als Du ausführen kannst – Gute Nacht liebe Jette, es ist 11 Uhr und alle bis auf Betty und mich sind zu Bette.

den 21t Morgens 6 Uhr.

Guten Morgen lieber Schleiermacher. Ich will mich nur nicht drum grä men daß ich nicht zum lieben Weihnachtsfeste zu Euch komme – Mir wird sonst oft das Herz recht groß wenn ich denke daß ich Dich wieder hätte predigen hören  korr. v. Hg. aus: dasdaß die liebe Schwester Lotte da ist,  korr. v. Hg. aus: dasdaß Nanny wieder zu Hause ist, die mir sehr würde gefehlt haben. Daß dies Fest überhaupt eine Zeit ist wo man so recht innig und lebendig fühlt  korr. v. Hg. aus: dasdaß die Liebe nimmer stirbt! | 135

Im vorigen Weihnachten war ich in Sagard, und ich vergeße die schöne Zeit nicht. Lieber Bruder nicht wahr? mit herzlicher Liebe gedenkt Ihr meiner, in diesen Tagen? o thut es doch? sag es auch den Andern? und grüße die Kinder es ist fast nicht zu verlangen daß sie nach so langer Zeit, in diesem Alter eine Vorstellung von meiner Liebe haben. Lieschens „Ei“ womit sie das Mündchen was sonst noch stum war in meine Hand legte ist nun auch schon lange vorbei – sie kennt mich gewiß nicht mehr.

Der Graf trägt es sehr im Sinn mich zu Euch zu schaffen das hat er mir Gestern gesagt, obgleich seine Geschäfte, es ihm unmöglich machen, noch 8 Wochen nach Neujahr, selbst nach Berlin zu reisen. Er würde mir aber seinen Secretair oder sonst jemand mit geben – Vielleicht – komt Max, der muß dann wieder zurük – der Knabe soll die Mutter überra schen, und ich bin hir im Hause allein eingeweiht und habe nun Furcht ob ihr die große unerwartete Freude jezt schaden kann –? Kömt nun der so hoffe ich auch noch zu kommen – aber allein mich da großmühtig hin fahren laßen? o es findet sich auch noch gewiß Gelegenheit. Vor Neujahr wirds nun freilich nicht. Dann sinds auch nur ein par Monat bis zum Frühling – Lieber lieber Bruder! ich will also die Gräfin nicht nennen – und es soll wohl alles so sein, wie es gut ist! – Gewiß!

Deine Luise | 135v

Nein mit dem Sauren Fleisch geht es mir zu nah – Es war dieses Jahr so besonders groß und schön – und ich hatte es mit solcher Freude gekocht – Das mal hatte die Israel mir das magre Schweinchen geschenkt, und ich hatte mir das Korn gekauft und mein alter 74 Jähriger Pflegesohn Gallin, hatte es mir aus dankbaren Herzen, bei sich fett gemacht – den 6ten October schickte ich es nach Stralsund – Von Greifswald aus schrieb ich wenn es noch nicht abgeschickt sei, und keine Aussicht zu einer schnellen Gelegenheit, so möge man es mir schicken, ich bekam es nicht, und sezte also voraus es sei abgeschickt. Nun will ich gleich nach Stralsund schrei ben.

Zitierhinweis

4208: Von Luise von Willich (auch an Henriette Schleiermacher). Putzar, Mittwoch, 20.12. bis Donnerstag, 21.12.1815, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007866 (Stand: 26.7.2022)

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