Schwerinsburg, Sonabend den 11t Jun. 14

An Schleiermacher

Ja Sieh, das ist es eben, daß mir der Glaube an Dich so sicher im Herzen bleibt –! Sonst wäre es schlim. Und zu diesen Glauben ist mir noch ein zweites Gut geworden, vielleicht gings hervor aus diesen Glau ben – Sieh es betrübt mich nicht mehr so, wenn ich auch lange ohne ein Zeichen bleibe Deiner Brüderlichen Liebe; aber eine innige Freude doch habe ich wenn es ein mal kömt. Von Nanny habe ich gehört daß Du einen Brief für mich angefangen hast, ich werde ihn also auch wohl erhalten. Was ich übrigens, über den Döhn, und die Blumen sagte war wohl Scherz, wirklich mir war scherzend zu Muthe, und ich begreife es daher selbst nicht, woher mir bei den lezten Worten ganz wehmütig ward und ich nachher immer die Worte im Sinn hatte: „ich pflücke sie ohne zu wißen wem ich sie geben soll“. Ja ja lieber Schleiermacher, leider ist es | 123v immer noch eine schlimme Sache mit der Wehmuth – sie scheint mir doch so am Herzen gewachsen zu sein, daß ich nachgrade fürchte, einen Theil des selben mit los reißen zu müßen, wenn ich sie ganz verstoßen wollte – ich laße ihr daher ihr stilles Leben – und – so wie ich nun hir z.B. bin, läßt sie sich nichts merken – und sie gönt mir gern, dies äußre muntre Spiel des Geselligen Lebens – wärend sie treu, das tiefere bewahrt! –

Du weist es wohl, daß Pfund mir seine Lieder geschickt hat, es machte mir dies eine recht große Freude, ich habe nicht geglaubt daß er sich meiner noch erinnern würde, jezt erst erhielt ich sie hir in Schwerinsburg, da wir eben in einer großen MittagsGeselschaft waren – Danke Du ihm doch vorläufig recht freundlich dafür, so bald ich zu Haus bin danke ich ihm selbst. Du weist es lieber Schleier welche Freude mir dergleichen macht sag ihm doch das. Und die Lieder sollen | 124 ihm den Weg auf Rügen bereiten.

Ich wollte Dir Heute eigentlich nicht schreiben, sondern der guten Schwester Lotte, nun bin ich ja doch bei Dir, das macht wohl ich dachte diesen Morgen so lebhaft an Dich, es ist Sonabend. und Ihr früstüktet gewiß in Eurem kleinen Garten – – ach nein plözlich fällt mirs ein daß Ihr ja im Thirgarten wohnt – nun der ist ja noch größer, als dieser sehr schöne große Schloßgarten, worin ich diesen Morgen mit den lieben Schwerins frühstükte, wärend dicht neben uns, die Nachtigall ihr Lied uns sang – der Gestrige  Vom Hg. korrigiert. u Abend und Heutige Morgen waren sehr hübsch – Zwar muß ich freilich mit dem Herrn des Hauses, – Graf Heinrich – immer in öffentlicher Fehde leben – doch meint ers sehr gut, und schaft mir manches Vergnügen. Gestern fuhren wir nach Friedland zur Schlett wein – Der Graf fuhr, | 124v mich und die junge Gräfin, die Du gewiß leiden mögtest, sie ist ein sehr zartes liebes Wesen, und ist so freundlich und gut. Es war der erste schöne Abend den wir hir im Freien hatten, und das Gewölk war beim Untergang der Sonne wunder schön. Der Heutige Mor gen ist wieder schön, – ach wie lieb ist mir hir jede Stelle wo ich mit Ehrenfried war – und ists nicht merkwürdig – daß es mir immer noch in Momenten ist als sei er nicht todt? – als könne ich ihm mit theilen was wir sonst theilten?

Du gehst also in ein Bad, und ich sehe Dich wohl lange nicht? – ach mögtest Du doch das Beste gewählt haben

Lieber lieber Schleiermacher!! so kräftig ich beten kann will ich beten, daß Gott den Gebrauch seegnen, und Dich den Deinigen und der Welt, lange und frisch erhält! adieu mein lieber Bruder.

Luise

Zitierhinweis

4036: Von Luise von Willich. Schwerinsburg, Sonnabend, 11.6.1814, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007858 (Stand: 26.7.2022)

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