Poseriz den 23t Juny –13 Ab. 7 Uhr

Fertig ist nun eben mein Brief noch nicht, denn er ist noch gar nicht angefangen, dies war ein Irthum von der lieben Lotte, sie meinte den Brief, den Du wie ich hoffe am Sontage schon erhalten hast. Indeß komme ich ja gerne schon wieder zu Dir lieber Bruder, Du weist ich bin gerne bei Dir, lieber wäre es mir gewesen Lotte hätte Addreße gemacht, denn so großmächtig schon wieder zu kommen –? Doch – „laß gut sein Kind“ höre ich Dir sagen – also will ich's gut sein laßen.

Ich war diesen Morgen in der langen Stube, beschäftigt reine Wäsche zu legen, da kam die liebe Lotte elf Uhr, so leise und freundlich ins Haus und brachte Deinen Brief mit, den sie mit lezten Post erhalten hatte, und dies Blatt. Gerne schließe ich mich ihr, wie sie es wünschte an, und nachdem ich sie eben mit Moriz Willich der hir ist, ein Endchen begleitet habe, und sie mich selbst zurük trieb um zu schreiben, so bin ich nun da, ohne eigentlich zu wißen was ich Dir sagen will, doch das geht mir immer auf, ich kenne es schon, mehr als zu viel, aber ich werde mich schön hüten, wer sich ein mal die Flügel verbrannte, der begert es so leicht nicht wieder, wenn sie auch ein wenig wieder wachsen – zu nah flog ich dem Licht ich weiß es wohl, aber geduldig habe ich dafür gebüßt daß weiß ich auch. | 109v Ganz unerwartet kömt es uns Du Armer daß Jettchen und die Kinder noch nicht wieder in Berlin sind – Dazu wenigstens hofften wir sollte der Waffenstillstand gut sein, und wie mag es denn zu gehen daß Jettchen diesen Augenblik nicht gleich benuzte? Doch jezt werden sie wieder da sein – Schleiermacher ist es denn wahr daß der Landsturm aufgelöst ist? was heist denn das alles? – Nicht zu begreifen ist für uns der Waffenstillstand – jezt grade in diesem Augenblick – Sag was wird aus Östereich? Die abscheulichen Dänen – hintergeht man nicht auch unsern Cronprinzen? ja ihm brennt es unter den Solen – aber wird ihm Wort gehalten? Warum bekömt er nicht die Truppen, die ihm verhießen sind? seine Schweden sind alle hir – o Gott es ist zu abscheulich – das arme Hamburg wie ist es betrogen – Sieh Schleiermacher das ist es das so viel Lug und Trug sich in der reinen Sache mischt – lieber Bruder schreib doch mal was Du hoffest, hoffst Du noch?

Halb 10 Uhr. Ich muste aufhören um Spargel zu stechen, und nun komme ich von Tische, und bin sehr müde – geht es aber, so erzähle ich Dir noch vom Schiffe – nun bin ich gar zu müde | 110 ich will noch'n bischen mit Moriz hinaus gehen, und dann zu Bette, und mir recht früh wecken laßen, um 6 Uhr meinen Brief fertig zu haben dann habe ich Moriz versprochen unten zu sein, und Kaffe ein zu schenken, um 7 will er nach Stralsund, und diesen Brief mit nehmen dann geht er um Mittag ab, und ist wieder Sontag bei Dir – gute Nacht lieber Schleiermacher – doch noch ein Wörtchen – sorge doch ja daß Christiane so bald als möglich kömt – Lotte hat mirs ordentlich aufgetragen es Dir auch noch ans Herz zu legen – und komt doch Alle her, Du komst ja auch wenn der Landsturm wirklich aufgelöst ist, komt her! wenns irgend unsicher werden kann? thut es doch – denkt nicht an beschwerden – in dieser Zeit muß daran nicht gedacht werden.

Hör sag Jettchen, ich hätte vor ein par Tagen einen kleinen, ganz kleinen Döhn von Schlichtkrull geschenkt bekommen. Der sei nun mein kleines Intereße – ich füttre ihn immer selbst, und mache ihn fett und wenn es kalt wird, laße ich ihn schlafen und koche ihn sauer ein, und stopfe Wurst darin us.w. und dann soll Jettchen es haben | 110v in ihrer Wirtschaft – jezt mag das Thirchen etwa 8 lb schwer sein denn kaum ist es entwöhnt – aber Ihr sollt nur sehen es soll recht niedlich werden – es läuft nun schon immer hinter mir her – am Ende wird mirs leid thun wens geschlachte wird –

Guten Morgen lieber Schleier. Die Sonne ist noch nicht lange auf, aber was die Uhr ist, wißen wir schon seit eingen Monathen nicht, da unsre HausUhren stehen und nicht wieder in Ordnung kommen – so auch die Thurmglocke – ich denke es ist zwischen 4–5 Uhr – aber mit den stillen Morgenstunden ist es auch vorbei, seit Sophie so unwohl ist, es giebt nun immer gleich bald dies bald das zu besorgen – so kann ich mir auch jezt nicht auf weitres Schreiben ein laßen. Da ist Moriz schon, er will gern daß ich herunter kommen soll die Andern schlafen noch – also adieu. Nächstens hoffen wir zu erfahren daß Ihr wieder beisammen, und gesund  korr. v. Hg. aus: seitseid. Sage mir doch wie es mit Carl Sacks Wunde ist? Grüße alle Freunde auch Ahrendt.

Lebe wohl! Gott wende alles zum Besten. Luise

Heute zum Mittag wollen die Garzer kommen, ich freue mich darauf. Ich hoffe sie sollen etwas von dem hohen Kranken in Dresden wißen – ach wir wollen nun aus jeder Blume Honig ziehen –

Zitierhinweis

3924: Von Luise von Willich. Poseritz, Mittwoch, 23.6. bis Donnerstag, 24.6.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007852 (Stand: 26.7.2022)

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