Poseriz den 30t März –12

Lieber Bruder, Gestern erhielt ich Deinen Brief und darin die erste Nachricht von Jettchens Entbindung, ich bin viel mit meinem Herzen und meinen Gedanken bei Euch gewesen, und ich und wir alle freuen uns herzlich der guten Nachricht. Grüße Jettchen freundlich von mir. Auch an ihrem Geburtstage habe ich ihrer gedacht, und meine Arbeit war so fertig, daß sie noch zur rechten Zeit in Berlin gewesen wäre wenn die Posten gingen, nun liegt es hir, und wartet nebst meine Dir noch schuldigen 2 Bildern auf eine sichre Gelegenheit.

Die Nachricht von der lieben Spalding hat mich tief im Herzen betrübt! sollte sie wohl jetzt todt sein die liebe herzliche Frau? – ach Schleiermacher ich bin recht traurig um sie! aber möglich ist es doch daß sie lebt, die Langhans war ja so elend und genas, doch hat die theure Spalding auch wohl die Lebenslust die jene hatte? und wodurch sie vielleicht erhalten wurde – ach sie sehnte sich so nach der ewigen Vereinigung mit ihren Spalding, ich vergeße die schönen Stunden nicht die ich einen Abend bei ihr war, wie Du mich noch abholtest – ihr Schmerz löste sich so milde auf in Trähnen! wir sprachen nur von den Geschiednen Lieben, wenn ich | 82v gehen wollte zog sie mich wieder schweigend und freundlich zu sich nieder – und ich blieb so gern. Sie hatte einen so schönen sichern Glauben an den Wiedersehen der Geliebten, „Kein Zweifel kömt daran in meine Seele“ sagte – o lebte sie doch die theure Frau! wäre ich doch öfters bei ihr gewesen, sie hatte mich wirklich lieb, und ich ehrte sie so innig. Ich bitte Dich sage mir so bald Du kanst ob sie in unsrer lieben bekanten Welt noch geblieben ist! ist sie aber todt, dann gebe Gott ihr die  korr. v. Hg. aus: ErffüllungErfüllung ihres Glauben und stärke durch sie den Meinigen!

Lebt sie! dann grüße sie so innig von mir wie Du weist daß ich sie verehre. Ist sie todt? ach Gott wie viele werden traurig um sie sein – Die guten Sells, der arme Müller – guter Bruder reiche mir nur freundlich immer die Hand, ich bin nicht heftig Du sollst mich nie wieder so finden daß Du Dich schweigend von mir wendest nie wieder, gewiß nicht, Siehe da hast Du meine Hand darauf, und frag meine Lotte ob ich Wort gehalten – ich habe wohl gehoft Du solltest mein Arzt sein, Du weist ich habe Dich lieb als Arzt und vertrau Dich sehr – allein Du kannst ja nicht, so will ich mich selber helfen – und Du sollst doch noch ein mal mit mir zufrieden sein.

Wie mag es Dir Persöhnlich gehen in dieser | 83 Zeit? – Die Acten liegen also doch noch auf den Fenster? – zuweilen fallen mir Deine Träume ein – doch recht lebhaft nicht, dafür muß ich mich hüten. Wenn Dir etwas schweres träfe dann mögtest Du mich wohl nicht sehen, auch nicht wenn ich Wort hielt? dann doch wohl? –

Wie hat mich die Nachricht von der lieben Caroline erfreut, wenn doch die Reise keinen Nachtheil für sie gehabt hätte, grüße sie herzlich! auch Carl und Wilhelmine, thue es auch, ja?

Laße doch den Rosenstock nicht vergehen, ich bitte Dich! Die Spalding hat ihn gepflanzt, sei nicht gleich so unfreundlich gegen ihm, ihn aus Dein Zimmer zu verweisen weil er im Winter keine Rosen bringt, im Frühling blüht er desto schöner wieder. Lebt er noch und steht er nicht schon vor der Hoffthüre, so nim ihn wieder auf, du solltest nur sehen er wird sich dankbar zeigen.

Daß sich von Eurer Reise nichts bestimtes jezt sagen läßt glaube ich leider wohl, doch nim uns nicht ganz die Hoffnung – hir ist es so schlim nicht, der Frühling kömt, wir säen und pflanzen und das thun nicht ein mal die Lilien auf dem Felde, u unser Himlischer Vater ernähret sie doch! Dein Wein liegt auch noch im Keller! und die Hüner legen viele Eier, und die Früchte wachsen auf die Bäume, und große Häuser haben wir und viele Betten groß und klein – wie freue ich mich | 33v zu Euch Alle! Alle! ich muß auch wirklich das lezte kleine Muselchen sehen! Schleiermacher thue mir den Gefallen und sprich auch mal mit den Kindern von mir. Habt Ihr wohl Elsbetchen ein mal in der ersten Zeit nach mir gefragt? und zeigte sie dann nach der Thüre und sagte o o –? Das süße Kind Schleiermacher, ja Du wirst noch lange lange leben! Luise.

Wohl mögte ich gerne wißen wie es jezt mit Friedchen und Jette ist? und ach mit der lieben Spalding.

Sophie und Schlichtkrull grüßen tausend mal

[Pistorius:] Sie haben an mich schreiben wollen mein theurer Freund und das ist mir schon genug! wie herzlich habe ich Ihre hohe Freude Ihr erneuertes Glück gefühlt! halb krank – (doch nicht bedeutend) raffe ich mich heute auf, mit meinem Pistorius und schwamm hirher – wo ich lange nicht war – das unerwarteste froheste, war Nachricht von Ihnen, mit der Luise mir gleich entgegen kam – wem der Himmel in dieser Zeit sich so segnend offenbahrt der ist wohl ein begünstigter desselben zu nennen! Doch auch wer an Alten Freude erlebt, wie mir an meinem 81 Jährigen Vater, der – auf einem Auge blind – sich kräftig aufrecht und sogar sich und uns heiter erhält – auch da darf nun Danck die Seele füllen! – Pistorius ist erträglich, ich selbst im Ganzen gesund – zwar ist unser Leben sehr still einsam aber es ist auch ruhig, und von drückenden Sorgen in diesem Augenblick frei – Gott sei gelobt dafür und er sei uns und unsrn Lieben allen ferner gnädig!

[v. Willich:]

Zitierhinweis

3765: Von Luise von Willich und Charlotte Pistorius. Poseritz, Montag, 30.3.1812, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007846 (Stand: 26.7.2022)

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