Sagard den 16t Februar – 12

Dienstag Morgens

Ich muß Dir erzählen Du lieber Bruder, von dem süßen dreifachen Leben was hier noch als Zugabe eingekert ist, im Hause voller Leben. Willich und Hane haben Euch geschrieben von dem Glück was der Willich durch die Geburt der drey Knaben wiederfahren ist, und lieb wird es Euch sein nun 8 Tage später zu hören, wie hir vortwärend alles so gut steht, daß es der reinsten Freude werth ist.

Eben habe ich die 3 süßen Kinder nach der Reihe gewickelt, und ordentlich ein himlisches Vergnügen ist es mir gewesen, Ihr soltet die Kinder sehen, unendlich klein und zart zwar, aber alle 3 von so hübscher Gesichtsbildung, der ganze kleine Körper so proportionirt, die kleinen Köpfe so schön geformt, und mit schwarzen Haare bewachsen  korr. v. Hg. aus: dasdaß man sie ohne Müzchen könte liegen laßen wenn sie doch nicht so zart wären, und dabei sind die Kinder vollkommen gesund, sie saugen und schlafen und schlafen und saugen, und zwischendurch wenn sie gesogen haben, schlagen sie die Augen auf und besehen sich was um ihnen vor geht – Sieh dann sehen sie grade aus als die kleine Wachspuppe die Ihr hir gesehen habt. Die Mutter ist ganz wohl und so frisch und heiter wie ich sie sonst gar nicht kenne. Am lezten Sontag den 14ten taufte Willlich die Kinder. Es war ein lieber Creis von Menschen hir versammelt, nur ganz nahe Freunde. Wie viel habe ich | 78v an Euch gedacht, Ihr hättet noch da sein müßen. Die Bobbiner, Herman Alwine, und Theodor Schwarz waren die Geselschaft. Im Saal war die Taufe Abends zwischen 5–6. Der Willich ihr Bette steht an der Wand wo sonst der Sopha stand, dieser nun an der gegenüberstehenden Wand, in der Mitte von beiden ward der Tauftisch gestelt, der mit Cränzen von Epheu und Moos von den Schwestern auf gezirt war. Willich stand mit den Rücken gegen den Spiegel, an der Seite des Sophas alle Kinder, doch musten sie sich sehr in einander fügen damit Plaz blieb für die 3 Kleinen auf dem Sopha saß Tante Baier Sophie u.s.w. Das älteste Kind hielt Julie zur Taufe, mit ihr stand Herman Baier und Schlichtkrull, diese an der Seite des Sophas, vor dem Tisch, in der Mitte, hielt ich das zweite kleine Leben mit mir stand Theodor Schwarz und Frank – uns zur Rechten Mariane mit dem jüngsten mit ihr Hane, und Friz Willich, letzterer für den Consul Bokelman. Alle 3 Kinder bekamen den Namen Johannis, der Ältere Carl Johan, Carl zum Andenken unsres kleinen Heimgegangenen, Friedrich Johannes der Zweite ein Friedrich ist von Uhraltenzeiten immer in unsrer Familie gewesen. Der jüngste Heinrich Johannes, dieser lezte wird Jonis genant | 79 ein süßer Junge, Friederich was mir recht eine aparte kleine Freude ist ohne daß ichs sage, und der älteste Carl. Willich war sehr bewegt bei der Taufe Du begreifst dies wohl lieber Bruder, Du weist wie es Dir bei Lieschen war. Sehr froh ist Willich über diesen Seegen! Seine Rede war recht schön, sein Vaterherz legte ihm die Worte in den Mund – er sprach auch einge Worte zu den Kindern er führte das Andenken der lieben heimgegangenen Mutter herbei und er sprach aus was ein jeder von uns im Herzen hatte. Diese Willich ist als Mutter mit den 3 kleinen Säuglingen auch recht liebenswürdig – sorgsam und liebend und herzlich glüklich.

In der Wohnstube, an einem großen 4 Eckigen Tisch ward das fröhliche Mahl eingenomen nach der Taufe nehmlich ward Mittag gegeßen und 12 war groß gefrühstükt. Sage Jettchen recht auf Rügenisch festliche weise sei das Kindtaufsmahl bereitet gewesen, das heist Posteten Macronentort und Kuchen andrer Art – auch Wein und Bischof, die großen Gläser musten tapfer klingen, ich ward viel genekt weil ich pretendirte durchaus als Gevatterin genommen zu werden, man überhäufte mich nun mit Ehrbezeugungen besonders Theodor und Herman. Wir waren sehr fröhlich, und immer dachte ich auch an Euch, auch haben wir Eure Gesundheit | 79v die schönen hell und harmonisch klingenden gläser waren immer in Bewegung. Etwas war recht Schade, der Konsull Bockelman der bis Stralsund gekommen war, muste zurük bleiben weil die Altefähre des mürben Eises wegen nicht gut zu paßiren war, und er es nicht wagen [wollte, in einem]

Heute ist es der 2te Tag nach der Taufe. Die Willich ist schon auf, die Kinder sehr wohl, wir bleiben noch bis Donnerstag, und haben Täglich die Bobbiner hir. Malchen Baier hat diese Nacht gewacht, und diese Nächte wache ich, mit mir Thereschen, mit Malchen Baier wachte Malchen Willich, ohne 2 kann es gar nicht abgehen eine Erfahrne,  korr. v. Hg. aus: uund eine Andre müßen immer zustehe(?), denn bisweilen kommen alle 3 klei- nen Trompeten zugleich – Nein ich kann Euch dies oft lächerliche und wunder Schöne – und wärmende – Ihr könnt es Euch gewiß gar so nicht denken wie es ist – ich kann Dir nicht beschreiben den süßen Eindruck, wie wir Sonabend abend an kamen – Die Mutter, die wir so leidend verlaßen hatten, lag nun im Bette so glüklich (?) und wohl, die 3 Kinder hatte sie wie ein Stern vor sich auf's Bette liegen – Ich soll zu Tische kommen. Und nun bin ich wieder in Poseriz. Wir fuhren Donnerstag Morgen den 18ten von Sagard ab, es war ganz hübsches Wetter, obgleich es die Nacht sehr soll getobt [haben] woran ich in meinem Doppelschlaf (denn ich hatte die Nacht zuvor gewacht) nichts | 86v vernommen hatte. In den Fahrbergen aber, ward es ordentlich grimmig, und beim schreklichsten Sturm, fuhren wir durch die Fähre, Schlichtkrull vor sich ein Erdbeben vermuthend, da aber der Lieutenant von Willich bei uns war so trozten wir aller Gefahr, und kamen zu Mittage in Bergen an wo wir das Mittag aßen, um 2 musten wir indeß da das durchnäßte Zeug wieder getrocknet war weiter. In Garz kehrten wir an, und konnten auch nicht weiter kommen. Lotte und ich arangirten die Betten, und legten uns sanft zur Ruh. Freitag kamen wir zu Hause. In Götmiz sind wir nach der Reise noch nicht gewesen, Heute ist Kathen zum Petritermin, mit Lotte habe ich einge kleine Billette gewechselt, so daß wir wißen daß sie wohl sind, auch in Garz ist jezt alles ziemlich wohl.

Bei eingen Bekanten von uns hat der Todt in diesen Tagen recht große Trauer gebracht. Wie Willich die 3 Knaben gebohren wurden, wurde dem armen Barnekow von  korr. v. Hg. aus: LahlswiekRalswiek sein einziger Sohn, ein Knabe von 7–8 Jahren genommen wahrscheinlich ist er an der Häutigenbreune gestorben – Jettchen wird sich seiner erinnern – Ehrenfried jammerte es noch so sehr als er seine junge Frau verlohr, [als] sie | 86 wie Ehrenfried und Jettchen nach Mutters Tode eben in Sagard waren, ich war noch nicht bei ihm. Seit der Zeit lebte er still mit den beiden Kindern, und fand seinen Trost und sein Glük nur in ihnen, besonders war der Knabe unzertrennlich von ihm, er ist ein stiller guter Mann, aber wie das Kind gestorben ist, hat er sich eines lauten Schrei des Schmerzes nicht erwähren können, jezt, ist er wieder geduldig und still traurig, das kleine Mädchen was ihm blieb ist verwachsen. Auch der Plüggentinsche Kantor hat den Liebling seines Herzens verlohren, seinen Julius ein Knabe von 15 Jahren, am Scharlachfieber – die andern Kinder und die Majorn Schanz die sich dort erheitern sollte weil ihr Mann gestorben ist, mit dem sie einge Monate erst verbunden war, liegen krank darin, Sophie und die Schanzen sehn gefährlich  korr. v. Hg. aus: auchaus, wie der Arzt an Willich schrieb. Auch wird es Jettchen mit mir sehr nahe gehn daß unsre gute Küsterfrau gestorben ist – eine junge Frau, und die beste Frau im Dorf – ich ging gerne zu ihr, sie war so anständig und so immer thätig und freundlich, und ich wuste daß sie mich lieb hatte. Sie starb einge Tage nach der Entbindung, der Mann ist Trostlos, er dauert mich unendlich – das kleine Würmchen ist bei Heldschen(?) gegeben, die nährt es mit ihrem Kinde. Auch Lotte Pistorius hat eine Art von Freundin verlohren in derselben Zeit, ihres Cantors Frau, auch so jung noch und in der Art wie die Dalmann – auch sie hinterläßt einen höchst betrübten Mann, und 4 kleine Kinder. So bald kann es kommen und was wir verlohren kömt nicht wieder –

Wir wollen Heute zu Barnekos, ich will fleißig stricken. Wunderst Du Dich dass ich Dir schreibe? Sieh, ich weiß daß es Dir lieb ist etwas ausführliches aus […]

Zitierhinweis

3832: Von Luise von Willich. Sagard und Poseritz, Dienstag, 16.2.1813 bis spätestens Anfang April 1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007845 (Stand: 26.7.2022)

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