Herrn / Profeßor Schleiermacher / in / Schmiedeberg / in der neuen Apotheke [Bl. 66v]

Buntzlau d 21t Abend 9 uh

Mein lieber guter lieber Bruder! ich bin nun seit 7 uhr schon in Bunzlau, und noch eh ich mich schlafen lege muß ich Dir meinen herzlichen Gruß sagen! Ich kann Dir nicht sagen wie wunderlich mir zu Muthe war als unser Wagen weg fuhr und Du stehen bliebst – ich freute mich wohl sehr herzlich bei meinem Bruder zu sein, aber wehe war mirs doch wie Du mir nun mit einem Mal verschwunden warst! – mein lieber süßer Bruder Ernst ich werde diese Tage nie vergeßen – ich erinre mich nicht, seit langer langer Zeit einen so rein ungetrübten schönen Genuß gehabt zu haben, und mit stillem Entzücken werde ich immer daran denken.

Sieh, und das immer bei Dir sein, und mit Dir sein war mir eine gar zu große Freude dafür soll es mich nun auch gar nicht schwer werden, bald gar nicht mehr bei Dir zu sein und es soll nie wieder ein Zweifel auf kommen der mich betrüben kann.

Wann und wie ich Dich am besten verstehe weiß ich wohl – in Deiner Liebe zu den Deinigen, wie Du Deinen Bruder umarmtest und deine gute Schwägerin – Du guter Schleier | 65vmacher! ja in jeder jeder Noth könte ich zu Dir kommen das weiß ich wohl! und jede Freude bei Dir niederlegen. Grüße doch Deinen Bruder und die gute herzliche Fritz so tausend mal von mir – ihrer freundlichen Liebe werde ich oft gedenken!

Halb 2 waren wir auf dem Gute des Freundes von meinen Bruder, wo uns meines Bruders Töchter, die eine 20 die andre 18 Jahr, entgegen sprangen, mit einer Herzlichkeit als wenn wir uns lange schon gekant hätten wir aßen auf dem Gute Mittag, fuhren dann weiter, und waren halb sieben hir wo mich die gute Schwägerin empfing, mit ihres Mannes Freude, es fiel noch manches vor was mich recht bewegte und was ich wahrlich nicht verdiene.

Nun gehe ich zu Bette, die Uhr ist 9 und Du bist noch in Geselschaft.

Mein guter lieber Bruder, wenn Du kanst so mache unsern Bruder die Freude und komme auf hier zurük, er hat eine rechte Liebe für Dich. Und wenn die gute Lotte nicht kann, dann? – ach ja dann nimst Du mich mit zurück? Schlafe wohl

Deine Luise

Zitierhinweis

3687: Von Luise von Willich. Bunzlau, Sonnabend, 21.9.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007841 (Stand: 26.7.2022)

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