Eure Excellenz werden mir verzeihen, daß ich mich endlich überwinde durch einige Zeilen meinen Namen in Ihr Andenken zurückzurufen. Ohnerachtet Ihrer gnädigen Erlaubniß habe ich mich immer gescheut Ihnen von dem Geschäftskreis, in welchen ich unmittelbar verflochten bin zu reden. Er schien mir in leider noch zu geringem Zusammenhang mit dem Ganzen, die Erfolge sowohl als die Mißgriffe zu partiell und alle großen Wirkungen zu ungewiß und zu weit aussehend um Ew Excellenz Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Ueber Alles andere mußte ich Sie besser unterrichtet glauben als ich es thun konnte. Endlich breche ich das Stillschweigen, weil meine treue Ergebenheit mich drängt Sie auf's innigste zu bitten und zu beschwören auf Ihrer Hut zu sein gegen diejenigen, welche jezt an der Spitze unserer Administration stehen und welche dem Schein nach Ihre Einsichten benutzen, eigentlich aber nichts thun, als am rechten Orte sich Ihres Vertrauens und Ihrer Beistimmung rühmen, damit ihr Credit steige und hinterrücks alles anwenden um Ihr Andenken zu beschmuzen. Ich weiß nicht ob ich nöthig habe mich bei Ew Excellenz gegen den Verdacht zu verwahren, daß meine freundschaftliche Verhältnisse mit dem ehemaligen Minister des Innern, meine herzliche Zuneigung zu einigen andern mehr oder weniger außer Thätigkeit gesezten Staatsmännern, mich falsch sehen machen, ich bin mir aber bewußt klar genug zu sehen um durch kein persönliches Verhältniß getäuscht zu werden, ja ich kann behaupten, daß ich mich nicht einmal über Ew Excellenz täusche den ich doch unter allen öffentlichen Männern am innigsten verehre. Es ist | 31 nicht zu verkennen, daß die gegenwärtige Administratur Ihre Spur ganz verlassen hat, während die vorige nur darauf still stand, daß alles was sie auf der einen Seite thut verwerflich und strafbar wird durch das was sie auf der anderen unterläßt, daß alles was scheinbar zur Veredlung der Verfassung führen soll, bei ihr nur eine finanzielle Tendenz hat, daß auch in dieser Hinsicht was selbst unter günstigen Umständen immer übereilt wäre unter den gegebenen ganz verderblich wirken muß, daß überall die erbärmlichsten persönlichen Rücksichten vorwalten und daß sie alles thut um alle Stände unter sich und alle mit der Regierung zu entzweien ohne an irgend ein neues und haltbares Vereinigungsband ernsthaft zu denken. Nächst dem allgemeinen Unglück, dessen höchstem Grade wir nur durch ein Wunder entgehen können ist mir nichts so schmerzhaft als das verbreitete Gerücht, daß Ew Excellenz durch Mitwissen und Billigung an allen wesentlichen Schritten der Administration Theil nehmen. Ich wage es diesem eine Bitte hinzuzufügen. Ich bin zwar bei den Hauptpersonen des Hofes und des Kabinets hinreichend verhaßt aber doch in vieler Hinsicht so gut als unbeachtet und habe mancherlei Wege vieles unbemerkt zu erfahren. Nichts wünsche ich sehnlicher, als daß Ew Excellenz mich auf jede Ihnen gefällige Art brauchen mögen um zu erfahren ob man Sie hintergeht oder um falschen Gerüchten entgegen zu treten. Denn woran könnte mir mehr liegen als daß Ihr gesegneter Name eben so rein auf jedermann und auf die Nachwelt käme, als er vor denen dasteht, welche Sie selbst und Ihr öffentliches Leben zu kennen das Glück haben. – Durch meine Aeußerungen etwas bei Ew Excellenz zu verlieren fürchte ich nicht, sondern empfehle mich auf das vertrauungsvollste Ihrer Gnade und Gewogenheit.

Schleiermacher.

Zitierhinweis

3658: An Karl Freiherr vom und zum Stein. Juli 1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007796 (Stand: 26.7.2022)

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