Breslau den 10ten

 korr. v. Hg. aus: DasDaß Nanny einige Tage hier war, werden Sie, liebster Schleier, von Ihr selbst wißen, wie wir uns aber gefreut haben das liebe Mädchen wieder zu sehen, muß ich Ihnen sagen, es war eine recht unerwartete Freude, und die kurze Zeit verging uns zu schnell unter Gesprächen von vergangner und gegenwärtiger Zeit, ich finde Nanny ganz ungemein zu Ihrem Vor ­theil verändert, Sie ist viel offner und zutraulicher, und so gescheut, ich hätte nie gedacht  korr. v. Hg. aus: dasdaß Sie so liebenswürdig werden würde, wie Sie es jetzt ist, obgleich ich Sie immer sehr lieb hatte, Steffens und ich freuen uns schon auf die Zeit die Sie im November bey uns sein wird, und dann kömt Sie so bald nicht fort, das sage ich | 73v Ihnen und Ihrer lieben Frau hiermit; wie viel haben wir von Ihnen Allen gesprochen, die Begierde Ihre Frau kennen zu lernen, wird immer größer bey mir, und ist mir oft als müße ich Sie kennen, so auch die Kinder die Nanny mir recht genau beschrieben hat, Sie findet manche Aehnlichkeit zwischen Jette und Clär chen, die Kinder würden gut für einander passen, glaub ich.

Wir haben recht lebhaft der guten und bösen Zeit in Halle gedacht, und uns so manches wieder erinnert, auch die nun nicht mehr unter uns sind, sind nicht vergessen worden, und vorzüglich der herrliche Marwitz, dessen Tod mir immer schrecklich bleiben wird, obgleig es für Ihn vie leicht so am besten war. Nanny hat mich recht begierig auf | 74 die Bekant schaft der Gräfin Münster gemacht, es war auch Alexanders Lieb lingsSchwester. –

Ich freue mich  korr. v. Hg. aus: dasdaß es der guten Nany besser in Pless geth als Sie erwartete. Sie hat mir eine högst komische Reisebeschreibung gemacht, wie Sie die Studenten auf der Post unterhalten haben, ich bewundere Ihren HeldenMuth die weite Reise auf diese Art zu machen, ich glaube ich stürbe vor Angst auf der ersten Station, obgleich ich doch nun eine alte Frau bin, ich hoffe  korr. v. Hg. aus: dasdaß sich wenigstens von hier nach Berlin eine gute Gelegenheit finden soll, Nanny kann es ja hier abwarten.

Wir haben in den Tagen wo Nanny hier war wieder recht gefühlt wie einsam wir hier sind, und die Sehn | 74vsucht nach Euch lieben Freunden und ein geselliges Leben, wie wir es hier nicht haben können ist recht lebendig in uns geworden, Nanny kann Euch sagen wie verlassen wir hier sind, und vorzüglich der arme Steffens, der doch an Raumer nicht einmahl hat, was ich an Riekchen, obgleich wir auch zu verschieden sind.

Leben Sie wohl bester Schleier, und Sie liebe Henriette! nemt meinen Brief freundlich auf, ich konte es nicht lassen Euch meine Freude über unsere liebe Nanny mitzutheilen.

Steffens grüst tausendmahl, Er ist fleisig und wird wohl bald von sich hören lassen.

Hanne

Zitierhinweis

4177: Von Johanna (Hanne) Steffens (auch an Henriette Schleiermacher). Breslau, Dienstag, 10.10.1815 , ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007795 (Stand: 26.7.2022)

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