Dem Herrn Professor / Schleiermacher / Berlin [Bl. 43v]

Den 19ten März

Ich kann es nicht lassen Ihnen lieber Schleier noch einmahl in Steffens Angelegenheit zu schreiben, Er weis es nicht und ich mögte auch nicht gern  korr. v. Hg. aus: dasdaß Er es erführe. – Der arme Steffens ist ganz melancolisch(?) jetz wie ich Ihn nie gekant, die Art wie Er von Berlin aus behandelt wird kränkt Ihm sehr, und die Hoffnung  korr. v. Hg. aus: dasdaß die Sache endlich ein gutes Ende nehmen wird, schwindet immer mehr, noch gestern, wie Steffens in der Zeitung sah,  korr. v. Hg. aus: dasdaß zwey Professoren angestelt sind war Er ganz auser sich nun wieder hinter eine Lüge gekomen zu sein, es hies immer, es sollen noch einige Andere zugleich angestelt werden, darum verzögere es sich, nun haben die den Ruf, und Steffens ist weiter wie je vom Ziel, Sie glauben nicht was für ein elendes Leben Er hier führt, Er steht ganz allein, hat 4–5 erbärmliche Zuhörer, ist von seinen Creditoren geplagt, und wenn nicht vor Ostern der Ruf kömt, so ist er in der taht schlimm dran. Ich kann Ihnen nicht alles so auseinander setzen | 42v was Er hier entbehrt, aber als Er es gestern noch mir getahn, erschrak ich, wirklich bleibt Er noch länger hier, in dieser Lage so geth Er zugrunde; ich begreife nicht wie es möglich ist  korr. v. Hg. aus: dasdaß Sie und Reil beide so bedeutende Posten in Berlin bekleiden und dabey doch für Steffens Nichts geschehen kann, ich darf mir gegen Ihm garnicht merken lassen  korr. v. Hg. aus: dasdaß ich auch nicht die mindeste Hoffnung mehr von Berlin habe, tuhe ich es, so merke ich gleich  korr. v. Hg. aus: dasdaß Er Sie noch garnicht aufgegeben und Er sagte mir gestern  korr. v. Hg. aus: dasdaß Er nicht wüste was aus Ihm werden solle, wenn nun Alle Hoffnung verschwunden sey von der Seite, es ist eine nichtswürdige niederträchtige Welt! von der mann mit Freuden Abschied nehme, wenn mann Alles was mann liebt mit nehmen könte. Wie mich Steffens Lage quält, kann ich Ihnen nicht genug sagen es würde Sie recht traurich machen wenn Sie Ihn selbst darüber sprechen könten, für mich erwarte ich kein Glük mehr, seit mir der Himel durch den Tod der Kinder das Herz gebrochen macht mir Nichts mehr Freude, und wenn ich | 43 mein Dasein von Steffens seinem trennen könte, wäre mir, für mich jeder Ort gleich, aber einen solchen Mann ordentlich zugrunde gehn zu sehn, ist sehr schmerzlich.

Ich wolte es Ihnen nur noch einmahl ans Herz legen lieber Schleier, obgleich ich gewiß glaube  korr. v. Hg. aus: dasdaß es nicht nöhtig ist, Sie haben ja Steffens so lieb gehabt, und wenn Sie gleich es Ihm nicht mehr so oft sagen wie wohl ehmahls, kann ich nicht glauben  korr. v. Hg. aus: dasdaß sich Ihr Sinn hierin geändert. –

Sie sind ein rechtes GlücksKind, und sind mir auch immer vorgekommen, als verdienten Sie es ganz besonders zu sein. Wir nehmen gewiß vielen Theil an Ihrem Wohl.

Leben Sie wohl lieber Schleier, und nehmen Sie meinen Brief gut auf, ich konte es nicht lassen Ihnen zu schreiben.

H.

Zitierhinweis

3605: Von Johanna Steffens. Wohl Halle, Dienstag, 19.3.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007782 (Stand: 26.7.2022)

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