Berlin d 17t. Jun. 1815.

Ihre Symbolik, mein herzlich verehrter, habe ich bis jezt wenigstens noch nicht erhalten. Die Bücher gehen auf dem Wege der Buchbindergelegen heiten so langsam wie Flößholz, und stauen sich auch eben so leicht irgend wo an, wenn nicht beständig nachgeschoben wird. Ich möchte wol wissen, wo ich eine solche Nachhülfe anbringen sollte, damit mir dieses liebe Unterpfand Ihrer Zuneigung nicht verloren gehe. Aber warum sagen Sie, daß Sie es mir als ein völlig Unbekannter zugeschikt? Sind nicht Ihre Schriften da, und haben wir nicht gemeinschaftliche Freunde und Be kannte, durch die ich wenigstens von Ihnen schon länger unterrichtet bin? Ich kann nicht unterlassen Ihnen zu sagen, daß beim Blättern in Ihrer Symbolik – ordentlich gelesen habe ich sie noch nicht – mir einfiel Sie würden einige Uebereinstimmung zwischen finden in jener Predigt wenn sie Ihnen in die Hände fiele, und in mehreren andern deren Bekanntmachung noch bevorsteht

Ihren Freund betreffend so kann ich zu Ihrem Wunsche ihm eine Lehr stelle zu verschaffen | 4527 nichts beitragen weil ich aus dem Geschäftsverhält niß in welchem ich mehrere Jahre stand seit einigen Monaten ausgetreten bin, und mich aller indirecten Einmischungen enthalte wenn ich nicht gefragt werde. Auch ist unsere gewöhnliche Praxis ihm nicht günstig da er sich in diesem Fache noch gar nicht bekannt gemacht hat und also den gewöhnlichen Gang von unten auf würde machen müssen. Dagegen habe ich wegen seines eigenen Wunsches mit meinem Freunde dem Buchhänd ler Reimer gesprochen. Dieser ist Unternehmer eines Blattes welches am Anfang des Krieges unter dem Namen des preußischen Correspondenten anfing, jezt aber das Tagesblatt der Geschichte heißt. Es erschien anfangs unter Niebuhrs Redaction, der aber bald ins Hauptquartier gerufen ward und seitdem hat es theils wegen des harten Druks der Censur theils wegen beständigen Wechsels der Redactoren noch nicht recht aufkommen kön nen. Auch der jezige Redacteur ist wieder im Begriff dem Bureau des Staatskanzlers zu folgen – es ist Lange, der Uebersezer des Herodots – und die Stelle wird erledigt

Reimer ist nicht abgeneigt diese Verbindung mit Herrn Wezel zu schlie ßen; und da wir jezt täglich einem neuen Censur oder vielmehr | 4528 Preß freiheitsgesez entgegensehen (ohne welche Aussicht Reimer jezt wahr scheinlich das ganze Unternehmen bei dem er bis jezt nur Schaden gehabt hat würde aufgegeben haben) so wird das Blatt sich mehr als jemals heben können und das Geschäft vielleicht Herrn Wezels Wünschen ent sprechen. Er möge nun selbst entweder schriftlich das weitere mit Reimer abmachen oder wenn er Zutrauen genug zu der Sache hat gleich herkom men, was wol das beste wäre da der jezige Redacteur wahrscheinlich Anfang Julius abgeht. Reimer hat dem Redacteur monatlich 30 r prß Courant (etwas 50 Fl Rheinländisch) gegeben, und wird wol bis das Blatt sich bedeutend hebt nicht mehr thun, auch sich vorläufig nicht auf eine lange Verpflichtung einlassen. Dies ist alles was ich von dem äußeren der Sache weiß. Von dem Verleger selbst kann ich nichts gutes mehr sagen nachdem ich ihn meinen Freund genannt was ich im eigentlichen Sinne gemeint habe. Berlin gewährt übrigens einem Mann wie mir Ihr Freund aus Ihrem Briefe erscheint viel Annehmlichkeit, und es wird ihm auch gewiß nicht schwer werden zu diesem Geschäft welches die Zeit nicht ausfüllt (denn ich selbst habe es einmal als Noth eintrat ein Paar Monate nebenbei geführt) noch andere hinzufügen wenn ihm daran ge | 4529legen ist. Nur muß ich in Reimers Namen bitten daß er sich bald entscheide, damit dieser im Verneinungsfall andere Anstalten treffen könne.

Es soll mich freuen, wenn die Sache so ist daß Ihr Freund sie gern ergreift; noch mehr aber würde ich mich freuen wenn Sie Selbst Ihren Gedanken der unsrige zu werden mehr Wurzel schlagen ließen. Wird es Ihnen ganz Ernst: so würden sich die äußeren Bedingungen dazu auch schon finden. Der jezige Moment unseres Staats ist allerdings eine über raschende und wirklich eine nicht leicht gründlich zu verstehende Er scheinung. Ich habe den festen Glauben daß daraus viel wesentlich gutes hervorgehn muß weil wirklich viel reines und heiliges zum Grunde liegt, und dieses ist nie unfruchtbar oder vom Zufall abhängig in seinen Erfol gen; aber manche Erschütterungen mögen noch dazwischen liegen denn es sind auch noch viel Schlacken abzusondern.

Leben Sie wohl. Ich wünsche herzlich daß diese Berührung zwischen uns nichts vorübergehendes möge gewesen sein.

Schleiermacher

Zitierhinweis

4143: An Gotthilf Heinrich Schubert. Berlin, Sonnabend, 17.6.1815, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007755 (Stand: 26.7.2022)

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