Poseriz d 7t. Sept.

Du wirst sehr spät die erste Nachricht von uns bekommen liebe Nanny das kommt daher weil die erste Post von hier gleich den Morgen nach unserer Ankunft abging, ehe jemand daran denken mochte danach zu fragen. Unsere Reise ist so langsam gegangen daß wir erst Abends um 11 Uhr in Prenzlow waren ich lief indeß doch noch zu Herzens die wir hernach am andern Morgen in der Wirthshausunruhe bei uns sahen. Pferde hatte Jette nicht bestellen können wir reisten also Montag Morgen um 10 Uhr mit Postpferden weiter, mußten auf der lezten Station 5 Stunden auf Pferde warten und kamen erst Dienstag Morgen um 6 Uhr nach Anclam. Vor 7 war bei Stavenhagens Niemand auf und das erste was ich hörte war daß Manon seit 10 Tagen entbunden sei sehr schwer von einem starken Jungen aber unglüklicherweise mit einer ungeheuren Hasenscharte die nun unser Graefe operiren soll. Die Mutter war sehr in Angst und Sorgen Manon aber ziemlich voll guter Hofnung und sehr herzlich erfreut uns zu sehn. In Greifswalde blieben wir weil wir mit den Päßen nicht recht eher in Ordnung kommen konnten den Dienstag und Mitt- woch, waren Dienstag Abend mit Reimers und Rühs bei Schildner | Mittwoch Mittag von Niemand eingeladen im Wirthshause und den Abend noch bei Reimers. Alles ist wohl bis auf Mine die abends schwächlich und häufig mit bösem Kopfweh geplagt ist. Donnerstag gings über Milzow wo wir sehr überraschten und erfuhren daß Mühlenfels bei der VerpflegungsCommission in Stralsund arbeite dorthin. Wir fanden ihn auch gleich im Wirthshause. Ich adressirte mich an Israel aber wir erhielten unsere Pässe weil der General Morand ausgefahren war erst um 7 Uhr. Den über den ursprünglichen Text geschriebenDie Israel war bis dahin bei uns. Sie ist sehr stark geworden, fragte sehr nach dir und bedauerte außerordentlich daß du nicht mit seist. Um 7 Uhr gings zu Boot und um 10 Uhr kamen wir hier an. Den andern Morgen ging ich nach Götemiz und holte Lotte Kathen und Christiane her, M über den ursprünglichen Text geschriebendie Garzer waren Mittags hier und die Götemizer übrigen kamen Nachmittags nach. Sonnabend Morgen gingen Jette und ich nach Sissow, Mittags waren wir alle hier Abends mit den Garzern und Caroline Mühlenfels in Götemiz wo der Herz Geburtstag noch gefeiert wurde, das Detail mündlich. Gestern nach der Kirche kam ganz unerwartet Sophie Louise an und zwar ohne daß sie gewiß gewußt hatte ob wir hier wären. Abends waren wir in Sissow. | Heute Abend sind wir in Garz und Morgen geht es nach Jasmund wo wir bis zum 21ten bleiben und dann noch hier und in Götemiz bis zum 28ten oder 29ten. – Dein Brief mit den Proben ist angekommen. Grüße Schedens aufs herzlichste und laß bald von dir hören.

[Luise von Willich:] Durchaus sollten Proben in Deinem Briefe sein, die ich auch sollte bestellt haben; ich ließ mirs gefallen weil ich mich freute, doch da Du nicht selbst da warst einen Brief von Dir zu haben, diesen sparte ich mir auf bis ich ins Bette war, recht Gemüthlich öfne ich das Blatt – und auch nicht eine Sylbe ist für mich darin, Nanny und du selbst bist auch nicht da – ich kann Dir nicht sagen wie weh es mir that als ich hörte Du wärst nicht da! ich hatte mich sehr auf Dich gefreut, in unsern Abendstunden waren wir uns doch immer am nächsten, wir wusten wenigstens dann am besten was wir an einander hatten – weist Du noch Nanny wenn ich mich oft ganz vergaß und so halb ausgezogen vor dem Bett stehn blieb? Ich hätte Dich jezt gar zu gern gesprochen – Doch – göne ich es Dir fast daß Du zu Hause geblieben bist – Schleiermacher läßt mir sagen ich soll zum Schluß kommen – Schade daß Jettchen | meinen lezten Brief nicht mehr erhielt – ich hatte viel von Altenkirchen darin geschrieben wenn er ankommt gebe ich Dir Erlaubniß ihn zu lesen. Aber Jettchen muß ihn auch doch haben. Liebe Nanny mir ist so recht still und innig glücklich zu Muthe daß sie hier sind! ich will nun auch nicht traurig sein wenn sie wieder reisen, das beste behält man doch daran, wenn auch der Raum dazwischen tritt und uns manches nimt – und die Hoffnung bleibt ja auch des Wiedersehens so lange man auf einer lieben bekanten Welt mit einander lebt!

Grüße Carolinen – Wilhelminen! meinen guten lieben Arm, und Harscher freundlich von mir.

Deine Luise

sehr eilig

Zitierhinweis

3807: An Anne (Nanny) Schleiermacher (auch von Luise von Willich). Poseritz, Montag, 7.9.1812, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007740 (Stand: 26.7.2022)

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