Sontag d 20t Juni.

Mein lieber Mann ich hatte gestern eben einen großen Brief an dich auf die Post gegeben, ihn aber über Breslau an Gass adressirt weil man hier keine Briefe nach Berlin annehmen wollte als der Postmeister mir sagen läßt es sei Ordre daß wieder Briefe könten angenommen werden und daß die Post über Jauer ginge. Heute geht nun wieder die Post und da könte es sein daß dies Zettelchen ein paar Tage früher zu dir käme und da will ich dir hier noch einmal sagen wie es mit uns steht. Ich bin ganz reisefertig, kann einen Paß in Hirschberg bekommen, weiß mit gröster Sicherheit daß ich ohne Bedenken durch die französischen Armeen durchreisen kann, habe einen Direktor aus Löwenberg hier gesprochen der mir seine Hülfe angeboten; bei ihm logirt der französische General von dem er mir zu noch größerer Sicherheit einen Paß verschafft. Schon war meine Abreise auf Morgen angesezt als Kaufman Alberti mir sagt daß er von einem Postillon aus Sagan gehört daß bei Crossen und Frankfurth Preußen und Russen stünden und keinen Menschen durchließen auch alle P[ässe] nichts hülfen. Da nun die Russen hier in Landshut denselben Unsinn treiben so klingt das nicht ganz unwahrscheinlich, ich muß mich nun schon gedulden bis ich darüber was erfahren kann. Da nun die Posten gehn so gieb mir darüber schnell Nachricht, so wie du schreibst daß ich in Frankfurth über die Oder gelaßen werde so ist weiter keine Schwierigkeit und ich mache mich gleich auf den Weg. Von Koffer und von Assignation ist mir noch nichts zu Gesichte gekommen. Die Alberti hat mir Geld angeboten ich werde etwas nehmen, ich habe ohngefähr 80 Thaler. Wenn ich mit Extrapost was mir wahrscheinlich ist einen kürzern Weg nehmen kann als mit der ordinären so ziehe ich erstere auf jeden Fall vor. Meine Sehnsucht nach dir überwindet jede Furcht, ist aber auch gar kein Grund da zu irgend einer. Ich muß mich mit Gewalt zurückhalten daß ich nicht ohnerachtet des Gerüchts mich auf den Weg mache. Leb wohl mein theurer lieber ich hoffe bald bei dir zu sein.

Zitierhinweis

3922: Von Henriette (Jette) Schleiermacher. Schmiedeberg, Sonntag, 20.6.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007730 (Stand: 26.7.2022)

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