Dienstag d 25t. Abends

Glüklicherweise liebstes Weib habe ich noch ehe ich herausging Deinen Brief erwischt; der meinige war freilich schon zur Post, aber das wird wol immer so gehn. Es ist der zweite aus Schmiedeberg vom Sonnabend 22ten. Du kannst zwischen diesem und dem vorigen der Mittwoch früh schließt k über den ursprünglichen Text geschriebenwol keinen abgeschikt haben. Aber dann hast Du zwischen Mittwoch früh und Sonnabend auch kein Wörtchen an mich geschrieben. Bin ich nicht närrisch? ich habe einen ordentlichen großen Brief sobald ich ihn haben konnte, und ich wollte doch eben wünschen Du möchtest täglich wenn auch nur ein kleinstes Viertelstündchen, mit mir plaudern können. Aber laß Dir ja nichts vorschreiben sondern thue wie Du willst und kannst. Nur glaube ja nicht daß irgend was inhaltsleer ist was Du mir schreibst! Du bist ja immer darin Du wirst mir gegenwärtig und lebendig, und namentlich aus diesem Briefe tritt mir so schön die große Klarheit und Besonnenheit in Dir entgegen die mir unter den gegenwärtigen Umständen allein Ruhe und Zuversicht geben kann – Nur um zweierlei möchte ich Dich bitten was das schreiben betrift. Spare es nicht bis zu dem Tage wo die Post abgeht; Du willst dann schreiben und es kann Dir ja dann grade gar nicht so zu Muthe sein. Und dann liebes Herz, wenn Dir nicht so klar und ruhig ist, wenn Dich innerlich etwas drükt oder äußerlich dann komm doch gleich an Deines Mannes Brust und schreibe es mir mit ein Paar Worten, es wird gewiß Dir gleich wol thun und auch mir hernach! Ich habe es jezt wieder recht erfahren was das werth ist. Denn was ich Dir Gestern klagte das wird gewiß eben dadurch schon ganz verschwinden. Ich fühle gewiß nicht nur jezt so da Du mir durch Deinen Brief wieder | 19v ganz klar und gegenwärtig geworden bist, sondern es wird immer mehr fest werden. Ja liebes Herz laß mich nur immer so vor Dir stehn in aller Liebe und Heiterkeit, Du hast gewiß immer recht. Und darum will ich Dir noch Eines gleich gestehen. Ein Wort in Deinem Briefe hat mich betrübt, daß Du redest von ewiger Dankbarkeit. Liebste Jette sind wir nicht Mann und Weib? sind wir es nicht gleichsam aufs neue geworden und haben gefühlt daß wir es bleiben können und müssen? So sind wir ja viel zu sehr Eins als daß Dankbarkeit zwischen uns sein könnte. Beste einzige, wenn Du mir irgend etwas dankst als ob es ganz oder halb willkührlich wäre, und nicht rein nothwendig in und aus unserm gemeinschaftlichen Sein, nicht eben so gut Deine eigne That als meine – Nein liebste das mußt Du mir ganz zurüknehmen. Laß Dich umarmen liebe, laß mich ganz in Dein innerstes Herz und Gemüth mich einsaugen und fühle es recht wie ich in Dir lebe.

Etwas erstaunt war ich daß Du einen Posttag keinen Brief bekommen hattest. Hintennach aber bin ich wirklich meiner Sache nicht gewiß. Meinen Brief vom Sonabend den 15ten hast Du am Dienstag bekommen wie Dein erster Brief sagt. Zu diesem Dienstag den 18ten hatte ich dir auch geschrieben, weiß aber nicht gewiß ob ich diesen Brief weil ich die Assignation an diesem Tage nicht bekam dennoch abgeschikt habe, und der mit dem Koffer am Donerstag den 20ten abgegangene ein andrer ist oder ob jener bis zu diesem Tage liegen geblieben und nur fortgesezt worden ist. Mir däucht indeß das erste. Du darfst aber nur wenn Du den Brief mit dem Koffer bekomst die Tage nachsehn, und wenn Du nichts zwischen Sonnabend und Dienstag geschrie | 20benes hast so fehlt ein Brief. Es ist übrigens doch sehr unrecht daß wir nicht die Briefe von Anfang an nummerirt haben. Außer mit dem Koffer der Mittwoch den 19ten auf die Post gegeben und Donerstag abgegangen ist und den Du Montag bekommen haben mußt habe ich noch Sonnabend den 22ten abgeschikt und heute, und Du kannst Dich nun drauf verlassen daß ich mit jeder Reitpost schreibe. Merke aber doch ja drauf ob nach meinem ersten Briefe dir einer fehlen wird oder ob er vielleicht zu spät ankommt. Ist das[,] so muß eine Nachläßigkeit von Renert(?) daran Schuld sein und ich will dann die Briefe lieber immer selbst zur Post bringen. Was die Finanzen betrift liebes Kind so habe ich Dir schon geschrieben daß das Departementsgehalt für den künftigen Monat ist gezahlt worden. Ob aber wenn die Sachen sich im Junius nicht sehr bessern auf etwas weiteres wird zu rechnen sein, das kann ich nicht wissen. Was das Herausbringen der beiden kleinen Kinder ins freie betrift so habe ich am meisten auf Christel gerechnet. Wenn Ihr es nun aber nicht zwingen könnt: so wage doch ja das daran auf irgend eine Weise dort eine Person zu miethen oder Dich einer so daß Du sie für ein billiges jedes mal haben kannst zu versichern. Laß mich nicht mit dem Gedanken mich quälen daß Du Dich aufs fürchterlichste abäscherst unterdeß ich hier eigentlich noch immer herrlich und in Freuden lebe. Berede es nur mit Frize so könnt Ihr gewiß eine Einrichtung machen die Euch Allen nüzt und das Geld sehr werth ist was sie kosten kann. Wenn Du Dir einen Ueberschlag mit Frize machst wie lange sie glaubt mit den 50 r für eure gemeinschaftliche Wirthschaft zu reichen, und mit Carl wieviel Dir die Rükreise | 20v (nach Rükkehr der Ruhe wenn das Fuhrwerk nicht mehr so außerordentlich theuer sein kann) mit einem Fuhrmann kosten kann, wenn Du diese Summe zurüklegst und die 50 r die Du von Waeber bekomst ansiehst als eine zweite Wirthschaftsportion nach Ablauf der ersten so wirst Du ja leicht sehn können was Du an eure Bequemlichkeit wenden kannst, und von welchem Termin ab Du eine neue Wirthschaftsportion brauchen wirst. Lezteres laß mich dann nur wissen und es muß doch auf eine oder die andere Art Rath werden dazu. Ich könnte Dir von dem Junius Gehalt gleich noch Geld assigniren wenn ich nicht für Deine Reisekosten alle meine Kassen ausgeleert hätte; sie dürfen aber nicht alle leer sein, wenn nicht beim Eintritt des Winters und am Ende des Jahres gar zu große Deficite entstehn sollen. Ist es noch Zeit – wonach ich mich Morgen erkundigen will so sage ich der Kinderfrau für [...](?) über den ursprünglichen Text geschriebenJohanni auf. Uebrigens liebes Herz wenn die Oestreicher wirklich beitreten so kommen wir wol bald wieder zusammen, wo nicht so fürchte ich dauert es noch lange. Alle Personen die aus dem Hauptquartier kommen versichern aufs bestimmteste die Richtigkeit der Oestreichschen Allianz; allein einen Haken muß es noch haben da noch nichts öffentlich bekant gemacht wird, und man noch nicht gehört hat daß der General Bubna aus dem Oestre französischen Hauptquartier in Wien zurük ist. Die nächsten 14 Tage müssen dieses unfehlbar entscheiden; denn wenn dann die Oestreicher nicht ins Feld gerükt sind so kommen sie auch gewiß nicht. – Gar zu gern schikte ich Deine Briefe an Alexander wenn ich bestimmt wüßte wo er wäre, so geht es nicht denn auf lange kann ich sie nicht missen. – Nun gute Nacht liebes Herz   da hast du auch viel inhaltleeres Geschwäz. Du mußt es aber nehmen wie es kommt. Tags über den ursprünglichen Text geschriebenMorgen komme ich wahrscheinlich gar nicht zum Schreiben wegen der Spandower Fahrt. Das ist mir ein ordentlicher Schmerz.

Donnerstag den 27ten. Abends. Mit rechter Sorge mein liebes liebes Herz komme ich heute zu Dir. Da ich gestern den ganzen Tag aus war, heute Vormittag in der Kirche beschäftigt: so hat mich hernach die Nachricht von dem großen und wie es scheint ziemlich schnellen Rüks über den ursprünglichen Text geschriebenRükzug der Armee sehr überrascht. Ich kann sagen heute habe ich es zum erstenmal bereut daß ich Dich weggeschikt habe, da Du nun dort den Kriegsschauplaz ganz in der Nähe hast und hier alles ruhig ist – und nun noch von soviel rathlosen Leuten umgeben! und nun das unangenehme Gefühl daß viel- leicht wenn dieser Brief nach Schmiedeberg komt Du gar nicht mehr dort bist oder vielleicht schon übermorgen keine Briefe mehr dorthin angenommen werden. Ach könnte ich nur wenn vielleicht eine solche Zeit bevorsteht nur noch einmal mit Sicherheit zu Dir reden. Käme nur noch diese Zusicherung zu Dir daß Du mich nicht anders denken darfst als in der treusten und ungetrübtesten Liebe und Zärtlichkeit, daß Du Dir auch keinen sorglichen Augenblik darfst machen lassen durch das was ich dir neulich schrieb. Ja mein liebes liebes Weib, sollte uns eine Zeit bestimmt sein wo wir nichts von einander hören könnten so halte das nur recht fest, daß über den ursprünglichen Text geschriebenes ist die lauterste zuverläßigste Wahrheit. Wie ich aber auch noch diese härtere Trennung aushalten werde ohne vor Sehnsucht nach dir und den Kindern zu vergehn das weiß ich wirklich nicht! – Seit diesem Mittag hat mich der Gedanke an Dich, wie Du vielleicht eben in Berathschlagungen hin und her Dich abkümmerst, und wie viel | 21vleicht bei noch weiterem Rükzuge uns ein solches Abgeschnittensein von einander bevorstehn könnte nicht verlassen. Ich habe bei Schedens gegessen aber ein Anklang von Melancholie muß nicht sein zu verkennen gewesen. – Ich weiß Dir nun im Ganzen noch immer keinen bessern Rath zu geben als neulich. Bleibe so lange als möglich, und gehe dann so nahe als möglich und auf so kurze Zeit als möglich nach Böhmen. Aber binde Dich auch an diesen Rath nicht, es können ja Umstände kommen die etwas anderes nöthig machen. Die allgemeine Regel, das mindest weitläuftige womit Du für den Zwek Deiner Sicherheit wirklich ausreichen kannst zu thun, wirst Du schon von selbst beobachten. Nur den Rath möchte ich Dir noch geben. Sei in dieser Zeit nicht allzu zurükhaltend gegen die Vornehmen in Deiner Nähe, wenn Du sie zu irgend etwas nüzlichem gebrauchen kannst. Du weißt ich bin es eigentlich auch aber wenn es dann drauf ankommt so kann ich ihnen auch zu Leibe gehn. Ich habe ein großes Vertrauen auf das was Du thun wirst, und das ist mein einziger Trost in dieser Lage, wo ich nicht Dein Schuz und dein Rath sein kann. Denke dir daß Luise in einem kleinen Zettel mir ordentliche Vorwürfe macht daß ich dich weggeschikt hätte, Mann und Weib sollten doch Glük und Unglük miteinander theilen bis in den Tod – als ob Du es nicht mit mir theiltest. Darüber bin ich nun ganz ruhig und will sie auch schon zurecht sezen, sie hat nur keinen Begriff von unserm LandsturmEdikt.  Aber daß es nun so kommen mußte daß Du den unmittelbaren Schuz meines Armes entbehrst daß über den ursprünglichen Text geschriebendas ist mir sehr sehr hart. Vorwürfe mache ich mir nur über meine Unbeholfenheit, denn darin | 22 hatte ich wol recht daß ich mir nicht zutraute daß ich in einem ganz späten Augenblik noch für Dein Fortkommen würde zu sorgen wissen. Sage mir aber recht ehrlich, Herz, ist Dir der Gedanke auch schon gekommen daß ich Dich  über der Zeilezu voreilig fortgeschikt habe – nemlich nicht nach dem Erfolg sondern nach der damaligen Lage der Sachen? Sage mirs recht ehrlich. – Man will auch heute wieder Nachrichten haben daß die Armee wieder vorwärts ginge, auch wieder vom Einrüken der Oestreicher, aber sie sind mir sehr unsicher und ich halte sie nur für Aussprengungen um Muth zu machen. Sonst für die Sache ist noch immer nichts verloren, man führt einen recht hübschen kleinen Krieg im Rücken des Feindes, und wenn das Niederelbische Corps erst recht in Bewegung ist so werden die Armeen auch wieder Luft bekommen. Sollten gar die Siege in Spanien ihn nöthigen für seine Person nach Frankreich zu gehn (doch das glaube ich freilich nicht) so würde alles bald eine ganz andere Wendung nehmen. – Die Reise nach Spandow war recht belebt durch Arndts lebendige Erzählungen vorzüglich auch von einem Tyroler den er in Petersburg kennen gelernt, der Aufenthalt dort war recht vergnügt, das Festung besehen sehr interessant aber auch sehr fatigant, der Rükweg still weil wir alle müde waren und das Wetter schlecht. Gepredigt habe ich heute unstreitig etwas weniger populär als seit geraumer Zeit, aber es waren sehr gute Sachen darin. Ach Liebe, Du fehlst mir doch bei allem auch beim Predigen, wie Du überhaupt weit mehr auf mich wirkst als Du Dir einbildest. Ich habe es immer gewußt, und hätte diesen Beweis durch die fehlende Einwirkung füglich entbehren können. Gott nehme Dich in seinen Schuz! ich wünsche beharrlich und recht sehnlich, daß Du nicht nöthig haben mögest Schmiedeberg zu verlassen. Ich lege mich nicht ohne recht schwere Sorge um Dich nieder. | 22v

Freitag Abend. Ich habe heute einen ziemlich ruhigen Tag gehabt, ich meine wenig Landsturmgeschäfte, das geht aber auf Conto von Morgen. Ich habe daher heute mehr gearbeitet als sonst und konnte schon um 4 Uhr herausgehn ich habe ein ordentliches Stük Predigt geschrieben, eine mühsame Lectüre von Preisschriften für die Akademie gemacht und noch sonst mancherlei gelesen. Abends als ich schon ruhig beim Thee saß kommt Twesten, da mußte schon alles Milchbrodt und Brodt aus allen Ecken zusammengekrazt werden, und kaum haben wir eine Weile zusammen geplaudert so treten Savigny Eichhorn Scheel und Arndt herein. Nach überstandner Noth (eine Wurst war zum Glük im Hause) und nachdem ich ihnen erklärt sie müßten alle mit Einem Theelöffel trinken waren wir recht vergnügt und ein Glas Wein machte alle sonstigen Mängel gut; nur Savigny war nicht recht frisch, und ich habe ihn fast im Verdacht daß er eine schlimme Nachricht oder Ahndung in petto hatte die er nicht sagen wollte. – Podewils ist hier gewesen, ich wußte es gar nicht und treffe ihn zufällig eben als er wieder abfahren will. Er sagt mir Alexander sei von Dörnberg abgegangen und sei jezt bei Czernichef. Recht gefallen will mir das nicht da er bei Dörnberg doch einmal einen gewissen Einfluß erlangt hatte. Wie gern hätte ich dem ein Briefchen mitgegeben; aber nun ging es nicht mehr und ich habe ihn nur zum Schreiben ermahnen lassen. In Deinem lezten Briefe denkst du seiner doch auch mit keinem Wörtchen. – Mit der Kinderfrau ist es dann schon zu spät, und ich habe ihr nicht gradezu aufsagen können. Ich habe ihr nur gesagt Du wünschtest daß sie Johannis ziehen möchte, sie sah es auch ein und sagte wenn sie irgend einen Dienst finde wollte sie es gern zufrieden sein, ich habe auch schon Mine Reimer und Karoline Schede aufgetragen sich Mühe zu geben.   Das war nun mein heutiger Rapport liebes Herz, es ist spät. Möchte es doch ruhiger bei Euch sein als wir hier glauben und Du ohne Sorgen schlafen. Liebes Weib ich glaube, da hier wirklich gar nichts zu befürchten ist, wenn der Weg her nur sicher bleibt schike ich dir in acht Tagen Ordre zurük zu kommen da ich doch nicht absehe daß ich Dich holen kann. Der Gedanke schon macht mich ganz frisch und heiter. Gute, süße Nacht Dir und Allen. | 23

Sonnabend Nun mein liebstes Weib alles wohl erwogen weiß ich nicht warum ich noch warten soll Dir die Ordre zum über den ursprünglichen Text geschriebenzur Rükreise zu geben. Hier ist in der That jezt an gar keine Gefahr zu denken; dagegen könnte leicht in Acht Tagen dort Gefahr werden wenn beide Theile sich genugsam erholt haben um eine neue Schlacht zu liefern. Also denke ich wir wagen es in Gottes Namen, und ich bitte dich also wenn beim Empfang dieses Briefes der Weg von dort hieher sicher ist, d.h. wenn die superwordunsere Armeen noch jenseits der Straße stehn, und Du also hinter der Armee entweder den graden Weg über Bunzlau und Sagan oder auch den kleinen Umweg über Liegnitz und Lüben  über der Zeile⎡(oder über Goldberg und Polkwiz) reisen kannst und sich darin bis Du die nöthigen Anstalten hast treffen können nichts ändert, und Du einen Fuhrmann bekommen kannst wobei Du die Kosten Deiner Hinreise zum Maaßstab nehmen kannst so reise in Gottes Namen sobald Du kannst. Ich meine nemlich nur ein Fuhrmann wäre mir das liebste, weil ein verständiger Kutscher eine Art von Sicherheit gewährt, kannst Du aber keinen finden als für einen viel theurern Preis als Post: so wähle ordinäre Post oder Extrapost. Der Unterschied im Preise kann nicht sehr bedeutend sein wenn Du wegen des zweiten Koffers nur kein Pferd mehr nimst sondern ihn auf diesen Fall lieber zurükläßt, und Extrapost ist vorzuziehn weil ihr dann schlafen könnt, und vielleicht doch hie und da einen besseren Wagen bekommt. Die Anweisung von 50 r auf Waeber wirst Du hoffentlich erhalten und eincassirt haben; ich | 23v denke aber wenn ihr jezt reiset wirst du dieses Geld nicht brauchen. Was Nanny betrift: so kommt es darauf an ob du sie missen kannst. In diesem Falle laß sie sich nach einer Gelegenheit umsehn oder eine solche bei Carl abwarten. Statte sie wenn Du es außer jener Anweisung abwart missen kannst etwas mit 20 r aus denn damit könnte sie die Reise auf der ordinären Post gradenweges von Schmiedeberg nach Pless sehr gut machen, und sage ihr, ich würde ihr sobald es die Umstände gestatteten auf irgend einem Wege etwas für ihre dortigen Bedürfnisse zukommen lassen. Lieber ist es mir wenn sie jezt zur Mutter geht als wenn sie mit zurükkommt da Harscher noch hier ist und noch kein Wort gesagt hat und ich das unerklärte Verhältniß hier nicht länger mit ansehn möchte. Kannst du sie aber nicht missen für die Rükreise, nun dann versteht sich ist es ein anderes. Ich hoffe übrigens du mögest eine Person für die Kinder gefunden und genommen haben mit der Kinderfrau müssen wir dann schon sehen wie wir es machen. Eben so wünsche ich sehr daß ihr nun schon die nöthigen Gebirgsparthien möget gemacht haben. Sehr leid sollte es mir thun wenn Christelchen nicht die Fälle, die Koppe und wo möglich Kupferberg (damit sie doch auch in einem Bergwerk gewesen ist) und das Bolzenschloß gesehen hätte. Habt ihr es noch nicht gethan, und ist keine Wahrscheinlichkeit daß durch einen Aufschub von einigen Tagen euch das Kriegsgetümmel übereilen könne, so gieb lieber noch einige Tage zu. Genire Dich auch nicht zu sehr des Geldes wegen; wenn Du auch die 50 r mit angreifst so ist das Unglük nicht groß. Nimmst Du Extrapost so wirst Du es doch thun müssen. Glaube nur auch ja nicht Dich an irgend etwas hier | 24 gesagte genau halten zu müssen. Ich habe alles durcheinander geschrieben mehr um Dich zu veranlassen daß Du alles von allen Seiten recht überlegest. Die Hauptsache ist daß ihr kommt für den Fall daß man dort sicher reisen kann. Hierüber Gewißheit zu haben wird Dir nicht schwer fallen, schon der ununterbrochene Postenlauf und die allgemeinsten Nachrichten vom Stande der Armeen werden sie Dir verschaffen. Ich verlasse mich übrigens darauf daß Du mir den Tag Deiner Abreise noch meldest; kann auch diese Meldung erst nach Dir abgehn, sie kommt doch früher an. Ein Hauptumstand ist aber freilich Deine Gesundheit. Du Arme bist nicht recht frisch; ich hoffe Du hast ganz ehrlich geschrieben, wie ich, und nicht hinter diesen Ausdruk etwas bedeutendes verstekt. Auf jeden Fall sprichst du wol mit Neygenfind vernünftig ehe du reisest. Mir ist manchmal als wäre noch eine Möglichkeit daß du doch schwanger bist – es ist mir noch wie es mir gleich war. – Liebes Herz ich bin ganz von Freude durchdrungen bei dem Gedanken an unser Wiedersehn. Wie will ich Gott innig danken wenn ich dich wieder in meinen Armen habe, wenn ich das liebe kleine Volk wieder herzen kann. Gott gebe daß nun nur auf eurer Seite nichts dazwischen kommt, hier bleibt wol ganz gewiß alles ruhig. Man spricht auch schon davon daß Prinzeß Wilhelm die nur bis Frankfurt gegangen sein soll zurükkommen will. Im Grunde hat nur des General Bülow den man hoffentlich absezen wird unerhörte Dummheit den ganzen Lärm veranlaßt. – Die Briefe von den beiden Lotten an Nanny und Christel halte ich doch nicht zurük, und schikke alles mit der Reitpost damit Du nicht wieder vergeblich wartest. Mit der Sommerreise lasse ich es, Du kannst ihnen lieber hier eine aussuchen. Wenn du Carl Röder siehst so frage ihn doch wie man am besten Briefe an Wilhelm bestellt, grüße ihn herzlich, und sage ihm | 24v geschrieben würde meines Wissens jezt gar nichts der Arme darf wahrscheinlich nun auch gar nicht lesen. Grüße auch alle andern Menschen die nach mir fragen.

Ich wollte gern mit dem Fortschiken des Briefes warten bis auf den lezten Moment um noch Deinen Brief abzuwarten der doch gewiß kommt aber es geht nicht einer lieben Landsturms Conferenz wegen die gewiß zu lange dauern wird. Liebste Jette ich werde jezt ungeheuer zu kämpfen haben mit der Ungeduld bis ich weiß ob ihr reiset und täglich in der größten Spannung sein ob nicht Nachrichten kommen die es wieder unwahrscheinlich machen

Da kommt der Briefträger mit einem Briefe an Nanny und sagt mir die schlesische Post, die schon da sein müßte sei ausgeblieben. Vielleicht ist es nur ein Zufall! – vielleicht ist etwas vorgefallen was alle meine schönen Hofnungen wieder vernichtet und Euch das Reisen unmöglich macht. – Unsicher übergebe ich also auch diesen Brief mit seinem ganzen Inhalte der Post. Ich begreife indeß die Sache nicht recht, die Breslauer Post müßte doch haben abgehen und durchkommen können. Daß ich nun wieder mit so unruhigem Herzen schließen muß. Gott nehme Dich mit allem was uns lieb ist in seinen Schuz. Und laß es dabei. Sobald Du wegen des Standes der Dinge dort kommen kannst so komme ja denn hier ist alles vollkommen gut. Ich drüke Dich an mein Herz mit der zärtlichsten Sorge und mit der innigsten Sehnsucht. Gott führe uns bald und glüklich wieder zusammen. Grüße alles und gieb allen Kindern den zärtlichsten Kuß von mir. Dein

höchst verlangender und bekümmerter Ernst

Den Brief von Beck(?) habe ich aufgemacht weil ich mir einbildete wegen „frei Hamburg“, es könne aus Bremen sein. Sobald ich den Namen sah habe ich ihn wieder zugemacht

Zitierhinweis

3882: An Henriette (Jette) Schleiermacher. Berlin, Dienstag, 25.5. bis Sonnabend, 29.5.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007718 (Stand: 26.7.2022)

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