Donnerstag 13t. Abends.
Ich war froh als ich von Göschens zurükkam daß ich Euch nicht mehr fand, und ich erschrack daß ich froh war. Aber ich hatte nicht Zeit mich zu besinnen. Die Deputation war schon versammelt, es war von oben her eine Kränkung unserer Autorität vorgefallen. Süvern war außer sich, er wollte seine Hauptmannstelle niederlegen, ich hatte zu thun ihn zu beschwichtigen (herzlich wird er doch auch in diesen Angelegenheiten nicht) und mußte hernach auf den Ausschuß laufen um die Sache in Ordnung zu bringen. – Dann war Pischon ein bischen da und Dreist ein Bischen. Dann schrieb ich an Lotte Kathen. Dann aß ich ohne silberne Löffel, ohne Pfeffer und Salz, bezahlte Madame Pasenow die Fuhre und noch andere Fuhren; dann wieder Landsturmsgeschäfte. – Session ist nicht gewesen. Nicolovius begegnete mir auf der Straße und bestätigte mir die Auflösung des Departements. Schukmann ist schon nach Schlesien um es dort zu repräsentieren. Nicolovius geht Morgen nach Pommern oder Preußen zu demselben Behuf. Ob hieraus folgt daß man die | 1v Provinz zwischen Elbe und Oder schon ganz als Landsturmsfähig ansieht weiß ich nicht, wie ich überhaupt nichts weiß, denn mann sagt nichts. – Zwischen allem diesem habe ich tausendfältig an Dich gedacht, liebstes einziges Weib, an unsern Abschied an unsre Trennung in ihren mancherlei möglichen Gestalten. Gegen Sieben Uhr konnte ich endlich herausgehn um mich zu besinnen. Auf der Chaussée kamen mir Solgers nach um sich mir als junge Eheleute vorzustellen; sie gingen mit hinein, und wir hatten einige heitere und herzliche Augenblike. Durch den Garten begleitete ich sie nicht, weil ich eilen mußte, mir einen kleinen Anfall durch die Flasche zu vertreiben, was auch sehr gut gelang. Ich gerieth aber dabei in einen dumpfen Mittelzustand zwischen Schlaf und Wachen, bis der späte Thee mich herausriß. Ich las etwas in Deinem Lavater, manches sprach mich sehr an, manches stärkte mich; einen Abschnitt An einen Wittwer überschlug ich gradezu. – Ich habe mir eben betten lassen habe einige Zeilen an Boien geschrieben und dieses, und will nun schlafen gehn. Ob ihr glüklich bis Frankfurt gekommen seid woran ich selbst zweifle? ob ihr dort noch | 2 etwas habt thun können? wer mir das sagen könnte! Liebste Jette wie soll ich Dich entbehren und die lieben Kinder? und die süße Gewohnheit für Euch zu sorgen, und alles mit Euch zu theilen! Statt der lieben Gegenwart nun lauter unsichere schwankende Bilder von Euch. O liebste Jette nur das schöne Bewußtsein unseres ganz gereinigten ganz verklärten Lebens kann mich halten. – Uebrigens habe ich schon recht schlechte Augenblike gehabt. Das Geschäft, das ich dabei doch mit möglichster Treue verrichtete ekelt mich schon manchmal an, nicht als ob viel Unannehmlichkeiten unmittelbar bei uns vorkämen, sondern weil mir scheint, es wird nicht sonderlich geführt von oben und wird wenig Resultate geben, ohnerachtet wirklich schöne und kräftige Elemente in der Masse sind. Du siehst ich bedarf gar sehr des Gebetes für mich, das ich dir so besonders empfohlen habe. – Das Licht will bald ausgehn, Zeit wäre es auch mich zu Bette zu legen, Nachtigallen und Mücken haben bis jezt um mich gewetteifert. Gute Nacht mein liebstes Weib! In welcher Unruhe magst Du wie unsanft gelagert sein! Möchte wenigstens der Traum mit seiner holden Zauberkraft uns vereinigen.
Freitag Abend. Es hat mir aber leider gar nichts geträumt. Den Nachtigallen und Mücken haben in der Nacht die Wanzen nachgeeifert. | 2v Davon hatte ich daß ich zeitig aufwachte aber doch später aufstand als recht war, so daß ich mich sehr zersputen mußte um zur rechten Zeit ins Collegium zu kommen. Was für ein verworrener abgetriebener und doch fast leerer Tag! Auf dem Rükweg aus dem Collegio hörte ich einige gute Nachrichten so daß ich fast bereute daß ihr gereist wäret aber ich dachte wie mancher Augenblik kommen würde, wo ich mich wieder herzlich darüber freuen würde, und der ist mir auch nicht ausgeblieben weil Pistor heute Abend schon wieder üble Nachrichten hatte; der sieht aber alles übel! – Die ganze Geschichte mit Torgau soll falsch sein; der Kronprinz von Schweden ist wirklich angekommen, die Engländer wollen mit den Spaniern in Frankreich einfallen 160000 Mann stark. Das sind die auf die Länge und für das Ganze sehr günstigen Nachrichten, wie auch daß die Dänen Hamburg mit vertheidigen helfen so daß der alberne Streit wirklich ausgeglichen zu sein scheint. Dagegen sollen die Franzosen wirklich irgendwo zwischen Wittenberg und Torgau auf über die Elbe gegangen sein um auf hier zu marschiren, aber niemand weiß wo und wie stark. Bonaparte selbst soll bei Pirna übergehn um der combinirten Armee eine neue Schlacht anzubieten aber man vermuthet sie werde sie noch nicht annehmen sondern sich noch weiter zurükziehn bis in ein Land wo – nicht Milch und Honig fließt sondern Landsturm. Der König hat selbst den Befehl gegeben daß im Nothfall Berlin soll vertheidigt werden, und nun fängt man an zu schanzen vor allen Thoren längs dem Schaafgraben vom Cöpeniker bis Potsdammer. Prinzeß Wilhelm ist noch hier. – Da hast Du die Neuigkeiten gleich auf einmal. – Nach dem Collegio sollte | 3 eine Conferenz der SchutzDeputation bei mir sein, die Leute ließen mich aber fast eine Stunde warten und so war ich froh daß ich die Kirchenrechnung noch zu machen hatte. Ich aß bald nach Zwölf, und schrieb zwischen Suppe und Gemüse, und Kaffee an der Kirchenrechnung. Du weißt was für eine Wuth ich auf so etwas bekommen kann wenn ich einmal anfange. Von 2–5 war Landsturm dann ging ich etwas mit Marheineke unter den Linden der mir erzählte daß er Boeckh Rühs und Buttmann bei einander herum äßen. Vielleicht thue ich es auch um nicht in alle Greul des Alleinessens zu verfallen. Um 6 war Presbyterium bei mir und eben als es angehn sollte bekam ich den Auftrag eine Einsegnungsrede zu halten im Hofe des Universitätsgebäudes für das Bataillon Landwehr das Morgen früh marschiren soll. Es ist das wobei auch Reimer steht. Ich mußte mich also sobald die Conferenz aus war in meinen Talar werfen, und mich dort umsumsen lassen bis Acht ehe es zur Vereidigung und Rede kam. Wie freue ich mich Morgen auf den ruhigen Vormittag ich will erst gegen Mittag zur Stadt und bei Reimer essen, der Morgen noch hier | 3v bleibt. Ich las bei Suppe und Thee wieder etwas im Lavater, warum ich Dir aber nun den ganzen verbuschelten Tag beschrieben habe weiß ich nicht. Den Deinen denke ich Dir über den ursprünglichen Text geschriebenmir auch gar nicht erfreulich; mir ahndet daß Ihr heute nur zwischen Frankfurt und Ziebingen herum kröpelt. O Du ärmste! Du kommst mir ungeheuer verlassen vor! Wenn Dir nur wenigstens alle Kinder gesund sind, und die kl über den ursprünglichen Text geschriebenUnannehmlichkeiten nicht zu abscheulich. – Vielleicht Morgen wird doch der Kutscher zurük kommen und ich etwas von Dir hören. Nur des schönen Wetters freue ich mich deinetwegen. Heut Vormittag war ein herrliches kleines Gewitter mit köstlichem Regen und hernach das schönste Wetter. Morgen will ich Briefe schreiben auch an den Jüngling. Du hast seinen Brief an mich bei Dir? Nun den Inhalt weiß ich doch, und will ihm recht herzlich schreiben; aber was er von dir verloren hat wenn jener Brief nicht ankommt das kann ich ihm freilich nicht ersezen. Doch scheint mir eine Art Verhängniß darin zu sein wegen der gelauschten(?) Ahndung. Meine doppelte Haushaltung hat mancherlei unbequemes, und die Leute wissen sich nicht recht einzurichten mit drinne sein und draußen. Gewöhnlich wo ich bin ist nur Eine, und am andern Ort zwei. Aber ich kann doch die schönen Abend und Morgenstunden nicht aufgeben. | 4 Liebes Herz möchtest Du mir nur soviel schreiben als Dir der Reisetumult irgend gestattet und dich ja nicht scheuen wenn Du dir zu dumpf vorkommst. Darum gebe ich Dir so ein herrliches Beispiel von schlechten Briefen. – Boien habe ich nun berichtet (denn du weißt doch dergleichen alles gern) wie sehr nachtheilig es auf das Publicum wirkt daß man ihm gar nichts sagt über den Stand der Armeen. Leider wird es wol schwerlich etwas helfen weil sich Niemand die Geschiklichkeit fühlt etwas nicht sehr ermuthigendes doch auf eine gute Art zu sagen. Nähmen sie mich doch dazu! Uebrigens liebstes Herz ist es von sehr vortheilhaftem Einfluß auf meine Stimmung daß ich weiß der König selbst hat die Vertheidigung von Berlin befohlen. Gute Nacht, mein Herz. Reimer will Morgen früh wenn er das Bataillon herausführt etwas herankommen. Das wird um 5 Uhr sein und also muß ich schon schlafen gehn.
Liebe! könnte ich Dich doch zur guten Nacht nur einmal ansehn wie ich Dich so gern ansah in dieser schönen lezten Zeit. Gott sei mit Dir.
Sonnabend. Ich stand schon um halb fünf Uhr auf um Reimer nicht zu versäumen; aber er kam erst nach Sechse und konnte gar nicht lange bleiben. Ich las nachdem er weg war noch im Lavater, schrieb dann an Alexander und habe seitdem ein Pak Journale durchlaufen. Ihr Aermsten nun ist nach einem sehr schönen Morgen unangenehmes windiges Regenwetter eingetreten; das trift Euch nun gewiß auf ofnem Wagen. O wäret ihr nur erst | 4v wenigstens in Bunzlau! Ich begleite euch vorzüglich mit der Sorge um viel Langeweile und kleine Plakereien. Küsse mir doch die Kinder herzlich und erinnere die beiden großen fleißig an meine Ermahnung daß sie Dich nicht unnüz quälen sollen. Auch ist mir bange ihr könntet bei Bunzlau schon in retirirende Bagagen der Armee gerathen. Laß dich das nicht bange machen, es braucht deshalb nichts nachtheiliges geschehen zu sein; auch wird die Gebirgsstraße euch gleich wieder von ihnen entfernen.
Nun Gott befohlen, Rausch will die Briefe Mittags holen, also muß ich abbrechen. Mögest Du von keinen schweren traurigen Ahndungen geplagt werden mein liebes süßes Weib. Noch ist troz aller Anstalten gar keine nähere Aussicht daß es hier zu etwas kommt. Es scheint vielmehr daß die Franzosen nicht Lust haben jezt auf dieser Seite vorzugehn, denn nach Briefen aus Halle vom 11ten waren dort noch keine Franzosen ohnerachtet auch keine Preußen da waren, und General Thümen stand am 10ten ganz unbeunruhigt in Dessau. Verlaß dich drauf mein Herz daß ich Dich nie täusche, und daß ich sobald Aussicht zu etwas ernstem entsteht es Dir nicht verschweigen werde. Dein liebes Gesicht ist mir in allen Stimmungen gegenwärtig, und sobald die wehmüthige vortritt möchte ich dir Stirn und Locken streicheln und die verhaltenen Thränen und Seufzer wegküssen. Gott nehme Dich und die süßen Kinder in seinen heiligen Schuz. Gestern habe ich nicht magnetisirt, der Landsturm ließ es nicht zu. Nun ist aber alles eingerichtet und ich werde keine Abhaltung mehr haben. Ewig und ganz Dein alter treuer.
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