Potsd. d 3t Juny 1816

Wenn Du mein Lieber in diesen Tagen Deiner Geschäfte ohnbeschadet mitten in denselben auch meiner zuweilen dachtest – – so haben sich unsre Geister gewiß öfters begegnet – ich habe vergeßen zu fragen ob Du nach der Predigt das AbendMal austheilen würdest – – ich sehe Deinen Texten und den Gesängen mit eigner Ungeduld entgegen. Eulert sprach Gestern über die Worte: Gott ists der in euch wirket beide das Wollen u Volbringen es war recht zwekmäßig und herzlich – sehr lange hatte ich ihn nicht gehört – er verreist mit seiner Frau ins Bad – und wird wohl einige Monate wegbleiben –. Die Anzahl der Comunicanten war sehr klein – mir war es wahres Bedürfniß und es war mir bey manchem was mir jezt schwer und drükkend ist – doppelt stärkend – auch Hier in Potsd habe ich durch die Gnade und unermüdete Treue meines besten Erziehers | 18v viel gelernt – und lerne noch täglich – an der Geduld und am Schweigen – oft finde ich  korr. v. Hg. aus: dasdaß lezteres auf meinen Trozkopf am besten wirkt – ihr Gewißen wird dadurch oft so rege – daß ich mich im Innern freue – – ich gestehe Dir ganz aufrichtig – um dieses Mädchens willen die so sehr herunter gesezt wird – – und wirklich schwer zu erziehen ist – – that mir es leid – aber es sind gar zu viele wichtige GegenSäze – über die ich zu weitläuftig werden könte – – die mich alle Tage zum wegeilen bestärken – denen in ihrer Art guten Menschen gebe ich durchaus nichts ann als meine Schwächlichkeit. Sie richtete mir 2 PostTage hintereinan der Grüße von Ihm aus, daher ich sie frug ob es der Oberst nicht übel nehmen würde – wenn ich nicht selbst schriebe: ja ja meinte sie schreiben Sie nur – Sie können es ihm doch | 19 beßer auseinander sezen – – ich habe es gethan und ihr den Brief offen gegeben –

Verschiedentlich frug sie noch dringend ob ich auch nicht meine Kränklichkeit nur zum Vorwand nehme – – daß ich mich oft sehr an strenge und leidend wäre wuste sie und hätte es mit Bedauern gesehen – – ich blieb dabey – denn jede andre Erläuterung würde nur Unannehmlich keiten veranlaßen und doch nichts fruchten – also – wozu? Sie meinte: es würde auch in Ber immer ein schönes Verhältniß zwischen uns bleiben auch im Umgang der Kinder – und sie würde mich gewiß im Winter oft mit dem Wagen holen laßen: ich dachte: das will ich abwarten. Im Ge spräch wuste sie es so zu lenken als hätte sie durch die Solger gehört daß die Schede von Ruegen weggienge – und in Berlin conditioniren wolte um den Geschwistern näher zu sein | 19v ich frug ob ich ihr Auskunft über diese Person verschaffen solte die ich nur einmahl ganz oberflächlich gesehen – sie wolte aber nichts in der Sache wirken bis Block zu Hause komt, wor an sie auch recht wohl thut –! In einigen Tagen werde ich wohl einen Brief vom Oberst erhalten – – dann schreibe ich Dir wieder – – Sie ließ mir es auch merken wie es mir bey meiner lebendigen Thätigkeit wenn ich mich erholt und das Uebel gehoben wäre, wohl wieder Bedürfniß sein würde eine Stelle anzunehmen – vielleicht wo nur 1 Kind wäre und ich mich nicht so anstrengen dürfte – ich antwortete ich dächte jezt nur an den Winter wo ich bey Dir ein stilles Leben führen wolte – –! ich darf Dir noch sagen wie ich mich über die Freundlichkeit Deines guten Weibes gefreut – – wie sie mich

Zitierhinweis

4271: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Potsdam, Montag, 3.6.1816, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007700 (Stand: 26.7.2022)

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