Herrn Professor Schleyermacher / in / Berlin / CanonirStr / 4 [Bl. 11v]

Potsdam d 22t Mrz 1816

Recht lange habe ich nichts von Dir mein Lieber erhalten ich weiß nicht einmahl ob Du meinen recht ordentlichen Brief wegen dem Hofmeister nach Ringenwalde bekommen hast – doch hoffe ich es.

Du bist seit unserm Ersehen gewiß in einem leidenden oder doch un behaglichen Zustand gewesen – Du Aermster! auch die alte Lotte hat viel und mancherley Beschwerde ausgestanden – ich dankte Gott am Ende jedes Tages | 8v wenn er durchgeseufzt war – und freute mich nie auf die Nacht weil der schrekliche Husten mich lange nicht einschlafen ließ und mich sehr früh wieder weckte. ich hoffe alles von der beßern Witterung – Du mein Lieber hofst wohl erst von der Reise – Gotte gebe daß Du nicht zu früh in den ThierGarten ziehst – – das wirkt gewiß nicht wohlthätig auf Deinen Körper – so wohl die Wohnung selbst als das frühe ausgehen im rauhen Wetter! | 9

Seit 3 Wochen schreibe ich fast alle Tage nach Berlin da die Block mit Egmond bei ihrem Mann wohnt – und ich mit den 3 Töchtern allein binn – natürlich daß die gute Mutter gar zu gern was von ihren Töchtern hört – Diese Woche sind Jaskys hierdurch gekommen – er hat seinen Posten in Frankfurt an der Oder bekommen – da habe ich denn | 9v meine kleine Marie die voll zarter Lebendigkeit auf mich zuflog, recht innig an mein Herz gedrükt – die Eltern waren Beide recht freundlich – das Wiedersehn des Vaters und Sohnes – die so lange ich Hier im Hause bin getrent waren – konte nicht ergreifender sein! Der Junge ist Hier im CadettenHause – – zu gleicher Zeit war auch eine Schwester der Obersten Hier aus Templin die beym Präsidenten Geschäfte hatte – Alle | 10 aßen zu Mittag Hier – versteht sich aus dem GastHause – ich hatte aber doch als die quasi HausFrau viel zu thun – Tages darauf kamen Bloks auf einen Abend weil er zu einem seiner Adjudanten zu Pathen gebeten war – es waren daher einige recht frohe Tage.

Am Mitwoch war das herrlichste FrühlingsWetter – ich wanderte mit meinen Töchtern von 12 bis 2 im neuen Garten und weidete alle meine Sinne das Gehör ausgenommen – ich | 10v habe keinen Vogel gehört! auf die Kinder wirkte die herrliche Natur – das verschiedne Grün – recht wohl thätig – am Waßer konten wir gar nicht gehen weil alles ausgetreten und mehrere Inseln dadurch entstanden waren; an deine Kinder dachten die meinen auch sie sagten: Nany ist gewiß mit den Kleinen spazieren wenn auch die Großen Stunden haben – recht herzlich grüßen sie alle 4 – ich drüke sie an mein liebend Herz – – | 11 Dein liebes Weib hat mir einen gar lieben Brief zurük geschrieben – danke ihr dafür in meinem Nahmen in einer heiligen Umarmung (diesen Ausdruck hast Du mich selbst gelehrt) ich bitte ihn daher zu würdigen.

Deine Worte verspare D[ir] nur bis zum 31ten den ich Hier mit den Kindern ganz still verleben werde am 1ten Aprill komen Bloks alsdann tritt er seine Reise nach den Divisionen am Rhein an. | 11v Ob ich am grünen Donnerstag bey Euch bin, kann für jezt noch nicht bestimmen die

alte Lotte

Zitierhinweis

4251: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Potsdam, Freitag, 22.3.1816, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007696 (Stand: 26.7.2022)

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