Zum 6ten Merz 1816

Seid schön gegrüßt zum FamilienFest!

Das Gott der Barmherz'ge Euch feiern läßt,

Wie gern wer auch ich zugegen gewest!

Gott wird auf mein Flehn Euch Alle segnen

Daß Fried' und Freude sich stets begegnen

Daß Treu und Gerechtigkeit sich küßt

Und mann die Liebe niemals vermißt

Die Kinder die Heute im Verein

Sich ihrer guten Mutter erfreun

die wohl recht fröhlich und glüklich sein

Die werden sich aufs neue bestreben

den Eltern stets zur Freude zu leben

Denn nur in Eurem zufriednen Blick

liegt doch ihr einzig' ihr gröstes Glück | 2v

Viel Glück zu dem schönen traulichen Mahl

Ihr Freunde Alle seid wilkommen

bin ich auch nicht zum Fest gekommen

ist doch mein Herz von Lieb' entglomen

es freut sich innig der Freunde Zahl!

Bin ich auch nicht im erleuchteten Saal

Seh ich doch im Geist den sanft glänzenden Strahl!

Der in Schleyer solche Lieb erzeuget

 korr. v. Hg. aus: dasdaß jedesmahl wenn er ihn erblikt

Sein Inres zur Anbetung neiget

Sein ganzes Wesen Himlisch entzükt

Dis macht in der Ferne mich schon beglükt

Mein ganzes Inres wird dadurch erquikt | 3

Wenn auch das Bleigewicht öfter gedrükt

Hebt sich doch der Geist voll reiner Freude

Gott segne Euch kräftig Ihr Lieben Beide

Er kröne stets mit Liebe Huld und Gnad

den schönen Bund und Euren GlaubensPfad


Wenn auch meine Lieben, diese Reime ächt Gregorianischer Art sind – – was Schleyer erklären wird – so kommen sie doch aus einem warmen liebenden Herzen – da sie mir in recht leidenden Tagen gleichsam zuge floßen sind so durfte ich sie aus doppelten Gründen nicht zurük halten. – So nehmt sie denn hin und gedenkt so wohl im einsamen traulichen | 3v Stündchen – als in Gemeinschaft der Freunde der alten Lotte – doch bitte ich diese ganz einfachen Reime nur für Euch zu behalten

Du mein Lieber, wirst wohl meinen Brief wegen dem Hofmeister er halten haben! – Vor einigen Tagen war der Oberst Hier – und frug mich ob ich kein gutes Quartier in Berlin wüste – was er auf Johany miethen wolte es würde mir doch wohl lieb sein je näher es Eurer Wohnung läge – – daraus ist nun zu ersehen daß wir noch diesen Somer nach Berlin ziehen wenn sich nicht noch alles anders gestaltet – – denn bald darauf als wir uns Hier Alle wieder sahen schwebte eine große Ungewißheit darüber – –   die Frau war höchst verlegen und nicht weniger

Eure Lotte

Zitierhinweis

4244: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher (auch an Hernriette Schleiermacher). Potsdam, vor dem 6.3.1816, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007695 (Stand: 26.7.2022)

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