Herrn / Professor Schleyermacher / in / Berlin / Canonir Str. / 4 [Bl. 3v]

Potsdam d 7t Januar

Du wirst nun wohl meinen Brief in Händen haben mein Lieber, woraus Du ersehen wie ich mehrere Tage cörperlich gelitten – und wie mich dann die schnelle Trennung von der kleinen Jasky als auch das Hinscheiden des kleinen Otto sehr angegriffen hat – – Die Mutter ist wirklich sehr betrübt und bat mich in dem Augenblik da ich deinen Brief erhielt – nicht um etwas amusantes – sondern um was Tröstendes zu lesen – ich gab ihr den Philotas Beruhigung für Leidende ein Buch was ich aus früherer Zeit außerordentlich liebe und von der Ellert geerbt habe – –.   Gott gebe daß Elisabeths Unwohlsein nicht wiederkehrt – und Dein gutes Weib recht munter ist – in einer Stimung wie diese durch einen so schnellen Ueber gang wird eine doppelt zarte Besorgniß rege für alles was man liebt. Ueber mein eignes künftiges Seyn – bin ich durch Gottes Gnade weit | 1v ruhiger als ich es vor einigen Jahren in solcher Spannung hatte sein kön nen – – ich habe es dem Oberst bey Gelegenheit des Jahreswechsel wie derholt – daß wenn er es wünscht ich mit nach Koblenz gehe – aber an keinen andern Ort – der entfernter wäre wo ich Nachtquartier machen müste um zu einer Gemeine zu gelangen dis hat viel Schwierigkeiten be sonders auch wegen meiner Gesundheit – die eher wankend als stärker wird – er hat es auch ganz verstanden – – noch ist alles im dunklen – geht es nicht nach Coblenz so werfe ich mich wieder in Deine Arme wenn Du die alte Lotte aufnehmen wilst – und vertraue der Leitung des Herrn – der mir gewiß wieder einen | 2 Wirkungskreis anweisen wird – – .

Mit Deinem Briefe zugleich erhielt ich einen von der Schmalz sehr ernst und wehmüthig – Sie wünscht Du erführest es wieder – da es sie recht oft dränge es Dir selber zu sagen aber ihr Mann will es durchaus nicht – – – Laß mich nun bald wißen ob Du den Brief lesen willst – einen Auszug kann mann nicht machen, ich wüste nicht was ich weglaßen solte – – schreiben werde ich nicht eher als wenn ich weiß, Autorfußnote (am linken Rand) ⎡auch wenn Du den Brief nicht lesen wilst – so thue ich als hätte ich es nicht so ­­ verstanden was, ich ihr sagen soll – vorher habe ich gar nichts über die Sache erwähnt blos daß ich Dir von meinem Besuch alles erzählt – weil sie es wünschte und dann einige herzliche Worte nach meiner Art – – – ich habe Deine Schrift gelesen | 2 und hoffe die andern noch zu bekommen – weil es nötig ist um die Deine beßer zu verstehen aber so unkundig ich in der Politik bin – so verstehe ich doch leider den bitteren Spott der fast in jeder Zeile ausgesprochen – selbst im Lobe – – kam mir auch einigemahl das Lachen an so ver scheuchte die tief leidende Gestalt der herrlichen Frau samt der Erwach senen Tochter – bald jede Anwandlung Autorfußnote (am linken Rand) ⎡Sie soll das aber nie erfahren – daß ich sie gelesen. – – ach lieber Bruder – ich kann dirs nicht verheelen ich habe mich recht herzlich betrübt – ich habe schon oft gewünscht wenn ich es doch gar nicht wüste – doch hätte ich es auf jeden Fall wenn auch später erfahren da ich gewiß jedesmahl wenn ich in Berlin bin zur Schmalz gehe – da ich sie gar sehr | 3 liebe – – und mir deucht – sie ist es auch werth daß ich ihretwegen etwas leide – Gott wie wird Dir zu Muth sein wenn Du den Brief lesen wirst – – die Gräfin mit welcher ich bald darauf als sie die Schrift gelesen hatte, ganz allein sprach – mein te: Du müstest wohl von unbekanten gewaltigen Obern beherscht werden – daß Du es nicht laßen kontest dies[e] Schrift heraus zu geben – nicht genug hatte[st] an dem Kitzel den dir das schreiben g[ab –] Du bist mir nicht böse mein Lieber – – der Oberst hat mir die Schrift verschaft, der meinte es wäre überhaupt eine häßliche Geschichte – – Nun kein Wort mehr – – hättest Du mir doch die Nahmen der kleinen Gräflichen Person geschrieben – – was macht

Zitierhinweis

4224: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Potsdam, Sonntag, 7.1.1816, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007692 (Stand: 26.7.2022)

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