Wie angenehm Du mich mein Lieber durch die Sendung Deiner Predigt überrascht hast wirst Du Dir wohl selbst schon gesagt haben – und das um so mehr – als ich dort schon jammerte daß sie wohl nicht nachge schrieben – viel weniger konte ich ahnden daß sie gedrukt, – – – Nimm meinen innigsten Dank für dis liebe Geschenk – welches nächst dem was Du mir von den lieben Dohnas schriebst das sonderbare Gemisch von Gefühlen noch mehr erregte – – in derselben Stunde als Dein Paquet ankam – erhielt ich einige recht herzliche Zeilen vom Oberst die er dem mündlichen Dank voran schikte – die Block hatte mir schon eine Stunde vorher eine recht niedliche Kette an meine Uhr umgehangen, die sie selbst verfertiget – als zur Belohnung meines guten HausHalts während der 5 Tage die sie in Berlin war – – – Was Wunder wenn Du mich auch vielleicht darüber schiltst – daß ich ihr nun sagte – da ich mit eisernen und güldnen Ketten umstrikt sey wäre wohl des Grafen abermahlige Anfrage wieder vergeblich – meinte sie – ich möchte Dich doch fragen – ob man ihm nicht das Gebot | 8v laß Dich nicht gelüsten: abschreiben solte: wenn auch die Erzieherin nicht da stünde – sei sie doch mit drin begriffen. Ja mein Bester es thut mir recht leid – daß es grade die Dohnas betrifft – aber Gott der mein Inres kent und der am besten sieht wie sehr thätig ich hier bin – der weiß auch – daß ich dieses mühevolle Leben nicht mit einem ruhigern bequemern vertauschen möchte – – nur in dem einen Fall wenn mann mit mir nicht zufrieden oder der Oberst einem Ruf folgte wo ich die Gemeine nicht so nahe hätte wie hier – dann würde ich mich in jede andre Laage begeben die mich ihr wieder nahe bringt – – Gutes wirken durch Gottes Gnade den einmahl bewährt befundnen Grundsäzen treu bleiben und den unentbehrlich gewordnen Aufmunterungen zum Guten – dis wolle mir unser Herr aus Gnaden verleihen.

Merkwürdig daß solche ernste Betrachtungen sich mir in diesen Tagen aufdrängen die ohnehin | 9 dem Nachdenken der Rükerinerung theurer heiliger Stunden gewidmet sind – durch den doppelten Festtag – da die sesmahl unter den Texte – der Choral steht den mir beim Abschied zum unvergeßlichen Andenken die seelige Fürstin sagte – – Wärs etwa daß mein Geist noch hinge an einem Faden dieser Welt – – zerbrich verbrenne und zermalme was Dir nicht völlig wohlgefält – So werden auch Dir mein Bester die Worte der heiligen Schrift am 20–21 recht merkwürdig sein. 2. Mose 19 v 22. Daniel 4 v 31 32 Ebräer 13 v 15. 2. Corinther 6, 14: ich bitte sie nachzuschlagen wofern Du es nicht auswendig weißt.

Nicht aus irgend einer andern Ursache – – sondern wegen der häuß lichen Verhältniße – kann ich es nicht wagen – eher über Nacht wegzu gehen – bis der Oberst wieder komt – der dann Abends die Seinigen um sich her versammelt – – daher ich Dich nur | 9v im Geist begrüßen [kann] mein Lieber – – wärs möglich schon beim frühen Erwachen – wenn Du aus Jettens Armen entschlüpfst um Dich ein Stündgen der Unterhaltung mit Deinem ungesehnen Freunde zu widmen – – in diesem einsamen Ge nuß sowohl als in der lieblichen Gemeinschaft mit den Deinen und den Freunden am Abend – – versichre Dich der inigsten Seegenswünsche Dei ner Dich einzigen liebenden alten Lotte. Wenn Luise in den nächsten 14 Tagen komt und geht werde ich auch dies entbehren müßen. – Da ich den Besuch bey Euch mit dem AbendMahl am 16 December verbinden will wenn Kränklichkeit oder Witterung mir nicht entgegen – – treten

Grüße am 21ten Abends Alle Lieben die sich um Dich her versamlen – von Jetchen nim in einer heiligen Umarmung einen Kuß von

Lotten.

Zitierhinweis

4191: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Potsdam, Mitte November 1815, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007688 (Stand: 26.7.2022)

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