D 31 Dcbr 14 gegen 11 uhr

Gott segne Dich mein Lieber – Dich und Alle die Deinen – so rufe ich Dir in den lezten Stunden des scheidenden Jahres zu – und danke dir recht herzlich für alles was mir in diesem Zeitraum durch Deine Güte zu Theil wurde – daß ich dis Jahr hier beschließen würde hatte wohl Keinem zu Anfang desselben geahndet –! Aus meinen vorigen Briefen hast du ver nomen daß ich bedeutend unwohl war – ich bin wieder munter nur habe ich fortwährend am linken Auge zu leiden – wie es hier in Weinachten war habe ich geschrieben Gott weiß wie herzlich mich verlangt was or dentliches von Euch zu hören seit unserm Ersehen am 21ten November habe ich noch keine Zeile von Dir | 12v daß man mich so ins neue Jahr kann über gehen laßen – ist fast grausam und doch kann ich's nicht unterlaßen Euch zu grüßen – ich war Heute in der Versamlung die um 7 angieng und bis halb 9 uhr währte – mir war recht wohl unter den lieben Leuten – als ich zu Hause kam hatte man sich eben zu Tisch gesezt – – es wurde kalter Braten gegeßen Kuchen und warmer Punsch – obschon ein großer Ball und spectacle ist so blieben meine Blocks zu Hause – es wurde allerley gesprochen – und als der Oberst zur Trenung Befehl gab holte ich schnell der Kinder ihre NeujahrsWünsche die sie selbst verlesen musten weil er Morgen nach Berlin reist | 13 er war angenehm überrascht – und gerührt – und beim weggehen dankte er mir recht herzlich für alle Treu und Liebe für seine Kinder – ihnen empfahl er noch Gott zu danken – für die vielen und besondern Wohlthaten die er ihnen dis Jahr erzeigt hatte – wir gien gen herauf, nachdem sie ausgezogen las ich ihnen noch einige paßende Verse aus dem Gesangbuch – und that ein Gebet wie es mir aus dem Herzen flos – – sie waren gerührt aber recht heiter und liebenswürdig dabey wie es solchen Kindern wohl ansteht – – es war ein heiliger Mo ment – – erst einmahl that ich es – als ich die Erziehung ganz übernahm – und Heute | 13v

Nun mein Bester Gott rüste Dich ferner mit Kraft zu sein ein geseg netes Werkzeug in seiner Hand – als Prediger und Lehrer der Jugend – – zu verkündigen Jesus Christus gestern u Heute u derselbe in Ewig keit – unser Text am 1ten Januar 1815 – Seid getrost u unverzagt Alle die ihr des Herrn harret – Loosung.

Grüße Alle Bekante und Freunde gern möchte ich die Auserwählten meines Herzens einmahl wieder sehen recht gern bey Euch wenn sichs thun ließe – aber sie komen nicht so zusamen ich weiß auch nicht wan ich komen werde – grüße Nany und Harscher wenn er dazu empfänglich – – küße Alle deine Kinder und gieb Jetten in heiliger Umarmung einen Kuß von

Deiner Lotte

Zitierhinweis

4106: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Potsdam, Sonnabend, 31.12.1814, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007674 (Stand: 26.7.2022)

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