Herrn Professor Schleyermacher / CanonirStr. / 4 / in / Berlin [Bl. 11v]

Potsd d 26t Dcbr 14

Beinahe fange ich an zu fürchten – daß eines von Euch meine Lieben wenn auch nicht Schreibelustigen – doch die alte Lotte sonst eigentlich Liebende krank geworden seid – weil ich so gar nichts von Euch höre – und eben so wenig die mir ausgebetnen Schuhe bekomme – wahrschein lich ist meine noch in ziemlicher Schwachheit an Euch abgesendete Epi stel Heute vor 8 Tagen nicht bey Euch eingelaufen – sonst hättet Ihr mir doch die Gefelligkeit gethan und mir die Schuhe in die alte FriedrichStraße no 130 geschikt – ich bitte recht herzlich daß es künftigen Freitag nicht vergeßen wird – – die kleine Jasky komt dan wieder her die jezt bei ihrem Onkel dem Oberst zum Besuch. Wenn Nany es möglich gemacht meine Müze zu verfertigen wäre es mir sehr lieb denn die Kälte greift meinen Kopf sehr ann – ich will es gern bezahlen – wenn sie nicht Zeit hat – wenn ich nur Geld haben werde – hier wird wahrscheinlich erst am 1ten ausgezahlt – denn bis jezt habe ich noch nichts davon gehört – ich bin ganz arm – doch es wird wohl alles noch komen – – Heute als am 2 Feyertage habe ich bey Eulert comunicirt – die Anzahl war sehr klein aber die Predigt recht herzlich – das äußre Decorum der Lichter und crucifix ganz was neues in der Reformirten Kirche – hast du es auch so in der Deinen lieber Bruder? | 10v Uebrigens habe ich Heute mit wahrer Freude – die 3 Predigten gelesen die 9te 11te und 13te und jede so mich an sprechend – in meine inigsten Ansichten und Erfahrungen eingehend ge funden – daß ich mich recht erbaut habe – und gewünscht sie Dich spre chen zu hören da las ich aber in der Vorrede daß dis ein eitler Wunsch sey – und war wieder beruhigt und dankbar für das Genoßne – daß ich bey diesem lesen an die Reden über die Religion dachte – besonders in der 9 und 13 – dis wirst Du mein Lieber Dir wohl selbst erklären könen – im Geist sehe ich Dich dabey ann – – und wolte Dir die Stelle dazu auf schlagen.

Heute nach Tische fuhr uns der OberstLeutnant aus – – da that mir der Schafpelz sehr gut – aber die PelzStiefeln fehlten mir – ich sage es noch einmahl – sie werden mir am 31ten am JahresSchluß mit der Socie tät sehr fehlen – wenn Ihr sie nicht schiket – wir sind wohl eine Meile gefahren und kamen über Klinike wieder zurük – das Wetter war übri gens herrlich – und das Waßer sah Kristall hell aus – es ist mir sehr leid Euch Autorfußnote (am linken Rand) ⎡die Herz und Gräfin Voss und Roeder mit eingeschloßen und meine treue Garven in dem alten Jahre nicht mehr zu sehn – aber es läßt sich nicht thun – die Besuche sind zu viel an dem 1ten ich glaube ich werde nicht eher als in der Mitte Februar zu Euch komen | 11

Den 4ten hat die Block ihren GeburtsTag – bis auf dahin habe ich noch manches zu besorgen – was die Kinder arbeiten – sie haben den Eltern auch etwas bescheert – und Beide waren sehr erfreut über meine Besorgung – es war eine Strohdekke auf den Tisch an welcher es fehlte – ich habe sie selbst mit grünem Band eingefaßt – ein hörnener Mostrich Löffel und ein Pfropfenzieher auch einiges marcipan – Vorgestern um 6 uhr wurde den Kindern aufgebaut wie man hier spricht – vorher besah ich mit ihnen die hiesigen Kunstausstellungen die ganz artig waren – dann giengs in den erleuchteten Saal – den die Eltern allein schön aufgepuzt hatten – jedes einen Tisch – die Kleinste – eine Wiege mit Puppe – und hölzernes Geräth – – der Knabe ein ganzes Lager von blechernen Soldaten einen Pferdestall – Tornister – ein kleines ZeugHaus ArmBrust – und wenig Naschwerk – – meine Beiden einen Sopha Tisch 4 Stühle – The Maschine und alles was dazu gehört – wohl im kleinen doch aber ziem lich groß – – die Kinder des Kutschers fanden auch ihre Geschenke dan gab es noch einen kleinen Tisch vorauf sich eine niedliche Laterne – ein Arbeitsbeutel aus hiesiger WollenFabrikke – etwas marcipan – und eine niedliche goldne | 11v Uhr an einer schwarzen Kette hängend – Ihr rathet doch wohl daß dieses Geschenk worüber ich mich recht sehr gefreut für mich war – mit freundlichem Gesicht baten sie mich mit dem guten Wil len vorlieb zu nehmen – späterhin tranken wir The – wozu immer rhum da ist – – Gestern Abend hatten die Kinder Gäste – Heute auch – wenn ich noch etwas von Euch bekome schreibt Euch noch in diesem Jahr

die alte Lotte

Zitierhinweis

4104: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher (auch an Henriette Schleiermacher). Potsdam, Montag, 26.12.1814, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007673 (Stand: 26.7.2022)

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