Potsdam d 29 Obr 1814

Ohngeachtet mir Keiner von Euch lieben Schweigsamen ein Wort ge schrieben über mein Hierbleiben – so will ich doch die mir angebotne Güte der Frau von Buleau benuzen – und Euch etwas von meinen gehab ten Abendtheuern – und meinem Leben in diesen Tagen schreiben.

Also noch vor 12 langte ich im Posthause an – hatte noch gute Zeit mir etwas Obst einzukaufen – bekam 〈n-g l〉 auf der Journalière – einen Siz ganz allein mit mir zugleich stiegen 3 Militairs ein – die mir aber gar kein Schrekken einjagten – dagegen 5 FrauenZimer wahre PlauderTaschen – die einen unerträglichen Lerm machten – eine | 19v von ihnen schien eine anmuthige creature die aber leider sich einige Blößen gab und deswegen sich manches von den beiden Männern einstekken muste – der 3te mach te wie ich den ganzen Weg den Stumen ich war sehr froh als wir hier anlangten meine Gnädigen nahmen es sehr gnädig auf daß ich so Wort gehalten – – ich war so müde und erhizt – daß ich mir eine Tasse The ausbat – welches mir gern gewährt wurde – – Der Oberst und sie waren eingeladen – die Kinder bekamen Abends auch The und hatte eine bouil lon aufgehoben welches mir sehr lieb war. Montag Mittag überreichte ich dem | 20 Oberst meinen StundenZettel – er war sehr zufrieden mit der Ein richtung und Eintheilung – d.h. ich hatte erst seit einer Woche alles über nommen – sie hatten nicht eher dem Lehrer etwas davon gesagt – nach Tische fuhren wir ein Stündchen aus weil der Oberst den Wagen den er gekauft versuchen wolte er Kutschirte selbst – das brachte manchen Sol daten wegen der Begrüßung in die Flucht –   Am Dienstag Abend waren Roeders zum The es war ganz angenehm – mir vorzüglich ein Glas Punsch – den der Oberst ganz herrlich macht. | 20v

Mitwoch Abend kam Herr von Jasky der Vater des Kleinen der hier noch in Kost des Abends ist – bis eine Stelle im CadettenHaus leer wird er war sehr betrübt der gute Mann sich von allem was ihm Gott noch ge laßen zu trennen – und nach Lüttich in einem ihm ganz fremden Ort zu gehen – wo sein Regiment steht er empfahl mir seine Kleine, mit Thränen – er jammerte mich – ich versprach ihm, es von Herzen mich der Kleinen in aller Absicht anzunehmen. Gestern Abend nach Tische nahmen | 9 Herr und Frau Oberstin von mir Abschied. Früh um 2 wurden die Kinder gewekt und angezogen – es wurde mir ordentlich schwer mich von ihnen zu trennen – um 3 uhr fuhren sie weg – ich war nicht aufgestanden – konte aber lange nicht wieder einschlafen – und stand erst gegen 8 uhr auf – noch vor Tische gieng ich zur Gräfin Schmettau wo ich seit jenem The – wovon ich Euch geschrieben nicht gewesen – Die Trefliche war sehr gütig und lud mich auf Heute zum Kaffe ein, damit wir Uns recht traulich unterhalten konten ehe die andern Damen kämen – | 9v sie trug mir auf Mademoiselle Schok mit einzuladen – eine ihrer sehr Vertrauten – ich gieng hin – und fand an ihr eine große Verehrerin von Schleiers Schriften – vorzüglich der Monologen es ist eine Schwester der Generalin Kassel – eine sehr kränkliche, aber sehr unterrichtete auch musicalische Person – –   Nun meine Lieben lebt wohl – ich schließe diese Epistel die Ihr wohl erst Dienstag Abend erhaltet – aber es muß alles Heute fertig weil Mor gen Gelegenheit zu Frau von Buleau geht die auf dem Lande wohnt.

Lotte

Zitierhinweis

4087: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher (auch an Henriette Schleiermacher). Potsdam, Sonnabend, 29.10.1814, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007669 (Stand: 26.7.2022)

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