Gdfr d 14 May 1811

Dieses ist bereits das dritte Blatt welches ich seit eingen Wochen nach Berlin abgehen laße, um etwas von Euch Allen – besonders aber von Deinem Befinden guter Bruder zu erfahren, um welches ich mich ernstlich kümre und öfters des Nachts sorglich an Dich denke. – An die Nany glaube ich geschrieben zu haben, daß ich selbst sehr leidend gewesen bin – aber seit ich ordentlich medicinirt habe, bin ich nach meiner Art frisch und heiter – Daß ich in einer andern Geselschaft binn und wieder oben in der Stube als wir das frohe Wiedersehn 1802 feyertenAutorfußnote (am linken Rand)mag auch nicht wenig zu meinem Wohlseyn beitragen – mann liebt mich – und ich athme freier – auch sind sie sanft und gebildet⎡am linken Rand – unendlich viel habe ich an jene mir unvergeßliche Zeit gedacht! es ist auch herrliches Wetter – alles blüht und grünt – zwar kann ich nur am Tage kleine Viertelstündchen erschleichen – weil ich, wie ich schon gemeldet, dieses Vierteljahr sehr beschäftiget binn – Abends kann ich nicht zu lange nach SonenUntergang draußen seyn – | 11v Nany hatte ich allerley Aufträge an Dich gegeben ob sie besorgt – und wann ich darüber etwas hören, oder lesen werde muß ich freilich erwarten –!! –! – bey deiner Verheirathung ahndete ich wohl nicht so wenig durch Nachrichten und Mittheilungen befriedigt zu werden – noch dazu da du immer einige Weiber um dich hast – – ich bitte, ich klage, alles vergebens!   Die treue HertzAutorfußnote (am linken Rand)mit welcher du wohl seit unserm Ersehn – schon manchmahl einen Wortwechsel – oder gar ernsthaften Streit hattest ist nun auch von Euch nach dem herrlichen und lieblichen Dresden gereist – dann nach Wien – wie sie mir schreib – was sie dort sucht – kann ich nicht ahnden – hat sie dort Verwande oder will sie nur die KaiserStadt sehen – ein hingeworfnes, vielleicht, oder wenn sie der Rükweg nach Schlesien führt – unterstüzt nur noch schwach die schon wankende fast ganz aufgegebne Hofnung sie dieses Jahr hier zu sehn – vor, oder gleich nach Pfingsten schreibe ich wieder – dann lege ich einen Brief an die, Trefliche, ein – sie wieß mich an Dich | 12 weil Du ihre adresse hast – aber – guter lieber Vergeßlicher besorge mir meinen Brief bald recht ordentlich – ich würde nicht mistrauisch sein – wenn Du mir nicht mehreremahle dazu Anlaß gegeben hättest! – Nany solte mich so bald es nur bestimt ist – mit der Abreise nach Ruegen bekant machen – damit ich mit der Gelegenheit an die Pistoriuss schreiben könte – nun wirdt es gewiß schon zu spet sein – seit vorigen Herbst weiß ich nichts von, ihr, – ihren lezten Brief erhielt ich durch Jettens Schwester die nach Schlesien geheirathet hat – aber wohin – schreibt mir auf mein öfteres Fragen, Niemand, auch nicht wie ihr Mann heißt –! ob die Jerimiade nun einmahl zu Ende ist – höre ich dich sagen – ich will hier schließen ob zwar noch mancherley anzumerken wäre – recht herzlich bitte ich mich recht bald über alles zu befriedigen – vornehmlich über deine Gesundheit aufrichtigen Bericht – und auch meine große Sehnsucht | 12v nach etwas von Dir durch eine mir längst versprochne Predigt zu stillen – überhaupt höre und lese ich zu wenig von dir – und so viele Menschen, sprechen, von deinen Schriften – von deinem Wirken aufs Ganze – usw.

Wie ich mich nach den Kindern sehne – habe ich Dir und Jetten schon oft geschrieben – aber ich will mich gedulden bis künftiges Jahr – um Elisabeth in der schönsten Entwikelungsperiode zu sehn – mit Innigkeit drüke ich öfters alle 3 an mein liebend Herz – seit einiger Zeit habe ich mit 2 kleinen Wesen vor – die in Jetchens Alter sind – wie mich dergleichen noch sehnsuchtsvoller macht – – ich lege Dir die Kinder deines Freundes bey Gelegenheit – des 18ten Mayes mit freundlicher Bitte, recht ernst und feyerlich an Dein liebend Herz – um ihrer selbst – und auch wegen Jetten – laßt mich von ihnen wißen – Küße sie Beide von mir – Hier giebt es viele recht niedliche Kleine Wesen unter denen ich mir oft Elisabeth gedacht habe aber keine Vorstellung mag dem Original reichen.

Seid Alle nebst Nanny herzlich umarmt von Lotten

über Breslau solte ich – schriebst Du mir im Winter – ein dergleichen paquet Deiner Geistes producte bekommen – noch nichts erschienen! –

Zitierhinweis

3631: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Dienstag, 14.5.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007644 (Stand: 26.7.2022)

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