Gdfr d 4t Ap 1811

Ein eignes WehmutsGefühl vermischt sich diesesmahl mit dem innigen Dank, den ich für deine liebevolle Unterstüzung Dir bringe – ohne welche ich bey  korr. v. Hg. aus: allemallen Schulbeschäftigungen, dennoch in der kläglichsten Laage mich befände – ja wohl, jämmerlich würde es für mich ausfallen wenn mein gütiger Wohlthäter mir voran gienge – Dorthin – wo keine Bedürfniße dieser Art uns peinigen – und deren nicht Befriedigung den siechen Körper vollends vernichten – – aber mein Guter – ich würde Dich nicht lange überleben – wiewohl | 7v ich schon manches schwehre überstanden habe – ich will davon abbrechen – Du weist – wie ich Dich liebe und jezt innigst schätze Gott weiß – mit welcher trüben Ahndung ich in dis neue Jahr übergegangen bin – die Nachrichten von Deinem guten treflichen Weibe die für deine Gesundheit sehr besorgt – machten mich freilich noch wehmütiger – wenn schon deine eignen Worte die ich erst am 31 Vormittags erhalten mich etwas erhellten so konte ich es ihnen gleichsam abfühlen – daß Du in einem | 8 sehr abgeschwächten Zustande Dich befandest – Du Guter es ist wohl alles vereinigt Magenkrampf und colique! hältst du dich auch warm genug? und bewahrst du dich vor zu vielem Fett? – ich versichre dich – es schadet – thut dir PfefferMinze nicht gut? auch camillen – verordnet dir der Arzt nicht Krampflavements wozu auch baldrian genomen wird? ich habe das innigste Mitleiden mit dir – denn ich weiß alles das leider aus | 8v langer Erfahrung – dazu kommen noch meine schwachen Nerven – jezt habe ich sehr viel zu thun habe oft bis, 6, außer der EßensZeit nicht eine Stunde frey – – das komt – von den verschiednen Heirathen der Schwestern die mit der Anstalt zu thun haben – Eine geht sogar mit ihrer Mutter nach Sarepta – Schuhman ist nach Sachsen gereist – übrigens gebe ich den kleinen Söhnen des Kaufmann Thräne auch Unterricht – | 9 laße mir dis nur in schlechtem Geld bezahlen – die Frau, mit der ich weiland in der Anstalt zusamengewohnt, schikt mir dafür öfters Suppe oder sonst was ordentliches – was mir gesünder als das unsrige. Denn Erquikungen in Speise und Trank sind mir von Nöthen – die wechselnde ungesunde Witterung hat einen ungünstigen Einfluß auf mich – wahrscheinlich auch auf Dich – Gott stärke Dich da Er dich auf alle Art in einen so großen Wirkungskreiß gesezt hat – und auch | 9v heilige Pflichten im Familienkreiß auf Dir ruhn – thue alles was Dir gutes gera- then wird – Dich in immer frischer Jugend und Thätigkeit zu erhalten – eingedenk der Monologen – Nany wird Dir am 31ten von mir alles ausgerichtet haben – vergiß nicht – mir Predigten zu verschaffen die Du in Berlin jetzger Zeit gehalten ach daß ich recht bald durch die treue Herz oder Nany etwas beruhigendes wegen Deiner Gesundheit erführe – mit innigem Wünschen für Dein Wohl umarmt Dich im Geist

Lotte

Zitierhinweis

3614: Von Charlotte (Lotte) Schleiermacher. Gnadenfrei, Donnerstag, 4.4.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007643 (Stand: 26.7.2022)

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