Am 21 November 1811

Wie kommt mir ein Dich heute zu begrüßen,   Dich Sieger über Raum und Zeit, Dem Jahre spurenlos vorüberfließen,   Den Bürger aus der Ewigkeit! Doch gönne meinem Herzen das Entzücken   Dem heißen Drange Schall zu leihn; Mir will der schwerste Sieg nicht ferner glücken,   Ich muß vom Druck die Brust befrein. Zu grüßen Dich, an Deinem Lebenstage,   Treibt heil'ge Lust und frommer Dank, Daß Dir des Kindes leises Flüstern sage,   Was ich mit Schmerzen oft bezwang! – Mir nicht umsonst bist Du vorbeigezogen,   Du schönes reiches Lebensbild; Die Stralen hab' ich durstig eingesogen,   Mit deren Glanz Du überfüllt. | 1v Und Licht im Innern ist mir aufgegangen   Und heil'ge Glut durchglüht mein Herz, Und ausgeträumt hab' ich den schweren bangen   Verworrnen Traum von Lust und Schmerz. Hab' Lebensmuth und Liebe mir getrunken   Und Siegeslust dem dumpfen Wahn, Die Truggestalten sind vor mir versunken,   Es dehnt sich freundlich meine Bahn. Dein Geist ist es, der im Vorüberschweben   Mich angeweht mit Himmelsmacht, Daß nun dem schön-verjüngten frischen Leben   Ein heller Stern durchstralt die Nacht. Doch alle ziehn ihr Licht nur von dem Einen,   Der einst in Osten still sich hob, Um Gott und Menschen liebend zu vereinen   Da Sünde sich dazwischenschob. Du schaust ihn an den ew'gen Stern der Wahrheit   Der Erd' und Himmel sanft erhellt, Aus Nebeln immer freier windet Klarheit   Sich los und überglänzt die Welt. | 2 Und was der Gott in tiefer Brust hier kündet,   Begeistert strömt es Dir vom Mund, Und das Geheimniß das die Welt entsündet,   Wird schnell erstaunten Horchern kund. Und sinnend ganz im heil'gen Wort verloren,   An Deiner Lippe festgebannt, Zu schönerm Leben jugendlich geboren,   Versinkt in Nacht der ird'sche Tand! Und eine Welt, wo jeder Qual entnommen   Den reinen Geist nicht Sünde trübt, Entfaltet sich gemach dem Blick der Frommen,   Der jetzt nur Eine Schönheit liebt. Ein innerliches ungestümes Mahnen   Treibt von Gefühl zu Wort und That, Die Geister brachen sich mit Allmacht Bahnen,   Und schon entkeimt die reiche Saat. Ein schneller Blitz auf einmal hellt die Nächte   Der blinden Kinder dieser Welt, Und liebend reicht die Hände der Gerechte   Dem Bruder, dem das Netz gestellt; | 2v Bis alle Eines Himmelreichs Genossen   Und Priester an dem Hochaltar Vereint auf Erden wallen überflossen   Mit Licht von oben wunderbar. O theurer Mann, daß auch von meinen Blicken   Sich solch ein Paradies enthüllt: Wem denn als Dir verdank' ich das Entzücken   Das meine ganze Seele füllt. Nimm meines Dankes still geweinte Thränen,   Das Herz, dem sie entfließen, an, Und walle lange noch zum höchsten Schönen   Durchs Erdendunkel mir voran. Und laß mein Lied, wie schwachberedt, Dir sagen,   Dir, der mein freies Herz gewann, Wenn größre edlre Herzen Dir geschlagen,   Daß kein's Dir treuer schlagen kann. Friedrich Sack.

Zitierhinweis

3705: Von Friedrich Samuel Gottfried Sack. Berlin, Donnerstag, 21.11.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007629 (Stand: 26.7.2022)

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