An / Herrn Professor / Schleiermacher / in / Berlin [Bl. 2v]

Was Sie mir aufgetragen haben, würdigster Mann, ist pünktlich von mir besorgt. Herr Kirchen Rath Schwarz sieht mit Freude einiger Nachricht von Ihnen entgegen; weder Bücher noch sonst einige schriftliche Nach richt ist ihm von Ihnen zugekommen. – Wülknitz hat sich sehr gefreut, daß Sie Seiner noch gedacht haben; er hat hier einen sehr interessanten Umgang gefunden, der durch die Bekanntschaft mit Voss und Schwarz noch erhöht werden wird. –

Mein Vater schrieb mir vor mehreren Wochen, wie Sie so gütig ge wesen wären ihm Ihre Verwendung für Adolph's oder(?) mein Bestes zu zusagen. Dies heischt um so mehr meine innige Dankbarkeit, je weniger ich jemals habe thun können um Ihre Güte, verehrter Mann, zu verdie nen. Für eine bürgerliche Laufbahn, die meines Vaters Willen zufolge, mit nächstem Ostern be | 1vginnen soll sind nicht gar glänzende Aussichten. Der Graf zu Solms-Laubach hat mir zwar mit vieler Freundlichkeit eine be stimmte Anstellung versprochen, aber es ist ja noch Alles so unbestimmt bei der organisation der neuen Provinzen am Rhein daß sich wohl vorerst etwas Sicheres nicht erwarten läßt; und daß ich am Rhein bleibe, fordert meine Gesundheit. – Ueberdies trete ich mit großer Zaghaftigkeit ins bür gerliche Leben ein, weil ich mich nicht hinlänglich vorbereitet glaube, nicht, daß ich mir Vorwürfe wegen Nachlässigkeit und Unfleiß zu machen brauchte, sondern daß Krankheit und daraus entspringender Unmuth mich meine Zeit nicht so hat benuzzen lassen wollen, wie ich hätte sollen und können. Dazu kommt, daß mein Vater mir das Kriegs-Jahr für mein studium anrechnet, er bedauert daß mein Leichtsinn sich so selbst bestrafe und daß ich die Zeit des Schlagens nicht auch habe zugleich für Ausbildung mei | 2nes Geistes habe benuzzen können. Dies betrübt mich wohl freilich, doch nicht so, daß ich den Muth darüber verliere. Ich hoffe wenn mir Gesundheit wird und ich das Wohlwollen der Bessern mir ge winne, daß dann auch mein Stern fernerhin freundlich leuchten wird. – Fühl ich doch in dieser bedrängten Zeit, wie ich glüklicher sein mag als Viele, weil ich mein Vaterland liebe und es gern ausspreche, was doch Andre entbehren. Diese Liebe und ein ihr entsprechendes Streben wird mir bleiben. –

Nehmen Sie, verehrtester Mann, diese wenigen Zeilen wohlwollend und nachsichtig auf, und entziehn Sie mir nie Ihr Wohlwollen.

Ihr ergebenster Ludwig Mühlenfels

Heidelberg den 5ten Febr. 1816.

Zitierhinweis

4234: Von Ludwig von Mühlenfels. Heidelberg, Montag, 5.2.1816, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007581 (Stand: 26.7.2022)

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