Stolpe d. 12. Oct. 1813.

Es wird Ihnen, ehrwürdiger Mann, nicht ganz gleichgültig seyn, einmal wieder etwas von mir zu hören. Mir war es ein sehr angenehmes Gefühl, als ich im Correspondenten Ihre Anzeige las, daß Sie die Redaction de ßelben übernommen hatten, seit dem finde ich an ihm ein neues Interesse; wenn ich ihn lese, ist mir als höre ich immer Sie lesen, oder erblicke mit Ihrem Auge die großen Begebenheiten des Tages. Nun darf ich zwar von dem Vergnügen, das es mir macht, mich mit Ihnen zu unterhalten, nicht auf ein gegenseitiges bei Ihnen schließen, auch nicht annehmen, daß Sie mich noch so liebten, wie ehemals. Nicht als ob ich schlechter geworden wäre, Gott sey es gedankt, ich glaube, ich bin ruhiger, weiser, frömmer geworden, und so werden Sie mich denn lieben als ein Mitglied der Ge meine der Heiligen, mit christlicher Bruderliebe; damit bin ich auch voll kommen zufrieden, ja, wenn ich mich recht verstehe, so habe ich auch für keine andere Freundschaft als diese Sinn. Aber eben deshalb glaube ich nicht, daß Sie außer diesem allgemeinen noch ein besonderes Interesse an mir finden könnten, deßen Person nichts besonderes intereßantes hat, so wie dagegen ich an Ihnen viel, deßen Person so viel eigenthümlich Schö nes besitzt. – Melden mußte ich Ihnen, wie der himmlische Vater am 5ten dieses unser liebes Kindchen Henriette Elisabeth, Ein Jahr weniger 2 Tage alt, nach einem vierteljährigen durch das Zahnen verursachten schweren Leiden zu sich genommen hat. Gebet dem Kaiser, was des Kaiser ist, und Gott was Gottes ist, so habe ich gedacht, und das arme Kind, das kein Fleisch und Blut mehr hatte und der Erde nicht mehr angehörte, gern dem Himmel gelaßen. Mit hohem Intereße habe ich das Gesicht des kranken Kindes, mit seinen großen Augen und stark hervortretenden Zügen ange sehen, und noch im Sarge war es mir, als sähe ich hier das Alter mit der Kindheit vermählt, so stark markirt war alles an dem zarten Gesichte. Nun habe ich gar nichts mehr, als wenn man es, da die zwei Ersten todt zur Welt kamen, und dieses Kindchen gestorben ist, noch so nennen kann, die gute Hoffnung, der meine Frau jetzt im 6sten Monat ist. – Sie werden, wie ich im LectionsVerzeichniß sehe, diesen Winter wieder sehr fleißig seyn.

Ich las vor einigen Tagen in der Leipziger Litteratur Zeitung eine Re zension Ihrer theologischen Enzyklopädie. Hätte der gute Mann ein biß chen Scharfsinn gehabt, so hätte er Ihnen wol nicht den Einwurf, den einzigen, mit dem er hervorrückt, machen können, und es muß Ihnen lieb seyn, daß sogar ich seinen Fehlgriff gefunden habe. Er meint,  korr. v. Hg. aus: sieSie machten die Theologie zur Magd ihrer Herrin der Kirche, womit natürlich jener Abhängigkeit begründet wäre. Nun ist sie Ihnen freilich Herrinn, aber nicht ist jene Magd, sondern sie ist Ihnen die wohl ausgerüstete Vernunft, die der Herrin ihre Hoheit und Gerechtsame geltend macht. – Empfehlen Sie mich Ihrer Frau Gemahlinn; meine Frau versichert Sie Ihrer besondern Verehrung, mit welcher ich verbleibe

Ihr Freund Metger.

Zitierhinweis

3970: Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Dienstag, 12.10.1813, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007573 (Stand: 26.7.2022)

Download

Dieses Dokument als TEI-XML herunterladen.