Sie sind jetzt meine höchste Obrigkeit, und ob mit dieser die Freundschaft bestehen könne, daran sollte ich billig zweifeln; da sie aber bei Ihrer geistigen Ueberlegenheit bestanden hat, so vertraue ich, sie werde es auch bei Ihrer bürgerlichen. Lieb und Bedürfniß muß es Ihnen auch wol seyn, Freunde zu haben, die Ihnen als einem Würdigen die hohe StaatsWürde herzlich gönnen, da es wol seyn könnte, daß Neider sie Ihnen mißgönnten. Nicht als ob ich davon was vernommen, im Gegentheil so viel ich gehört, freuen sich alle; ich meine nur, der Neid bleibt nicht aus.

Ich habe mich Neujahrstag Ihres Briefes an Hering gar sehr gefreuet. Ich war bei Hering und er selbst sehr vergnügt über Ihren Brief las mir denselben vor. Sie sind also ein glücklicher Vater geworden von einer gesunden Tochter; ich nehme daran herzlichen Antheil, und wünsche daß Ihre liebe Gattinn jetzt möge wieder gestärkt seyn. Sie hatten auch meiner im Briefe freundlich gedacht, und Albertinchen, die ich bei Arnolds, wohin ich gleich von Herings gieng, antraf, sagte zu mir, wie sie gleich von Ihrem Briefe anfiengen, Schleiermacher schreibt auch von Ihnen; auch von Ihnen hätte ich antworten und auf ihre Verehlichung hindeuten mögen, aber ich ließ es, ob gleich ich vermuthete, daß es ihr als eine Art von billiger Erkennt | 55vlichkeit wol wäre lieb gewesen. Bewerber haben sich um Albertinchen genug gefunden, jetzt scheint ein Offizier begünstigt zu werden, wie es heißt von ihr und den Eltern.

Ich kenne den jungen Mann wenig, aber ich glaube doch nicht, daß er Albertinchens Geld sucht; Albertinchen ist ein hübsches, munteres, resolutes, und doch so sehr bescheidenes und ehrbares, gewiß also liebenswürdiges Mädchen.

Ich habe einige Fragen an Sie. Die erste ist zugleich eine inständige Bitte für die 2 ältesten Söhne meines Vorfahrs und seiner hier lebenden Witwe, der Hofpredigerin Küster. Die arme Frau hätte die beiden Söhne gerne ins Oranienburger Waisenhaus. Hierüber haben Sie nun wol zu entscheiden, und ich möchte Sie daher herzlich bitten, zu thun was möglich ist. Der älteste Sohn Wilhelm Küster wird den 11ten Juli dieses Jahres 10 Jahr, und der 2te Herrmann Küster wird den 24ten May dieses Jahres 7 Jahr alt. Die Mutter kann die Kinder unmöglich allein reisen laßen, sie will sie selbst nach Oranienburg hinbringen, aber weil dieß lästig und kostbar ist, beide zugleich. Nun wird aber, wie ich höre, kein Kind vor dem 8ten Jahr aufgenommen; sollte es aber nicht angehen, daß, | 56 was der älteste über 8 Jahr hinaus ist, dieß als ein Plus gerechnet würde, was das Minus des jüngern deckte, und also beide schon dieß Frühjahr aufgenommen würden? Sollte dieß nicht angehen, so wäre die Hofpredigerin K auch schon sehr zufrieden, wenn sie die Zusicherung erhielte, daß ihre 2 Söhne zugleich diesen Frühling über 1 Jahr ins Oran Waisenhaus aufgenommen werden sollten. Erfüllen Sie hierin meine Bitte, oder rathen mir, an wen ich mich sonst zu wenden habe.

Mein zweite Frage betrifft den Gehalt meines seeligen Schwiegervaters. Meine Schwiegermutter ist ungewiß, ob das, was aus der Kirchenkaße gezahlt wird, und die 400 r aus der GeneralDomCasse und die 110 r aus der Hofstaatskaße alles ist, oder ob nicht noch sonst was gehoben wird. Darüber erbäte ich mir von Ihnen Antwort, weil es ihr vorschwebt, als ob  korr. v. Hg. aus: sieSie auch aus der Casse montis pietatis gehoben hätten.

Wie heißt der Mann, dem Sie Ihre NachmittagsPredigten übergeben haben und von dem Sie so rühmlich sprechen? Sie zalen ihm 300 r, sehr generös; Sie rechnen nicht was er für jede Predigt verdiente, sondern daß er beinahe die Hälfte von den Geschäften des Amtes verrichtet, also auch die Hälfte des Gehaltes haben muß.

Werden Ihre Collegia zahlreich besucht? Ich habe aus den Zeitungen gesehen, was Sie lesen; den praelectionum cata | 56vlogus hätte ich gern gehabt, konnte ihn aber nicht bekommen.

Sie erinnern sich gewiß noch des Kaufmanns Strölow am Markte; der arme Mann hat vor 14 Tagen das Unglück gehabt seine Frau zu verlieren; schon längst zur Melancholie geneigt, geht sie des Morgens aus, und kommt nicht wieder; es läßt sich nichts anders denken, als daß sie im Fluße ihren Tod gesucht hat, aber man hat sie noch nicht gefunden. Ein anderer trauriger Todesfall: ein H v Schwichow, ein junger, zwar verheuratheter, aber wüster wilder Mensch, reiset vor 14 Tagen aufs Land; hier versucht er seine Kunst im Springen, springt mit dem Degen an der Seite einigemal zum Fenster hinaus und wieder herein, anfangs glücklich, zuletzt bricht er sich das Bein, und stirbt nach 3 Tagen. Nicht ohne Rührung habe ich indeß gehört, daß er gegen das Ende mit vielen Trähnen soll gesagt haben: Schwichow, Schw das ist deiner Sünden Schuld.

Ich befinde mich mit den Meinigen, die sich mit mir Ihnen und Ihrer Frau Gemahlinn und Demoiselle Schwester herzlich empfehlen und gratuliren, durch Gottes Güte recht wol. Ich könnte eifersüchtig werden, denn gestern hat die ganze Nacht durch meine Frau, wie sie mir offenherzig genug bekannt hat, und noch dazu durch häufiges Erwachen unterbrochen, sich mit Ihnen im Traum unterhalten. Aber die Eifersucht kenne ich nur aus Beschreibungen. Haben Sie die Güte, beiliegendes Blatt an unsern Reimer zu übergeben.

Ihr Freund Metger.

Stolpe den 10t Jan. 1811.

Zitierhinweis

3570: Von Friedrich Severin Metger. Stolp, Donnerstag, 10.1.1811, ediert von Sarah Schmidt und Simon Gerber. In: schleiermacher digital / Briefe, hg. v. Simon Gerber und Sarah Schmidt. Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin. URL: https://schleiermacher-digital.de/S0007571 (Stand: 26.7.2022)

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